Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 13. Dezember 2012
Aktenzeichen: 4 U 107/12
(OLG Hamm: Urteil v. 13.12.2012, Az.: 4 U 107/12)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. April 2012 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
A.
Die Klägerin verpflichtete sich mit einer am 29.08.2006 abgegebenen Unterlassungserklärung, bei Meidung einer zu überprüfenden, jedoch mindestens mit 5.100,‑ € zu bemessenden Vertragsstrafe die Bezeichnung "Krimi-Dinner" - gleich in welchen Schreibweisen - im geschäftlichen Verkehr zu verwenden und der Beklagten die entstandenen Anwaltskosten zu erstatten. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.09.2006 erklärte die Klägerin die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung. Hilfsweise wurde der Vertrag wegen anfänglichen Fehlens der Geschäftsgrundlage sowie aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB gekündigt.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin in erster Linie die Feststellung, dass ein Unterlassungsvertrag am 29.08.2006 nicht wirksam zustande gekommen sei. Hilfsweise wird die Feststellung begehrt, dass die Beklagte keine Rechte aus dieser Vereinbarung mehr herleiten kann, äußerst hilfsweise soll die Beklagte verurteilt werden, in die Aufhebung der Unterlassungserklärung einzuwilligen. Zudem verlangt die Klägerin Zahlung der außergerichtlichen Anwaltskosten.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Der Feststellungsantrag, ein Unterlassungsvertrag mit der Erklärung vom 29.08.2006 sei nicht zustande gekommen, sei zulässig, aber unbegründet. Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO folge daraus, dass die Beklagte an der Wirksamkeit der Unterlassungserklärung festhalte und weiter daraus Rechte herleiten wolle. Der abgeschlossene Unterlassungsvertrag sei aber weder wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 780 BGB noch wegen § 142 BGB i.V.m. § 123 BGB unwirksam. Es seien keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Unterlassungsvertrag vom 29.08.2006 formunwirksam sei. Es bestünden erhebliche Bedenken, ob der Vortrag der Klägerin hinsichtlich des Formerfordernisses genügend substantiiert sei. Vieles spreche dafür, dass § 780 BGB wegen § 350 HGB gar nicht anwendbar sei. Dies könne aber dahinstehen, weil der entsprechende klägerische Vortrag gemäß §§ 296, 282 ZPO als verspätet anzusehen sei. Denn erstmalig im Termin unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung vom 20.04.2012 habe die Klägerin auf die vermeintliche Formunwirksamkeit der Unterlassungserklärung abgestellt. Es wäre ohne Weiteres möglich gewesen, diesen Sachvortrag früher in den Prozess einzuführen.
Die Klägerin habe auch die Voraussetzungen des § 123 BGB nicht in ausreichender Form dargelegt. Die Einrede der Verjährung stehe nicht entgegen, weil zwar Rückabwicklungsansprüche, die aus der Anfechtung folgen, nicht aber die Gestaltungsrechte als solche der Verjährung unterliegen. Eine arglistige Täuschung könne aber nur angenommen werden, wenn die rechtliche Begründung der Beklagten in ihrem anwaltlichen Schreiben vom 07.08.2006 (Unterlassungsanspruch aufgrund Verletzung eines Schutzrechts nach dem MarkenG an dem Begriff "Krimi-Dinner") vorsätzlich unzutreffend ausgeführt worden wäre. Dafür seien in keiner Weise Anhaltspunkte vorgetragen.
Auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag, dass die Beklagte aus der Unterlassungserklärung vom 29.08.2006 keine Rechte mehr herleiten könne, sei unbegründet. Sofern sich die Klägerin auf einen Schadensersatzanspruch aus §§ 311, 280, 249 BGB berufe, so stehe diesem Vortrag die Einrede der Verjährung entgegen. Da die Voraussetzungen für eine Anfechtung gemäß § 123 BGB nicht gegeben seien, könne die Klägerin aus diesem Gesichtspunkt nicht die begehrte Feststellung verlangen. Gleiches gelte für den Vortrag bezüglich einer Kündigung gemäß § 314 BGB. Die Klägerin habe keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen wichtigen Grund vorgetragen. Sie habe sich auf die Abgabe einer Unterlassungserklärung eingelassen, ohne dazu gezwungen gewesen zu sein. Es hätte ihr freigestanden, dem Ansinnen der Beklagten nicht zu folgen und die markenrechtliche Frage gegebenenfalls durch einen Rechtsstreit klären zu lassen. Der Klägerin könne nicht dahin gefolgt werden, dass sie - von dem Ansinnen der Beklagten überrascht - unter dem Druck der Abmahnung keine andere Wahl gehabt hätte. Zum einen habe die Beklagte ihr eine Fristverlängerung gewährt; zum anderen sei sie mit Mail von Oktober 2005 bereits dazu aufgefordert worden, die Bezeichnung nicht mehr zu verwenden. Es werde auch nicht deutlich, dass sich Umstände nachhaltig geändert hätten, die im Falle der Kenntnis beim Vertragsschluss hätten berücksichtigt werden müssen. Dies würde allenfalls dann gelten, wenn höchstrichterlich abschließend geklärt worden wäre, dass der Begriff keinen Markenschutz genieße, was aber nicht der Fall sei. Aus diesem Grunde sei auch nicht zu untersuchen, ob und inwieweit der Begriff "Krimi-Dinner" im vorliegenden Fall tatsächlich Markenschutz genieße.
Der zweite Hilfsantrag auf Zustimmung der Beklagten in die Aufhebung des abgeschlossenen Unterlassungsvertrages sei ebenfalls unbegründet. Der hier geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß §§ 311, 280, 249 BGB sei verjährt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Die Klägerin stellt zunächst dar, dass die Beklagte den Vortrag aus ihrem Schriftsatz vom 16.04.2012 nicht bestritten habe. Es sei lediglich in der mündlichen Verhandlung der ergänzende mündliche Vortrag zum Umsatz und zur Art des Beschäftigungsverhältnisses der Schauspieler bestritten worden. Als unstreitig habe somit zu gelten, dass der Gesellschafter X sich selbst um Buchhaltung und Steuern gekümmert habe, die Gesellschafter der Klägerin sich seinerzeit nur im Nebenberuf mit der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen befasst hätten und die Klägerin eigene Mitarbeiter nicht beschäftigt hätte. Über den diese Gesichtspunkte aufgreifenden Tatbestandsberichtigungsantrag habe das Landgericht noch nicht entschieden.
Fälschlich habe das Landgericht den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 16.04.2012 und in der mündlichen Verhandlung als verspätet gerügt und deshalb nicht zugelassen. Der BGH habe festgehalten, dass ein Vorbringen im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung nicht nach § 282 Abs. 1 ZPO verspätet sein könne. Eine mögliche Verspätung wäre zudem unverschuldet. Die Gesellschafter der Klägerin hätten sich über fünf Jahre nach der Abgabe der seinerzeit geforderten Unterlassungserklärung nicht mehr daran erinnern können, in welcher Form die Erklärung abgegeben worden sei. Zweifel hinsichtlich der Frage, ob die Erklärung im Original abgegeben worden sei, seien erst aufgekommen, als die Beklagte mit Schriftsatz vom 14.02.2012, der der Klägerin erst am 01.05.2012 zugestellt worden sei, eine eigene Kopie der Unterlassungserklärung und Verpflichtungserklärung mit Faxsendevermerk vorgelegt habe. Erst im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung habe sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei dieser danach erkundigt, ob die Erklärung tatsächlich nur per Telefax abgegeben worden sei.
Unabhängig davon reiche der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 16.04.2012 zur Substantiierung der mangelnden Kaufmannseigenschaft aus. Denn die Klägerin habe dargelegt und unter Beweis gestellt, dass sich die Gesellschafter nur im Nebenberuf mit der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen befasst, Mitarbeiter nicht beschäftigt und Buchhaltung und Steuern selbst bewältigt hätten. Aus diesem Vortrag ergebe sich, dass es sich bei der Klägerin um eine Kleingewerbetreibende handele.
Die Klägerin sei durch die Abmahnung auch arglistig getäuscht worden. In der Äußerung einer Rechtsansicht liege die Vorspiegelung einer Tatsache, wenn dadurch die materielle Rechtslage unrichtig dargestellt werde. Für einen Täuschungswillen reiche es aus, wenn der Handelnde, obwohl er mit der möglichen Unrichtigkeit seiner Angaben rechne, ins Blaue hinein unrichtige Behauptungen aufstelle. In der Abmahnung vom 07.08.2006 hätten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Behauptung aufgestellt, die Verwendung der Bezeichnung "Krimi-Dinner" durch die Klägerin führe zu Verwechselungen mit dem Werktitel und der Marke der Beklagten. Diese Behauptung sei in der berechtigten Hoffnung aufgestellt worden, die Klägerin glaube an die unumstößliche Kennzeichnungskraft der für die Beklagten eingetragenen Marken und einen etwa bestehenden Werktitel. Die Beklagte habe es mit bedingtem Vorsatz versäumt, die Klägerin darüber aufklären zu lassen, dass eine Verwechselungsgefahr dann bestehe, wenn der durchschnittlich informierte und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher zu Verwechselungen neige.
Nach ständiger Rechtsprechung seien die Kosten für markenrechtliche Abmahnungen nach den Grundsätzen der GoA zu erstatten. Dem liege die Überlegung zugrunde, dass der Abmahnende letztlich ein Geschäft des Abgemahnten führe. Dementsprechend könne der Abgemahnte - hier die Klägerin - verlangen, wie ein Mandant umfassend über die Rechtslage aufgeklärt zu werden. Weise die Abmahnung Lücken bei der Aufklärung über die rechtliche Situation auf, stünden dem Abgemahnten Schadensersatzansprüche zu. Solche seien hier zwar verjährt, könnten einer Inanspruchnahme aus einer auf die unzuverlässige Abmahnung hin abgegebenen Unterlassungserklärung aber einredeweise entgegengehalten werden.
In der angefochtenen Entscheidung werde auch verkannt, dass die Klägerin einen möglicherweise wirksam abgeschlossenen Unterlassungsvertrag gemäß § 314 BGB aus wichtigem Grund gekündigt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Bochum vom 20.04.2012 abzuändern und
1.
festzustellen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Unterlassungsvertrag mit dem in der Erklärung vom 29. August 2006 wiedergegebenen Inhalt nicht zustande gekommen ist;
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte aus dem mit der Abgabe der Unterlassungserklärung vom 29. August 2006 zustande gekommenen Unterlassungsvertrag keine Rechte (mehr) herleiten kann;
äußerst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, in die Aufhebung des durch die Unterlassungserklärung vom 29. August 2006 zustande gekommenen Unterlassungsvertrags einzuwilligen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.049,99 € nebst Verzugszinsen hierauf seit dem 9. April 2011 nach einem Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
B.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I.
Der Hauptantrag ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Das für den Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden.
2.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Es kann nicht festgestellt werden, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Unterlassungsvertrag mit dem in der Erklärung vom 29. August 2006 wiedergegebenen Inhalt nicht zustande gekommen ist.
a.
Die seitens der Klägerin abgegebene Unterlassungserklärung ist formgerecht abgegeben worden. Zwischen den Parteien ist es unstreitig, dass die Klägerin ihre Unterlassungsverpflichtungserklärung lediglich per Telefax abgegeben hat. Dies ergibt sich auch aus der Anlage B1. Damit ist zwar die Schriftform der §§ 126, 780, 781 BGB nicht erfüllt. Die Abgabe einer Erklärung per Telefax reicht für die Schriftform gemäß § 126 BGB nicht aus (Palandt - Grüneberger, BGB, 71. Aufl., § 126, Rn 12).
Jedoch ist die Schriftform im vorliegenden Fall auch nicht erforderlich. Denn gemäß § 350 HGB entfällt hier das Schriftformerfordernis. Nach dieser Vorschrift finden auf Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnisse, sofern diese auf der Seite des Schuldners ein Handelsgeschäft sind, die Formvorschriften der §§ 780, 781 BGB keine Anwendung. Gemäß § 343 HGB sind Handelsgeschäfte alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören. Gemäß § 1 Abs. 1 HGB ist Kaufmann im Sinne des HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Gemäß § 1 Abs. 2 HGB ist ein Handelsgewerbe jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Sie ist damit Kaufmann im Sinne des HGB ist, so dass die Schriftform gar nicht erforderlich ist.
Bei der Beurteilung, ob der Gewerbebetrieb nach Art und Umfang eine kaufmännische Einrichtung erfordert, spielen u.a. Kriterien eine Rolle wie
- Art der Geschäftsführung (Vielfalt der Erzeugnisse und Leistungen und der Geschäftsbeziehungen, Inanspruchnahme und Gewährung von Kredit, Teilnahme am Wechselverkehr, umfangreiche Werbung, größere Lagerhaltung) oder
- Umfang der Geschäftstätigkeit (Umsatzvolumen, Anlage- und Umlaufvermögen, Zahl und Funktion der Beschäftigten, Schichtbetrieb, Größe und organisation).
Maßgebend ist stets das Gesamtbild (Duden/Hopt, HGB 35. Aufl., § 1 Rn 23).
Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt grundsätzlich, dass die Beklagte die Einhaltung der Form bzw. die Entbehrlichkeit der Schriftform gemäß § 350 HGB zu beweisen hat. Dies ergibt sich daraus, dass bei einer negativen Feststellungsklage der Kläger die Berühmung und das Vorliegen aller Prozessvoraussetzungen und der Beklagte die Berechtigung der Berühmung darlegen und beweisen müssen. Damit müsste die Beklagte eigentlich auch beweisen, dass die Klägerin Kaufmann ist. Im Rahmen der Beweislast der Beklagten für die Kaufmannseigenschaft der Klägerin kommt ihr allerdings § 1 Abs. 2 HS. 2 HGB zugute, der im Interesse des Geschäftsverkehrs eine widerlegliche Vermutung dahingehend statuiert, dass zunächst jeder Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe ist (Duden/Hopt HGB, 35. Aufl., Rn 25). Daraus folgt, dass bei fehlender Eintragung der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass kein Handelsgewerbe, sondern nur ein Kleingewerbe vorliegt (Duden/Hopt a.a.O.). Das ist hier die Klägerin.
Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, dass
- ihr Umsatz im Jahre 2006 nur 84.000,- € betragen habe (mdl. Verhandlung vor dem Landgericht),
- ihr Gewinn im Jahre 2006 nur 21.000,- € betragen habe (GA 115, 116),
- die eingesetzten Schauspieler nur freie Mitarbeiter sind und für jede Vorstellung gesondert engagiert werden (mündliche Verhandlung vor dem Landgericht),
- sie keine eigenen Mitarbeiter beschäftige (GA 115),
- ihre Gesellschafter sich nur im Nebenberuf mit Organisation und Durchführung der Veranstaltung befassen, denn hauptberuflich sei der Gesellschafter X Werbetexter und die Gesellschafterin Reitzenstein Synchronsprecherin (GA 115),
- der Gesellschafter X sich selbst um die Buchhaltung und die Steuern gekümmert habe (GA 115),
- keine Umsatzsteuerpflicht und keine Gewerbesteuerpflicht gegeben gewesen sei.
Mit diesem Vortrag hat die Klägerin nicht dargelegt, dass sie lediglich ein Kleingewerbe führt. Zwar ist unbestritten geblieben, dass die beiden Gesellschafter der Klägerin ihre Vorführungen lediglich nebenberuflich ausüben. Jedoch ist es auch möglich, nebenberuflich ein Gewerbe zu führen, das sich unter Umständen zu einem Handelsgewerbe auswächst. Dies ist hier der Fall. Denn bei der stetigen Durchführung der Veranstaltungen handelt es sich nicht lediglich um kleine Verkaufsgeschäfte oder Dienstleistungsangebote, sondern es wird hier ein komplexes Angebot für die Kunden erstellt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten nicht nur einzelne Abendveranstaltungen z.B. zum Preis von 62,‑ € (vgl. B5, B6), sondern teilweise ganze Wochenend-Arrangements zu einem Festpreis von 699,- € oder 799,- € angeboten werden (vgl. Anlage B 14). Es zeigt sich, dass sich dieses Angebot durch eine Bündelung diverser einzelner Dienstleistungen auszeichnet. So sind nicht allein die Vorstellungen zu organisieren, sondern darüber hinaus auch das Menu und die Übernachtungsmöglichkeiten. Dadurch wird ein vielschichtiger Organisationsaufwand erforderlich. Hinsichtlich der Vorführungen sind jeweils die Verträge mit den einzelnen Schauspielern abzuschließen. Dies allein führt bereits zu einem erheblich Arbeitsaufwand, der auch kaufmännische Fähigkeiten erfordert, da bei der jeweiligen Vertragsgestaltung sowohl kaufmännisches Rechnen als auch Fähigkeiten im Dienstleistungs- / Arbeitsrecht erforderlich sind. Desweiteren sind Verträge zu schließen mit den jeweiligen Restaurants und Vorführstätten sowie ggfls. mit Hotelbetrieben. Nicht zu vergessen ist dann, dass unter Berücksichtigung der vielschichtig entstehenden Ausgaben ein Endpreis für den Kunden zu kalkulieren ist, der es bei durchschnittlicher Auslastung der Theatervorführungen gewährleistet, dass Gewinne erzielt werden können, jedenfalls keine Verluste erlitten werden. Selbst der von der Klägerin angegebene Umsatz zeigt, dass die Theateraufführungen nicht nur gelegentlich stattfinden, sondern durchaus mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Dies ergibt sich auch aus den Presseberichten (Anlagen B 5, B 6, B 14).
Damit wirkt sich die Bewertung des Vortrages der Klägerin durch das Landgericht als verspätet im Ergebnis nicht aus. Auch die Berücksichtigung des Vortrages der Klägerin führt nicht zur Formunwirksamkeit, weil die Formvorschrift des § 780 BGB aufgrund des § 350 HGB nicht eingreift.
b.
Die Klägerin hat den Unterlassungsvertrag auch nicht wirksam gemäß §§ 142, 123 BGB angefochten. Eine arglistige Täuschung könnte nur dann angenommen werden, wenn die Beklagte, indem sie sich gegenüber der Klägerin bei ihrer Abmahnung auf ihr Schutzrecht nach dem Markengesetz hinsichtlich des Begriffs "Krimi-Dinner" berufen hat, vorsätzlich eine unzutreffende Begründung angegeben hätte. Unabhängig davon, ob die rechtliche Wertung der Beklagten überhaupt rechtlich zutreffend ist, sind keine Gesichtspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte bewusst und gewollt der Klägerin eine falsche rechtliche Würdigung mitgeteilt hat. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden.
II.
Der erste Hilfsantrag, festzustellen, dass die Beklagte aus dem mit der Abgabe der Unterlassungserklärung vom 29. August 2006 zustande gekommenen Unterlassungsvertrag keine Rechte (mehr) herleiten kann, ist unbegründet.
1.
Die Klägerin hat den Unterwerfungsvertrag nicht wirksam nach § 313 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gekündigt.
Der Wegfall der Geschäftsgrundlage bedeutet eine Durchbrechung des pacta sunt servanda-Grundsatzes und ist aufgrund dessen an strenge Voraussetzungen geknüpft. Eine damit begründete Loslösung oder Änderung bestehender Vertragsbeziehungen kommt nur in Betracht, um untragbare mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbare Folgen zu vermeiden (BGHZ 133, 316 - Altunterwerfung I; BGH GRUR 2010, 946). Die Auflösung eines Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bietet eine außerhalb des Vertrages liegende, von vornherein auf besondere Ausnahmefälle beschränkte rechtliche Möglichkeit, sich von den vertraglich übernommenen Verpflichtungen zu lösen (BGH GRUR 1997, 386 - Altunterwerfung II; BGH GRUR 2010, 946).
Da die Beklagte in ihrer Abmahnung vom 07.08.2006 (Anlage K 1) angekündigt hatte, für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe der Unterlassungserklärung ihre Ansprüche mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen, ist davon auszugehen, dass sich die Klägerin zwecks Vermeidung eines Rechtsstreits unterworfen hat. In einem solchen Fall ist in der Regel anzunehmen, dass derjenige, der sich unterwirft, es für möglich hält, einen bei Ablehnung der Unterwerfung geführten Rechtsstreit zu verlieren. Geschäftsgrundlage ist damit die gemeinsame - nicht zum Vertragsbestandteil erhobenen - Vorstellung der Parteien, dass die Wettbewerbswidrigkeit der Werbung zumindest möglich und dass ihre Vorstellung von der Wettbewerbswidrigkeit nicht offensichtlich falsch ist.
Die Geschäftsgrundlage einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entfällt allenfalls dann, wenn nachträglich zugunsten des Verpflichteten eine Änderung entweder der Gesetzeslage oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung eintritt (LG Berlin MD 2011, 68). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
Ein besonderer Ausnahmefall ist auch nicht darin zu sehen, dass es einige Konkurrenten der Parteien gibt, die ebenfalls den Begriff "Krimi-Dinner" für die Bezeichnung ihrer Veranstaltungen nutzen und scheinbar (noch) nicht abgemahnt worden sind. Das wäre nur dann der Fall, wenn dies zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbaren Folgen führen würde. Die hier übernommene Verpflichtung schränkt die Klägerin nicht derartig ein, dass sie ihre "Theater"-Tätigkeit nur mit gewaltigen Hindernissen versehen kann. Es ist durchaus denkbar, dass die Klägerin sich einen anderen griffigen und einprägsamen Begriff für ihre Vorführungen bzw. Events einfallen lässt, den sie dann fortan werbewirksam einsetzen kann. Die Durchführung der Events selbst ist überhaupt nicht beeinträchtigt. Eine unzumutbare Einschränkung ihrer Tätigkeit ist nicht zu befürchten.
2.
Auch die von der Klägerin mit Schreiben vom 15.09.2006 erklärte Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB greift nicht durch.
Ein Unterwerfungsvertrag kann wie jedes andere Dauerschuldverhältnis grundsätzlich auch ohne eine entsprechende vertragliche Vereinbarung aus wichtigem Grund gekündigt werden (BGH GRUR 1997, 386 - Altunterwerfung II; BGH GRUR 2010, 946). Voraussetzung für eine solche außerordentliche Kündigung ist, dass dem Unterlassungsschuldner die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen (BGH - Altunterwerfung II; BGH GRUR 2010, 946).
a.
Das von der Klägerin vorgebrachte Argument der Überrumpelung greift nicht durch. Zum einen handelt es sich hierbei nicht um einen Umstand, der erst nachträglich, also nach Vertragsschluss entstanden ist. Im Übrigen kann keine Rede davon sein, dass die Klägerin überrumpelt worden ist. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass die Klägerin bereits im Jahre 2005 von dem Ehemann der Beklagten per Mail (Anlage B 2) aufgefordert wurde, die Bezeichnung "Krimidinner" nicht mehr im Zusammenhang mit Kriminalveranstaltungen zu nutzen. Außerdem wurde die seitens der Beklagten mit der Abmahnung vom 07.08.2006 auf den 14.08.2006 gesetzte Frist auf Bitten der Klägerin bis zum 29.08.2006 verlängert, so dass ausreichend Zeit blieb, sich zu informieren und zu überlegen, ob und mit welchem Inhalt eine Unterlassungserklärung abgegeben werden sollte. Auch blieb ausreichend Zeit, Rechtsrat in Anspruch zu nehmen.
b.
Soweit die Klägerin argumentiert, dass sie in der Folge bemerkt habe, dass es weitere Konkurrenten gibt, die die streitgegenständliche Bezeichnung nutzen, aber offenbar noch nicht abgemahnt worden seien, stellt dies aus ihrer Sicht durchaus einen Umstand dar, der nachträglich eingetreten ist und auch in der Risikosphäre der Beklagten liegt. Dieser Umstand war für die Klägerin jedoch keineswegs unvorhergesehen. Denn schon in der Abmahnung hat sich die Beklagte darüber beklagt, dass sie sich kaum dagegen wehren könne, dass ein von ihr für Deutschland entwickeltes Konzept, nachdem es sich als erfolgreich herausgestellt hat, bundesweit zu Nachahmern geführt hat. Schon hier hätte die Klägerin erkennen können, dass die Beklagte davon ausgeht, dass es viele Nachahmer gibt und dass sie - die Klägerin - zwar nicht die erste, aber auch nicht die letzte Mitbewerberin ist, die von der Beklagten abgemahnt wurde. Daraus folgt, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungserklärung erkennen konnte, dass es weitere Konkurrenten gibt, die noch nicht abgemahnt worden sind und demzufolge noch unbehelligt die Bezeichnung "Krimi-Dinner" benutzen.
Im Übrigen bleibt es dem Rechteinhaber selbst überlassen, ob und gegenüber wem er seine Rechte geltend machen will.
Auch führt der Umstand, dass einige Konkurrenten (noch) nicht abgemahnt worden sind, nicht dazu, dass der Klägerin die Einhaltung des Unterlassungsvertrages nicht zugemutet werden könnte. Denn - wie bereits ausgeführt - ist es ihr ohne Weiteres möglich, mit einer anderen griffigen Bezeichnung ihre Events weiterzuführen und wirksam zu bewerben.
c.
Auch in der Gesamtbetrachtung aller Umstände ist kein wichtiger Grund im Sinne von § 314 BGB zu erkennen.
3.
Der Herleitung von Rechten aus dem Unterlassungsvertrag steht es auch nicht entgegen, dass die Klägerin der Beklagten einredeweise ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund eines Schadensersatzanspruchs gemäß §§ 311, 280, 249 BGB entgegenhalten könnte.
Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass ein Schadensersatzanspruch ‑ auch wenn er verjährt ist - gemäß § 215 BGB grundsätzlich als Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals die Leistung verweigert werden konnte.
Jedoch liegen hier schon die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch in Form der Aufhebung des Unterlassungsvertrages nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo aufgrund der Darstellung der Rechtslage im Abmahnschreiben vom 07.08.2006 nicht vor.
a.
Grundsätzlich kann allein durch eine objektiv fehlerhafte Darstellung der Rechtslage in einer Abmahnung nicht der Vorwurf der Verletzung von - aus der Aufnahme von Verhandlungen zum Abschluss des Unterlassungsvertrages resultierenden - Sorgfaltspflichten durch den Abmahnenden begründet werden (Ahrens-Achilles, 6. Aufl., Kap 7 Rn 38 Fn 129; a.A. wohl OLG Karlsruhe OLGR CR 1998, 361). Dies ergibt sich schon aus dem im Wettbewerbsrecht für den Gläubiger bestehenden, gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 UWG als Obliegenheit ausgestalteten Abmahngebot als Vorstufe zur gerichtlichen Geltendmachung von wettbewerblichen Abwehransprüchen. Denn danach reicht allein die objektiv unbegründete Abmahnung grundsätzlich nicht aus, Ansprüche des Abgemahnten zu begründen (BGH WRP 1965, 97 - Kaugummikugeln). Schadensersatzansprüche kommen erst dann in Betracht, wenn die Grenze zum Missbrauch überschritten ist, was hier erkennbar nicht der Fall ist.
Hier ist aber keine wettbewerbsrechtliche Abmahnung ausgesprochen worden ist. Eine objektiv unrichtige Schutzrechtsverwarnung gibt auch nur dann einen Anspruch auf Auflösung des Vertragsstrafeversprechens, wenn der Abmahnende dem Abgemahnten vorsätzlich eine fehlerhafte Rechtsauffassung mitgeteilt hat.
Eine Auflösung kann bei nur fahrlässigem Verhalten nicht verlangt werden, weil dies dem Vertragstrafenversprechen innewohnenden Vergleichscharakter widerspricht. Wie der Senat bereits unter II. 1. zum Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgeführt hat, unterwirft sich eine Partei, weil sie es für möglich hält, einen bei Ablehnung der Unterwerfung geführten Rechtsstreit zu verlieren. Die Ungewissheit über die Rechtslage wird gerade und gleichsam mit Vergleichscharakter durch den Abschluss der Vertragsstrafenvereinbarung geregelt. Es würde zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit führen, wenn allein mit dem Vorwurf, der Schutzrechtsverwarnung liege eine fahrlässig fehlerhafte Einschätzung der Rechtslage zugrunde, Vertragsstrafevereinbarungen zur Überprüfung durch die Gerichte gestellt werden könnten.
b.
Von einer vorsätzlich falsch mitgeteilten Rechtsansicht kann bei der hier ausgesprochenen Schutzrechtsverwarnung nicht die Rede sein. Die Beklagte konnte zum Zeitpunkt ihrer Abmahnung vom 07.08.2006 sogar davon ausgehen, dass diese Auffassung völlig zutreffend ist. Denn zu diesem Zeitpunkt war der Begriff "Krimi-Dinner" zugunsten der Beklagten, die damals offensichtlich noch Y geheißen hat, zweifach als Marke eingetragen. Die Marke Nr. ...# ist am 12.10.2005 (GA 19) und die Marke Nr. ...# ist am 26.01.2006 (GA 20) eingetragen worden. Überdies belegt die Tatsache, dass die letztgenannte Marke offensichtlich im Jahre 2011 - auf Betreiben der Klägerin - gelöscht worden ist - was die Beklagte im Jahre 2006 noch nicht wissen konnte -, keineswegs, dass die in der am 07.08.2006 geäußerte Rechtsansicht der Beklagten falsch ist. Denn noch bis zum heutigen Tag ist die erstgenannte Marke im Markenregister des DPMA eingetragen.
IV.
Aus den vorangegangenen Ausführungen folgt, dass auch der zweite Hilfsantrag unbegründet ist.
V.
Ebenso hat die Klägerin aus den vorgenannten Gründen keinen Anspruch auf die mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Erstattung der außergerichtlichen Abmahnkosten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 13.12.2012
Az: 4 U 107/12
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