Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Januar 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 286/00
(BPatG: Beschluss v. 09.01.2002, Az.: 28 W (pat) 286/00)
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der Marke 2 103 573 cristal, die seit dem 15. Mai 1997 ua für folgende Waren eingetragen ist:
Bier; Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Bier); sämtliche vorgenannten Waren, ausgenommen in Kristall-Verpackungen.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 4. November 1998 (Eingang am 5. November 1998) die Löschung der Marken für diese Waren wegen fehlender Unterscheidungskraft sowie dem Bestehen eines Freihaltebedürfnisses beantragt. Sie meint "cristal" bedeute nichts anderes als Kristall, oder kristallene Klarheit und beschreibe die angegriffenen Waren lediglich nach ihrer Beschaffenheit, was von den inländischen Verkehrskreisen auch ohne weiteres erkannt werde.
Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen, denn nach ihrer Ansicht hat der französische Begriff "cristal" allenfalls im poetischen Sinn die Bedeutung von "kristallene Klarheit", was allein schon für das Mindestmaß der phantasievollen Eigenart der Unterscheidungskraft ausreiche. Ein Bedürfnis der Mitbewerber an dem Markenwort in Alleinstellung sei nicht erkennbar, so daß auch das Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses nicht vorliege.
Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, daß der fragliche Begriff in Alleinstellung als (Kurz-)Bezeichnung für kristallklare Getränke üblich sei. Verbandsanfragen in einem ähnlichen Löschungsverfahren - bei dem über die Schutzfähigkeit dieses Begriffes auf dem Wein- und Schaumweinsektor zu entscheiden war - hätten ergeben, daß dieser Begriff dort keinerlei beschreibende Bedeutung habe. Soweit die französische Bedeutung des Worts herangezogen werde, sei keine sachbezogene Verwendung nachweisbar, sondern lediglich ein dichterischer bzw umgangsprachlicher Gebrauch im Sinne von klarem Wasser und Soda. Soweit sich die Antragstellerin auf eine Wesensgleichheit zu dem englischen Wort crystal berufe, scheitere dies schon daran, daß Abwandlungen freihaltungsbedürftiger Angaben im Grundsatz eintragungsfähig sind.
Die Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, das deutsche Wort Kristall, das von den inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres in der Marke gesehen werde, werde auf dem betreffenden Warengebiet von anderen Herstellern produktbezogen verwendet, um auf klare und reine Getränke, insbesondere bei Bieren und Mineralwässern hinzuweisen. Darüber hinaus seien die Begriffe Reinheit und Klarheit wesentliche Verkaufsargumente für die angegriffenen Waren, so daß der Verkehr in der Marke nur einen Hinweis auf diese Sachaussage, nicht aber auf den Hersteller sehen werde.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluß der Markenabteilung aufzuheben und die Marke für die angegriffenen Waren zu löschen.
Die Markeninhaberin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie schließt sich den nach ihrer Sicht zu treffenden Ausführungen der Markenabteilung an.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (§ 66 Abs 1 MarkenG), in der Sache jedoch nicht begründet. Der Antrag auf Löschung der Marke ist zu Recht zurückgewiesen worden, denn Eintragungshindernisse gemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 Markengesetz (fehlende Unterscheidungskraft) bzw § 8 Absatz 2 Nr 2 Markengesetz (Freihaltebedürfnis) lagen weder zum Zeitpunkt der Eintragung, noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde vor (§ 50 Abs 1 Nr 3, Abs 2 MarkenG).
Das Löschungsverfahren gemäß § 54 Markengesetz, bei dem es sich um ein Popularverfahren handelt, ist vom Antrag eines Dritten abhängig und deshalb den Regeln eines kontradiktorischen Verfahrens unterworfen. Sowie das Gericht im Rahmen der Amtsermittlung verpflichtet ist, Nachforschungen anzustellen, so ist der Antragsteller im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gehalten zur Erforschung des Sachverhalts beizutragen. Verbleiben nach Durchführung dieser Ermittlungen noch Zweifel, so gehen diese zu Lasten des Antragstellers, denn die einmal eingetragene Marke genießt als Vermögenswert einen gewissen Vertrauensschutz, solange ihre Schutzfähigkeit nicht festgestellt ist (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 54 Rdz 167; Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 50 Rdz 19, § 54 Rdz 7, 8 mRsprNachw).
Nach den hier auf der Basis des Vorbringens der Antragstellerin und den Ermittlungen des Senats getroffenen Feststellungen konnte die Schutzfähigkeit der Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft oder dem Bestehen eines Freihaltebedürfnisses nicht bejaht werden.
Das Wort cristal kann - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - nicht dem deutschen Wort "Kristall" gleichgesetzt werden, denn dazu müßte feststehen, daß der Verbraucher in der fremdsprachigen Marke ohne weiteres den deutschen Begriff erkennt. Das französische und spanische Wort cristal gehört kaum zum Grundwortschatz dieser Sprachen und es konnte auch nicht belegt werden, daß es im deutschsprachigen Raum im Zusammenhang mit den hier maßgebenden Waren derart häufig als Marke oder im beschreibenden Text erscheint, daß dem Verkehr seine Bedeutung geläufig wäre. Die von der Antragstellerin vorgelegten Auszüge aus Demas/Romarin, die eine Verwendung dieses Wortes zusammen mit anderen Markenbestandteilen in mehreren Marken ergeben, sagen nichts über die tatsächliche Benutzung und Bekanntheit dieser Marken aus. Eine vom Gericht durchgeführte Nachschau im Internet erbrachte ebenfalls keinen Beleg für eine übliche Verwendung dieser Bezeichnung im Zusammenhang mit Getränken. Der Verbraucher wird also zuerst nachdenken müssen, wenn er die deutsche Bedeutung erkennen will. Zwar wird der Schritt von cristal zu Kristall nicht besonders kompliziert sein, es bedarf aber doch einer gedanklichen Überlegung, womit eine Gleichsetzung des deutschen Wortes mit dem fremdsprachigen Begriff ausscheidet. Zudem sieht der Verkehr eine Marke als solche und macht sich in der Regel keine Gedanken, was dahinter verborgen sein könnte. Die geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft gem § 8 Abs 1 Satz 1 MarkenG hat die Marke damit schon erfüllt (ständige Rechtsprechung zuletzt BGH, MarkenR 2001, S 480 - LOOK; MarkenR 2001, 408 - INDIVIDUELLE).
Hinzukommt, daß auch das Wort Kristall für die Mehrzahl der Waren keinen unmittelbaren unzweideutigen beschreibenden Begriffsinhalt besitzt. Zwar konnte beim Weizenbier dieser Begriff öfters als Sortenbezeichnung festgestellt werden (im Gegensatz zu Weizen Dunkel), für alle übrigen Waren kann Kristall aber verschiedene Bedeutungen haben. So kann ein Mineralwasser reich an Mineralstoffen sein und sich als "Kristallwasser" bezeichnen (Obersdorfer Kristallwasser). Oder aber es wird damit auf die kristallklare Reinheit des Getränks hingewiesen; ebenso gut kann aber ein Produkt gemeint sein, das in einer Kristallflasche angeboten wird. Auch wenn diese Verpackungsart im Warenverzeichnis der Antragsgegnerin ausgeschlossen ist, so hat keine der Bedeutungen ein derartiges Übergewicht, daß sie der Verkehr in den Vordergrund stellen und deshalb vorwiegend nur in diesem Sinne verstehen würde (vgl hierzu BGH, MarkenR 1999; 400 - FÜNFER). Die angegriffene Marke ist demnach nicht nur in ihrer fremdsprachigen Bedeutung, sondern für einen überwiegenden Teil der Waren auch in ihrer deutschen Übersetzung begrifflich nicht unzweideutig und damit zur Warenkennzeichnung geeignet.
Das Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses der Mitbewerber liegt ebenfalls nicht vor, denn dazu müßte entweder feststehen, daß die Marke bereits zur Bezeichnung der Beschaffenheit der Waren verwendet wird, oder aber es müßten ausreichend Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß dies in naher Zukunft geschieht. Das cristal in Alleinstellung aufgrund seiner Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit zur ausschließlichen Beschreibung von Warenmerkmalen nicht geeignet ist, wurde bereits dargelegt. Eine bloß abstrakte Eignung zur Eigenschaftsangabe reicht aber nicht aus, ein Freihaltebedürfnis zu begründen (vgl BGH GRUR 1997, 627 - à la Carte).
Die Beschwerde ist demnach ohne Erfolg.
Eine Kostenentscheidung gemäß § 71 Absatz 1 war nicht veranlaßt.
Stoppel Martens Schwarz-Angelebr/Bb
BPatG:
Beschluss v. 09.01.2002
Az: 28 W (pat) 286/00
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