Landgericht Dortmund:
Urteil vom 22. März 2012
Aktenzeichen: 18 O 129/11

(LG Dortmund: Urteil v. 22.03.2012, Az.: 18 O 129/11)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Am 15. und 16. Juni 2011 fand in L die M-Messe statt. Die M-Messe stellt Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten vor und richtet sich vornehmlich an Schülerinnen und Schüler. Im Rahmen dieser Veranstaltung verteilt die Beklagte Teilnahmekarten für ein Gewinnspiel. Auf der Vorderseite hieß es "Mitmachen und tolle Preise gewinnen" in einem Kreis auf der Vorderseite hießt es weiter "Bitte Rückseite ausfüllen und abgeben". Auf der Rückseite der Gewinnspielkarte war vorgesehen, dass Angaben zu Vorname, Name, Geburtsdatum, Straße/Hausnummer, PLZ/Ort, Telefon, Handy, E-Mail und Krankenkasse gemacht werden sollten. Sodann hieß es in einer kleineren Schriftart unter der fettgedruckten Überschrift "Datenschutzhinweis" wie folgt:

"Die Angaben sind freiwillig. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben."

Es schloss sich sodann in derselben Schriftart und -größe unter der fettgedruckten Überschriften "Einwilligungserklärung" der folgende Text an:

"Ich bin damit einverstanden, dass die B meine Daten (bzw. die Daten meiner Tochter/meines Sohnes) speichert und nutzt, um mich telefonisch, schriftlich, per E-Mail oder per SMS über die Vorteile einer B-Mitgliedschaft und neue Angebote der B zu informieren und zu beraten.

Diese Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft bei der B widerrufen.

Meine Daten werden dann gelöscht. "

Es folgten sodann in etwas größerem Abstand in einer größeren Schriftart die Angaben "Datum" und "Unterschrift", wobei dort folgender Klammerzusatz enthalten war:

"Bei unter 15-jährigen Unterschrift des Erziehungsberechtigten."

Wegen der weiteren Einzelheiten und der weiteren Gestaltung der Gewinnspielkarte wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 12.09.2011 mahnte der Kläger die Beklagte wegen der Gewinnspielkarte ab und forderte unter Fristsetzung zum 28.09.2011 die Abgabe einer strafbewerten Unterlassungserklärung, wonach die Beklagte es bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern künftig unterlassen sollte, die geschäftliche Unerfahrenheit von Minderjährigen auszunutzen, indem unter dem Vorwand der Teilnahme an einem Gewinnspiel deren personenbezogenen Daten zu Werbezwecken erhoben würden. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 2 UWG vorliege. Es liege eine unlautere Beeinflussung Minderjähriger vor, da insbesondere jüngere Kinder nicht die ökonomischen Ziele der Werbung durchschauen könnten. Dass mit der Unterschrift eine Einwilligungserklärung abgegeben werde, erkenne man lediglich, wenn man die kleingedruckte Passage über dem Unterschriftsfeld lese, wozu ein insbesondere minderjähriger durchschnittlicher aufmerksamer Teilnehmer jedoch regelmäßig keine Veranlassung sehen werde.

Mit Schreiben vom 05.10.2011 wies die Beklagte die Rechtsansicht des Klägers zurück, gab aber unter dem 14.10.2011 eine

Unterlassungs-/ Verpflichtungserklärung

ab, wonach sich die Beklagte gegenüber dem Kläger wie folgt verpflichtete:

"1.

es vorbehaltlich einer angemessenen Umstellungsfrist bis 30.11.2011 zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd eine an Minderjährige zwischen 15 und 18 Jahren gerichtete Werbung zur Teilnahme an einem Gewinnspiel einzusetzen, in der die Gewinnspielteilnahme und die Einwilligungserklärung zum Erhalt von Informationen über die B optisch und derart verknüpft sind, dass die Unterscheidung zwischen beiden Angaben bzw. Erklärungen nicht hinreichend deutlich wird, wenn dies wie in der anliegend beigefügten Gewinnspielkarte erfolgt;

2.

für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die unter Ziff. 1. aufgeführte Verpflichtung eine angemessene Vertragsstrafe bis zu 5.001,00 € zu zahlen, deren Höhe von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bestimmt und deren Angemessenheit ggf. vom zuständigen Gericht überpüft werden kann;

3.

an die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. einen Aufwendungsersatz in Höhe von 214,00 € (i. W.: zweihundertvierzehn Euro) zu zahlen."

Der Kläger sah diese Unterlassungserklärung als nicht ausreichend an und verfolgt das Begehren aus der von ihm geforderten strafbewerten Unterlassungserklärung weiter.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken am Vorstand, zu unterlassen,

Im Rahmen geschäftlicher Handlungen im Zusammenhang mit Gewinnspielen, die die Beklagten für minderjährige Verbraucher veranstaltet, die Daten der Teilnehmer zu Werbezwecken zu erheben,

hilfsweise mit dem Zusatz "wie aus der Anlage K 1 ersichtlich geschehen".

Die Beklage beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass die Erhebung von Daten bei minderjährigen Verbrauchern im Rahmen eines Gewinnspiels nicht generell unzulässig sei. Es sei zu beachten, dass, je nach Alter, Minderjährige unterschiedliche Entwicklungsstufen aufwiesen, ältere Minderjährige die Bedeutung der Erklärung durchaus einschätzen könnten. Bei dieser Wertung sei zu beachten, dass Minderjährige ab 15 Jahren gem. § 175 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch bereits ihre Krankenkasse selber wählen könnten. Bezüglich jüngeren Minderjährigen sei für die Einwilligungserklärung zur Datenerhebung ausdrücklich die Unterschrift eines Erziehungsberechtigten notwendig. Ohne eine solche Unterschrift würden die entsprechenden Daten gar nicht erst gespeichert. Soweit die optische Verknüpfung der Art sei, dass eine Unterscheidung zwischen den Angaben und der Erklärung zur Einwilligung nicht hinreichend deutlich werde, habe die Beklagte dem durch die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 14.10.2011 Rechnung getragen. Es fehle daher insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch gem. §§ 8, 3, 4 Nr. 2 UWG zu.

Der Hauptantrag ist unbegründet, weil er von vornherein zu weit geht.

Zwar fallen unter § 4 Nr. 2 UWG auch Handlungen im Vorfeld konkreter Verkaufsförderungsmaßnahmen, so insbesondere auch die Datenerhebung bei Kindern und Jugendlichen zu Werbezwecken (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2005, 6 U 168/04, zitiert nach Juris Rd. 31). Die Erhebung von Daten bei Kindern ist aber nicht stets und ohne Weiteres als unlauter anzusehen. Vielmehr ist der mit dem Alter zunehmende Reifeprozess bei Minderjährigen zu berücksichtigen. Dementsprechend sind altersbezogene Abstufungen hinsichtlich der geschäftlichen Unerfahrenheit vorzunehmen (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 4 Rd. 2.24, vgl. auch OLG Frankfurt a.a.O., Rd. 33 und 34). Schon unter dem Gesichtspunkt eines zunehmenden Reifeprozesses bei unterschiedlichen Altersgruppen kommt es daher nicht in Betracht, der Beklagten generell zu untersagen, im Rahmen von Gewinnspielen für minderjährige Verbraucher die Daten der Teilnehmer zu Werbezwecken zu erheben. Im Übrigen kommt es auch immer auf die konkrete Gestaltung der Erhebung an.

Mit dem Hauptantrag konnte die Klage daher keinen Erfolg haben.

Aber auch soweit sich der Kläger hilfsweise darauf berufen hat, dass das Unterlassen für die Datenerhebung im Rahmen eines Gewinnspiels für die konkrete Gewinnspielkartengestaltung untersagt werden soll, hat die Klage keinen Erfolg.

Bezüglich Minderjährigen, die jünger als 15 Jahre sind, ist ausdrücklich festgehalten, dass die Unterschrift eines Erziehungsberechtigten als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Datenspeicherung und Weiterverwendung vorausgesetzt wird. Insoweit liegt dann schon kein Fall einer unlauteren Datenerhebung vor.

Was die Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren betrifft, so ist die Datenerhebung nicht grundsätzlich als unlauter anzusehen. In diesem Alter ist von einer ausreichenden Reife auszugehen, die Tragweite einer Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Werbezwecken abzusehen. Dabei kann bezogen auf die Datenerhebung zu Werbezwecken durch von Krankenkassen auch nicht außer Acht gelassen werden, dass gemäß § 175 Abs. 1 Satz 3 SGB V Minderjährige ab 15 Jahren ihre Krankenkasse bereits selber auswählen können. Die Entscheidung zur Speicherung von Daten zum Zwecke der Zusendung von Werbung geht in diesem Rahmen aber nicht über die Tragweite der Wahl einer Krankenkasse hinaus, ist damit auch grundsätzlich nicht zu beanstanden. Soweit wegen der konkreten Gestaltung der Karte im Hinblick auf die lediglich kleingedruckt eingefügte Einwilligungserklärung nicht hinreichend deutlich wird, dass eine solche abgegeben wird, und unter diesem konkreten Gesichtspunkt die Tragweite der Unterschrift auch durch einen 15 bis 18 Jährigen nicht erkannt werden kann, hat die Beklagte dem durch Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 14.10.2011 Rechnung getragen.

Soweit die konkrete Kartengestaltung tatsächlich beanstandet werden kann, fehlt es damit an einer Wiederholungsgefahr und am Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

Ein Fall des § 4 Nr. 3 UWG liegt nicht vor. Unter diesem Gesichtspunkt hat der Kläger die Gewinnspielkarte nicht angegriffen. Im Übrigen enthält die Karte, wenn auch kleingedruckt, einen ausdrücklichen Hinweis auf die Datenerhebung. Damit fehlt es schon an einer Verschleierung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG.

Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 22.03.2012
Az: 18 O 129/11


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