Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 6. August 2014
Aktenzeichen: 2a O 302/13

(LG Düsseldorf: Urteil v. 06.08.2014, Az.: 2a O 302/13)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, es ab sofort zu unterlassen,

a. im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit Pflegedienstleistungen für Senioren das nachstehend wiedergegebene Zeichen

zu verwenden;

b. im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit Pflegedienstleistungen für Senioren die Domain "senioren-service-provita24.de" zu verwenden;

2. Der Beklagte wird verurteilt, in die Löschung der Wort-/Bildmarke Nr. DE 30 2009 041 650 gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen;

3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang er die in Ziffer 1 genannten Handlungen vorgenommen hat;

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der Handlungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist und noch entstehen wird;

5. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.525,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.11.2013 freizustellen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

7. Dem Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits zu 73 % und der Klägerin zu 27 % auferlegt.

8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar für die Klägerin hinsichtlich der aus den Ziffer 1 ersichtlichen Verurteilungen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von je 35.000,00 Euro, hinsichtlich der aus der Ziffer 3 ersichtlichen Verurteilung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 Euro und hinsichtlich der aus den Ziffern 5 und 7 ersichtlichen Verurteilung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags Euro. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die unter dem O mbH & Co. KG firmierende Klägerin betreibt Seniorenpflegeheime, derzeit 13 Stück im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Seit dem 20.08.2003 ist sie unter ihrer Firma im Handelsregister des AG Bad Homburg eingetragen (HRA 3338). Sie ist Inhaberin der Wortmarke "PRO VITA" (Nr. 302010033074) mit Priorität vom 01.06.2010. Die Marke ist geschützt für die Klassen 36, 43 und 44, unter anderem für Dienstleistungen von Alten- und Seniorenheimen und Senioren- und Krankenpflegedienste. Darüber hinaus ist sie Inhaberin der für die gleichen Klassen geschützten Gemeinschaftswortmarke "PRO VITA" (Nr. ...#/...) mit Priorität vom 14.04.2011.

Der Beklagte bietet unter der Firma S im Bereich der Seniorenpflege, insbesondere grundpflegerische Tätigkeiten sowie Vermittlung von Pflegepersonal für die häusliche Betreuung, an. Der Beklagte bietet seine Dienstleistungen unter der seit dem 23.09.2009 registrierten Domain "seniorenserviceprovita24.de" an, deren Admin-C er zugleich ist. Weiter ist der Beklagte Inhaber einer mit Priorität vom 04.08.2009 für die Klasse 44 für Seniorenpflegedienste eingetragenen Wort-/Bildmarke (Nr. 302009041650)

Mit Schreiben vom 30.06.2013 und 02.09.2013 mahnte die Klägerin den Beklagten wegen der Verletzung ihres Unternehmenskennzeichens ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und zur Einwilligung in die Löschung seiner Wort-/Bildmarke auf. Mit Schreiben vom 13.08.2013 und 16.09.2013 wies der Beklagte die geltend gemachten Ansprüche zurück.

Die Klägerin behauptet, sie benutze ihre Firmenbezeichnung seit 1996 für den Betrieb von Seniorenheimen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, es ab sofort zu unterlassen,

a) im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit Pflegedienstleistungen für Senioren das nachstehend wiedergegebene Zeichen

zu verwenden;

b) im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit der Erbringung und dem Angebot von Pflegedienstleistungen für Senioren die Bezeichnung ProVita24 in dieser oder anderer Schreibweise zu verwenden;

c) im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit Pflegedienstleistungen für Senioren die Domain "seniorenserviceprovita24.de" zu verwenden;

2. den Beklagten zu verurteilen, in die Löschung der Wort-/Bildmarke Nr. DE 30 2009 041 650 gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen;

3. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang er die in Ziffer 1 genannten Handlungen vorgenommen hat;

4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der Handlungen gemäß Antrag zu Ziffer 1 entstanden ist und noch entstehen wird;

5. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 2.994,40 (einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nach einem Gegenstandswert in Höhe von 300.000,-- € zzgl. Auslagenpauschale und 19 % Mehrwertsteuer) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet den Betrieb von Seniorenpflegeheimen unter der Firmenkennzeichnung der Klägerin vor Anmeldung seiner Wort-/Bildmarke mit Nichtwissen. Er ist der Ansicht, die Existenz einer Vielzahl von identischen oder ähnlichen Drittzeichen für den Bereich Seniorenbetreuung bzw. -pflege, die den Bestandteil "Pro Vita" aufwiesen, schwächten die Kennzeichnungskraft. Wegen der Einzelheiten zu den Drittzeichen wird auf den Vortrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 12.12.2013 auf Seiten 4 bis 11 verwiesen. Es liege auch keine Branchennähe vor, da er Dienstleistungen für die Pflege zu Hause und die Klägerin solche für die Pflege in Heimen anbiete. Im Übrigen ist er der Ansicht, die Ansprüche der Klägerin seien verwirkt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus § 15 Abs. 2 und 4 MarkenG einen Anspruch darauf, dass er es unterlässt, seine Wort-/Bildmarke und die Domain "seniorenserviceprovita24.de" im Zusammenhang mit Pflegedienstleistungen für Senioren zu verwenden.

Gemäß § 15 Abs. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen. Geschäftliche Bezeichnungen i.S.v. § 5 Abs. 2 MarkenG sind Unternehmenskennzeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden.

Der Schutz eines Unternehmenskennzeichens entsteht durch die tatsächliche Benutzung des Zeichens im geschäftlichen Verkehr. Ein formaler Akt wie die Eintragung im Handelsregister ist für den Schutz nicht konstitutiv, jedoch ist in einer solchen Eintragung in der Regel eine schutzbegründende Benutzung im geschäftlichen Verkehr zu sehen (Ingerl/Rohnke, Kommentar zum MarkenG, 3. Aufl., § 5, Rn. 32 m.w.N.). Dass die Klägerin unter ihrem Unternehmenskennzeichen bereits im Jahr 1996 aufgetreten ist und es daher eine tatsächliche Ingebrauchnahme für Pflegedienstleistungen gegeben hat, ergibt sich im Übrigen auch aus dem als Anlage K 11 vorgelegten Mietvertrag. Die Klägerin mietete im Jahr 1996 unter ihrem Unternehmenskennzeichen ein Pflegeheim in U. Im Jahr 1996 schloss die Klägerin zudem unter ihrem Unternehmenskennzeichen einen Arbeitsvertrag mit Frau K (Anlagenkonvolut K 11), der eine Einstellung von Frau K als Verwaltungsangestellte in dem von der Klägerin in Berlin betriebenen Seniorenheim "Heyrothsberge" vorsah.

Das Unternehmenskennzeichen der Klägerin genießt auch überregionalen Schutz. In dem Zeitraum von 1999 bis 2008 übernahm oder gründete die Klägerin eine Reihe von Seniorenheimen in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Ein nur regionaler Schutz würde hingegen dann vorliegen, wenn - was hier gerade nicht der Fall ist - die Klägerin in nur einer Stadt bzw. nur einem Bundesland tätig wäre.

Die Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, im Wesentlichen anhand der Zeichenähnlichkeit, der Kennzeichnungskraft sowie der Branchennähe zu bestimmen. Diese drei Faktoren stehen dergestalt in Wechselwirkung, dass ein hochgradiges Vorliegen eines Faktors dazu führen kann, dass Verwechslungsgefahr auch bei einem geringeren Grade der Verwirklichung eines anderen Faktors zu bejahen ist (BGH GRUR 2010, 738, 742 - Peek & Cloppenburg; GRUR 2009, 685, 687 - ahd.de).

1.

Es besteht eine hochgradige Zeichenähnlichkeit.

a)

Die Klägerin firmiert unter der Bezeichnung "ProVITA S2 mbh & Co. KG". Vorliegend prägt allein das Zeichen "ProVITA" den Gesamteindruck des klägerischen Unternehmenskennzeichens. Es ist allgemein anerkannt, dass sich der Namens- und Firmenschutz jedenfalls dann auf einzelne Bestandteile erstreckt, wenn diese selbst kennzeichnungskräftig sind (BGH GRUR 2008, 1102, 1103 - Haus & Grund I; GRUR 2008, 1108, 1110 - Haus & Grund III m.w.N.). Die Unterscheidungskraft des Bestandteils setzt voraus, dass gerade dieser Bestandteil geeignet ist, bei der Verwendung im Verkehr ohne weiteres als Name des Unternehmens zu wirken bzw. als schlagwortartiger Hinweis verwendet zu werden (Ingerl/Rohnke, aaO, Rn. 24 m.w.N.). Ist dies zu bejahen, kommt es nicht darauf an, ob der Bestandteil auch tatsächlich als Firmenschlagwort in Alleinstellung verwendet worden ist (BGH GRUR 2009, 772, 778 - Augsburger Puppenkiste m.w.N.). Bei den übrigen Bestandteilen des klägerischen Unternehmenskennzeichens "S2 mbh & Co. KG" handelt es sich im Wesentlichen um die gesellschaftrechtliche Form des Unternehmens, hier eine GmbH & Co. KG. Der Verkehr schenkt einer solchen Rechtsformangabe nur wenig Aufmerksamkeit, da er dazu neigt, das Unternehmenskennzeichen auf den prägenden Bestandteil zu verkürzen. Der Bestandteil "Heimbetriebs-" ist rein beschreibender Natur für die angebotenen Dienstleistungen, so dass er ebenfalls außer Betracht bleibt. Folglich bleibt "ProVITA" als prägender Bestandteil übrig.

Die Wort-/Bildmarke des Beklagten enthält als Bildbestandteil den Umriss eines Hauses mit Dach und als Wortbestandteil die Zeichen "Senioren Service" und "ProVita24". Der Beklagte bietet Dienstleistungen im Bereich der Betreuung von Senioren zu Hause an, so dass es sich bei der Abbildung eines Hauses um ein beschreibendes Element für die angebotenen Dienstleistungen handelt. Bei dem Wortbestandteil "Senioren Service", unter dem der Verkehr Dienstleistungen für Senioren versteht, handelt es sich ebenfalls um ein beschreibendes Element. Gleiches gilt auch für den Zusatz "24", da dieser lediglich ein Hinweis auf die rund um die Uhr i.S.v. 24 Stunden angebotenen Dienstleistungen ist. Folglich haben diese Bestandteile bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit außen vor zu bleiben, so dass sich nur noch die Zeichen "ProVITA" und "ProVita" gegenüberstehen.

Zwischen diesen Zeichen besteht eine hochgradige Ähnlichkeit, da sich diese Zeichen allein in der Binnengroßschreibung des Wortes Vita ("Vita/VITA") unterscheiden. Die Groß- bzw. Kleinschreibung des Wortes Vita ist für die Zeichenähnlichkeit unerheblich, da die Wörter identisch ausgesprochen werden und der Verkehr den Großbuchstaben keine erhebliche Beachtung schenkt (vgl., Ingerl/Rohnke, aaO, § 15, Rn. 87 i.V.m. § 14, Rn. 899 m.w.N.).

b)

Zeichenähnlichkeit besteht auch im Hinblick auf die streitgegenständliche Domain des Beklagten "www.seniorenserviceprovita24.de".

Die Zeichenähnlichkeit bei Kennzeichenverletzungen durch Domains wird nach allgemeinen Grundsätzen beurteilt. Soweit Abweichungen technisch vorgegeben sind, bleiben sie bei der Ähnlichkeitsbetrachtung außen vor. Dazu zählen der Header (www.) sowie die Top-Level-Domain (.de) der angegriffenen Domain (Ingerl/Rohnke, aaO, Nach § 15, Rn. 150 i.V.m. 132 m.w.N.).

Die Bestandteile "seniorenservice" und "24" sind - wie oben bereits dargelegt - beschreibend für die geschützten Dienstleistungen und haben daher im Rahmen der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit außen vor zu bleiben. Die sich gegenüberstehenden Zeichen "ProVITA" und "provita" sind hochgradig ähnlich.

2.

Es besteht auch Branchennähe.

Branchennähe setzt sachliche Berührungspunkte zwischen dem Unternehmen, welches das geschützte Unternehmenskennzeichen bezeichnet, und dem Unternehmen, für welche das Zeichen des Dritten verwendet wird, dergestalt voraus, dass der Verkehr mindestens zur Annahme geschäftlicher Zusammenhänge i.S.d. Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne kommen kann. Ausreichend ist es, wenn es zu einer Überschneidung der Adressatenkreise für die jeweiligen Leistungen kommen kann (BGH GRUR 2006, 937, 941 - Ichthyol II m.w.N.). Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich die Unternehmen tatsächlich am Markt begegnen (Ingerl/Rohnke, aaO, § 15, Rn. 88 m.w.N.).

Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es daher vorliegend nicht darauf an, dass er Dienstleistungen der häuslichen Seniorenpflege und die Klägerin Dienstleistungen im Bereich der Seniorenpflege in Heimen anbietet, da sich beide Angebote an Senioren bzw. deren Angehörige richten. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass der angesprochene Verkehr, hier Senioren, sich vor der Entscheidung, ob sie weiter zu Hause unter Zuhilfenahme von zusätzlicher Pflege wohnen bleiben wollen/können oder lieber in ein Heim ziehen, sorgfältig über das jeweilige Angebot informieren. Die angesprochenen Verkehrskreise kommen daher mit den Angeboten beider Parteien bestimmungsgemäß in Berührung, wenn sie sich über die Möglichkeiten der Pflege informieren. Auch wenn sich die angebotenen Dienstleistungen (Pflege zu Hause und Pflege in einem Heim) in gewissen Bereichen unterscheiden mögen, kommt es nicht selten vor, dass Senioren zunächst Pflegedienstleistungen zu Hause in Anspruch nehmen und im Anschluss daran in ein Heim ziehen. Kernbereich der angebotenen Dienstleistungen beider Parteien ist jedenfalls die Pflege von Senioren.

3.

Das Unternehmenskennzeichen der Klägerin besitzt von Haus aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

Im Falle von Unternehmenskennzeichen versteht man unter der Kennzeichnungskraft den Grad der Eignung des Zeichens, sich aufgrund seiner Eigenart und ggf. seines durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades dem Verkehr als Name eines Unternehmensträgers, als namenmäßige Bezeichnung des Unternehmens bzw. Betriebs selbst oder trotz fehlender Namensfunktion als zur Unterscheidung geeignetes Kennzeichen einzuprägen, d.h. in Erinnerung behalten und widererkannt zu werden. Ausnahmsweise kann eine Schwächung der Kennzeichnungskraft durch die Benutzung von Drittkennzeichen in Betracht kommen (vgl. BGH GRUR 2009, 766, 769 - Stofffähnchen m.w.N.). Bei solch kennzeichnungsschwachen Zeichen kann die Verwechslungsgefahr trotz Vorliegen einer hohen Zeichenähnlichkeit ausgeschlossen sein (Ströbele/Hacker, aaO, § 9, Rn. 19). Voraussetzung der Schwächung ist, dass eine Vielzahl von Drittzeichen, die dem Klagezeichen oder seinen kollisionsbegründenden Bestandteilen nahekommen, zu einer Gewöhnung beim angesprochenen Verkehr geführt haben (Ingerl/Rohnke, aaO, § 14, Rn. 652 m.w.N.). Drittzeichen, die den gleichen oder einen größeren Abstand zu dem geschützten Zeichen halten wie die angegriffene Kennzeichnung, können keine Schwächung begründen (Ingerl/Rohnke, aaO, § 14, Rn. 653 m.w.N.). Gleiches gilt für Drittzeichen für andere Dienstleistungen, die nicht im Zusammenhang mit den Dienstleistungen des Inhabers des Unternehmenskennzeichen stehenden (vgl. BGH GRUR 2008, 1104, 1106 - Haus & Grund II).

Zwar hat der Beklagte vorgebracht, dass es eine Vielzahl von Unternehmen gibt, die das Zeichen "ProVita" oder ein ähnliches Zeichen als Teil ihres Unternehmenskennzeichen oder ihrer Marken verwenden (Anlagen B 4 - B 24). Diese Drittzeichen führen jedoch nicht zu einer relevanten Schwächung des Unternehmenskennzeichens der Klägerin. Im Hinblick auf einen Teil dieser Drittzeichen fehlt es bereits an der Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit zu den klägerischen Dienstleistungen. So bietet etwa die Firma "provita arndt GmbH" aus Neustreliz Beratungsdienstleistungen für Ärzte, Kliniken und Pflegeeinrichtungen an. Bei der "Provita Pflege-Versicherung" der E AG und BKK Aktiv handelt es sich um die Produktbezeichnung von Pflegeversicherungen. Die "pro vita B2 GmbH" und das "Pro Vita Institut für Altentherapien" bieten als Dienstleistung die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Pflegepersonal an. Die "VillaProVita Lebensdomizile weltweit GbR" betreibt ein Informationsportal mit dem Schwerpunkt auf Kurhotels. Der Verein "Pro Vita Mobilis e.V." hingegen informiert über Erleichterungen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

Der Abstand zwischen den übrigen vorgebrachen Drittzeichen ist größtenteils auch nicht kleiner als zu dem angegriffenen Zeichen, so dass eine Schwächung auch aus diesem Grund nicht in Betracht kommt. Die Zeichen "Cura pro vita GmbH", "Hilfe + Q OHG", "ProVita B GmbH", "proVita Service", "pro vita mobile häusliche Krankenpflege", "pro vita damit es ihnen besser geht", "Pro-Vita Pflegedienst GmbH", "AlexA pro vita GmbH", "Provita ambulante Krankenpflege", "ProVita Pflege mit Herz", "Pro Vita Ihr Pflegepartner" oder "Pro Vita Hauskrankenpflege" beinhalten zwar das Zeichen "ProVita", haben aber den gleichen Abstand zum Unternehmenskennzeichen der Klägerin wie das angegriffene Zeichen.

Soweit einige wenige Zeichen wie "pro vita GmbH", "PROVITA GmbH" oder "provita.info" einen geringeren Abstand zu dem Unternehmenskennzeichen aufweisen, führen diese Zeichen allenfalls zu einer leichten Schwächung der Kennzeichnungskraft des klägerischen Unternehmenskennzeichens. Vor dem Hintergrund des Vorliegens von Branchennähe, einer hochgradigen Zeichenähnlichkeit sowie der Wechselwirkung dieser Faktoren ist aber diese leichte Schwächung der Kennzeichnungskraft nicht ausreichend, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen.

4.

Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht verwirkt.

Gemäß § 21 Abs. 1 MarkenG hat der Inhaber einer geschäftlichen Bezeichnung nicht das Recht, die Benutzung einer eingetragenen Marke mit jüngerem Zeitrang für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, zu untersagen, soweit er die Benutzung der Marke während eines Zeitraums von fünf Jahren in Kenntnis der Benutzung geduldet hat, es sei denn, dass die Anmeldung der Marke mit jüngerem Zeitrang bösgläubig vorgenommen worden ist. Der Beklagte trägt vor, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Abmahnung bereits seit drei Jahren, nämlich seit der Anmeldung ihrer eigenen deutschen Marke im Juni 2010, Kenntnis von der Marke des Beklagten gehabt habe bzw. durch eine ordnungsgemäße Markenrecherche hätte haben müssen. Diesen Vortrag als richtig unterstellt, wäre der erforderliche Verwirkungszeitraum von fünf Jahren aber noch nicht erreicht und die Voraussetzungen der markenrechtlichen Verwirkung nicht erfüllt.

Eine Verwirkung nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB ist ebenfalls nicht eingetreten. Die Voraussetzungen für eine Verwirkung nach Treu und Glauben sind das Vorliegen einer länger anhaltenden redlichen Nutzung, die Duldung durch den Berechtigten, ein darauf aufbauendes Vertrauen des Verletzers und ein wertvoller Besitzstand. Vorliegend fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung. Trotz der unterschiedlichen Rechtsnatur von Verwirkung und Verjährung bildet die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) einen gewissen Anhaltspunkt für die erforderliche Mindestdauer der redlichen Nutzung. Nur in ganz besonders gelagerten Ausnamefällen wird man eine Verwirkung in einem Zeitraum von unter drei Jahren annehmen können (vgl. Ingerl/Rohnke, aaO, § 21, Rn. 26ff.). Im Übrigen fehlt es aber auch an Umständen, die ein besonderes Vertrauen des Beklagten auf eine Duldung der Nutzung des Zeichens begründen könnten. Berechtigtes Vertrauen setzt voraus, dass der Verletzte durch sein Verhalten dem Verletzer zu erkennen gegeben hat, dass er auch zukünftig nicht gegen ihn vorgehen werde (vgl. vgl. Ingerl/Rohnke, aaO, § 21, Rn. 43ff.). Solche besonderen Umstände sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.

II.

Der geltend gemachte Löschungsanspruch ergibt sich aus §§ 12, 51 Abs. 1, 55 MarkenG. Die Wort-/Bildmarke des Beklagten ist löschungsreif.

Ein Löschungsgrund i.S.v. § 51 Abs. 1 MarkenG liegt vor, wenn der angegriffenen Marke ein Recht mit älterem Zeitrang i.S.v. § 12 MarkenG entgegensteht. Gemäß § 12, 2. Var. MarkenG kann eine Marke gelöscht werden, wenn ein anderer vor dem für den Zeitrang der eingetragenen Marke maßgeblichen Tag Rechte an einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne des § 5 MarkenG erworben hat und diese ihn berechtigen, die Benutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen.

Wie ober unter Ziff. I dargelegt, besitzt die Klägerin ältere Rechte an ihrer Unternehmenskennzeichnung, auf Grund derer sie dem Beklagten die Nutzung seiner Wort-/Bildmarke untersagen kann.

Eine Verwirkung des Löschungsanspruchs gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 und 2 MarkenG scheidet vorliegend aus, da es an der erforderlichen Zeitkomponente, die Duldung der Benutzung der jüngeren Marke während eines Zeitraums von fünf Jahren, fehlt.

III.

Die Klägerin hat auch aus § 15 Abs. 5 S. 1 MarkenG einen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihr alle Schäden ersetzt, die ihr wegen der Handlungen gemäß Ziff. 1 entstanden ist und noch entstehen wird.

Danach hat derjenige, der die geschäftliche Bezeichnung eines Dritten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, diesem den daraus resultierenden Schaden zu ersetzen. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Im Rahmen des § 15 Abs. 5 MarkenG handelt fahrlässig, wer nicht einmal die Möglichkeit der Recherche nach im Handelsregister verzeichneten Firmennamen professionell durchführen und auswerten lässt, und zwar vor der eigenen Markenanmeldung (BGH GRUR 2008, 1104, 1107 - Haus & Grund II).

Die Klägerin ist seit dem 20.08.2003 im Handelsregister des Amtsgerichts Bad Homburg unter der Nummer HRA 3338 eingetragen (Anlage K 1). Der Beklagte hätte bei einer sorgfältigen Recherche im Rahmen seiner Markenanmeldung im August 2009 auf die Klägerin stoßen können. Durch das Unterlassen einer solch sorgfältigen Recherche hat er gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen.

Für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs genügt zudem eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Eine solche Wahrscheinlichkeit liegt unter Zugrundelegung eines großzügigen Maßstabs bereits dann vor, wenn eine nicht lediglich entfernt liegende Möglichkeit gegeben ist, dass ein Schadenseintritt auf Grund des festgestellten Sachverhalts zumindest denkbar und möglich erscheint (vgl. Ingerl/Rohnke, aaO, Vor §§ 14-19d, Rn. 282 m.w.N.).

Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin durch die unberechtigte Benutzung ihres Unternehmenskennzeichens durch den Beklagten ein Schaden entstanden ist, da sich die Dienstleistungen an den gleichen Adressatenkreis richten und der Klägerin daher Umsatz bzw. Gewinn entgangen sein könnte.

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 19 Abs. 1 MarkenG.

IV.

Der Klägerin stehen hingegen keine Ansprüche im Hinblick auf die Nutzung des Zeichens "ProVita24" in Alleinstellung zu.

Die Klägerin begehrt mit ihrem Klageantrag aus Ziff. 1. b) nur das Unterlassen der Verwendung des Zeichens "ProVita24" in Alleinstellung und nicht bzw. nicht auch im Hinblick auf die gesamte Firmenbezeichnung "S". Insoweit kann es dahinstehen, ob die Verwendung der vollständigen Firmenbezeichnung eine Verletzung des Unternehmenskennzeichens der Klägerin darstellt.

Die Klägerin hat jedenfalls nicht substantiiert dargelegt, dass der Beklagte das Zeichen "ProVita24" in Alleinstellung verwendet bzw. verwenden möchte. Ihr Vortrag erschöpft sich in der bestrittenen Behauptung, dass der Beklagte die Bezeichnung "ProVita24" und "SENIOREN SERVICE PROVITA 24" auch ohne die Zusätze "S" und/oder "Heilbronn" auf seinen Webseiten verwende. Dies hat zur Folge, dass mangels Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr die Klägerin vom Beklagten ein Unterlassen der Verwendung des Zeichens "ProVita24" in Alleinstellung sowie Auskunft und Schadensersatz nicht verlangen kann und die Klage insoweit unbegründet ist.

V.

Die Klägerin hat aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB dem Grunde nach einen Anspruch darauf, dass sie von den ihr entstandenen Abmahnkosten freigestellt wird. Der Anspruch besteht hingegen nicht in der geltend gemachten Höhe.

Die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag liegen vor, insbesondere war die vorprozessuale Abmahnung und Löschungsaufforderung erforderlich und begründet. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts ist nach allgemeiner Auffassung stets notwendig und die entsprechenden Kosten erstattungsfähig (Ingerl/Rohnke, aaO, Vor §§ 14-19d, Rn. 296ff. m.w.N.).

Der seitens der Klägerin bzw. ihrer außergerichtlichen Vertreter für die Berechnung der Abmahnkosten in Ansatz gebrachte Streitwert in Höhe von 300.000,00 Euro ist allerdings überhöht. Für die Abmahnung und das weitere Verfahren ist vielmehr ein Streitwert in Höhe von 150.000,00 Euro angemessen.

Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO ist der Streitwert vom Gericht grundsätzlich nach billigem Ermessen auf der Grundlage des objektiven Interesses des Klägers an der Erlangung des von ihm begehrten Rechtsschutzes festzusetzen. Das wirtschaftliche Interesse an der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen wegen Kennzeichenverletzungen wird durch zwei Faktoren bestimmt, nämlich durch den Wert des verletzten Kennzeichens einerseits und das Ausmaß und die Gefährlichkeit der Verletzung, den sogenannten Angriffsfaktor andererseits (Ingerl/Rohnke, aaO, § 142 Rn. 6). Der Angriffsfaktor kann durch eine Vielzahl von Faktoren des Einzelfalls beeinflusst werden. Im Vordergrund steht der Verletzungsumfang sowie die Intensität der Kennzeichenverletzung selbst, also insbesondere der Grad der Verwechslungsgefahr bzw. Rufausbeutung, Aufmerksamkeitsausbeutung, Rufschädigung oder Verwässerung (Ingerl/Rohnke, aaO, § 142 Rn. 8).

Zwar bietet die Klägerin seit längerem im ganzen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Pflegedienstleistungen unter ihrem Unternehmenskennzeichen an. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht nur Verletzungsansprüche geltend macht, sondern auch die Löschung der Wort-/Bildmarke des Beklagten begehrt. Jedoch muss bei der Bestimmung des Angriffsfaktors auch berücksichtigt werden, dass der Beklagte nur regional tätig ist. Dies hat zur Folge, dass der Angriffsfaktor und damit das Ausmaß der Verletzung der eingetretenen und weiter drohenden Verletzung begrenzt sind.

Unter Zugrundelegung eines Streitwerts in Höhe von 150.000,00 ergibt sich zunächst ein Freistellungsanspruch in Höhe von 2.080,50 Euro (1,3 Geschäftsgebühr x 1.585,00 Euro zzgl. Telekommunikationspauschale). Da die Abmahnung jedoch nicht vollumfänglich begründet ist, kann die Klägerin auch nicht den Ersatz der vollen Abmahnkosten verlangen. Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht die Unterlassung der Verwendung des Zeichens "ProVita24" in Alleinstellung und insoweit auch nicht Auskunft und Schadensersatz verlangen, so dass die Abmahnung insoweit unbegründet ist. Bei einem Gesamtstreitwert in Höhe von 150.000,00 Euro sind diese Ansprüche mit 40.000,00 Euro zu bewerten, so dass sich ein Freistellungsanspruch nur in Höhe von 1.525,70 Euro (2.080,50 * 11/15) ergibt.

Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.

VI.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Streitwert: 150.000,00 €, davon entfallen

auf den Tenor zu 1: 100.000,00 €

auf den Tenor zu 2: 30.000,00 €

auf den Tenor zu 3: 10.000,00 €

auf den Tenor zu 4: 10.000,00 €






LG Düsseldorf:
Urteil v. 06.08.2014
Az: 2a O 302/13


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