Landgericht Köln:
Urteil vom 2. März 2011
Aktenzeichen: 28 O 770/10
(LG Köln: Urteil v. 02.03.2011, Az.: 28 O 770/10)
Tenor
1. Dem Beklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, für jeden Fall der Zuwiderhandlung v e r b o t e n,
den Film „Y“ oder Teile desselben im Internet oder auf sonstige Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder zugänglich machen lassen, insbesondere im Rahmen der Teilnahme an so genannten Peer-to-Peer-Netzwerken diesen Film oder Teile davon zum Tausch anzubieten, insbesondere wie am 00.00.00 um 00.00.00 Uhr geschehen.
2. Der Beklagten wird verurteilt, sämtliche Vervielfältigungsstücke des Werkes „Y“ zu vernichten, insbesondere die Datei unwiederbringlich von der Festplatte des benutzten PC zu entfernen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von EUR 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2010 zu zahlen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 5.500,00 vorläufig vollstreckbar
Gründe
Die Klägerin produziert und vertreibt Filme pornografischen Inhalts, darunter den Film „Y“, der erstmals am 00.00.00 in Deutschland veröffentlicht wurde. Sie besitzt das ausschließliche Verbreitungsrecht und Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung für den Film.
Am 00.00.00 stellte die Firma C2 mittels einer von ihr entwickelten Software im Auftrag der Klägerin fest, dass der vorgenannte Film von der IP-Adresse ...# um 00:00:00 Uhr mit Hilfe der Filesharing-Software „O“ im Internet zum kostenlosen Download angeboten wurde. Mit Beschluss vom 04.08.2010 erließ das Landgericht Bielefeld eine Gestattungsanordnung gegenüber dem Internetzugangsprovider, der Klägerin Auskunft über die Nutzer bestimmter IP-Adressen zu erteilen, darunter auch über den Nutzer der vorstehenden IP-Adresse (Anlage K 5, Bl. 35 d. A.). Nach Mitteilung des Internetzugangsproviders (Anlage K 6, Bl. 46/47 d. A.) war die IP-Adresse zum vorgenannten Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugewiesen.
Die Klägerin mahnte den Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 16.08.2010 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Anlage K 7, Bl. 54 d. A.). Der Beklagte lehnte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit der Begründung ab, er habe sich den Film nur zum privaten Gebrauch heruntergeladen (Anlage K 8, Bl. 60 d. A.). Dies stelle keine Urheberrechtsverletzung dar.
Die Klägerin behauptet, nach einer Auskunft des Internetzugangsproviders (Anlage K 6) sei der Beklagte am 00.00.00 während des Zeitraums von 00:00:00 Uhr bis 00:00:00 Inhaber der IP-Adresse gewesen.
Nachdem die Klägerin ihren Klageantrag zu 3) in der mündlichen Verhandlung um EUR 700,00 auf einen Betrag von EUR 300,00 teilweise zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr,
1. den Beklagten unter Androhung der in § 890 ZPO vorgesehenen Zwangsmittel, dem Beklagten zu untersagen, den Film „Y“ oder Teile desselben im Internet oder auf sonstige Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder zugänglich zu machen lassen, insbesondere im Rahmen der Teilnahme an so genannten Peerto-Peer-Netzwerken diesen Film oder Teile davon zum Tausch anzubieten, insbesondere wie am 00.00.00 um 18:34:23 Uhr geschehen;
2. den Beklagten zu verurteilen, sämtliche Vervielfältigungsstücke des Werkes „Y“ zu vernichten, insbesondere die Datei unwiederbringlich von der Festplatte des benutzten PC zu entfernen.
3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von EUR 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung (12.11.2010) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die örtliche und sachliche Zuständigkeit des LG Köln, da der Beklagte seinen Wohnsitz in M habe. Der Streitwert sei weit überhöht und allenfalls mit EUR 15,00 für Auslagen anzusetzen.
Der Beklagte behauptet, er habe den streitgegenständlichen Film nur zum Privatgebrauch aus dem Internet heruntergeladen. Er ist der Ansicht, es sei nicht hinreichend unter Beweis gestellt, dass die Urheberrechtsverletzung von ihm begangen worden sei. Die Klägerin betreibe durch Abmahnungen ein „Geschäftsmodell“, in dem sie Massenabmahnungen versende. Der Beklagte habe allein von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin wegen weiterer sieben Porno-Filme Abmahnungen für verschiedene Filme jeweils mit gleichlautendem Inhalt erhalten. Es sei anzunehmen, dass zwischen der Klägerin und ihren Anwälten auf Erfolgsbasis abgerechnet werde. Die Klägerin habe es durch das öffentliche Zugänglichmachen ihres Filmes im Internet und der Software „O“ im Übrigen darauf angelegt, dass Rechtsverstöße im Internet begangen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
E n t s c h ei d u n g s g r ü n d e
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht Köln ist für die Sachentscheidung örtlich und sachlich zuständig.
Da die Verletzungshandlung bestimmungsgemäß über das Internet auch in Köln und damit im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Köln erfolgte, besteht gemäß § 32 ZPO der Gerichtstand der unerlaubten Handlung (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Auflage, § 32 Rn. 17, m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Streitwert auch nicht lediglich mit EUR 15,00 anzusetzen, da die Klägerin vom Beklagten unter anderem die Unterlassung des öffentlichen Zugänglichmachens des streitgegenständlichen Films verlangt. Nach § 3 ZPO ist für den Unterlassungsanspruch die zu schätzende Beeinträchtigung wertbestimmend, die von dem beanstandeten Verhalten verständigerweise zu besorgen ist und die mit der begehrten Unterlassung beseitigt werden soll (vgl. Zöller/Herget, 28. Aufl. 2010, § 3 Rn. 16 „Unterlassung“). Maßgebend ist das Interesse der Klägerin an der wirkungsvollen Abwehr von Verstößen gegen ihre geistigen Schutzrechte und eine etwaige Beeinträchtigung von Vermögenspositionen. Dieses Interesse der Klägerin an der wirkungsvollen Abwehr von Verstößen gegen ihre Schutzrechte folgt insbesondere daraus, dass durch ein Einstellen des Films in eine Tauschbörse eine Rechtsverletzung in einer nicht vorherzusehenden Anzahl von Fällen droht (vgl. OLG Köln GRURR-RR 2010, 173, 175), so dass der Streitwert nicht unter EUR 10.000,00 allein für den Unterlassungsanspruch anzusetzen ist.
II.
Die Klage ist auch begründet.
1.
Der Klägerin kann vom Beklagten gemäß § 97 Abs. 1 UrhG verlangen, den streitgegenständlichen Film nicht im Internet öffentlich zugänglich zu machen.
Die Aktivlegitimation der Klägerin folgt aus ihrer unbestrittenen Eigenschaft als Filmhersteller (§§ 94, 95 UrhG).
Der Beklagte ist auch passivlegitimiert. Das Bestreiten der Rechtsverletzung durch den Beklagten ist unerheblich. Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf die vorgelegten Anlagen im Detail vorgetragen, wie sie den Rechtsverstoß ausgehend vom Anschluss des Beklagten ermittelt hat. Mit Hilfe einer von der Firma C2 entwickelten Software wurde festgestellt, dass der Film der Klägerin über die IP-Adresse ...# am 00.00.00 öffentlich zugänglich gemacht wurde. Der Hashwert des Orignalfilms wurde mit dem zum Tausch angebotenen Film verglichen. Aufgrund dieser Ermittlungen erließ das Landgericht Bielefeld am 04.08.2010 (Az: 4a O 719/10) eine gerichtliche Anordnung, mit der es dem Internetprovider gestattete, der Klägerin Auskunft über den Anschlussinhaber für den fraglichen Zeitraum zu erteilen. Ausweislich der als Anlage K 6 vorgelegten Auskunft des Internetzugangsproviders war der Anschluss in dem hier maßgeblichen Zeitraum dem Beklagten zugewiesen. Angesichts dieses konkreten Sachvortrags hätte es dem Beklagten oblegen, einzelfallbezogene Zweifel aufzuzeigen, dass die von der Klägerin vorgelegten Ermittlungen unzutreffend sind (vgl. OLG Köln, Urt. v. 14.01.2011, 6 U 77/10). Der Beklagte hat zugestanden, sich den Film zum Privatgebrauch aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Da die Tauschbörsensoftware, deren Installation der Beklagte auf seinem Computer nicht konkret bestreitet, so konzipiert ist, dass die heruntergeladenen Filme oder Titel wiederum anderen Nutzern zugänglich zu machen, bestehen vorliegend keinerlei Zweifel an dem Rechtsverstoß des Beklagten. Die weitere Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe den Film selbst ins Internet gestellt und für die Filesharing-Software verfügbar gemacht, um anderen Teilnehmern den Download zu ermöglichen, ist als Behauptung ins Blaue hinein prozessual unbeachtlich.
Die vom Beklagten vorgenommene Vervielfältigung des Films ist auch nicht gemäß § 53 UrhG zulässig. Zum einen handelt es sich bei in Tauschbörsen zugänglichen Filmen, die sich in der aktuellen Verwertungsphase befinden, im Regelfall nicht um eine rechtmäßig zugänglich gemachte Vorlage. Zum anderen nimmt die Klägerin den Beklagten wegen der Beeinträchtigung ihres Rechts auf ein öffentliches Zugänglichmachen des Films in Anspruch, das durch die Vorschrift des § 53 UrhG von vornherein nicht gedeckt ist.
Die Rechtsverfolgung durch die Klägerin ist auch nicht gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich. Die illegale öffentliche Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke hat in den letzten Jahren ein enormes Ausmaß angenommen. Das Unrechtsbewusstsein der Mehrzahl der Rechtsverletzer ist dabei erschreckend wenig ausgebildet. Durch das öffentliche Zugänglichmachen von Musiktiteln und/oder Filmen im Internet über Filesharing-Systeme werden die betroffenen Industriezweige jedes Jahr in einem ganz erheblichen Umfang geschädigt, was durch verstärkte Berichterstattung in den Medien auch seit einigen Jahren eindringlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht wird. Vor diesem Hintergrund sind die verstärkten Bemühungen der jeweils betroffenen Unternehmen, gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen und diese zu unterbinden, zu sehen, die sich in der erhöhten Anzahl an Abmahnungen niederschlägt. Ein Rechtsmissbrauch kann darin nicht erblickt werden. Eine Abmahnung der Rechtsverletzer und deren Inanspruchnahme auf Unterlassung stellen sich vielmehr als legitime Wahrnehmung von berechtigten Rechten und Ansprüchen von Unternehmen wie des Klägerin dar und darüber hinaus als einziges Mittel, um den Rechtsverletzungen wirksam und effektiv entgegen zu wirken (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2010, 173, 175).
Soweit der Beklagte meint, es werde mit Abmahnungen ein missbräuchliches Geschäftsmodell betrieben, ist dieser Einwand für den vorliegenden Fall schon deshalb unerheblich, weil die Klägerin aus der Abmahnung keine Rechte herleitet, insbesondere keine Abmahnkosten eingeklagt hat.
2.
Der Klageantrag zu 2) ist ebenfalls begründet. Der Anspruch der Klägerin auf Vernichtung der beim Beklagten vorhandenen Vervielfältigungsstücke folgt aus § 98 UrhG. Der Beklagte hat den Film aus dem Internet durch Herunterladen unberechtigt vervielfältigt und damit gegen die Rechte der Klägerin aus den §§ 94, 95 UrhG verstoßen.
3.
Die Klägerin kann des Weiteren entsprechend ihrem Klageantrag zu 3) eine angemessene Lizenzgebühr als Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG beanspruchen, die das Gericht mit EUR 300,00 schätzt; § 287 ZPO.
Da die Rechtsverletzung über den Internetanschluss des Beklagten begangen wurde, besteht zugunsten der Klägerin nach der neueren Rechtsprechung des BGH (GRUR 2010, 633 - Sommer unseres Lebens) eine tatsächliche Vermutung, dass die Rechtsverletzung durch den Anschlussinhaber selbst vorgenommen wurde. Der Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die einen anderen, atypischen Geschehensablauf nahe legen würden.
Er handelt auch schuldhaft, da er zumindest die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. An das Maß der Sorgfalt sind im Urheberrecht strenge Anforderungen zu stellen. Es ist demjenigen, der ein fremdes Werk für sich in Anspruch nimmt, zuzumuten, sich über den Umfang seiner Nutzungsberechtigung Gewissheit zu verschaffen (Dreier/Schulze, 3. Aufl. 2008, § 97 UrhG Rn. 57 m. w. Nachw.). Dazu hat der Beklagte ebenfalls nichts Substantiiertes vorgetragen. Insbesondere spricht nicht die Verfügbarkeit eines bestimmten Films in einer Internettauschbörse dafür, dass der Rechteinhaber mit einer Vervielfältigung oder öffentlichen Zugänglichmachung des Films sein Einverständnis erklärt hat.
Die Höhe des vom Beklagten zu leistenden Schadensersatzes beträgt EUR 300,00. Demjenigen, der in seinen nach dem Urhebergesetz geschützten Rechten verletzt wird, stehen im Rahmen des Schadensersatzanspruches aus § 97 Abs. 2 UrhG drei Möglichkeiten der Schadensberechnung zur Verfügung. Er kann zum einen die Herausgabe des Verletzergewinnes verlangen, zum anderen seinen Schaden als konkreten Schaden im Sinne des § 249 BGB berechnen. Er hat weiterhin die Möglichkeit, die von einem konkreten Schaden unabhängige angemessene Lizenzgebühr geltend zu machen. Zwischen diesen Möglichkeiten der Schadensberechnung besteht ein Wahlrecht des Verletzten. (Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 68).
Vorliegend hat die Klägerin ihren Schaden auf der Grundlage der Lizenzanalogie berechnet und die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr verlangt. Für diese Art der Schadensberechnung ist der Eintritt eines konkreten Schadens nicht erforderlich. Der Verletzer hat vielmehr dasjenige zu zahlen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalles als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten (Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 61 m.w.N.). Anhaltspunkt für die Bemessung der Höhe der angemessenen Lizenzgebühr kann ein branchenüblicher Tarif sein. Existiert kein unmittelbar anwendbarer Tarif, so ist von derjenigen Vergütung auszugehen, die nach Art und Umfang der Verwertung am nächsten liegt. In Anbetracht der Auflage des betroffenen Films für den privaten Verkauf erscheint vorliegend eine geringe Lizenzgebühr von EUR 300,00 angemessen, § 287 ZPO.
Die Zinsforderung folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 Satz 1 ZPO.
Streitwert: EUR 13.000,00 bis zum 09.02.2011
danach: EUR 12.300,00
LG Köln:
Urteil v. 02.03.2011
Az: 28 O 770/10
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