Bundespatentgericht:
Urteil vom 30. März 2000
Aktenzeichen: 4 Ni 29/99

(BPatG: Urteil v. 30.03.2000, Az.: 4 Ni 29/99)

Tenor

Das deutsche Patent 41 28 171 wird im Umfang der Patentansprüche 2, 3 und 4 und der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese nicht unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 5 zurückbezogen sind, für nichtig erklärt.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu , der Kläger zu .

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 12.000,00, und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 4.000,00 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 24. August 1991 angemeldeten deutschen Patents 41 28 171 (Streitpatent), das eine Kniegelenkendoprothese betrifft und 7 Patentansprüche umfaßt. Patentansprüche 1 und 2 haben hat in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:

"1. Kniegelenkendoprothese mit einer ebenen Tibialagerfläche, einem auf dieser verschiebbaren Lagerkörper, mit zwei konkav gekrümmten Lagerschalen, einem Femurgelenkteil, der beweglich auf den beiden Lagerschalen angeordnet ist, und mit einer Drehführung, die den Lagerkörper auf der Tibialagerfläche um eine senkrecht auf dieser stehende Drehachse führt, dadurch gekennzeichnet, daß die Drehführung einen auf der Tibialagerfläche (1) angeordneten, an dieser um eine senkrecht zur Tibialagerfläche (1) drehbar gelagerten Lenker (8) umfaßt, der zwei in paralleler Richtung verlaufende, seitliche Führungsflächen (9,10) aufweist, die an parallelen seitlichen Führungsflächen (11,12) des Lagerkörpers (3) anliegen und diesen bei einer parallel zum Lenker (8) erfolgenden freien Verschiebung führen."

2. Prothese nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Lenker (8) und die Führungsflächen (9,10) geradlinig ausgebildet sind."

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 und 2 zurückbezogenen Patentansprüche 3 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit einem am 20. November 1998 beim Patentamt eingegangenen Schriftsatz vom 19. November 1998 hat die Beklagte auf das Streitpatent im Umfang des Patentanspruchs 1 und der Patentansprüche 3 bis 7, sofern bei der Rückbeziehung der Unteransprüche die Merkmale des Patentanspruchs 2 nicht eingeschlossen sind, verzichtet.

Der Kläger verfolgt das Ziel, das Streitpatent für nichtig zu erklären, soweit es von der Beklagten noch aufrechterhalten wird. Nach seiner Auffassung ist sein Gegenstand durch den Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen.

Zur Begründung beruft sich der Kläger auf die Druckschriften:

(1) EP 0 519 873 A2 (Anlage NK 4)

(2) Prioritätsanmeldung CH 1795/91 (Anlage NK 5)

(3) Prioritätsanmeldung CH 1796/91 (Anlage NK 6)

(4) "Der Große Brockhaus", 1957, Seite 596 (Anlage NK 7)

(5) "Taschenbuch der Physik" von Prof. Dr. Horst Stöcker, 2. Aufl. 1994,Seite 6 u. 7 (Anlage NK 8)

(6) "Basic Orthopaedic Biomechanics", Yan C. Mow und Wilson C. Hayes, 1991, Seite 53-54, (Anlage NK 9)

(7) "Anatomie des Menschen", Lehrbuch und Atlas v. Leonhardt, Tillmann, Töndury und Zilles, Georg Thieme Verlag Stuttgart New York, 1987, (Anlage NK 10)

(8) "Physik für Ingenieure", Dobrinski, Krakau und Vogel, 5. Aufl., Teubner Verlag, Stuttgart, 1980 ( Anlage NK 11)

(9) "Taschenbuch der Physik" von Horst Kuchling, 5.-8. Aufl., 1986, Verlag Harri Deutsch, Thun und Frankfurt/Main (Anlage NK 12)

Der Kläger beantragt, das deutsche Patent 41 28 171 im Umfang seines Anspruchs 2 und der Ansprüche 3 bis 7, soweit sie unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 2 zurückbezogen sind, für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent in seinem verteidigten Umfang für bestandsfähig.

Gründe

1. Die Klage, mit der der in § 22 Abs 2 iVm § 21 Abs 1 Nr 1 PatG vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig.

2. Der Teilverzicht ist wirksam, da er sich nicht nur auf einzelne Elemente eines Anspruchs bezieht bzw. nicht nur in einer bloßen Änderung des Wortlauts eines Anspruchs besteht (vgl. BGH GRUR 53, 86 - Schreibhefte; GRUR 62, 294,296 - Hafendrehkran). Zu entscheiden ist daher antragsgemäß nur noch über die Bestandsfähigkeit des Patentanspruchs 2 und der Ansprüche 3 bis 7 soweit diese unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 2 zurückbezogen sind.

3. Diese Klage ist in dem im Tenor bezeichneten Umfang auch begründet.

4. Das Streitpatent betrifft eine Kniegelenkendoprothese mit einer ebenen Tibialagerfläche, einem auf dieser verschiebbaren Lagerkörper mit zwei konkav gekrümmten Lagerschalen, einem Femurgelenkteil, der beweglich auf den beiden Lagerschalen angeordnet ist und mit einer Drehführung, die den Lagerkörper auf der Tibialagerfläche um eine senkrecht auf dieser stehende Drehachse führt.

Die Streitpatentschrift geht davon aus, daß es bekannt sei, um die komplizierte Dreh- und Gleitbewegung eines Kniegelenks bei einer Kniegelenksendoprothese soweit wie möglich nachzuahmen, einen Lagerkörper mit einem verschieblich aufliegenden Femurgelenkteil auf einer ebenen Tibialagerfläche frei verschiebbar zu lagern. Dabei werde teilweise der Lagerkörper nur durch die die beiden Gelenkteile festlegenden Bänder in seiner Verschiebebewegung begrenzt, teilweise begrenze ein aus der Tibialagerfläche nach oben vorstehender, in eine Ausnehmung an der Unterseite des Lagerkörpers eingreifender Vorsprung diese Bewegung.

Weiter sei bekannt, den Lagerkörper zu teilen und die beiden dabei entstehenden Lagerschalen auf der Tibialagerfläche längs einer gekrümmten Führung zu führen.

Diese Konstruktion sei jedoch infolge der beiden Längsführungen relativ kompliziert und schränke insbesondere die Drehbewegung des gesamten Gelenks ein.

Aus dem Stand der Technik seien daneben auch Kniegelenksendoprothesen bekannt, die nur eine Rotation des Lagerkörpers relativ zur Tibialagerfläche, dagegen keine Transversalverschiebung und damit im Ergebnis nur eine teilweise Nachbildung der natürlichen Bewegung ermöglichten.

Beschrieben sei im Stand der Technik schließlich eine Kniegelenksendoprothese, bei der sowohl eine Drehbewegung als auch eine Verschiebebewegung des Lagerkörpers durch einen - in eine schlitzförmige Öffnung des Lagerkörpers eingreifenden - festen Zapfen an der Tibialagerfläche ermöglicht werde. Dieser Zapfen liege aber an den Innenflächen des Lagerkörpers nur linienförmig an, so daß sich bei seiner Abnutzung durch diese erhöhte Beanspruchung ein Spiel ergebe, das eine exakte Führung nicht mehr gewährleiste.

5. Hieraus leitet sich nach der Streitpatentschrift die Aufgabe ab, eine gattungsgemäße Kniegelenksendoprothese so auszubilden, daß sie trotz möglichst naturgetreuem Bewegungsablauf einen sehr einfachen konstruktiven Aufbau hat und daß sie auch bei längerer Benutzung eine exakte Dreh- und Längsführung gewährleistet.

6. Patentanspruch 2 beschreibt demgemäß in der erteilten Fassung (die mit Gliederungspunkten versehen worden ist) in seiner Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 eine Kniegelenksendoprothese mit folgenden Merkmalen:

Kniegelenksendoprothese mit, 1.1 einer ebenen Tibialagerfläche (1), 1.2 einem auf dieser verschiebbaren Lagerkörper (3) , 1.2.1 der zwei konkav gekrümmte Lagerschalen (4) aufweist, 1.3 einem Femurgelenkteil, 1.3.1 der beweglich auf den beiden Lagerschalen (4) angeordnet ist, 1.4 und mit einer Drehführung, 1.4.1 die den Lagerkörper (3) auf der Tibialagerfläche (1) führt, 1.4.2 und zwar um eine senkrecht auf der Tibialagerfläche (1) stehende Drehachse;

1.5 Die Drehführung enthält einen Lenker (8), mit folgenden Merkmalen:

1.5.1 er ist auf der Tibialagerfläche (1) angeordneten;

1.5.2 er ist an der Tibialagerfläche (1) um eine senkrecht zur Tibialagerfläche angeordnete Drehachse drehbar gelagert, 1.5.3 er weist zwei in paralleler Richtung verlaufende, seitliche Führungsflächen (9,10) auf;

1.5.3.1 die seitlichen Führungsflächen (9,10) liegen an parallelen seitlichen Führungsflächen (11,12) des Lagerkörpers (3) an und 1.5.3.2 führen den Lagerkörper (3) bei einer parallel zum Lenker (8) erfolgenden freien Verschiebung;

1.5.3.3 der Lenker (8) und Führungsflächen (9,10) sind geradlinig ausgebildet.

7. Der Gegenstand des Anspruchs 2 der Streitpatentschrift ist gegenüber dem Gegenstand der europäischen Offenlegungsschrift 0 519 873 A2 (Anlage NK4) nicht mehr neu.

Die europäische Patentanmeldung 0 519 873 A2 (Anlage NK4) ist bei der Neuheitsprüfung zu berücksichtigen, soweit sie - obwohl selbst nachangemeldet - durch Inanspruchnahme der Prioritäten der Voranmeldungen CH 1795/91 vom 17. Juni 1991 (NK5), CH 1796/91 vom 17. Juni 1991 (NK6) und CH 3783/91 vom 19. Dezember 1991) gegenüber dem Streitpatent (Prioritätstag 24. August 1991) dem Stande der Technik iSv PatG § 3 Abs 2 zuzurechnen ist. Das ist freilich nur für diejenigen Offenbarungsteile von NK4 zu bejahen, denen die Priorität von NK5 (oder NK 6) zuerkannt werden kann, weil nur deren Anmeldetage vor dem Anmeldetag des Streitpatents liegt. Die Offenbarungsteile der NK4, die auf die Priorität von CH 3783/91 (19. Dezember 1991) zurückgehen, müssen außer Betracht bleiben, weil diese Schrift rangjünger ist.

Die europäische Patentanmeldung NK4, soweit sie zu Recht die Priorität von NK5 beansprucht, betrifft unbestritten (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 10. Februar 1999, Seite 6, 3. Abs.), einen Gegenstand mit den Merkmalen 1.1 bis 1.5.3.2 der vorgenannten Merkmalsanalyse, nämlich eine Kniegelenkendoprothese mit einer ebenen Tibialagerfläche (Merkmal 1.1, NK4 Fig 9a, Pos 24; NK5 Fig 9, Pos 24), einem auf dieser verschiebbaren Lagerkörper (Merkmal 1.2, NK4 Fig 9a, Pos 13; NK5 Fig 9, Pos 13), der zwei konkav gekrümmte Lagerschalen aufweist, (Merkmal 1.2.1, NK4/NK5 Fig 8, Pos 21), einem Femurgelenkteil, der beweglich auf den beiden Lagerschalen angeordnet ist Merkmale 1.3 und 1.3.1 NK4 Fig 9a, Pos 19, NK5 Fig 9, Pos 19, und mit einer Drehführung (Merkmal 1.4, NK4 Fig 9a, Pos 31, 33, NK5 Fig 9, Pos 31, 33), die den Lagerkörper auf der Tibialagerfläche führt (Merkmal 1.4.1, NK4 Fig 9a, NK5 Fig 9), und zwar um eine senkrecht auf der Tibialagerfläche stehende Drehachse (Merkmal 1.4.2, NK4 Fig 9a, NK5 Fig 9); die Drehführung enthält einen Lenker (Merkmal 1.5, NK4 Fig 9a, Pos 15, NK5 Fig 9, Pos 15) mit folgenden Merkmalen: er ist auf der Tibialagerfläche angeordnet (Merkmal 1.5.1, NK4 Fig 9a, NK5 Fig 9); er ist an der Tibialagerfläche um eine senkrecht zur Tibialagerfläche angeordnete Drehachse drehbar gelagert (Merkmal 1.5.2, NK4 Fig 9a, NK5 Fig 9); er weist zwei in paralleler Richtung verlaufende seitliche Führungsflächen auf (Merkmal 1.5.3, NK4/NK5 Fig 8) die seitlichen Führungsflächen liegen an parallelen seitlichen Führungsflächen des Lagerkörpers an (Merkmal 1.5.3.1, NK4 Fig 9a, NK5 Fig 9) und führen den Lagerkörper bei einer parallel zum Lenker erfolgenden freien Verschiebung (Merkmal 1.5.3.2, NK4 Fig 9a, NK5 Fig 9).

Aber auch das verbleibende Merkmal 1.5.3.3, wonach der Lenker und die Führungsflächen geradlinig ausgebildet sind, ist der NK4 und NK5 gleichermaßen zu entnehmen.

Im Anspruch 1 von NK 4 (Zeile 43 ff) [NK5: Anspruch 1, Z. 1 - 3 v.u.], sowie Spalte 12, Zeile 30ff [NK5: S. 10, le. Abs.] ist nämlich ausgeführt, daß die betreffende Einrichtung 16, 35 in NK 4 (Lenker 8 sowie Führungsflächen 11, 12 im Lagerkörper 3 im Anspruch 1 des Streitpatents) dem Zwischenteil 13 (Lagerkörper 3 im Patentanspruch 1 des Streitpatents) zusätzlich zur Schwenkbewegung auch eine "Translationsbewegung" ermöglichen soll. Diese Bewegung erfolgt auf einer Führungsbahn, die in etwa sagittaler Richtung (NK4 Spalte 5, Zeile 26 bis 28)

NK5: den die S. 6/7 übergreifenden Satz], das heißt von ventral nach dorsal (NK4 Spalte 4, Zeile 48/49) [NK5: S. 6, Z. 5/6] also von vorne nach hinten verläuft.

Der Fachmann, an den sich diese Lehre richtet, ist der mit der Entwicklung und Herstellung von Endoprothesen befaßte Ingenieur, der die Funktionsmechanismen von menschlichen Gelenken, hier insbesondere des Kniegelenks genau kennt und der bezüglich medizinischer Probleme mit einem Arzt auf dem Gebiet der Orthopädie zusammenarbeitet.

Dieser Fachmann versteht unter einer Translationsbewegung in erster Linie eine geradlinige Bewegung, wie zum Beispiel aus den folgenden Literaturstellen zu ersehen ist: Anlage NK 7, Seite 596, " Translation.., geradlinige Bewegung.. ", Anlage NK 11, Kapitel 1.5.2.4, "geradlinige Bewegung (Translation)"; Anlage NK 12, Abschnitt 6. "Translation (geradlinige Bewegung)". Er weiß freilich auch, daß der Begriff "Translationsbewegung" einen kurven- oder bogenförmigen Verlauf der Bewegung nicht ausschließt. Denn er kennt auch die Literaturstelle NK13, Kapitel 15.1,Pkt.1 wonach unter dem Begriff "Translation" sowohl eine "rectilinear translation.." (geradlinige Bewegung) als auch eine "curvilinear translation" (kurvenförmige Bewegung) beschrieben ist. Auch wenn die Ausführungsbeispiele nur eine solche bogenförmige Bewegung ansprechen, entnimmt der Durchschnittsfachmann bei dieser Ausgangslage der in NK4/NK5 dargelegten, vom Ausführungsbeispiel losgelösten Lehre (vgl insbesondere den Anspruch 1 und die Beschreibung S. 10 le Abs., sowie den die S 5/6 übergreifenden Absatz von NK5 bzw. die diesen entsprechenden Stellen; Anspruch 1 und die Beschreibung, Sp. 12 Z. 53-57, sowie Sp. 4 Z. 36-45 von NK4), daß die Bewegung sowohl bogenförmig als auch gradlinig sein kann, weil dort ganz allgemein von "Translation" die Rede ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten denkt der Fachmann auch im medizinischen Zusammenhang bei dem Begriff "Translation" keineswegs ausschließlich an eine bogenförmige Bewegung. Beispielsweise sind in der gutachtlich genannten Literaturstelle NK9 (vergleiche den die Seiten 53, 54 übergreifenden Satz), im Zusammenhang mit Bewegung des menschlichen Körpers die gleichen Definitionen wie in den vorstehend genannten Druckschriften NK7, NK11 und NK12 verwendet. Die Beklagte hat auch sonst keinen Nachweis dafür erbracht, daß unter einer Translationsbewegung hier nur eine bogenförmige Bewegung verstanden werden darf.

Das folgt auch nicht aus der Angabe im Anspruch 1 von NK5 bzw. in NK 4, Sp. 13, Z. 1 bis 5, "das Zwischenteil weise eine angenähert in physiologischer Gleitrichtung verlaufende Führungsbahn auf". Die genannten Zitatstellen geben lediglich die Richtung der Bewegung an, nicht aber deren Verlauf.

Es kann der Beklagten auch nicht zugestimmt werden, daß aus dem Anspruch 6 von NK5 bzw Anspruch 9 von NK4, der von einem Bogen mit "medialem Krümmungsradius" spricht, folge, daß auch in Anspruch 1 von NK4/NK5 ausschließlich eine bogenförmige (gekrümmte) Tranlationsbewegung gemeint sei. Denn in Anspruch 1 ist von einem Krümmungsradius keine Rede, sondern nur von einer Translationsbewegung allgemein. Auch der Umstand, daß in der Beschreibungseinleitung von NK4/NK5 die sogenannte "NewJersey Knie-Prothese" gewürdigt ist, die eine bogenförmige Translationsbewegung ermöglicht, besagt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, daß die Streitpatentschrift in Anspruch 1 von dieser speziellen Gestaltung ausgeht. Denn Anspruch 1 spricht die allgemeinere Lösung "Translationsbewegung" (jeder Art) an.

8.) Die Gegenstände der Unteransprüche 3, 4, 6 und 7 sind aus NK 4 bzw. NK5 ebenfalls bekannt, was die Beklagte nicht bestritten hat.

Die Gegenstände der Ansprüche 3 und 4 sind bekannt aus Spalte 12, Zeile 28 bis 32 von NK 4 bzw. Seite 10, 2. Abs. von NK5, die Gegenstände der Ansprüche 6 und 7 aus Figur 5, 8, 9a von NK4, beziehungsweise den entsprechenden Figuren 5, 8, 9 von NK5.

9.) Der Gegenstand des Anspruchs 5 jedoch ist neu.

Keine der in den Entgegenhaltungen beschriebenen Prothesen weist Anschläge auf, die die Längsverschiebung des Lagerkörpers relativ zum Lenker begrenzen. Das gilt auch bezüglich der älteren Anmeldung NK 4/NK 5, was von der Klägerin auch ausdrücklich eingeräumt wurde (Klageschriftsatz, Seite 20, 3. Abs.).

Er beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Entgegenhaltungen NK4/NK5 müssen hier außer Betracht bleiben. Die Gegenstände der übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften weisen sämtliche keinen Lenker im Sinne des Gegenstands der Streitpatents auf, so daß davon naturgemäß auch keine Anregungen ausgehen konnten, bei einer Endoprothese mit einem solchen Lenker Anschläge zur Begrenzung der Längsverschiebung eines Lagerkörpers relativ zu einem Lenker vorzusehen.

Die Klägerin hat zwar in ihrem Klageschriftsatz, Seite 20, 3. Abs., das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem vorveröffentlichten Stand der Technik verneint, sie hat diesen Einwand jedoch weder näher substantiiert noch auf konkreten Stand der Technik hingewiesen.

Insoweit war die Klage daher abzuweisen.

10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Dr. Schwendy Klosterhuber Haaß

Dr. Kraus Müllner Pr/prö






BPatG:
Urteil v. 30.03.2000
Az: 4 Ni 29/99


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