Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 5. März 2004
Aktenzeichen: 6 U 141/03
(OLG Köln: Urteil v. 05.03.2004, Az.: 6 U 141/03)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 02.10.2003 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 349/03 - geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger verfolgt als bundesweit tätiger Dachverband u.a. der Verbraucherzentralen der Länder satzungsgemäß Verstöße gegen das UWG und macht Ansprüche nach dem UKlaG geltend. Er nimmt die Beklagte als Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes in Zusammenhang mit unverlangter Telefax-Werbung eines Dritten für u.a. von ihr über einen Reseller vergebene 0190er-Nummern auf Unterlassung in Anspruch. Mit der Klageschrift vom 23.05.2003 hat der Kläger den Hauptantrag gestellt,
die Beklagte zu verurteilen, es (bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten,) zu unterlassen,
eine Mehrwertdienste-Rufnummer (1,86 EUR pro Minute) nicht kurzfristig zu sperren, wenn Verbraucher ohne vorherige Einwilligung wiederholt Fax-Mitteilungen mit dem Hinweis "EURO-WAHL", wie nachstehend abgebildet
pp.
erhalten haben, in denen die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Rufnummer wie angekündigt zur Abfrage weiterer Wahl-Themen verwendet werden kann und der Kläger der Beklagten, verbunden mit der Aufforderung der Nummernsperre, mitgeteilt hat, dass
Telefax-Schreiben dieser Art ohne vorherige Zustimmung wiederholt an Verbraucher übermittelt wurden, die Entscheidungen der Verbraucher zu den gestellten Fragen nicht den politischen Funktionsträgern sowie Medien präsentiert wurden, ein Unterlassungsanspruch gegen den Versender der Telefax-Schreiben wegen Zustellungsproblemen kurzfristig gerichtlich nicht durchgesetzt werden kann.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat er die Klage geändert und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es (... wie vor) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zur Förderung des Absatzes von Telefaxabrufdiensten per Telefax Kontakt aufzunehmen und/oder an einer solchen Kontaktaufnahme mitzuwirken, ohne dass das Einverständnis des Empfängers vorliegt oder - soweit es sich um einen Gewerbetreibenden handelt - zu vermuten ist, wie nachstehend wiedergegeben (es folgt die vorstehend eingeblendete Telefaxwerbung), wenn der Kläger der Beklagten mitgeteilt hat, dass
Telefax-Schreiben dieser Art ohne vorherige Zustimmung wiederholt an Verbraucher übermittelt wurden, die Entscheidungen der Verbraucher zu den gestellten Fragen nicht den politischen Funktionsträgern sowie Medien präsentiert wurden, ein Unterlassungsanspruch gegen den Versender der Telefax-Schreiben wegen Zustellungsproblemen kurzfristig gerichtlich nicht durchgesetzt werden kann.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage nach diesem Antrag unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung der Beklagten stattgegeben. Hiergegen wendet die Beklagte sich mit der Berufung, wobei sie ihre Auffassung wiederholt und vertieft, weder gemäß § 13 a TKV noch unter sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten im Umfang des Klagebegehrens zu einem Sperren von Mehrwertdiensterufnummern verpflichtet zu sein.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Hinweise des Senats hin erklärt, das Urteil nunmehr mit der Maßgabe zu verteidigen, dass wieder der in der Klageschrift formulierte Hauptantrag gestellt wird.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Der Senat hat sich nicht mehr mit der Frage zu befassen, ob die Klage in der Fassung des im Verfahren erster Instanz geänderten und von dem Landgericht mit dem angefochtenen Urteil titulierten Unterlassungsantrags zulässig und begründet war, nachdem der Kläger diesen nicht mehr verfolgt. Soweit er eine Verurteilung auf den ursprünglichen und im Berufungsverfahren wieder aufgenommenen Hauptantrag stützt, führt die Berufung zur Abweisung der Klage als unzulässig.
1.
Der im Wege der neuerlichen, von dem Senat aber als sachdienlich i.S. des § 533 ZPO angesehenen Klageänderung verfolgte Unterlassungsantrag, mit dem ungeachtet der sprachlichen Fassung letztlich ein Gebot, nämlich das der Nummernsperrung unter bestimmten Voraussetzungen, erstrebt wird, ist nicht hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein (auch Unterlassungs-)Antrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten ge- oder verboten ist (BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. zuletzt BGH WRP 2004, 227, 229 - "Farbmarkenverletzung I" m.w.N.).
Der Kläger schränkt seinen Antrag durch drei kumulativ vorliegende Voraussetzungen ein. Nach dem dritten Unterpunkt wird die sog. Unterlassungsverpflichtung der Beklagten davon abhängig gemacht, dass ein Anspruch gegen den Telefax-Versender nicht "kurzfristig" gerichtlich durchgesetzt werden kann. Der Senat hält an der in der mündlichen Verhandlung erörterten Auffassung fest, dass die Verwendung des auslegungsbedürftigen Begriffs "kurzfristig" im konkreten Kontext zur Unbestimmtheit des gestellten Antrags insgesamt führt. Zwar ist die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe in einem Klageantrag nicht schlechthin unzulässig, wohl aber dann, wenn der fragliche Begriff sich auf den Kern der mit dem Gebot oder Verbot erstrebten Regelung bezieht und bei seiner Aufnahme in den Antrag offen bliebe, ob das beanstandete Verhalten darunter fällt, diese Frage mithin in das Vollstreckungsverfahren verlagert würde (vgl. BGH a.a.O.; Zöller-Greger, 24. Aufl., § 253 Rn. 13 b m.w.N.). So liegt der Fall hier. Wann eine Zeitspanne noch als "kurzfristig" anzusehen ist, kann je nach den Umständen, auf welche sie sich bezieht, und in Abhängigkeit von der Anzahl der sodann zu bedenkenden Faktoren recht präzise oder auch gar nicht festgelegt werden. Anders als bei der Bestimmung der Spanne, welche der Beklagten nach dem ersten Teil des Antrags ("... nicht kurzfristig zu sperren...") für eine Nummernsperrung einzuräumen sein mag, ist die Frage, wann ein Rechtsanspruch gegen den Faxversender noch als "kurzfristig" gerichtlich durchsetzbar gelten kann, nicht nach allgemein verbindlichen Kriterien objektiv bestimmbar, sondern von einer so erheblichen Vielzahl von Faktoren wie Verfahrensart, Notwendigkeit einer Auslandszustellung, Belastungssituation des angerufenen Gerichts etc. abhängig, dass im Einzelfall als "kurzfristig" Wochen, aber auch mehrere Monate bis hin zur Jahresfrist bis zum Erlangen eines Titels angesehen werden können. Diese Spanne im Einzelfall als unmittelbare Voraussetzung des von dem Kläger begehrten Gebots und deshalb dessen Kernbereich unterfallende Regelung zu bestimmen, kann im Interesse von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Erkenntnisverfahren nicht offen bleiben.
2.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Klage - die erörterten Zulässigkeitsbedenken dahin gestellt - als unbegründet abzuweisen wäre, weil sie weit über die Voraussetzungen des von dem Kläger als Rechtsgrundlage seines Begehrens herangezogenen § 13 a TKV hinausgeht.
Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob § 13 a TKV entgegen seinem Wortlaut in Konstellationen wie der hier fraglichen, also der Zwischenschaltung eines Resellers im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und rechtswidrig handelndem "Kunden" i.S. der Vorschrift, überhaupt eingreift, wenn der Reseller - was vorliegend streitig ist - unmittelbar zu einer Sperrung des Mehrwertdienste-Rufnummernanschlusses technisch in der Lage ist. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob abweichend von den in § 13 a Sätzen 2 und 3 TKV normierten Voraussetzungen, welche der Klageantrag nicht aufgreift, eine sofortige Nummernsperrung auch ohne vorherige erfolglose Mahnung des unlauter handelnden Kunden verlangt werden kann, weil eine Abmahnung nach den besonderen Umständen des Einzelfalls ausnahmsweise als entbehrlich angesehen werden kann.
Unbegründet ist die Klage nämlich jedenfalls deshalb, weil der Kläger nicht dem wesentlichen weiteren Tatbestandsmerkmal einer "gesicherten Kenntnis" des Netzbetreibers Rechnung trägt. Die aus Sätzen 2 und 3 der Vorschrift resultierenden Sanktionsmöglichkeiten bis hin zur Nummernsperrung (richtiger: Sperrung des Nummernanschlusses) setzen eine "gesicherte Kenntnis" von der missbräuchlichen Verwendung einer Mehrwertdiensterufnummer voraus. Demgegenüber will der Kläger nach seinem Antrag eine Handlungspflicht des Netzbetreibers schon dann begründet sehen, wenn er seine, des Klägers, nach näherer Maßgabe des Klageantrags spezifizierte "Mitteilung" über einen Nummernmissbrauch erhalten hat. Es liegt aber auf der Hand, dass eine über eine derartige Mitteilung allenfalls erlangbare einfache Kenntnis des Netzbetreibers - auch dann, wenn sie im Einzelfall von einem Verbraucherverband vermittelt wird - seiner "gesicherten", also Zweifel praktisch ausschließenden positiven Kenntnis nicht gleichgesetzt werden kann, sondern deutlich über diese und damit auch über die in § 13 a TKV normierten Voraussetzungen hinausgeht.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.
Streitwert im Berufungsverfahren: 10.000 EUR
OLG Köln:
Urteil v. 05.03.2004
Az: 6 U 141/03
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