Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 24. Februar 2005
Aktenzeichen: 4 U 173/04
(OLG Hamm: Urteil v. 24.02.2005, Az.: 4 U 173/04)
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 21. September 2004 verkündete
Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird
zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheits-
leistung in Höhe von 5.000 EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in genannter Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger betreiben nach ihrem Vortrag in M die Bar N, in der Prostituierten und deren Kunden sexuelle Kontakte ermöglicht werden. Die Kläger vermieten dort nach ihrer Behauptung Zimmer an die "Freier" und verdienen zudem am Getränkeverkauf.
Die Beklagte ist Herausgeberin der "C-Zeitung", die mit Regionalausgaben auch im Münsterland und Ostwestfalen erscheint.
Die Kläger wenden sich mit der Klage gegen die Veröffentlichung folgender Anzeigen in der Regionalausgabe der "C-Zeitung" vom 19. Mai 2004 für Ostwestfalen-Lippe (Anlage K 1):
Ferner wenden sie sich gegen weitere Anzeigen vom 1. September 2004 in der Regionalausgabe für das Münsterland, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage K 3 zum Schriftsatz vom 10. September 2004 verwiesen wird.
Die Kläger sehen in den unter der Rubrik "Clubs" veröffentlichen Anzeigen eine unzulässige Werbung für Prostitution und haben dazu vorgetragen, es sei offensichtlich, dass mit den Inseraten sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten würden. Vorsorglich haben sie sich dazu auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen. Sollte allerdings die Werbung für die Prostitution nicht offensichtlich sein, sei die Werbung irreführend und nach §§ 8, 5 UWG zu untersagen.
Die Kläger haben auch unter Hinweis auf den vom Senat entschiedenen Fall 4 U 70 / 03 näher zu dem von ihnen in jedem Fall bejahten Wettbewerbsverhältnis mit den werbenden Personen oder Betrieben vorgetragen. Nach ihrer Auffassung kommt es nicht darauf an, ob die Prostituierten oder die im Regelfall hinter ihnen stehenden werbenden Betriebe die sexuellen Handlungen selbst gegen Entgelt anbieten oder ob dort "Kost und Logis" angeboten werden, damit selbständig tätige Prostituierte sexuelle Handlungen gegen Entgelt vornehmen können. Sollte der Senat aber an seiner im Vorprozess niedergelegten Auffassung festhalten, es handele sich erkennbar um Anzeigenwerbung der Prostituierten selbst, so greifen die Kläger mit dem Hilfsantrag ausdrücklich auch an, dass mit den konkreten Verletzungshandlungen Anzeigen für andere Beherbergungsbetriebe wie etwa den Q oder den Q2 veröffentlicht würden, bei denen in ähnlicher Weise wie bei den Klägern verfahren werde, indem für die Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen mit den dortigen Prostituierten ein Eintrittsgeld verlangt werde.
Die Kläger haben gemeint, das Werbeverhalten sei sittenwidrig und verstoße wegen der damit verbundenen Herabsetzung und Diskriminierung der Frau unmittelbar gegen § 3 UWG. Insoweit haben sich die Kläger auf die BGH-Entscheidung "Busengrapscher" bezogen. In jedem Fall ergebe sich die Unlauterkeit aber daraus, dass die Werbung gegen die §§ 119, 120 OWiG verstoße. Dabei handele es sich um Normen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Sie dienten dem Jugendschutz, also einem wichtigen Gemeinschaftsgut, und regelten unmittelbar ein Wettbewerbsverhalten, nämlich die Art und Weise der Werbung.
Die Kläger haben bestritten, dass Verstöße gegen die §§ 119, 120 OWiG inzwischen von den Ordnungsbehörden generell geduldet würden. Das Gegenteil ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte nur in einem Teil der Regionalausgaben solche Werbung veröffentliche, in anderen Ausgaben wie denen für P und C dagegen nicht.
Die Kläger haben die Beklagte in Anspruch genommen, weil diese durch die Veröffentlichung der erkennbar gesetzeswidrigen Anzeigen an den Ordnungswidrigkeiten mitgewirkt habe.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel zu verurteilen,
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in ihren in Ostwestfalen-Lippe
und/oder im Münsterland erscheinenden Druckwerken Anzeigen zu ver-
öffentlichen, in denen für entgeltliche sexuelle Handlungen geworben
wird, insbesondere wenn dies geschieht wie aus den Anlagen K 1 und K3
ersichtlich,
hilfsweise,
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in ihren in Ostwestfalen-Lippe
und/oder im Münsterland erscheinenden Druckwerken Anzeigen zu ver-
öffentlichen, in denen für Beherbergungsbetriebe und/oder Gaststätten-
betriebe geworben wird, die Gelegenheit zur Vornahme von entgeltlichen
sexuellen Handlungen gewähren, insbesondere wenn dies geschieht wie
aus den Anlagen K1 und K3 ersichtlich.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zunächst die Aktivlegitimation der Kläger bestritten. Ferner hat sie die Werbung verteidigt und ausgeführt, aufgrund der gewandelten gesellschaftlichen Anschauung zur Prostitution müssten die §§ 119, 120 OWiG verfassungskonform eng ausgelegt werden. Danach sei eine solche Werbung nur dann ordnungswidrig, wenn sich aus ihrem Inhalt unzweideutig ergebe, dass für Prostitution geworben werde. Das sei hier nicht der Fall. Es werde weder auf Angebote sexueller Handlungen noch auf deren Entgeltlichkeit hingewiesen. Das gelte insbesondere auch dann, wenn man berücksichtige, auf welche erheblich eindeutigere und drastische Weise auf dem Markt mittlerweile für die Vermittlung von sexuellen Kontakten geworben werde, und zwar in Fachblättern ebenso wie in Tages- und Wochenzeitschriften. Dadurch werde eine Reizüberflutung bewirkt, der sich die Verbraucher nur sehr schwer entziehen könnten. Die Beklagte hat zur Veranschaulichung der Marktvorgänge ein Konvolut von Zeitschriften zur Akte gereicht.
Die Beklagte hat mit näheren Ausführungen dargelegt, warum ihrer Meinung nach die §§ 119. 120 OWiG nicht zu den in § 4 Nr. 11 UWG genannten Gesetzen zählen. Keinesfalls bezwecke das OWiG den Schutz anderer Bordellbetreiber. Schließlich hat die Beklagte noch auf ihre eingeschränkte Prüfungspflicht als Presseunternehmen verwiesen. Diese habe sie nicht verletzt, weil jedenfalls kein grober und sofort nach außen tretender Verstoß gegen das Werbeverbot erkennbar gewesen sei. Immerhin würden die Ordnungsbehörden dulden, so hat die Beklagte behauptet, dass solche Anzeigen täglich in einer Vielzahl von Zeitungen abgedruckt würden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dabei mit näheren Ausführungen die Meinung vertreten, der allein in Betracht kommende Rechtsbruchtatbestand sei nicht erfüllt. Darunter sei nach § 4 Nr. 11 UWG nur ein Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift zu verstehen, die auch dazu bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Das sei sowohl bei § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG als auch bei § 119 Abs. 1 Nr. 2 OWiG nicht der Fall. Diese Vorschriften dienten dem Schutz der Allgemeinheit vor den mit der Prostitution verbundenen Belästigungen und Gefahren; Ziel der Vorschriften sei es auch aus Gründen des Jugendschutzes, der Prostitution bereits im Vorfeld durch weitgehende Werbebeschränkungen zu begegnen. Es gebe dagegen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bestimmungen auch dem Interesse der Marktteilnehmer dienen sollten.
Die Kläger greifen das Urteil mit der Berufung an. Sie verfolgen ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiter und wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und rügen, dass das Landgericht sich nicht mit allen geltend gemachten Anspruchsgrundlagen auseinander gesetzt habe. So habe sich das Landgericht mit dem zusätzlich geltend gemachten unmittelbaren Anspruch aus § 3 UWG nicht befasst. Im angefochtenen Urteil fehle damit jede Feststellung dazu, aufgrund welchen Anschauungswandels die öffentliche Werbung für Prostitution nicht mehr sittenwidrig sein solle. Auch zu einem denkbaren Anspruch wegen irreführender Werbung habe das Landgericht keine Ausführungen gemacht.
Schwerpunktmäßig wenden sich die Kläger dagegen, dass das Landgericht gemeint hat, der Rechtsbruchtatbestand sei nicht erfüllt. Unter Aufarbeitung der Rechtsprechung des BGH zu diesem Komplex werfen sie dem Landgericht vor, die erforderliche zweistufige Prüfung nicht vorgenommen zu haben. Andernfalls hätte das Landgericht erkennen müssen, dass hier die Sittenwidrigkeit nach wie vor indiziert sei. Es werde nämlich gegen Bestimmungen verstoßen, die dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dienten. Nur dann, wenn der Gesetzesverstoß dem Marktauftritt vorausgehe oder nachfolge, sei die Frage der zumindest sekundären wettbewerbsbezogenen Schutzfunktion der Norm von Bedeutung. Das Verbot der §§ 119, 120 OWiG beziehe sich aber auf die Werbung, also unmittelbar auf ein Marktgeschehen. Das Landgericht habe auch zu Unrecht die Mitbewerber mit den Marktteilnehmern gleichgesetzt. Das stehe mit der gesetzlichen Definition der Marktteilnehmer nicht in Einklang. Zu den Marktteilnehmern, die neben den Mitbewerbern geschützt seien, gehörten auch die Jugendlichen, deren Schutz das Gesetz bezwecke. Vorsorglich berufen sich die Kläger aber auch darauf, dass die gesetzestreuen Mitbewerber jedenfalls auch durch das Werbeverbot geschützt werden sollten.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den früheren Klage-
anträgen zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie meint, die Kläger könnten den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht auf §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 119, 120 OWiG stützen. Die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 119 OWiG lägen erkennbar nicht vor. Zumindest einige der Anzeigen seien nicht als Werbung für Prostitution im Sinne des § 120 OWiG anzusehen. Unabhängig davon seien die Kläger nicht aktivlegitimiert, da es an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis fehle. Zudem habe das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die §§ 119, 120 OWiG keine gesetzlichen Vorschriften seien, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Dies lässt die Beklagte im einzelnen ausführen, wobei sie sich ausführlich mit den Berufungsangriffen auseinandersetzt. Sie hebt hervor, dass es für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 4 Nr. 11 UWG nicht bereits ausreichen könne, dass eine Norm ausdrücklich oder erkennbar den Verbraucher schütze. Erforderlich sei vielmehr, dass die Norm den Verbraucher als am Markt agierende Person anspreche und schütze. Gerade daran fehle es hier. Vorsorglich weist die Beklagte darüber hinaus darauf hin, dass die Unlauterkeit des angegriffenen Verhaltens positiv festgestellt werden müsse, dass dies aber nicht möglich sei. Die von den zuständigen Behörden seit langem geduldete Werbung sei weder ungewöhnlich noch sozialschädlich. Unter dem Aspekt des Presseprivilegs legt die Beklagte dar, dass die Wettbewerbswidrigkeit der angegriffenen Anzeigen ihrer Meinung nach nicht grob und unschwer zu erkennen sei.
Die Beklagte meint, die Kläger könnten einen Unterlassungsanspruch auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen herleiten. So scheide insbesondere ein Anspruch unmittelbar aus § 3 UWG hier aus. Zur Begründung führt die Beklagte dazu neben Argumenten zum Problemkreis der hier nicht betroffenen Menschenwürde aus, dass andernfalls die gesetzgeberische Wertung in § 4 Nr. 11 UWG unterlaufen werde. Der Anspruch lasse sich auch nicht aus § 5 UWG rechtfertigen, weil eine irreführende Werbung weder von den Klägern vorgetragen noch erkennbar sei.
II. Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht erkannt, dass die Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der beanstandeten Anzeigen haben.
1) Der Unterlassungsantrag ist zumindest nach der Klarstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, zumal er die angegriffenen Anzeigen als konkrete Verletzungsform einbezieht.
Vom Hauptantrag sollen die Fälle erfasst sein, in denen die Prostituierten selber oder für sie die Betreiber der entsprechenden Betriebe die Werbung für die dort angebotenen sexuellen Handlungen veranlassen. Der Hilfsantrag hat im Hinblick
darauf, dass der Senat an seinen Bedenken an der Klagebefugnis festhalten könnte, die Veröffentlichung von Werbung zum Gegenstand, mit der Betriebe, die dem Betrieb der Kläger gleichartig sind, ihre Nebenleistungen wie etwa Logis und Getränke anbieten. Eine solche Werbung sehen die Kläger in der beanstandeten Anzeigenwerbung jedenfalls auch.
2) Soweit sich die Kläger mit dem Hauptantrag gegen die Anzeigen der Prostituierten oder der mit ihnen verbundenen Betriebe wenden, mit denen diese unmittelbar für entgeltliche sexuelle Handlungen werben, fehlt es ihnen an der erforderlichen Anspruchsberechtigung. Das hat der Senat in der Sache 4 U 70 / 03 unter Anwendung des alten Wettbewerbsrechts damals für die Klagebefugnis schon so entschieden. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass zwischenzeitlich das neue UWG in Kraft getreten ist. Die Kläger wenden sich auch gegen eine Anzeige vom 19. Mai 2004. Diese Anzeige wurde noch zu Zeiten des alten UWG geschaltet. Dagegen wurde die Anzeige vom 1. September 2004, die außerdem Verbotsgegenstand sein soll, erst nach dem Inkrafttreten des neuen UWG geschaltet. Die Beurteilung der geltend gemachten Unterlassungsansprüche richtet sich zwar zunächst nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht. Das ist also das neue UWG. Allerdings kann ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch nur bestehen, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit seiner Begehung wettbewerbswidrig war. Auch die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung müssen schon im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung und noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorliegen (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, § 8 Rdn. 3.7). Somit muss der Senat bei der Prüfung der Anspruchsberechtigung und der Wettbewerbswidrigkeit im Hinblick auf die mit der Anlage K 1 vorgelegten Anzeigen sowohl das alte als auch das neue Recht zugrunde legen.
a) Nach altem Recht fehlt den Klägern für ihr mit dem Hauptantrag verfolgtes Begehren schon deshalb die Klagebefugnis, weil sie weder unmittelbar Verletzte noch klagebefugte Mitbewerber im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. sind. Das hat der Senat in dem Vorprozess 4 U 70 / 03 entschieden, der nun beim Bundesgerichtshof zur Revisionsentscheidung vorliegt. Auf die Begründung auf Seiten 8 bis 11 des als Anlage K 7 vorgelegten Senatsurteils wird insoweit Bezug genommen. Auch die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof der Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger stattgegeben hat, gibt dem Senat keine Veranlassung, von seiner Auffassung abzuweichen.
b) Auch nach neuem Recht sind die Kläger im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG keine Mitbewerber derjenigen, die solche Anzeigen aufgegeben haben. Dabei kann für den Senat dahin stehen, ob eine sich aus dieser Vorschrift ergebende Anspruchsberechtigung eine prozessuale oder, was näher liegt, eine materielle Anspruchsvoraussetzung ist. Jedenfalls stehen die Kläger als Vermieter von Räumen und Anbieter von Getränken in keinem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis mit den Prostituierten, die nach dem Verständnis der Leser der Anzeigen damit ihre sexuellen Handlungen privat oder in entsprechenden Clubs gegen Entgelt anbieten. Es geht hier nicht um gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art, weil das Anbieten der sexuellen Leistungen auch angesichts der erforderlichen weiten Auslegung etwas ganz anderes ist als das Vermieten von Räumen und das Anbieten von Getränken. Darauf, dass die Kläger wirtschaftlich zwangsläufig davon betroffen sind, dass die Geschäfte der in ihrer Bar tätigen Prostituierten wegen der Werbeangebote zurück gehen, kommt es nicht entscheidend an. Die Kläger machen nicht geltend, dass sie die eigentlichen Betreiber und Anbieter der sexuellen Dienste ihrer Prostituierten sind.
3) Die Klage hat auch nach dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Zwar gilt insoweit im Hinblick auf die Anspruchsberechtigung der Kläger etwas Anderes. Es fehlt aber an einem Wettbewerbsverstoß der Beklagten.
a) Die Kläger greifen insoweit -wie klargestellt worden ist- auch an, dass die Beklagte Anzeigen anderer Etablissementsbetreiber veröffentlicht hat, die wie die Kläger nur die Rahmenbedingungen dafür herstellen, dass Prostituierte sexuelle Handlungen gegen Entgelt anbieten können, und die mit den beanstandeten Anzeigen zugleich auch für die eigenen Leistungen der Etablissements werben. Bei einem solchen Verständnis der Anzeigen geht es dann tatsächlich um die Werbung von Mitbewerbern, zu denen die Kläger in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Es ist in diesem Zusammenhang unstreitig, dass jedenfalls die in der Anzeige K 1 werbenden Etablissements Q und Q2 solche Mitbewerber sind, die gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes den zahlenden Kunden und den Prostituierten die Erbringung sexueller Handlungen auf der Grundlage eigenständiger Vereinbarungen ermöglichen. Ihre Werbung bezieht sich untrennbar sowohl auf eine Inanspruchnahme ihrer eigenen Dienstleistungen gegen Zahlung des Eintritts als auch auf das Angebot der jeweiligen sexuellen Handlungen der im Betrieb anwesenden Prostituierten.
b) Es kann letztlich dahinstehen, ob den Klägern im Hinblick auf die Veröffentlichung der mit der Anlage K 1 vorgelegten Anzeigen nach dem zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung geltenden Recht aus § 1 UWG in Verbindung mit §§ 119, 120 OWiG ein Anspruch wegen Verletzung einer werthaltigen Norm zugestanden haben könnte, wobei allerdings schon angesichts des Presseprivilegs der Beklagten vieles dagegen spricht.
c) Den Klägern steht jedenfalls unter Berücksichtigung des neuen Wettbewerbsrechts kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG zu. Denn die Beklagte hat mit der Veröffentlichung der beanstandeten Anzeigen keine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG vorgenommen. Nach § 4 Nr. 11 UWG hätte sie in diesem Sinne unlauter gehandelt, wenn sie Anzeigen veröffentlicht hätte, mit denen deutlich erkennbar und ohne das Erfordernis einer weiteren rechtlichen Einzelprüfung einer rechtlichen Vorschrift zuwider gehandelt hätte, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktgeschehen zu regeln. Die §§ 119, 120 OWiG sind aber keine wettbewerbsbezogenen Vorschriften in diesem Sinne, weil die in ihnen enthaltenen Werbeverbote keinen marktregelnden Charakter im Interesse der Marktbeteiligten haben.
aa) Zwar ist der angesichts des Charakters der jedenfalls nicht grob anstößigen Anzeigen allein in Betracht kommende § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG marktbezogen in dem Sinne, dass auf einem ganz bestimmten Markt, nämlich dem der Prostitution, die Werbung für entgeltliche sexuelle Handlungen schlechthin verboten werden soll. Damit ist die Regelung grundsätzlich geeignet, den Wettbewerb auf diesem Markt zu beeinflussen.
bb) Diese Regelung erfolgt hier aber gerade nicht im Interesse der Marktteilnehmer an einem lauteren Wettbewerb. Das Verbot hat vielmehr ganz andere Ziele. Nach seinem Schutzzweck soll die Allgemeinheit vor den mit der Prostitution schon generell verbundenen Belästigungen und Gefahren geschützt werden. Namentlich aus Gründen des Jugendschutzes soll der Prostitution schon im Vorfeld durch weitgehende Wettbewerbsbeschränkungen begegnet werden. Das Schutzgesetz dient somit in erster Linie dem Jugendschutz und der öffentlichen Ordnung, nicht aber dem Schutz der Marktteilnehmer.
cc) Schutzobjekt der gesetzlichen Vorschrift sind im vorliegenden Fall insbesondere nicht die Mitbewerber. Der Markt der Prostitution soll nach wie vor durch das Werbeverbot im Voraus beschränkt, aber nicht dadurch gefördert werden, dass die Marktchancen der etablierten Mitbewerber verbessert werden. Die schon auf dem Markt tätigen Prostituierten und die Beherbergungsbetriebe sollen durch das Werbeverbot nicht vor werbender Konkurrenz bewahrt werden. Ferner hat das Gesetz nicht im Auge, die Werbung im Interesse derjenigen zu verbieten, die als Kunden die Dienstleistungen der Prostituierten in Anspruch nehmen. In deren Interesse läge es weit eher, wenn das Angebot entsprechend erweitert und durch Werbung dafür übersichtlicher gemacht würde.
dd) Der marktregelnde Charakter ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes. Die Norm ist nämlich nicht dazu bestimmt, die Stellung des Verbrauchers gegenüber Handel und Gewerbe zu stärken und den Wettbewerb zu fördern (vgl. BGH WRP 2003, 1347, 1349 -Telefonischer Auskunftsdienst). An diesem Teilaspekt fehlt es hier. Die Jugendlichen werden nicht als Verbraucher und Teilnehmer auf diesem Markt geschützt, sondern sie sollen -soweit möglich- aus erzieherischen und moralischen Gründen schon vorab vor der Kenntnis der betreffenden Angebote und damit vor dem Marktzutritt bewahrt werden. Es geht somit gerade nicht um ein besonderes Werbeverbot zum Schutz von Kindern und Jugendlichen als Teilnehmern am Wettbewerb wie es bei § 6 Abs. 2 JMStV (Jugend-Medienschutz-Staatsvertrag) der Fall ist. Dort wird nicht das ob sondern das wie der an Jugendliche in ihrer Eigenschaft als Verbraucher gerichteten Werbung geregelt.
ee) An einem fehlenden Gesetzesverstoß würde der Anspruch dagegen nicht in vollem Umfang scheitern. Wie das Landgericht knapp dargestellt hat, meint auch der Senat, dass die mit dem Hilfsantrag angegriffene Werbung jedenfalls teilweise gegen § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG verstößt. Gerade die Anzeige des Wettbewerbers Q macht deutlich, dass für den "Spaß", bei dem der Verbraucher weiß, was gemeint ist, jedenfalls einmal zu bezahlen ist. Es wird insoweit unverhohlen von den Etablissementsbetreibern nicht nur für ihre Nebenleistungen, sondern zugleich auch für entgeltliche sexuelle Handlungen der anwesenden Prostituierten und damit für Provision geworben.
d) Ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte wäre aber selbst dann nicht gegeben, wenn man einen Verstoß der Anzeigenkunden gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG bejahen würde. Denn der Beklagten kommt das Presseprivileg zugute. Danach beschränkt sich die Prüfungspflicht der Medien auf grobe und offensichtliche Wettbewerbsverstöße. Diese setzen voraus, dass sich einem Laien wie einem Beschäftigten in der Anzeigenabteilung der Beklagten schon aufgrund flüchtiger Lektüre der Anzeige nicht nur die Gesetzeswidrigkeit sondern auch die Wettbewerbswidrigkeit geradezu aufdrängt. Diese doppelte Voraussetzung liegt hier nicht vor. Es kann dabei noch dahin stehen, ob die Anzeigen angesichts des großen und dauerhaften Marktes von Kontaktanzeigen im genannten Sinne offensichtlich Prostitutionswerbung sind. Bei der Frage der Wettbewerbsbezogenheit eines solchen Verstoßes handelt es sich aber um eine schwierige Rechtsfrage, die man mit den vom Senat dargelegten Gründen verneinen kann. Es ginge zu weit, von der privilegierten Beklagten verlangen zu wollen, sicherheitshalber die gegenteilige Rechtsansicht zugrunde zu legen und deshalb die Veröffentlichung auch aus wettbewerbsrechtlichen Gründen zu verweigern.
e) Ein Anspruch auf Unterlassung nach dem Hilfsantrag kann sich hier auch nicht unmittelbar aus § 3 UWG ergeben.
aa) Zwar kann diese Vorschrift auch weiterhin als Auffangtatbestand dienen, wenn ein Fall unlauteren Wettbewerbsverhaltens bei der Kodifizierung der Beispielsfälle übersehen worden ist oder wenn sich später wettbewerbswidrige Fallgestaltungen herausbilden, die nicht unter die teilweise generalklauselartig ausgestalteten Beispielsfälle zu subsumieren sind. Nach Auffassung des Senats können aber Fälle des Rechtsbruchs, die nicht unter den Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG fallen, nicht über § 3 UWG verboten werden. Andernfalls würde man die gesetzliche Wertung bei der Gestaltung des Unlauterkeitsfalles "Rechtsbruch" unterlaufen. § 3 UWG kann man insbesondere nicht mehr heranziehen, um bei einem Verstoß gegen eine Norm ohne Marktbezug ein Verhalten zu verbieten, das gewichtige Interessen der Allgemeinheit missachtet. Die Kläger übersehen insoweit, dass der Gesetzgeber nun nicht mehr auf die Sittenwidrigkeit des Handelns abstellt wie früher in § 1 UWG a.F., sondern auf die Unlauterkeit in Bezug auf den Wettbewerb.
bb) Unabhängig davon liegt hier schon kein Fall vor, der mit Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, bei denen das Interesse der Allgemeinheit wettbewerbsrechtlich im Vordergrund stand (vgl. BGH WRP 2002, 434 -H.I.V. Positive II; BGHZ 130, 5, 12 -Busengrapscher), zu vergleichen ist. Hier bieten Prostituierte selbst ihre Leistungen an, wenn auch teilweise umrahmt von den Dienstleistungen der mit ihnen zusammenarbeitenden Beherbergungsunternehmungen. An solche Angebote hat sich die Leserschaft mittlerweile gewöhnt, zumal Ordnungsbehörden oft nicht dagegen einschreiten. Das hatte der Senat bereits damals in Zusammenhang mit der Prüfung eines unmittelbaren Verstoßes gegen § 1 UWG a.F. schon so gesehen. Dem gegenüber sind die Frauen bei der Werbung für Brombeerlikör im Busengrapscherfall in ganz anderer Weise herabwürdigend als reines Objekt für die sexuellen Wünsche der Männer benutzt worden. Bei der H.I.V. Positive -Werbung ging es um eine brutale und herabsetzende Aufmerksamkeitswerbung in Zusammenhang mit dem besonderen Schicksal und Leid anderer Menschen. Kennzeichnend für eine solche Werbung war es, dass es um Auswüchse des Wettbewerbs ging. Diese konnten dazu beitragen, den Wettbewerb zu vergiften und einen an der Leistung orientierten Wettbewerb zu gefährden. Bei solchen Auswüchsen könnte es ein eigenes Anliegen der Gewerbetreibenden sein, nicht zusehen zu müssen, wie andere mit grob anstößigen Methoden den Markterfolg suchen, oder nicht vor die Entscheidung gestellt zu werden, ob sie selbst in gleicher Form Wettbewerb betreiben sollen, um nicht im Wettbewerb zurückzufallen (BGH -H.I.V. Positive II a.a.O S.437). Diesen Entscheidungen lag im Übrigen auch noch die alte Rechtslage zugrunde. Das Interesse der Allgemeinheit als solches ist nach der neuen Rechtslage nur noch ganz ausnahmsweise und eingeschränkt als Interesse der Allgemeinheit an der Lauterkeit des Wettbewerbs im oben geschilderten Sinne Schutzobjekt des UWG, wie § 1 UWG deutlich macht. Damit spielt ein die Interessen der Allgemeinheit betreffender Gesetzesverstoß wettbewerbsrechtlich nur dann eine eigene Rolle, wenn es sich um ein schlechthin unerträgliches Verhalten im geschäftlichen Verkehr handelt, das zum Beispiel die Menschenwürde beeinträchtigt. Bei einer Werbung für Prostitution ist eine solche Schwelle noch nicht überschritten. Dies gilt umso mehr, wenn sie sich wie hier- nicht durch Aufdringlichkeit und besondere Anstößigkeit auszeichnet. Allein in diesem Zusammenhang ist auch ein gewisser Wandel der Anschauungen und ein deutlicher Gewohnheitseffekt mit zu berücksichtigen. Das Interesse der Allgemeinheit wird dadurch gewahrt, dass ein Verstoß gegen das Werbeverbot nach wie vor ordnungswidrig ist und die Ordnungsbehörden die Möglichkeit haben, dagegen einzuschreiten. Selbst wenn -jedenfalls in bestimmten Bereichen- die Behörden gegen solche Werbung überhaupt nicht mehr einschreiten sollten, kann es nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts sein, dies zu korrigieren, obwohl die Marktteilnehmer in ihren Interessen nicht oder nicht nachhaltig berührt werden.
f) Auch ein Anspruch wegen der Veröffentlichung irreführender Werbung aus §§ 3, 5 UWG steht den Klägern nicht zu, weil sie ja -wie der Senat auch- davon ausgehen, dass die Anzeigen von den Lesern nicht falsch, sondern richtig verstanden werden.
Die Revision ist hier zuzulassen, weil Parallelverfahren bereits beim Bundesgerichtshof anhängig sind und somit die Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweicht. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert deshalb auch hier eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 24.02.2005
Az: 4 U 173/04
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