Bundespatentgericht:
Urteil vom 24. Oktober 2001
Aktenzeichen: 4 Ni 22/00

(BPatG: Urteil v. 24.10.2001, Az.: 4 Ni 22/00)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,-- Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 1. Oktober 1985 unter Inanspruchnahme der Priorität der amerikanischen Patentanmeldung 65 62 61 vom 1. Oktober 1984 angemeldeten, ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 177 330 (Streitpatent). Das Streitpatent wird vom Deutschen Patentamt unter der Nummer 35 83 276 geführt und betrifft ein medizinisches Gerät zur Gefäßaufweitung ("Stent"). Das in der Verfahrenssprache Englisch erteilte Patent umfaßt 7 Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat in seiner deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:

"Stent (9) bzw medizinisches Gerät zur Gefäßaufweitung, aufweisend ein Einzeldrahtstück, welches in eine geschlossene Zickzack-Gestalt geformt ist, die aus einer endlosen Aneinanderreihung von geraden Abschnitten (12) gebildet ist, die über eine Mehrzahl von Biegungen oder Biegestellen (13) verbunden sind, wobei der Stent in eine erste, kleinere Gestalt nachgiebig zusammendrückbar ist, in welcher alle geraden Abschnitte zwecks Einführung in einen Durchgang seitlich nebeneinanderliegend und dicht zu einander benachbart angeordnet sind, wobei die Biegestellen unter Spannung stehen, und wobei der Stent durch Freigabe der Spannung in eine zweite Gestalt nachgiebig aufweitbar ausgebildet ist, in welcher alle geraden Abschnitte einen im wesentlichen kreisförmigen oder zylindrischen Aufbau zwecks Anpressung gegen die Wand des Durchganges festlegen, um diesen offen zu halten."

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents sei nicht neu, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären. Sie beruft sich auf offenkundige Vorbenutzung und bietet hierfür Zeugenbeweis an.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 177 330 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist dem Vorbringen der Klägerin - gleichfalls unter Angebot von Zeugen - entgegengetreten. Sie hält das Streitpatent für rechtsbeständig.

Der Senat hat über die offenkundige Vorbenutzung gemäß Beweisbeschluß 29. Mai 2001 (Bl 162 dA) durch Vernehmung der Zeugen Prof. Dr. V..., Dr. S..., Prof. D... und Dr. P... Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 29. Mai 2001 und 22.-24. Oktober 2001 (Bl 161 ff u. 222 ff dA) verwiesen. Wegen des Sachvortrages wird im übrigen auf die Akte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist unbegründet. Der Klägerin ist es nicht gelungen, einen patentschädlichen Sachverhalt nachzuweisen.

I.

1. Das Streitpatent betrifft Stents bzw medizinische Spreizkörper, die nach der Beschreibung der Streitpatentschrift ua eingesetzt werden, um eingeengte Gefäßabschnitte aufzuweiten oder um einen Durchlaß durch einen Gefäßabschnitt offen zu halten, beispielsweise bei Arteriosklerose oder bei einem die Blutströmung einschränkenden bzw abblockenden Tumor.

In der Beschreibung ist dazu ausgeführt, im Jahr 1969 sei bereits von der experimentellen Verwendung spulenförmiger Draht-Stents aus Edelstahl bei Hunden berichtet worden. Diese Spulen hätten zwar eine langdauernde Durchgängigkeit gezeigt, jedoch hätten sie den Freiraum verengt und es hätten nur sehr kleine Spulen perkutan eingesetzt werden können.

Weiter sei die Verwendung einer Prothese aus einer Legierung mit thermischem Formgedächtnis, nämlich Nitinol bekannt geworden, die durch einen Katheter geschoben werde. Da diese Stents Eiswasser oder eine erwärmte Kochsalzlösung für die Positionierung erforderten, könne ihre Handhabung umständlich sein. Auch habe sich gezeigt, daß Fibrin-Ablagerungen auf den Stent-Drähten eine Verengung des Freiraumes bewirkten.

Schließlich erwähnt die Streitpatentschrift einen elastischen Nasenaufweiter (gemäß der US -A- 1 672 591) als im Stand der Technik bekannt sowie einen Uterus-Aufweiter aus einer Vielzahl von Stangen mit einer geschlossenen Zickzack-Struktur (gemäß der DE -C- 150 127).

2. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatenschrift die Aufgabe, einen Stent bereitzustellen, der leicht zu benutzen und zu positionieren ist und der Strömungsbeeinträchtigungen, Verengungen des Freiraumes und Verstopfungen reduziert.

3. Patentanspruch 1 beschreibt dazu einen Stent mit folgenden Merkmalen:

1. Der Stent weist ein Einzeldrahtstück auf, das in eine geschlossene Zick-Zack-Gestalt geformt ist, 2. die Zick-Zack-Gestalt ist durch eine endlose Aneinanderreihung von geraden Abschnitten gebildet, die durch eine Mehrzahl von Biegungen verbunden sind, 3. das Einzeldrahtstück ist federnd nachgiebig in eine kleine erste Gestalt zusammendrückbar, 4. in der alle geraden Abschnitte seitlich nebeneinanderliegend und dicht zueinander benachbart angeordnet sind, 5. wobei die Biegestellen unter Spannung stehen und 6. wobei der Stent zur Freigabe der Spannung in eine zweite Gestalt nachgiebig aufweitbar ausgebildet ist, 7. in der alle geraden Abschnitte einen im wesentlichen kreisförmigen oder zylindrischen Aufbau zwecks Anpressung gegen die Wand des Durchganges festlegen, um diesen offen zu halten.

II.

Dem Gegenstand des Streitpatents steht die behauptete offenkundige Vorbenutzung nicht patenthindernd entgegen. Der Klägerin ist es nicht gelungen, den Senat davon zu überzeugen, daß ihr Gegenstand vor dem Anmelde- oder Prioritätstag öffentlich zugänglich geworden ist.

Die Beweisaufnahme hat hierzu zunächst folgendes ergeben:

Der als Zeuge vernommene Professor Dr. V... hat bekundet, am 7. Septem ber 1984 in einer Sitzung des Wissenschaftliches Rates am K... für Allgemeine und Notfall-Chirurgie (im folgenden: KSRIGES) den Inhalt seiner Dissertation erläutert zu haben. Es habe sich um eine Standardangelegenheit einer inneren Verteidigung einer Dissertation gehandelt. Die Sitzung habe der internen Abklärung gedient, ob der Inhalt der von ihm vorgelegten Dissertation zur externen Verteidigung zugelassen werden konnte. Dabei habe er den Inhalt der Dissertation zT auch mit Modellen und Dias verdeutlicht. Als einen Teil seiner Dissertation habe er eine zickzackförmige Feder, die in eine (Gefäß-)Prothese eingeführt war, erläutert. Die Feder habe die sichere Selbstfixierung der Prothese bewirkt. Er sei sich sicher, daß auf dieser Sitzung auch über die Möglichkeit gesprochen worden sei, die Feder isoliert zur Aufweitung von Gefäßabschnitten einzusetzen. Er habe selbst über die alternative Einsatzmöglichkeit der Feder referiert. In der damaligen Fassung seiner Dissertation sei der alternative Einsatz der Feder zur Querschnittsaufweitung seines Wissens nicht angesprochen. Die alternative Verwendung der Feder sei nach seiner Erinnerung in der Sitzung Gegenstand von Fragen gewesen. Sein schriftlicher Bericht (sog "Doklad", Beweis 12/3) sei zum Zeitpunkt der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates fertig gewesen und später nicht mehr geändert worden. Die Frage der alternativen Verwendung der Feder sei in den Unterlagen nirgends aufgetaucht, weil sie nicht Gegenstand der gesonderten Untersuchung gewesen sei. Sie sei nur im Rahmen der Diskussion zur Sprache gekommen. Daß dieses Thema nicht im Protokoll Nr. 8 (Beweis 12/1) aufscheine, erkläre sich dadurch, daß es nur Teile der Diskussion wiederspiegle.

Der Arzt Dr. Smirnov hat bekundet, als Zuhörer an der Sitzung vom 7. September 1984 teilgenommen zu haben. Das Thema der von dem Zeugen Dr. V... verteidigten Dissertation sei die Behandlung akuter Thrombosen in Hauptarterien gewesen. Das Neue dieser Arbeit sei die Verwendung einer Gefäßprothese mit einer Feder oder auch einer Feder alleine gewesen. Ob auch die isolierte Verwendung der Feder ohne die Gefäßprothese diskutiert worden sei, wisse er nicht. Seine Aussagen beruhten auf seiner eigenen Erinnerung. Allerdings hätten am Vortage und auch schon im Juni Gespräche mit der Klägerseite stattgefunden, bei denen er sich die Vorgänge in Erinnerung zu rufen versucht habe. Manches wisse er aber auch aus eigener Erinnerung. Er sei fest überzeugt, daß ... % seiner Aus sage auf seiner eigenen Erinnerung beruhe, er könne allerdings nicht ganz ausschließen, daß sich auch Informationen aus den beiden Besprechungen mit Vertretern der Klägerin eingeschlichen hätten.

Der Zeuge Professor Dr. D... hat bekundet, an der Vorstellung der Disserta tion des Zeugen V... im Wissenschaftlichen Rat im September 1984 als Aspi rant am Lehrstuhl für Chirurgie des Instituts für die Weiterbildung von Ärzten anwesend gewesen zu sein. Er sei zugegen gewesen um zu sehen, wie die Dinge dort abliefen, weil er nämlich einige Monate später seine Kandidatendissertation verteidigen sollte. Der Zeuge Volodos habe Lichtbilder gezeigt, von denen insbesondere die Feder seine Aufmerksamkeit erregt habe, weil es auch in seinem Fachbereich zu Verengungen komme. Ihm selbst habe sich die Frage aufgedrängt, ob man diese Feder nicht auch anderweitig einsetzen könne. Diese Frage sei dann von einem älteren Kollegen tatsächlich gestellt und von Dr. V... dahin beantwortet worden, daß man das mal ausprobieren müsse. Es sei ganz konkret gefragt worden, ob man die Feder bei Geschwüren der Speiseröhre einsetzen könne. Er könne sich nicht daran erinnern, daß Dr. V... von der Mög lichkeit gesprochen hätte, die Feder für andere Zwecke einzusetzen. An das, was er ausgesagt habe, erinnere er sich deswegen noch so gut, weil sich für ihn aus dem Gesehenen der Gedanke ergeben habe, daß er das für seine eigene Arbeit nutzbar machen könnte. Er habe am Vortag eine Kurzfassung der Dissertation zu Gesicht bekommen und durchgeblättert, in der ua das ihm in der Zeugenvernehmung vorgelegte Bild (Beweis Nr. 9) zu sehen gewesen sei.

Der Senat hat danach keine durchgreifenden Zweifel, daß der Zeuge Dr. V...

vor dem Prioritätsdatum eine Gefäßprothese entwickelt hat, wie sie bspw im (nachveröffentlichten) sowjetischen Erfinderschein SU 1217402 A beschrieben ist, und daß dieser Gegenstand auch in der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 7. September 1984 gezeigt und erläutert worden ist.

Hierfür sprechen nicht nur die insoweit übereinstimmenden Bekundungen der drei Zeugen, sondern vor allem auch die vorgelegten schriftlichen Unterlagen. Die Anmeldung zum SU-Erfinderschein war vor dem Prioritätsdatum erfolgt. Er hatte eine Blutgefäßprothese, bestehend aus einer elastischen Hülle mit Fixierelementen zum Gegenstand, bei der zur Vereinfachung des Einsetzens der Prothese und zur Erhöhung der Zuverlässigkeit der Befestigung Fixierelemente in Form einer flexibel gebogenen zickzackförmigen Feder verwendet wurden, die dem Gegenstand des Streitpatents ähnlich sehen. Dieser Gegenstand war mithin am 7. September 1984 ohne Zweifel bereits entwickelt. Darüber hinaus war diese Gefäßprothese einer der Hauptgegenstände der damaligen Fassung der Dissertation des Dr. V... und dementsprechend des sog "Doklad", der Grundlage der Probeverteidigung der Dissertation in der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates war. Damit ist kein Grund ersichtlich, weshalb dieser Gegenstand als einer der Hauptgegenstände der Arbeiten des Dr. V... in der Sitzung am 7. September 1984 nicht erörtert worden sein sollte. Die Lebenserfahrung spricht für eine Erörterung dieses Gegenstands.

Soweit die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung die Behauptung aufgestellt hat, es sei in der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates auch über eine "alternative Verwendung" des Zickzackdrahtes alleine (ohne die Umhüllung) zur Aufweitung von Gefäßen oä gesprochen worden, kann dies nicht mit derselben Sicherheit festgestellt werden. Zum einen hat die Klägerin diese Behauptung erst in der mündlichen Verhandlung aufgestellt, als der Eindruck entstehen konnte, der Senat würde die im Erfinderschein beschriebene Gefäßprothese möglicherweise als nicht patentschädlich ansehen. Zwar haben die von der Klägerin benannten Zeugen - wenn auch erst auf Vorhalt des Senats - bekundet, daß eine "alternative Verwendung" der Zickzack-Feder, etwa für die Aufweitung von Speiseröhrenverengungen, angesprochen worden sei. Schon in diesem Punkt widersprechen sich die Zeugen jedoch teilweise. Während der Zeuge Dr. V... diese Frage selbst ins Spiel gebracht haben will, bekunden die Zeugen Dr. S... und Dr. D..., die Frage nach einer alternativen Verwendung sei von Kollegen an Dr. V... gerichtet worden. Im übrigen enthalten die schriftlichen Unterlagen für derartige Überlegungen keinerlei unterstützende Hinweise, so daß die Frage, ob und wie die "alternative Verwendung" in der fraglichen Sitzung erörtert wurde, letztlich offen geblieben ist.

Das kann aber auch dahinstehen, weil nach Überzeugung des Senats ohnehin bereits die im Erfinderschein beschriebene Gefäßprothese patentschädlich wäre, wenn sie denn vorbekannt gewesen sein sollte. Denn sie ist - wie unter den Parteien im Verletzungsprozeß offenbar sogar unstreitig ist (vgl dazu BGH Beschluß vom 16. Mai 2000 S 10, Az X ZR 91/98) - ein Stent im Sinne des Streitpatents.

Stents im Sinne des Streitpatents kommen in unterschiedlichen Formen und in verschiedensten klinischen Anwendungen vor, zB zur Wiederherstellung einer Strömung in Venen, die durch einen benachbarten Tumor zusammengedrückt sind, zur Aufrechterhaltung des vaskulären Durchgangs nach Ballon-Dilatationen und zur Korrektur von unvollständigen, langen, irregulären, vaskulären Stenosen. Darüber hinaus finden sie - wie im letzten Absatz der Beschreibung des Streitpatents ausdrücklich erwähnt - auch in anderen Systemen Verwendung, wie etwa in Atem-, Gallen- und Harnwegen, um Strukturen zu verstärken, die aufgrund von exogenen Druckkräften durch Neoplasmen einzufallen drohen oder um die Aufweitung eines durch einen Ballon aufgeweiteten Abschnitts des Harnleiters aufrechtzuerhalten. Auch bei einer Darm-, Aorta-Sektion, einem Aorta-Aneurysma oder bei der Stabilisierung von chronischen Punktionsstellen werden Stents eingesetzt. Ein Stent gemäß dem Streitpatent besteht dabei - im Unterschied zu dem Stent des SU-Erfinderscheines, der eine Umhüllung aufweist - allein aus einem Einzeldrahtstück in geschlossener Zickzack-Gestalt, wie es im Patentanspruch 1 beschrieben ist. Wäre der aus Zick-Zack-Draht und Hülle gebildete Stent nach dem SU-Erfinderschein dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt bekannt gewesen, so hätte es wohl ohne weiteres nahegelegen, den Zick-Zack-Draht zumindest versuchsweise ohne die Umhüllung einzusetzen. Dem streitpatentgemäßen Stent würde also gegenüber dem Gegenstand des Erfinderscheins die erfinderische Qualität fehlen.

Das alles kann aber dahinstehen, weil der Senat nicht die Überzeugung gewonnen hat, daß dieser oder sonst ein patentschädlicher Gegenstand vor dem Prioritätszeitpunkt durch Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Hierfür käme ernstlich nur die Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 7. September 1984 in Betracht, zumal auch die Klägerin nur deren Öffentlichkeit behauptet hat. Soweit hingegen Dritte den Patentgegenstand, etwa bei der Herstellung der Feder oder bei den Experimenten mit Hunden, wahrnehmen konnten, waren diese Gelegenheiten ungeeignet den Gegenstand öffentlich zu machen, weil die an diesen Vorgängen Beteiligten in die Entwicklungstätigkeit eingebunden waren und deshalb davon auszugehen ist, daß sie zur Geheimhaltung verpflichtet waren.

Der Nachweis der öffentlichen Zugänglichkeit der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 7. September 1984 ist jedoch nicht erbracht.

Der Zeuge Dr. V... hat hierzu zwar bekundet, die Sitzung des Wissenschaftli chen Rates sei öffentlich gewesen. Es sei geradezu ihr Zweck gewesen, seine wissenschaftliche Arbeit möglichst breit bekannt zu machen. Man sei deshalb sehr daran interessiert gewesen, externe Zuhörer bei solchen Sitzungen dabei zu haben. Da es nicht um eine normale Promotion, sondern entgegen der Begriffsbildung um den "Dr. habil" ging, sei seine Verteidigung für normale Doktoranden und Studenten von besonderem Interesse gewesen.

Die Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates seien üblicherweise auf den morgendlichen Dienstbesprechungen des Gesamtinstituts sowie durch einen Anschlag am Schwarzen Brett des Instituts angekündigt worden. Er könne allerdings nicht behaupten, in diesem Fall einen derartigen Anschlag gesehen zu haben. Zu der Sitzung sei das wissenschaftliche Personal des Instituts eingeladen gewesen, insbesondere die Ärzte, aber auch Studenten. Außer den Mitgliedern des Wissenschaftsrates seien die am Projekt beteiligten Fachleute zugegen gewesen. Geheimhaltungspflichten hätten nicht bestanden. Auch im Interesse der wissenschaftlichen Priorität habe kein Geheimhaltungsinteresse bestanden, weil ja immerhin schon die Erfinderscheinanmeldung erfolgt gewesen sei. Er und die mitwirkenden Fachleute seien natürlich nicht auf den Markt gegangen, um ihre Erkenntnisse zu publizieren.

Der Zeuge Dr. S... hat hierzu als Zeuge bekundet, er habe von der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates am 7. September 1984 anläßlich der Morgenbesprechung des Instituts erfahren. Er sei damals nicht Mitarbeiter dieses Instituts, sondern Mitarbeiter des Instituts für Tieftemperaturbiologie- und medizin gewesen. An der Morgenbesprechung hätten neben dem Institutsleiter und den diensthabenden Ärzten und Mitarbeitern auch Praktikanten, Doktoranden und Studenten des Instituts für Medizin teilgenommen. Die Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates seien in den Morgenbesprechungen des Instituts angekündigt worden. Am Schwarzen Brett des Instituts seien wohl eher Verlegungen der Termine bekanntgemacht worden. An den Morgenbesprechungen hätten häufig institutsfremde Ärzte und Studenten teilgenommen, was ihnen von ihren Lehrern wegen des wissenschaftlichen Interesses sogar dringend nahegelegt worden sei. Für die Teilnahme an den Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates habe es keinerlei Beschränkungen gegeben. Ob außer ihm andere Institutsexterne an der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates am 7. September 1984 teilgenommen hätten, wisse er nicht; er könne sich nicht erinnern. Er habe seit Beginn 1982 mit dem Zeugen Dr. V... am Ch... zusammengearbeitet. Ihm sei es um die Möglichkeit gegangen, die Kryo-Technik bei der Gefäßkonservierung einzusetzen. Im August/September 1984 habe er faktisch hauptsächlich im Institut für Chirurgie gearbeitet. Zu dem Vertrag, der zwischen dem KSRIGES und seinem Institut abgeschlossen und ihm bei seiner Vernehmung vorgelegt wurde (Anl BK4) äußerte sich der Zeuge dahin, daß dieser Vertrag tatsächlich auch von ihm unterzeichnet worden sei. Es handele sich dabei aber lediglich um die formale Bestätigung einer tatsächlich bereits vollzogenen Zusammenarbeit. Als Mitarbeiter seines Instituts habe er einen solchen Vertrag als Grundlage für seine Arbeit benötigt.

Der Zeuge Professor Dr. D... hat die Angaben der Zeugen Dr. V... und Dr. S... insofern bestätigt, als er an der damaligen Sitzung des Wissenschaftlichen Rates als Aspirant am Lehrstuhl für Chirurgie des Instituts für die Weiterbildung von Ärzten zugegen gewesen sei. An der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates habe jeder teilnehmen können, den sie interessierte. Die Sitzungen des Rates seien in den Morgenbesprechungen bekannt gegeben worden, zu denen auch sie, die Aspiranten, immer gekommen seien, weil man dort Kollegen habe treffen und sprechen können. Die erwähnten Aspiranten hätten anderen Instituten angehört. Der Vertrag über die Zusammenarbeit seines und des Instituts von Dr. V... sei ihm bekannt. Die zwischen den Instituten abgeschlossene Verein barung (Anl BK7), die seine Unterschrift trage, sei eine reine Formsache gewesen und habe nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet.

Den vorstehend wiedergegebenen Bekundungen der drei Zeugen zur Öffentlichkeit der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 7. September 1984 hat die Zeugin Dr. P... nachdrücklich und in sich schlüssig widersprochen. Sie hat im einzelnen dargelegt, daß sie bereits im Jahre 1984 als Sekretärin des Wissenschaftlichen Rats bei den Morgenbesprechungen des Instituts die Approbationssitzungen angekündigt habe. Ihre Aufgabe als wissenschaftliche Sekretärin sei es gewesen, den gesamten Ablauf der Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates zu organisieren. Zu diesen Sitzungen seien die Mitglieder des Wissenschaftlichen Rates geladen worden, die Ärzte und wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts, sowie die Aspiranten aus anderen Organisationen, die auf der Basis eines Vertrages mit dem Institut zusammenarbeiteten und im Institut einen Arbeitsplatz hatten. Da die Approbationen hinter geschlossenen Türen stattfanden und einen sehr vertraulichen Charakter gehabt hätten, seien niemals Studenten zu den Sitzungen eingeladen gewesen. Da der Wissenschaftliche Rat das Recht gehabt habe, die Dissertationen anzunehmen oder abzulehnen, sei in diesen Sitzungen kein Platz für Studenten gewesen. Es habe sich um dienstliche, dh institutsinterne Informationen gehandelt. Jeder Autor habe dort Informationen vorstellen können, die entweder bereits in einer Patentanmeldung niedergelegt oder die noch nicht zum Patent angemeldet gewesen seien. Ihre, der Zeugin, Funktion als Sekretärin sei es ua auch gewesen, jeden Außenstehenden zum Verlassen des Raumes aufzufordern. In den Morgenbesprechungen, in denen zu den Sitzungen des Rates eingeladen worden sei, seien klinische Fragen behandelt worden, wie zB Informationen über durchgeführte oder bevorstehende Operationen, über Patienten, Krankheitsbilder oä. Auch an ihnen hätten ausschließlich Ärzte und wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts teilgenommen und sie hätten hinter geschlossenen Türen stattgefunden. Aspiranten anderer Institute hätten nur an den Morgenbesprechungen teilgenommen, wenn sie aufgrund eines Vertrages über wissenschaftliche Zusammenarbeit an dem Institut arbeiteten. Sie hat betont, daß die Morgenbesprechungen institutsinterne Angelegenheiten gewesen seien, zumal dort bspw nicht nur erfolgreiche Operationen, sondern auch Mißerfolge besprochen worden seien. Der Direktor habe deshalb sehr genau darauf geachtet, daß keine Außenstehenden hieran teilnahmen. Zu den Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates sei nur durch einen Hinweis in der Morgenbesprechung, niemals am Schwarzen Brett eingeladen worden. Schließlich hat die Zeugin darauf hingewiesen, daß die Zeugen S... und D... damals aufgrund eines wissenschaftlichen Vertrages an ihrem Institut gearbeitet hätten. Da sie aufgrund eines offiziellen Vertrages im Institut arbeiteten, der von den Direktoren beider Institute unterschrieben sei, seien sie faktisch Mitarbeiter des KSRIGES gewesen. Dieser Vertrag habe ihnen das Recht gegeben, an den Approbationssitzungen teilzunehmen. Entgegen den Bekundungen der Zeugen S... und D... seien die beiden wissenschaftli chen Verträge BK4 und BK7 für ihr Institut sehr wichtig gewesen und hätten die Beteiligten zur Vertraulichkeit verpflichtet. Es wäre unzulässig gewesen, entgegen diesen Vereinbarungen Informationen, die einer der Beteiligten im Rahmen der Zusammenarbeit erhielt, zu verbreiten. Dies erst recht, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um eine Dissertation handelte, bei der der Urheber ein erhebliches Interesse daran gehabt habe, die Publikation durch andere vor seiner eigenen Veröffentlichung zu verhindern. Im übrigen habe bei den Morgenbesprechungen jeder Teilnehmer seinen festen Platz, so daß der für die Kontrolle der Anwesenheitsberechtigung zuständige Direktor ohne weiteres habe übersehen können, ob Nichtteilnahmeberechtigte anwesend waren. Soweit Medizinstudenten des 5. Jahrgangs im 2. Stock des Instituts Vorlesungen zu besuchen hatten, seien sie zur Teilnahme an den Kursen verpflichtet gewesen, weswegen eine relativ strikte Anwesenheitskontrolle geherrscht habe und insofern auch die Anwesenheitsberechtigung leicht feststellbar gewesen sei.

Damit hat die Zeugin Dr. P... den Bekundungen der Zeugen Dres. V..., S... und D... zur Öffentlichkeit der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 7. September 1984 in allen wesentlichen Punkten in sich widerspruchsfrei und glaubhaft widersprochen, wobei ihre Bekundungen - anders als die der anderen Zeugen - durch die vorgelegten Verträge über die Zusammenarbeit der Institute (BK4 und BK7) sowie durch die Anlage BK2 gestützt werden.

Den Bekundungen der Zeugen Dr. V..., Dr. S... und Dr. D... zur Zugänglichkeit der Sitzung des Wissenschaftlichen Rats vom 7. September 1984 stehen nicht nur die eindeutigen und bestimmten Aussagen der Zeugin P... entgegen. Vielmehr sprechen auch Anlaß und Zweck dieser Sitzung dagegen, daß für einen unbeschränkten Personenkreis die Möglichkeit bestand, an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Wie selbst der Zeuge Dr. V... bekundet hat, diente die Sitzung des Wissenschaftlichen Rates der "internen" Abklärung, ob seine Dissertation zur "externen" öffentlichen Verteidigung zugelassen werden konnte. Berücksichtigt man bei der Bewertung dieser Aussage den Gehalt der Anlage BK2 (Resolution des Ministerrats über das Verfahren über die Erlangung akademischer Titel und Verleihung akademischer Grade vom 29. Dezember 1975), so ergibt sich in diesem Punkte sogar eine inhaltliche Übereinstimmung mit der Aussage der Zeugin P....

Gemäß dieser Resolution (Anlage BK2), und zwar gemäß ihrem Abschnitt "Verfahren für das Einreichen und Verteidigung von Dissertationen", Punkt 50, soll die "externe" Verteidigung der Dissertation zwar öffentlich erfolgen. Jedoch muß gemäß Punkt 52 die Institution, bei der die Dissertation angefertigt wurde, eine vorläufige Prüfung durch Experten vornehmen, um die Aktualität des Themas der Dissertation und deren Übereinstimmung mit den Projekten der Forschungsinstitution festzustellen. Hierfür diente offensichtlich die auch von Dr. V... als solche bezeichnete "interne" Verteidigung seiner vorläufigen Dissertation vom 7. September 1984. Angesichts des Zieles dieser Sitzung, nämlich der vorläufigen Prüfung der Arbeit, und den möglichen Folgen für den Kandidaten bei Ablehnung seiner Arbeit konnte diese Sitzung nach allgemeiner Lebenserfahrung nur unter Ausschluß der Öffentlichkeit abgehalten werden. Es ging dabei ja, wie der Zeuge V... betont hat, nicht einmal nur um eine normale Promotion, sondern um die Erlangung des Titels "Dr. habil." und damit um die weitere wissenschaftliche Karriere des Zeugen. Vom Ergebnis der Probeverteidigung hing es ab, ob die zu diesem Zeitpunkt vorgetragenen wissenschaftlichen Erkenntnisse förderungswürdig waren und weitere Forschungen rechtfertigten. Da die Dissertation erst Jahre später fertiggestellt und öffentlich ("extern") verteidigt wurde, ist davon auszugehen, daß alle Beteiligten, insbesondere aber der Zeuge V... ein erhebliches Inter esse daran hatten, nicht bereits zu diesem Zeitpunkt seine Erkenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dem entspricht insbesondere auch die einhellige Bezeichnung der Sitzung als "intern".

Für die Öffentlichkeit der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 7. September 1984 spricht auch nicht ihre angebliche Bekanntgabe durch Anschlag am "Schwarzen Brett" des Instituts. Die entsprechende Bekanntgabe ist nicht bewiesen. Der Zeuge Dr. V... hat hierzu lediglich bekundet, ein öffentlicher An schlag sei üblich gewesen. Er könne allerdings nicht behaupten, einen derartigen Anschlag in diesem Fall gesehen zu haben. Laut Angaben des Zeugen Dr. S... waren am Schwarzen Brett wohl eher Terminsverlegungen ange schlagen. Der Zeuge Dr. D... bestätigte nur die Existenz eines Schwarzen Bretts, nicht aber eine Bekanntgabe des Approbationstermins durch einen dortigen Anschlag. Die Zeugin Dr. P... hat nachdrücklich bestritten, daß zu den Sitzungen des Wissenschaftlichen Rates jemals am Schwarzen Brett des Instituts eingeladen wurde. Hier steht also Aussage gegen Aussage. Im übrigen würde eine öffentliche Bekanntgabe der Sitzung noch nicht bedeuten, daß zu einer solchen Sitzung jedermann Zugang hatte. Die Einladung eines akademischen Gremiums "am Schwarzen Brett" wird man trotz der öffentlichen Form normalerweise gleichwohl nur an die Mitglieder dieses Gremiums gerichtet ansehen können, sofern nicht die Einladung selbst Anderes ausdrückt oder sonstige Vorschriften oder auch die nachweisbare Übung dafür sprechen, wofür hier jeder Nachweis fehlt.

Auch die Einladung zur Sitzung des Wissenschaftlichen Rates in der Morgenbesprechung des Instituts läßt nicht auf Öffentlichkeit der Sitzung des Rates schlie ßen. Wie die Zeugin Dr. P... überzeugend dargelegt hat, handelte es sich bei den Morgenbesprechungen ihrerseits um eine rein institutsinterne Angelegenheit, bei der ausschließlich klinische Fragen bspw abgeschlossene oder bevorstehende Operationen besprochen wurden und an der ausschließlich Ärzte, wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts sowie ein bestimmter Kreis von sog Subordinatoren teilnehmen durften. Da über Patienten, Krankheitsbilder aber auch mißlungene Operationen gesprochen wurde, erscheint es naheliegend, daß - wie die Zeugin ausgesagt hat - sehr genau darauf geachtet wurde, daß keine außenstehenden Personen anwesend waren. Im übrigen gilt auch hier, daß die Form der Einladung noch keinen Schluß auf den Kreis der Adressaten zuläßt.

Soweit die von der Klägerin benannten Zeugen Dr. S... und Dr. D... bekundet haben, nicht als Mitarbeiter des KSRIGES, sondern als Mitglieder anderer Institute, also als Öffentlichkeit, aus fachlichem Interesse in der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 7. September 1984 anwesend gewesen zu sein, hat die Beklagte durch Vorlage der beiden 1983 abgeschlossenen Verträge über die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den Instituten der Zeugen (BK7 und BK4) den Nachweis geführt, daß diese beiden Zeugen auf der Grundlage dieser Dienstleistungsverträge und damit nicht als institutsexterne, beliebige Dritte teilgenommen haben.

Nach alledem steht, was die Öffentlichkeit der Sitzung vom 7. September 1984 angeht, Aussage gegen Aussage. Bei der Würdigung dieser Aussagen mußte der Senat in Rechnung stellen, daß die Ereignisse, um die es geht, ca 18 Jahre zurückliegen, so daß das aktive Wissen der Zeugen hierzu von vornherein als fragwürdig erscheinen mußte. Auf Nachfrage haben die Zeugen aber auch freimütig bekundet, daß es Vorbesprechungen - bis hin zu Videoaufzeichnungen - mit Vertretern der jeweils benennenden Partei gegeben habe, bei denen die damaligen Vorgänge ins Gedächtnis zurückgerufen worden seien. Die - ansonsten hoch zerstrittenen - Parteien haben dies ebenso freimütig und einmütig als wegen des Zeitablaufs unabweisbar bestätigt. Bei dieser Sachlage war der Beweiswert der Zeugenaussagen - ihr subjektives Bemühen um eine richtige Aussage unterstellt - von vornherein gering, zumal ein emotionales Engagement jeweils für die benennende Partei unverkennbar war. Da objektive Beweismittel zur Stützung der Zeugenaussagen zu diesem Punkt weitgehend fehlen, insbesondere keine ausdrücklichen Vorschriften oder andere schriftliche Dokumente zum Beleg der Öffentlichkeit der "internen" Verteidigung bekannt geworden sind, hat sich der Senat nicht von der Öffentlichkeit der fraglichen Sitzung zu überzeugen vermocht. Es scheint ihm vielmehr eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür zu sprechen, daß diese Sitzung ihrer Natur nach geheim war.

Der Senat hat keinen Grund gesehen, den weiteren Beweisangeboten der Parteien nachzugehen. Er ist zu der Überzeugung gelangt, daß diese Beweisantritte ungeeignet sind, die Sache weiter aufzuklären, zumal die Parteien selbst nach insgesamt viertägigen ausufernden Zeugenbefragungen zum Ausdruck gebracht haben, daß sie eine weitere Aufklärung nicht für erforderlich halten.

Soweit in der Klageschrift weitere Zeugen unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung über den Inhalt ihrer Aussage benannt waren, bedarf es deren Vernehmung schon deshalb nicht, weil diese eidesstattlichen Versicherungen keine Aussagen der Zeugen zu Tatsächlichem enthalten, sondern sich in einer rechtlichen Wertung der fraglichen Sitzung als "öffentlich" (im Sinne des deutschen Patentrechts) erschöpfen. Der Klägervortrag läßt nicht erkennen, daß von diesen Zeugen darüber hinaus noch Auskunft über relevante Tatsachen gegeben werden könnte.

Aber auch die nachträglichen Beweisangebote der Klägerin versprechen insoweit keinen weiteren Aufschluß.

Zu der Behauptung der Klägerin, der Zeuge Dr. S... habe sowohl vor als auch nach Geltung des Vertrages gemäß Anlage BK4 an Morgenbesprechungen und auch an Approbationssitzungen des KSRIGES teilgenommen (vgl Ziff 3 des handschriftlichen Beweisangebots der Klägerin vom 24. Oktober 2001, Bl 248 dA), hat sich der Zeuge bereits geäußert. Er hat bekundet, daß der Vertrag ohnehin nur eine "tatsächlich bereits vollzogene Zusammenarbeit formal bestätigt" habe und daß es "in diesem Zusammenhang auch andere Dokumente" gab. Unterstellt man also die Richtigkeit der Beweisbehauptung, daß Dr. S... auch zu anderen als den durch den Vertrag Anlage BK4 abgedeckten Zeiten an Sitzungen im KSRIGES teilgenommen hat, so beweist dies nicht, daß er auch nur zu diesen Zeiten als Öffentlichkeit teilgenommen hat. Denn wie der Zeuge ausgesagt hat, waren die Verträge und die "anderen Dokumente" nur eine an sich unnötige formale Bestätigung für eine ohnedies tatsächlich bereits vollzogene Zusammenarbeit zwischen den Instituten. In keinem Falle beweist Dr. S... Teilnahme an Sitzungen zu irgendeinem anderen Zeitpunkt, für den seine Teilnahmeberechtigung gänzlich offen ist, daß am 7. September 1984 jedermann Zugang zu der Sitzung hatte. Denn die Tatsache, daß es der Beklagten gelungen ist, Dr. S... Stellung am 7. September 1984 durch Vorlage des Kooperationsvertrages der Institute zu belegen, indiziert in keiner Weise, daß zu anderen Zeiten ein vertragloser Zustand geherrscht habe.

Auch die Behauptung nach Ziffer 5 dieses Beweisangebots, weder der Zeuge Dr. S... noch der Zeuge Dr. D... hätten ihre Verpflichtungen aus den zwischen den Instituten abgeschlossenen Verträgen (Anl BK4 und BK7) erfüllt, kann als wahr unterstellt werden. Denn ein etwaiger Vertragsbruch der Zeugen oder auch nur eine laxe Handhabung der Verträge wären kein Beweis für die Öffentlichkeit der Sitzung vom 7. September 1984. In jedem Falle verpflichtete sie ein solcher Kooperationsvertrag der Institute oder auch die bloß tatsächliche Kooperation der Institute, die bei dieser Zusammenarbeit erarbeiteten Erkenntnisse nur für die gemeinsamen Zwecke zu verwenden.

Da die Kooperation (bzw der Kooperationsvertrag) nicht zwischen den Zeugen als Einzelpersonen und KSRIGES lief, sondern zwischen den beiderseitigen Instituten, schloß sie ohne Zweifel die beiderseitigen Institutsangehörigen ein. Deshalb kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht daraus auf eine Öffentlichkeit der Sitzung vom 7. September 1984 oder sonst auf eine Offenkundigkeit des dort erörterten Gegenstands geschlossen werden, daß - wie die Klägerin neuerdings unter Beweisantritt behauptet - der Zeuge in seinem Institut über das Gehörte berichtet hat. Auch diese Behauptung kann also als wahr unterstellt werden.

Richtig mag auch sein und es kann als wahr unterstellt werden, daß der Zeuge Dr. V... durch keine Vorschriften, amtliche Politik oder Praxis der damaligen Sowjetunion gehindert gewesen ist, den Gegenstand seiner Entwicklung öffentlich vorzutragen (Beweisantritt Ziff 6). Daß es für den vorliegenden Fall keine besonderen Geheimhaltungsvorschriften gab, kann man unterstellen, da sonst nicht verständlich wäre, daß sie trotz der Intensität der Recherche der Parteien nicht vorgelegt worden sind. Der Senat stützt seine Zweifel an der Öffentlichkeit der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates aber nicht auf die Annahme, es könne entsprechende Geheimhaltungsvorschriften gegeben haben, sondern - wie oben ausgeführt - ua auf die Erfahrung, daß es im Wissenschaftsbetrieb darum geht, eigene wissenschaftliche Erkenntnisse nicht vor der Zeit, dh vor der eigenen wissenschaftlichen Veröffentlichung, an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Damit diesem Interesse des Wissenschaftlers Rechnung getragen wird, bedarf es keiner (etwa gar an ihn gerichteten) Verbote. Vielmehr müssen die entsprechenden wissenschaftlichen Gremien so arbeiten, daß diesem Interesse ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter Rechnung getragen wird. Dh sie müssen Sitzungen wie die hier fragliche Sitzung vom 7. September 1984, bei der über nicht veröffentlichungsreife Forschungsvorhaben gesprochen wird, geheim abhalten. Dafür, daß dies in der damaligen Sowjetunion anders gesehen und gehandhabt worden sein sollte, ist die Klägerin den Nachweis schuldig geblieben. Im Gegenteil hat der Zeuge V... diese Sitzung selbst als "intern" bezeichnet und die Zeugin P... hat ihre geheime Natur nachdrücklich und überzeugend herausgestellt und begründet, und die Anlage BK2 hat diese Sichtweise bestätigt und untermauert.

Zu der Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 24. Dezember 2001, Seite 35, wonach der zwischen den Instituten abgeschlossene Vertrag keine Geheimhal tungsverpflichtung begründet habe, hat sich der dort benannte Zeuge Dr. D... ebenfalls bereits geäußert und der Senat hat sie entsprechend gewürdigt. Insoweit sind durch eine erneute Vernehmung des Zeugen keine weiteren tatsächlichen Erkenntnisse zu erwarten. Auch die im selben Schriftsatz, Seite 43/44 erneuerten Beweisantritte versprechen keine zusätzlichen tatsächlichen Erkenntnisse über die Öffentlichkeit der Sitzung vom 7. September 1984. Was die dort benannten Zeugen aussagen können, ergibt sich aus ihren eidesstattlichen Versicherungen, die sich - wie bereits oben ausgeführt - über den streitigen Sachverhalt ausgesprochen vage und in bloßen Rechtsbegriffen (des deutschen Patentrechts) auslassen. Besonders deutlich wird das bei dem Protokoll eines Gesprächs mit dem Zeugen Dr. V1... (Anl 7 zum Schriftsatz vom 17. Oktober 2001, Bl 195 dA), das zur Sache nur einige unverbindliche Floskeln ohne jeden tatsächlichen Aussagegehalt enthält.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 ZPO sowie § 99 PatG iVm § 709 ZPO.

Dr. Schwendy Klosterhuber Kraft Dr. Kraus Lokys Fa






BPatG:
Urteil v. 24.10.2001
Az: 4 Ni 22/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3127099fa43b/BPatG_Urteil_vom_24-Oktober-2001_Az_4-Ni-22-00




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