Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Juli 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 71/03
(BPatG: Beschluss v. 19.07.2004, Az.: 30 W (pat) 71/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. November 2002 aufgehoben, soweit die teilweise Löschung der Marke 396 34 077 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 607 813 angeordnet worden ist.
Der Widerspruch aus der Marke 607 813 wird auch insoweit zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Markesiehe Abb. 1 am Endeist unter der Nummer 396 34 077 am 10. Januar 1997 ua für "Pharmazeutische Präparate, Präparate für die Gesundheitspflege" in das Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 20. März 1997.
Widerspruch erhoben hat am 9. Juni 1997 ua die Inhaberin der seit 1951 ua für "Arzneimittel, pharmazeutische Drogen" eingetragenen Marke 607 813 Folsan.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat im oben genannten Umfang klangliche Verwechslungsgefahr bejaht und insoweit die teilweise Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 607 813 angeordnet.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführungen den Bestandteil BONSAN der angegriffenen Marke schon nicht für alleinprägend und meint weiter, dass auch bei Vergleich von BONSAN und Folsan die Gefahr von Verwechslungen ausgeschlossen sei.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. November 2002 aufzuheben, soweit die teilweise Löschungder Marke 396 34 077 angeordnet worden ist und den Widerspruch auch insoweit zurückzuweisen.
Eine Äußerung der Widersprechenden ist im Beschwerdeverfahren nicht zu den Akten gelangt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung zB BGH GRUR 2004, 241, 242 - GeDIOS; BGH GRUR 2004, 235, 237 - Davidoff II jew mwN).
Nach diesen Grundsätzen ist hier die Gefahr von Verwechslungen zu verneinen und zwar selbst dann, wenn zugunsten der Widersprechenden von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke insgesamt ausgegangen wird, auch wenn sie das bekannte und häufig im Pharmabereich verwendete Wortbildungselement "-san" enthält und der Bestandteil "Fol-" auf den INN "Folsäure" hindeutet.
Ausgehend von der Registerlage können die Marken zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet werden. Zu berücksichtigen ist weiter, dass bei den vorliegenden pharmazeutischen Erzeugnissen bzw Arzneimitteln eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist, auch in tatsächlicher Hinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht, so dass allgemeine Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Auch insoweit ist aber davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd/Loint's) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).
Auch bei Anlegung strenger Maßstäbe ist ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand indessen gewahrt.
In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken klar und unverwechselbar in allen für die Beurteilung des Gesamteindrucks wesentlichen Kriterien, was angesichts der aus mehreren Wort- und Bildbestandteilen bestehenden angegriffenen Marke gegenüber der aus einem Wort gebildeten Widerspruchsmarke keiner näheren Erörterung bedarf.
Zu Gunsten der Widersprechenden geht der Senat allerdings davon aus, dass dem Bestandteil BONSAN der angegriffenen Marke eine selbständig kollisionsbegründende Wirkung zukommt. Für die Prägung des Gesamteindrucks kommen nämlich kennzeichnungsschwache bzw schutzunfähige Bestandteile nicht in Betracht (vgl Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl § 9 Rdn 376 mwN). Die Markenteile "FÜR MEINE GESUNDHEIT" der jüngeren Marke sind zur Beschreibung der maßgeblichen Waren geeignet, was hier eine allgemeine Kennzeichnungsschwäche indiziert. Sie sind von daher nicht geeignet, den Gesamteindruck der jüngeren Marke maßgeblich zu bestimmen.
Aber auch bei Vergleich von BONSAN und Folsan ist die Gefahr von Verwechslungen zu verneinen. In klanglicher Hinsicht stimmen die Marken zwar bei gleicher Silbenzahl, Vokalfolge sowie gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus in der Schlußsilbe "-SAN/san" überein. Von Bedeutung ist jedoch zunächst, daß die Übereinstimmung in dem Endbestandteil "-SAN/san" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit weniger ins Gewicht fällt, als dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Denn bei dem Schlußelement "-SAN/san" handelt es sich um einen beschreibenden und damit kaum individualisierend und kennzeichnend wirkenden Hinweis auf "Heilung" (lateinisch "sanatio") bzw "gesund" (lateinisch "sanus"), der in Kennzeichen auf dem hier einschlägigen Warengebiet häufig verwendet wird. Wenngleich derartige beschreibende Zeichenelemente bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck angemessen mitzuberücksichtigen sind, so bewirken sie hier doch eine Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die vorderen Markenteile "BON-" bzw "Fol-". Dabei fällt noch besonders ins Gewicht, das Wortanfänge erfahrungsgemäß ohnehin mehr als nachfolgende Wortteile beachtet werden (vgl BGH aaO - Indorektal/Indohexal), weshalb die hier vorhandenen Unterschiede um so eher wahrgenommen werden.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände wird der Unterschied zwischen den Konsonanten in den Anfangsbestandteilen aufgrund der deutlich verschiedenen Klangeigenschaft der Laute "B-N -" einerseits und der Laute "F-L -" andererseits, auch unter noch zu berücksichtigenden ungünstigen Übermittlungsbedingungen hinreichend sicher wahrgenommen und führt zu einem nicht verwechselbaren akustischen Gesamteindruck der Marken.
Im schriftbildlichen Markenvergleich halten die Vergleichswörter in allen üblichen Wiedergabeformen ebenfalls einen noch ausreichenden Abstand ein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im eher flüchtigen Klangbild, das häufig bei mündlicher Benennung entsteht. Zudem steht beim schriftlichen Markenvergleich der Fachverkehr, der aufgrund seiner beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimittelkennzeichen über ein erhöhtes Unterscheidungsvermögen verfügt, im Vordergrund. Unter diesen Voraussetzungen reichen auch bei einer schriftlichen Wiedergabe in jeder Form die figürlichen Abweichungen zwischen den Buchstaben "B-N-" und "F-l-" aus, um eine Unterscheidbarkeit der Marken zu gewährleisten.
Zur Unterscheidbarkeit der Marken trägt schließlich auch der Begriffsgehalt in den Anfangsbestandteilen der Marken bei. Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass der Anfangsbestandteil "Fol-" der Widerspruchsmarke auch beachtlichen Teilen der Endverbraucher als Bezeichnung der "Folsäure" geläufig ist. Zumindest Fachleute werden zudem in dem Bestandteil "BON-" der angegriffenen Marke einen Hinweis auf das lateinische Wort "bonus" ("gut") erkennen, das sinngebend in gebräuchlichen Worten wie "Bon, Bonifikation, Bonus" (Gutschein, Gutschrift) enthalten ist, und auch aufgrund dessen die Marken auseinanderhalten können.
Anhaltspunkte dafür, daß aus sonstigen Gründen die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte, sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich.
Verwechslungsgefahr scheidet damit aus, mit der Folge, dass der Widerspruch aus der Marke 607 813 auch im Umfang der hier maßgeblichen Waren zurückzuweisen ist.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Hu Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 19.07.2004
Az: 30 W (pat) 71/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/315170ca2dca/BPatG_Beschluss_vom_19-Juli-2004_Az_30-W-pat-71-03