Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 25. April 1997
Aktenzeichen: 6 U 166/96
(OLG Köln: Urteil v. 25.04.1997, Az.: 6 U 166/96)
Handelt es sich bei einer beworbenen Geschirrspülmaschine um ein sog. ,Auslaufmodell", ist der Anbieter gehalten, hierauf ausdrücklich hinzuweisen, will er sich nicht dem Vorwurf unlauterer, weil irreführender Werbung i.S. des § 3 UWG aussetzen. Mit der Angabe ,Restposten" genügt er der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nicht.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Juni 1996 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 881/95 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das in Ziff. 1 des vorbezeichneten Urteils ausgesprochene Unterlassungsgebot wie folgt neu gefaßt wird:Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise, für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten zu unterlassen,in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung, wie nachstehend wiedergegeben, eine "AEG Favorit 775 Geschirrspülmaschine" zu bewerben, wenn es sich hierbei um ein Auslaufmodell handelt: Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer der Beklagten wird aufinsgesamt 30.207,00 DM (Unterlassung: 30.000,00 DM, Zahlungsanspruch 207,00 DM) festgesetzt.
Gründe
(abgekürztes Urteil gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger nimmt die Beklagte zu Recht auf Unterlassung der im
B. H. vom 11. Oktober 1995 erschienenen und im Tenor dieses Urteils
in Ablichtung wiedergegebenen Zeitungsanzeige sowie auf Erstattung
der ihm durch die Abmahnung dieses Wettbewerbsverstoßes der
Beklagten entstandenen Aufwendungen in Anspruch.
1.
Das Unterlassungsbegehren des Klägers ist gemäß §§ 3, 13 Abs. 2
Nr. 2 UWG erfolgreich. Das Unterlassungsgebot des Landgerichts war
deshalb zu bestätigen und lediglich der Neufassung des Klageantrags
durch den Kläger im Berufungstermin anzupasssen.
Bedenken gegenüber der Zulässigkeit der Unterlassungsklage
bestehen nicht. Die Beklagte hat zwar zunächst in beiden Instanzen
die Prozeßführungsbefugnis des Klägers bestritten. Nach Hinweis des
Senats im Berufungstermin, daß angesichts der ihm bekannten
zahlreichen Prozesse des Klägers bis in die jüngste Zeit aus seiner
Sicht kein Anlaß besteht, in Zweifel zu ziehen, daß der Kläger nach
seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der
Lage ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung
gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen, hat die Beklagte
das dahingehende Bestreiten im Berufungstermin fallenlassen. Ebenso
hat die Beklagte nicht länger bestritten, daß unter anderem die in
K. ansässigen und tätigen Firmen K. GmbH, H., S.
Elektro-Handelsgesellschaft mbH sowie das Versandhaus O.-Versand
GmbH & Co. KG und das Großversandhaus Q. S. KG Mitglieder des
Klägers sind. Damit verfügt jedoch der Kläger auf dem im Streitfall
in Rede stehenden örtlichen Markt (B. G., K. und Umgebung), wie von
§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG gefordert, über eine erhebliche Zahl von
Gewerbetreibenden als Mitglieder, die Waren gleicher oder
verwandter Art wie die in der beanstandeten Anzeige angebotenen
vertreiben. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG für das
Vorliegen der Prozeßführungsbefugnis des Klägers sind somit
insgesamt erfüllt.
Die Klage ist aber auch begründet.
Die beanstandete Werbeanzeige der Beklagten vom 11. Oktober 1995
ist gemäß § 3 UWG unlauter. Ein nicht unbeachtlicher Teil des
Verkehrs wird dieser Anzeige nämlich nicht entnehmen, daß es sich
bei der dort beworbenen Geschirrspülmaschine um ein Auslaufmodell
handelt, und deshalb durch die Werbung in relevanter Weise
zurückgeführt. Dies können die Mitglieder des Senats, die zu den
von der Beklagten angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus
eigener Sachkunde und Erfahrung beurteilen.
Wie bereits zutreffend vom Landgericht ausgeführt, kann auch das
Verschweigen einer Tatsache eine irreführende Angabe im Sinne von §
3 UWG darstellen, wenn für den Werbenden eine entsprechende
Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Pflicht kann sich aus der
besonderen Bedeutung ergeben, die der verschwiegenen Tatsache nach
der Auffassung des Verkehrs für den Kaufentschluß zukommt, so daß
das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise
irrezuführen (vgl. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl.,
§ 3 UWG Rdnr. 48 m.w.N.). Im Streitfall ist mit dem Kläger und dem
Landgericht davon auszugehen, daß es sich bei der in der
Zeitungsanzeige der Beklagten beworbenen Geschirrspülmaschine um
ein sogenanntes Auslaufmodell handelt und dies einen für den Käufer
bei Erwerb des Geräts wichtigen Umstand darstellt, um den er somit
nach diesen Grundsätzen informiert werden muß.
Unter einem Auslaufmodell versteht der Verkehr ein Modell, das
vom Hersteller nicht mehr produziert wird und von dem nur noch im
Vertrieb befindliche Reststücke an den Endverbraucher abgegeben
werden können (vgl. dazu Baumbach-Hefermehl, a.a.O. § 3 UWG Rdnr.
49 b m.w.N.). Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien
hatte aber der Hersteller (AEG) des von der Beklagten beworbenen
Geräts die Produktion dieses Modelltyps schon zum Zeitpunkt der
Schaltung der Anzeige endgültig eingestellt. Daß der Hersteller
eventuell bereit ist, das Gerät bei individueller Nachfrage eines
Kunden und einem entsprechend großen Auftrag wiewder zu
produzieren, steht dem nicht entgegen. Derartige Nachproduktionen
sind immer möglich, auch noch von Vorkriegsmodellen, ändern aber
nichts daran, daß der Hersteller von sich aus - endültig - keine
Produktion des Gerätetyps mehr beabsichtigt, das Modell also
aufgrund dieser Entscheidung des Herstellers, es aus seinem
aktuellen Sortiment herauszunehmen, ein Auslaufmodell
darstellt.
Die Beklagte war daher gehalten, den Verbraucher bei der
Bewerbung der hier in Rede stehenden Geschirrspülmaschine über
diesen Umstand zu informieren. Zwar kann nicht generell bei jedem
Produkt eine entsprechende Aufklärungspflicht des Werbenden bejaht
werden, wenn es dabei um ein sogenanntes Auslaufmodell geht.
Vielmehr ist dies für jedes Produkt nach den dabei bestehenden
Erwartungen des Verkehrs gesondert zu prüfen und festzustellen
(vgl. Baumbach-Hefermehl a.a.O. § 3 UWG Rdnr. 49 b m.w.N.). Bei
Auslaufmodellen von Geschirrspülmaschinen besteht aber eine
derartige Aufklärungspflicht des Werbenden. Geschirrspülmaschinen
sind technische Produkte, die für eine längere Gebrauchsdauer
gedacht sind. Wie bei allen derartigen technischen Geräten werden
daher viele Verbraucher auch bei dem Kauf einer
Geschirrspülmaschine die Reparatur- und Ersatzteilfrage in ihre
Óberlegungen mit einbeziehen und unter anderem davon ihre
Entscheidung für ein bestimmtes Gerät abhängig machen. Kommt es
nämlich zu Reparaturen, ist zumeist schon eine gewisse Zeit seit
dem Kauf des Produkts vergangen. Bei einer Geschirrspülmaschine,
die aber bereits bei ihrem Kauf ein Auslaufmodell darstellt, werden
deshalb weite Verbraucherkreise erhöhte Probleme und Kosten bei der
Reparatur befürchten, und sei dies auch nur dadurch, daß der
herbeigerufene Handwerker mit dem Gerät nicht vertraut ist und die
entsprechenden Pläne für das Gerät nicht gleich bei der Hand hat
bzw. sich die Beschaffung notwendiger Ersatzteile hinzieht. Nicht
nur ein nicht unbeachtlicher Teil des Verkehrs wird folglich bei
dem Kauf einer Geschirrspülmaschine Wert darauf legen, ein Gerät zu
erwerben, das zum Zeitpunkt seines Erwerbs noch zur aktuellen
Angebotspalette des Herstellers gehört und erwarten läßt, daß es
auch noch nach dem Kauf jedenfalls für eine gewisse Zeit vom
Hersteller weiter produziert und auf den Markt gebracht wird.
Zumindest wollen diese Verbraucher bei dem Angebot eines
Auslaufmodells über diesen Umstand informiert werden, um dessen
Preisgünstigkeit unter Berücksichtigung der befürchteten Nachteile
bei der Reparatur und Ersatzteilbeschaffung zutreffend einschätzen
zu können. Eine fehlende Unterrichtung des Verbrauchers über den
Auslaufmodellcharakter eines Geräts kann zudem Verbraucher auch
davon abhalten, sich darüber zu informieren, ob es nicht eventuell
bereits technisch weiterentwickelte Modelle gibt. Dies ist gerade
für diejenigen Verbraucher von Bedeutung, die bei derartigen
Geräten zum Beispiel aus Gründen des Umweltschutzes das Produkt
erwerben wollen, das sich auf dem neuesten Stand der Technik
befindet. Begründen schon die vorstehend erörterten
Verbrauchererwartungen die Verpflichtung des Werbenden, über den
Auslaufmodellcharakter einer Geschirrspülmaschine aufzuklären, kann
dahinstehen, ob es ebenfalls relevante Verkehrskreise gibt, die wie
bei anderen technischen Geräten auch bei Geschirrspülmaschinen
grundsätzlich jeweils nur das neueste, aktuelle Gerät kaufen wollen
und nicht ein Modell, das der Hersteller allein durch seine
Entscheidung, es zukünftig nicht mehr zu prodozieren, aus ihrer
Sicht zu einem "Altmodell" gestempelt hat.
Ist somit der Verbraucher bei der Bewerbung von
Geschirrspülmaschinen über den Auslaufmodellcharakter der Geräte zu
informieren, war daher die Beklagte im Streitfall zu einer
entsprechenden Aufklärung der Leser der Anzeige vom 11. Oktober
1995 verpflichtet. Dabei war es der Beklagten freigestellt, ob sie
dieser Informationspflicht durch die Angabe "Auslaufmodell" oder in
anderer Weise nachkam, wie es ihr auch nach dem
Unterlassungsbegehren des Klägers und dem gerichtlichen
Unterlassungsgebot zukünftig freigestellt ist. Die in der
beanstandeten Zeitungsanzeige enthaltene Angabe "Restposten" stellt
jedoch keine ausreichend deutliche Aufklärung des Verbrauchers dar,
abgesehen davon, daß ein Großteil der Leser diese Angabe bei der
üblichen flüchtigen Beurteilung derartiger Zeitungsanzeigen nicht
bemerken wird. Ein Restposten kann, wie bereits zutreffend vom
Landgericht ausgeführt, auch Ware bezeichnen, die zwar noch vom
Hersteller produziert wird, von der aber der werbende Anbieter nur
noch einige Stücke auf Lager hat, weil er zum Beispiel diese Marke
oder auch generell derartige Produkte zukünftig nicht mehr führen
will. Der in der Anzeige der Beklagten ausgewiesene, im Verhältnis
zur ebenfalls angegebenen unverbindlichen Preisempfehlung niedrige
Preis für die Geschirrspülmaschine führt - auch unter
Berücksichtigung der Angabe "Restposten" - zu keiner anderen
Beurteilung. Schon der Hinweis auf den "Restposten" erklärt aus der
Sicht der Verbraucher zwanglos den niedrigen Preis. Im übrigen
können viele Umstände die Beklagte veranlassen, mit Preisen zu
werben, die beachtlich unterhalb der unverbindlichen
Preisempfehlung liegen.
Nach alledem wird nicht nur ein nicht unbeachtlicher Teil der
von der Beklagten umworbenen Verbraucher durch die beanstandete
Anzeige gemäß § 3 UWG irregeführt, wobei diese Irreführung aus den
vorstehenden Erwägungen auch relevant im Sinne von § 3 UWG ist,
denn sie ist geeignet, die Kaufentscheidung des Verbrauchers zu
beeinflussen.
Die Aktivlegitimation des Klägers zur Geltendmachung des sich
danach aus § 3 UWG ergebenden Unterlassungsanspruchs gegenüber der
Beklagten ergibt sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Neben den bereits
eingangs der Entscheidungsgründe diskutierten Tatbestandsmerkmale
dieser Vorschrift ist ebenfalls das weitere Erfordernis des § 13
Abs. 2 Nr. 2 UWG erfüllt, wonach der Verstoß der Beklagten geeignet
sein muß, den Wettbewerb auf dem betroffenen örtlichen Markt
wesentlich zu beeinträchtigen. Eine derartige wesentliche
Beeinträchtigung ist schon im Hinblick auf die erhebliche
Irreführung der Verbraucher zu bejahen, die von der beanstandeten
Werbung ausgeht und viele Verbraucher veranlassen wird, sich mit
dem Angebot der Beklagten zu befassen, was sie andernfalls, bei
gehöriger Aufklärung über den Auslaufmodellcharakter der
streitgegenständlichen Geschirrspülmaschine, nicht getan hätten.
Von einem geringfügigen Gesetzesverstoß, durch den die Interessen
der Allgemeinheit nicht ernstlich betroffen werden, wie er nach der
amtlichen Begründung zum UWG-Ànderungsgesetz vom 25. Juli 1994
durch die mit diesem Gesetz geschaffenen Einschränkungen des § 13
Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht mehr verfolgt werden soll (vgl. dazu
amtliche Begründung zum UWG ÀndG, abgedruckt in WRP 1994/369, 377),
kann danach keine Rede sein.
2.
Der Kläger ist schließlich gemäß §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB
auch berechtigt, von der Beklagten Erstattung der ihm durch
Abmahnung dieses Verstoßes entstandenen Aufwendungen in Höhe von
207,00 DM zu verlangen und gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB eine
Verzinsung dieses Betrags in Höhe von 4 % seit Rechtshängigkeit
(22. Januar 1996) zu beanspruchen. Insoweit wird auf die
zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen
Entscheidung Bezug genommen.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Neufassung des landgerichtlichen Unterlassungsgebots
beinhaltet kein teilweises Unterliegen des Klägers, sondern wurde,
wie bereits erwähnt, ausschließlich durch die Neufassung des
Klageantrags im Berufungstermin veranlaßt. Diese Neufassung des
Unterlassungsbegehrens stellt aber auch keine teilweise
Klagerücknahme dar, denn diese Neufassung besteht nur darin, daß
anstelle des bis zum Berufungstermin im Klageantrag wiedergegebenen
Ausschnittes der Werbeanzeige der Beklagten vom 11. Oktober 1995
die gesamte Werbeanzeige zum Gegenstand des Unterlassungsbegehrens
gemacht wurde. Diese Anzeige war jedoch von Anfang an nach dem
Verständnis beider Parteien Anlaß und Gegenstand der
Unterlassungsklage, so daß die Neufassung des Unterlassungsantrags
im Berufungstermin zu keiner Ànderung des ursprünglichen
Rechtsschutzziels des Klägers geführt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht
gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Beschwer der Beklagten war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzen und entspricht dem Wert des Unterliegens der Beklagten
im Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 25.04.1997
Az: 6 U 166/96
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