Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 28. Oktober 2002
Aktenzeichen: 1 U 67/01
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 28.10.2002, Az.: 1 U 67/01)
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26.03.2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.200,11 Euro zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung des Beklagten sowie die Anschlußberufung der Klägerin werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Zahlung von 11.200,11 Euro verlangen, Ohne Erfolg bleibt die Berufung des Beklagten jedoch, soweit sie sich gegen die Haftung dem Grunde nach wendet. Der Beklagte schuldet der Klägerin gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 Alternative 2 StGB Schadensersatz wegen Untreue. Der Beklagte war als Rechtsanwalt von der Klägerin damit beauftragt worden, ihre Interessen gegenüber dem geschiedenen Ehemann im Zusammenhang mit der Versteigerung des Hausgrundstückes und der Auszahlung ihres Anteiles am hinterlegten Erlös wahrzunehmen. Unter Vorlage einer ihm von der Klägerin blanko erteilten Vollmachtsurkunde ließ er sich den der Klägerin zustehenden Anteil am Versteigerungserlös von 182.545,95 DM von der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Nidda auf ein eigenes Konto auszahlen. Dieses Geldvermögen behielt der Beklagte für sich, ohne der Klägerin davon Mitteilung zu machen. Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senats nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen fest (§ 286 ZPO). Alle Umstände des Falles sprechen dafür, dass der Beklagte, der sich - unstreitig - den der Klägerin zustehenden Anteil aus dem Versteigerungserlös von 182.545,95 DM von der Hinterlegungsstelle auf ein eigenes Konto hatte überweisen lassen, die Klägerin hiervon nicht informierte und das Geld auch nicht mit deren Einverständnis für diese "verwahrte". Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe ihn gebeten, das Geld vorläufig zu behalten, weil sie den Verbleib des Versteigerungserlöses gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann habe verschleiern wollen, um einen evtl. Zugriff im Vollstreckungswege zu vereiteln, ist ersichtlich unwahr. Wie sich aus der beigezogenen Akte über die Hinterlegungssache bei dem Amtsgericht Nidda - 5 HL 28/96 - und dort insbesondere aus dem Schreiben des Beklagten an die Hinterlegungsstelle vom 19.08.1997 ergibt, hatte dieser sich mit dem anwaltlichen Vertreter des geschiedenen Ehemannes der Klägerin dahin geeinigt, dass mit Rücksicht auf erhobene Ansprüche des geschiedenen Ehemannes ein Teilbetrag des Versteigerungserlöses von 50.000,00 DM weiterhin hinterlegt bleiben und der Restbetrag zur Hälfte an die geschiedenen Eheleute ausgezahlt werden sollte. Wegen der gegenüber der Hinterlegungsstelle wechselseitig abgegebenen Freigabeerklärungen lag auf der Hand, dass der geschiedenen Ehemann der Klägerin von der Herauszahlung der Hinterlegungsstelle wußte. Es liegt ferner auf der Hand, dass keine Ansprüche des geschiedenen Ehemannes gegenüber der Klägerin mehr im Raum standen, die den weiterhin hinterlegten Betrag von 50.000,00 DM überstiegen. Auch der Beklagte legt nicht dar, dass gegen die Klägerin gerichtlich oder außergerichtlich weitergehende Forderungen erhoben worden seien. Danach gibt es kein plausibles Motiv für die Klägerin, ihren Anteil am Versteigerungserlös auf einem Konto ihres Rechtsanwaltes stehen zu lassen. Gegen eine Kenntnis der Klägerin von der Auszahlung des ihr gebührenden Anteils am Versteigerungserlös an den Beklagten spricht insbesondere der Umstand, dass die Klägerin in angespannten finanziellen Verhältnissen lebte. Die Klägerin erhielt von ihrem geschiedenen Ehemann für sich und ihre Kinder monatlich 1.350,00 DM Unterhalt. Sie selbst verdiente durch den Verkauf von Reinigungsprodukten monatlich etwa 600,00 DM hinzu. Weil dieses Einkommen nicht ausreichte, um ihren Lebensbedarf zu decken, mußte sie in der Zeit von August 1997 - dem Zeitpunkt der Zahlung des hinterlegten Betrages an den Beklagten - bis August 2000 Schulden in Höhe von ca. 10.000,00 DM machen. Danach drängt sich auf, dass sich die Klägerin ihren Anteil am Versteigerungserlös hätte auszahlen lassen, wenn sie von der Freigabe und der Zahlung der Hinterlegungsstelle an den Beklagten Kenntnis erlangt hätte. Gegen eine Kenntnis der Klägerin von der Zahlung an den Beklagten spricht auch der Umstand, dass eine Vereinbarung mit dem Beklagten über eine Verzinsung oder Anlage des Geldes nicht getroffen wurde. Wie der Beklagte selbst vorträgt, wäre bei einer Anlage des Betrages auf einem Festgeldkonto eine Jahresverzinsung von mindestens 2 % erzielt worden. Danach hätte die Klägerin, die durch ihre Arbeitsleistung monatlich nur 600,00 DM verdiente, mehr als 300,00 DM monatlich an Zinsen erwirtschaften können. Zinsen in dieser Höhe hätte die Klägerin selbst dann erlangt, wenn der Beklagte - wie er behauptet - zunächst davon ausgegangen sein sollte, dass er das Geld nur während eines kurzen Zeitraumes für die Klägerin zu verwahren hatte. Vollends unverständlich wäre jedoch, warum der Beklagte die Klägerin nicht nach Ablauf einer gewissen Zeit auf die Möglichkeit einer Anlage hingewiesen hat, wenn die Klägerin von der Auszahlung der Hinterlegungsstelle an ihn gewußt hätte. Gegen eine Kenntnis der Klägerin von der Zahlung des hinterlegt gewesenen Betrages an den Beklagten spricht ferner der Umstand, dass der Beklagte das Geld nicht auf einem Anderkonto anlegte und Angaben über die Verwendung des Geldes verweigert. Ein Einverständnis der Klägerin mit der sich danach aufdrängenden eigenen Verwendung des Geldes durch den Beklagten liegt fern. Ferner übergab der Beklagte, nachdem ihm die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen worden war, dem Abwickler seiner Kanzlei keine Akten oder sonstigen Unterlagen, die einen Hinweis auf die Verwahrung des Geldbetrages enthielten. Derartige Unterlagen wurden auch bei der polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung am 05.04.2001 nicht aufgefunden. Eine Erklärung über den Verbleib der Akte gab der Beklagte nicht ab. Auch das spricht dagegen, dass es sich hier um einen Vorgang ordnungsgemäßer anwaltlicher Tätigkeit handelte. Schließlich ist auch kein Motiv ersichtlich, warum die Klägerin gegen den Beklagten am 01.08.2000 Strafanzeige wegen Veruntreuung des Geldes erstattete, wenn nicht der Beklagte ihr die Zahlung der Hinterlegungsstelle verheimlicht hatte. Entgegen der Behauptung des Beklagten enthält die Akte des Hinterlegungsverfahrens keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin von der Hinterlegungsstelle unmittelbar von der Zahlung an den Beklagten informiert worden sei. Aus Blatt 19 Rückseite der Akten 5 HL 28/96 Amtsgericht Nidda ergibt sich lediglich, dass der Klägerin persönlich das Schreiben des ihren geschiedenen Ehemann vertretenden Rechtsanwalts Dr. Endres vom 17.04.1997 zugeleitet worden war, mit welchem dieser um die Auszahlung eines Teilbetrages bittet. Von der späteren Auszahlung der Hinterlegungsstelle an den geschiedenen Ehemann und an den Beklagten wurde die Klägerin nach dem Akteninhalt hingegen nicht benachrichtigt. Zweifel an der Unkenntnis der Klägerin von der Auszahlung des ihr zustehenden Anteils am Versteigerungserlös an den Beklagten ergeben sich auch nicht aus der Aussage des Zeugen S.. Die Angabe des Zeugen, die Klägerin habe ihm erzählt, dass ein Teil des hinterlegten Geldes an den Beklagten ausgezahlt sei, der das Geld für sie weggelegt habe, "damit der K. nicht dran kommt", ist aus den dargelegten Gründen unglaubhaft. Ferner bestehen Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen, weil dieser die ursprünglich freundschaftliche Beziehung zur Klägerin abbrach, nachdem diese in einem Brief Vorwürfe gegen die Ehefrau des Zeugen wegen deren Aussage in dem Strafverfahren gegen den Beklagten vor dem Amtsgericht Friedberg erhoben hatte. Danach drängt sich auf, dass der Zeuge falsch ausgesagt hat. Das festgestellte Verhalten des Beklagten stellt eine strafbare Untreue zum Nachteil der Klägerin im Sinne des § 266 Abs. 1 Alternative 2 StGB dar. Der Beklagte hatte gegenüber der Klägerin eine ihm kraft Rechtsgeschäfts obliegende Pflicht, deren Vermögeninteressen wahrzunehmen. Der zwischen den Parteien geschlossene Anwaltsvertrag begründete ein Treueverhältnis gehobener Art mit Pflichten von einigem Gewicht, die nicht i n allen Einzelheiten vorgegeben waren. Der Beklagte sollte selbst verantwortlich die Verhandlungen mit den Anwälten des geschiedenen Ehemannes der Klägerin übernehmen und gegenüber der Hinterlegungsstelle auf eine Auszahlung hinwirken. Auf Grund von Vorbildung und Berufserfahrung konnte er die rechtlichen Verhältnisse wesentlich besser beurteilen und überschauen als die Klägerin, was die Grundlage einer ihm von dieser eingeräumten gewissen Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit war. Die Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Klägerin bildete dabei als eine vertragliche Hauptpflicht den Kern des Treueverhältnisses. Die sich daraus ergebenden spezifischen Treuepflichten verletzte der Beklagte dadurch, dass er vorgefasster Absicht gemäß den von der Hinterlegungsstelle erlangten Betrag von 182.545,95 DM entgegen § 43 a Abs. 5 S. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung weder unverzüglich an die Klägerin weiterleitete, noch auf ein Anderkonto einzahlte und vor der Klägerin den Empfang des Geldes verheimlichte. Damit fügte er der Klägerin einen Vermögensnachteil zu. Die Gebrauchsmöglichkeit eines Geldbetrages, insbesondere durch eine Anlage, ist Teil des geschützten Vermögens. Hätte der Beklagte das Geld an die Klägerin ausgezahlt, hätte sie damit arbeiten und Gewinn erwirtschaften können. Diese Möglichkeit ist ihr durch das Verhalten des Beklagten entgangen. Der Beklagte handelte dabei vorsätzlich. Die bereits festgestellten Umstände lassen keinen anderen Schluß zu, als dass er sich seiner Pflichtwidrigkeit bewußt war und dabei den Vermögensnachteil für die Klägerin wenigstens billigend in Kauf nahm. Der Beklagte wußte, dass er Mandantengelder nicht ohne Billigung des Mandanten zurückhalten durfte und er erkannte, dass die Klägerin das Geld wegen seines Verhaltens nicht anlegen konnte. Die Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens beträgt 11.200,11 Euro. Dieser Betrag entspricht dem seinerzeit gesetzlichen Zinssatz von 4 % aus 182.545,95 DM für drei Jahre, den die Klägerin gemäß § 849 BGB beanspruchen kann. § 849 BGB, der sich seinem Wortlaut nach auf die Entziehung einer Sache bezieht, ist auch auf die Entziehung von Geldvermögen anwendbar (BGHZ 8, 289, 298). Das ergibt sich aus dem Regelungszweck der Vorschrift, die einen pauschalierten Schadensersatz für die endgültig verbleibende Einbuße - wie hier - der Nutzbarkeit gewähren will. Die Zinspflicht beginnt mit dem Schadensereignis. Ein Schaden trat bei der Klägerin in dem Zeitpunkt ein, als sie das Geld tatsächlich hätte nutzen können. Das war am 24.08.1997 der Fall, da das Amtsgericht Nidda - Hinterlegungsstelle - die Herausgabe des Geldbetrages am 21.08.1997 angeordnet hatte. Die Verzinsungspflicht endete mit der Zahlung des Beklagten an die Klägerin am 23.08.2000. Ob die Klägerin von dem Geld in der Zwischenzeit etwas verbraucht hätte oder wie sie es angelegt hätte, ist für die pauschale Verzinsung nach § 849 BGB unerheblich. Der für den Schadenszeitraum zugrunde zu legende Zinssatz aus § 246 BGB alte Fassung beträgt 4 %. Der vor dem 01.01.2002 geltende gesetzliche Zinssatz ist gemäß Artikel 229 § 5 S. 1 EGBGB maßgeblich, weil das streitgegenständliche Schuldverhältnis vor dem 1.1.2002 entstanden ist. Eine Verzinsung von 182.545,95 DM mit 4 % ergibt jährlich 7.301,84 DM, für 3 Jahre also 21.905,51 DM (11.200,11 Euro). Für die Berechnung der Verzinsung ist ohne Bedeutung, dass der Beklagte im Mai 2001 an die Klägerin 1.000,00 DM zahlte. Da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis davon hatte, dass der wesentliche Teil des ihr gebührenden Versteigerungserlöses an den Beklagten ausgezahlt war, war die Zahlung des Beklagten von 1.000,00 DM nicht dazu bestimmt, die Schuld des Beklagten gegenüber der Klägerin zu tilgen. Einen über den gesetzlichen Zins hinausgehenden Schaden hat die Klägerin nicht dargelegt. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin durch den Erwerb von Investmentfonds einen höheren Betrag erwirtschaftet hätte. Allerdings hat die Klägerin glaubhaft dargelegt, dass sie von dem Versteigerungserlös nur einen geringeren Teil zum laufenden Unterhalt, einen erheblichen Teil jedoch zum Erwerb von Investmentfonds angelegt hätte. Danach wird man davon ausgehen können, dass die Klägerin mindestens 150.000,00 DM (§ 287 ZPO) zum Erwerb von Fondsanteilen verwendet hätte, wenn der Beklagte den Versteigerungserlös im August 1997 an sie weitergeleitet hätte. Trotz der erheblichen Gewinne, die Investmentfonds in dem Zeitraum von August 1997 bis August 2000 erwirtschafteten, kann ein den gesetzlichen Zins übersteigender Schaden wegen entgangener Vorteile aus der Geldanlage nicht festgestellt werden. Gemäß § 252 S. 2 BGB gilt als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Dazu kann auch der Gewinn eines Kapitalanlegers aus dem Erwerb von Fondsanteilen gehören. Bei der Prüfung, ob nach den besonderen Umständen des Falls ein Gewinn mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, kam es aber nicht nur auf die Wertentwicklung von Investmentfonds in der Zeit vom 24.08.1997 - dem Beginn der Vorenthaltung des Versteigerungserlöses durch den Beklagten - bis zum 23.08.2000 - dem Zeitpunkt der Zahlung von 181.545,95 DM vom Beklagten an die Klägerin - an. Vielmehr ist für die Frage, wie sich die Vermögenslage der Klägerin ohne die haftungsbegründende Untreue des Beklagten darstellen würde, auch die weitere Kursentwicklung zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW 2002, 2556, 2557 m.w.N.). Es ist allgemein bekannt, dass im August 2000 bei den Kursen von Aktien und Investmentfonds eine bis heute andauernde Abwärtsentwicklung eingesetzt hatte, die bei Anlegern verbreitet zu drastischen Vermögensverlusten führte. Diese Entwicklung ist deshalb von Bedeutung, weil nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin hypothetisch erworbene Fondsanteile im August 2000 wieder verkauft hätte, zumal sie nach ihren Angaben nach Herauszahlung des veruntreuten Betrages durch den Beklagten im August 2000 noch einen erheblichen Teil des Geldes in Investmentfonds investierte. Danach ist es wahrscheinlich, dass die Klägerin selbst dann, wenn sie aus einer Anlage des Geldes in der Zeit von 1997 bis 2000 einen jährlichen Gewinn von mindestens 8 % erzielt hätte, in der Folgezeit erhebliche Einbußen erlitten hätte. Die auf den Zeitraum von August 1997 bis August 2000 beschränkte Betrachtung der Wertentwicklung von Investmentfonds ergibt deshalb kein zutreffendes Bild von der Vermögenslage der Klägerin, wie sie sich ohne die Untreuehandlung des Beklagten entwickelt hätte. Danach kann auch unter Anwendung des § 252 S. 2 BGB i.V.m. § 287 ZPO nicht festgestellt werden, dass die Vorenthaltung des Versteigerungserlöses durch den Beklagten den Verlust eines den gesetzlichen Zinssatz übersteigenden Gewinnes der Klägerin zur Folge hatte. Der danach begründete Schadensersatzanspruch der Klägerin auf Zahlung von 11.200,11 Euro ist nicht verjährt. Maßgeblich ist die Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 852 Abs. 1 BGB. Die Verjährungsfrist beginnt mit Kenntnis des Betroffenen von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen. Diese Kenntnis erlangte die Klägerin am 28.07.2000, als sie auf ihre telefonische Nachfrage bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Nidda nach dem Geld aus der Zwangsversteigerung die Auskunft erhielt, dass 182.545,95 DM mit Herausgabeanordnung vom 21.08.1997 an den Beklagten ausgezahlt worden seien. Der Ablauf der Verjährungsfrist wurde mit Klageerhebung am 12.12.2000 unterbrochen. Die Anwendung des § 852 BGB wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Untreue des Beklagten seine Haftung auch wegen schuldhafter Verletzung seiner Pflichten aus dem Anwaltsvertrag begründet, für deren Verjährung § 51 b BRAO maßgeblich ist. Nach dieser Bestimmung wird die Verjährungsfrist von drei Jahren grundsätzlich bereits mit der Schadensentstehung in Lauf gesetzt, die sich einheitlich auf alle voraussehbaren Folgeschäden erstreckt. Dies gilt auch dann, wenn der Mandant die Pflichtverletzung seines Anwaltes und seinen Schaden nicht kennt. Diese für den geschädigten Mandanten überaus strenge Verjährungsregelung soll nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung auf die Ansprüche aus unerlaubter Handlung anzuwenden sein, wenn der Deliktstatbestand zugleich auch die vertragliche Haftung des Anwaltes wegen schuldhafter Verletzung der Pflichten aus dem Anwaltsvertrag begründet (Borgmann/Haug, Anwaltshaftung, 3. Auflage, § 48 Rnr. 10 ff; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 6. Auflage, 289; Jessnitzer/Blumenberg, BRAO, 9. Auflage, § 551 b Rnr. 14; Feuerich/Braun, BRAO, 5. Auflage, § 51 b Rnr. 9). Dieser Auffassung kann indes nicht gefolgt werden. Vertrags- und Deliktsansprüche stehen grundsätzlich im Verhältnis der Anspruchskonkurrenz zueinander. Die Normen des Vertrags- und Deliktsrechts sind grundsätzlich gleichrangig und gleichwertig. Erfüllt ein Vorgang sowohl den Tatbestand des Vertragsrechts als auch den des Deliktsrechts, so haftet der Schädiger regelmäßig sowohl aus Vertrag als auch aus unerlaubter Handlung (BGH NJW 1987, 2008, 2010 m.w.N.). Jeder Schadensersatzanspruch ist nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurteilen und folgt damit grundsätzlich auch seiner eigenen Verjährungsfrist. Eine Angleichung der für Deliktsansprüche geltenden Verjährungsfrist an eine kürzere gesetzliche Verjährungsfrist für konkurrierende vertragliche Ansprüche kommt allgemein nur aus zwingenden Gründen in Betracht (BGH NJW 1998, 2282, 2283; NJW 1992, 1679, 1680, jeweils m.w.N.). Solche Gründe fehlen hier. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem Sinn und Zweck des § 51 b BRAO, den Rechtsanwalt davor zu bewahren, durch die Folgen berufstypischer Risiken in unübersehbarer Weise auf unangemessen lange Zeit wirtschaftlich bedroht zu werden (vgl. BGH NJW 1996, 1895, 1896 für die entsprechende Verjährungsvorschrift des § 68 Steuerberatergesetz). Vertragsverletzungen eines Rechtsanwaltes erfüllen typischerweise nicht zugleich einen Deliktstatbestand. Die besondere Verjährungsvorschrift des § 51 b BRAO wird deshalb nicht sinnlos, wenn sie nicht auf die Fälle der deliktischen Haftung des Rechtsanwalts angewendet wird (Henssler/Prütting, BRAO, § 51 b Rnr. 15; Kleine/Cosack, BRAO, 3. Auflage, § 51 b Rnr. 46) Jedenfalls für den Fall einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, die zugleich auch ei ne vertragliche Haftung begründet, wird die Anwendung des § 852 Abs. 1 BGB auf den deliktischen Anspruch nicht durch § 51 b BRAO ausgeschlossen (so auch Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rnr. 1334 ff.). Begeht ein Rechtsanwalt strafbare Untreue, dann verstößt er in so grober Weise gegen seine Pflichten, dass es nicht gerechtfertigt wäre, bei einem solchen Verhalten einen Schadensersatzanspruch nach § 51 b BRAO ohne Rücksicht auf die Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen verjähren zu lassen, wenn es ihm gelungen ist, sein Tun über den Zeitraum von mehr als 3 Jahren zu verbergen. Damit würde der Rechtsanwalt als Täter einer unerlaubten Handlung ungerechtfertigterweise privilegiert (vgl. BGH NJW 1987, 2008, 2010; Zugehör a.a.O. Rnr. 1336). Danach ist der auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB beruhende Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht verjährt. Die Klägerin kann auf den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch von 11.200,11 Euro nicht die Zahlung von Verzugszinsen verlangen. Der ihr zuerkannte Schaden besteht in der Verzinsung der Ersatzsumme gemäß § 849 BGB. Gesetzliche Zinsen von Verzugszinsen können nach § 289 S. 1 BGB nicht verlangt werden. Zinseszinsen können nur dann beansprucht werden, wenn die Verzugsvoraussetzungen auch hinsichtlich der Zinsforderung vorliegen (§ 289 S. 2 BGB). Hier verlangt die Klägerin Verzugszinsen zwar nur in gesetzlicher Höhe. Wegen des Zinseszinsverbotes muß der Gläubiger die Schadenshöhe aber auch dann darlegen und beweisen, wenn er einen Schaden nur in Höhe der gesetzlichen Zinsen geltend macht (BGH NJW 1993, 1260, 1261 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Danach hat die Berufung des Beklagten einen nur geringen und die Anschlußberufung der Klägerin keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht darauf, dass die Parteien in gleichem Umfang obsiegen und unterliegen (§ 92 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO n.F.).
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 28.10.2002
Az: 1 U 67/01
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