Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 6. Dezember 2013
Aktenzeichen: 6 U 96/13

(OLG Köln: Urteil v. 06.12.2013, Az.: 6 U 96/13)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O 348/12 - vom 02.05.2013 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerinnen zu gleichen Teilen 952,32 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2011 zu zahlen;

2. an die Klägerin zu 1. weitere 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2011 zu zahlen;

3. an die Klägerin zu 2. weitere 1.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2011 zu zahlen;

4. an die Klägerin zu 3. weitere 800,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2011 zu zahlen;

5. an die Klägerin zu 4. weitere 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen haben von den Kosten des Verfahrens erster Instanz 1/4 und von den Kosten des Berufungsverfahrens 1/9 zu tragen; die übrigen Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts, soweit es nicht abgeändert worden ist, sind vorläufig vollstreckbar. Die der Vollstreckung ausgesetzte Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die die Vollstreckung betreibende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerinnen verfügen als Tonträgerhersteller über ausschließliche Verwertungsrechte an zahlreichen Musikaufnahmen. Nach Recherchen der Q GmbH wurden am 17.12.2007 um 20:12:46 Uhr (MESZ) insgesamt 407 Audio-Dateien, darunter 100 im Rechtsstreit näher bezeichnete Dateien aus dem Repertoire der Klägerinnen, unter der IP-Adresse 80.xxx.120.xxx in einer sogenannten Internet-Tauschbörse zum Download verfügbar gemacht. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Heilbronn erhielt am 28.12.2007 die Providerauskunft, dass diese IP-Adresse dem Internetanschluss der Beklagten zugeordnet war. Den Anschluss, der mit einem verkehrsüblich verschlüsselten WLAN verbunden war, nutzten die alleinerziehende Beklagte, ihr 16jähriger Sohn N und ihre 14jährige Tochter N2. Diese erschien nach telefonischer Kontaktaufnahme am 26.02.2008 zusammen mit der Beklagten bei der Polizei in M und erklärte nach Belehrung als Beschuldigte, dass sie die Tat begangen habe, ohne sich der Rechtswidrigkeit ihres Tuns bewusst gewesen zu sein.

Nach anwaltlicher Abmahnung vom 12.03.2008 und Abgabe einer Unterlassungserklärung durch die Beklagte haben die Klägerinnen diese Ende 2011 auf Schadensersatz von insgesamt 3.000,00 € und Abmahnkostenersatz in Höhe von 2.380,80 € aus einem Gegenstandswert von 200.000,00 € gerichtlich in Anspruch genommen. Das Landgericht, auf dessen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von insgesamt 4.580,00 € (3.000,00 € Schadensersatz und 1.580,00 € Abmahnkostenersatz) nebst Zinsen verurteilt.

Mit ihrer auf vollständige Klageabweisung gerichteten Berufung beanstandet die Beklagte Verfahrens- und Rechtsanwendungsfehler des Landgerichts; insbesondere habe das polizeiliche Geständnis ihrer Tochter der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt und das Angebot ihrer eigenen Parteivernehmung zur behaupteten Belehrung ihrer Kinder über illegale Internettauschbörsen nicht übergangen werden dürfen. Ihre Verurteilung laufe in der Sache auf Sippenhaft ohne konkreten Tat- und Schuldnachweis hinaus. Der zuerkannte Lizenzschadensersatz sei in keiner Weise nachvollziehbar und der Abmahnkostenersatz nach Grund und Höhe unberechtigt. Außerdem wiederholt sie die Einrede der Verjährung.

Die Klägerinnen verteidigen das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden, durch das Berufungsvorbringen nicht entkräfteten Erwägungen, denen der Senat beitritt, hat das Landgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, dass die Beklagte ihrer Aufsichtspflicht für ihre Tochter N2 nicht genügt habe und deshalb für die Schäden hafte (§ 832 Abs. 1 BGB), die den aktivlegitimierten Klägerinnen von dieser durch unbefugtes öffentliches Zugänglichmachen ihrer Musikaufnahmen (§§ 97, 85, 19a UrhG) zugefügt wurden. Zu korrigieren ist lediglich die Höhe des vom Landgericht als berechtigt angesehenen Abmahnkostenersatzes.

1. Die gegen die Haftung der Beklagten dem Grunde nach gerichteten Verfahrensrügen der Berufung (§§ 520 Abs. 3, 529 Abs. 2 ZPO) bleiben ohne Erfolg. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen und eine erneute Beweisaufnahme vor dem Senat gebieten könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), zeigt die Berufung nicht auf.

a) Mit fehlerfreien Ausführungen, auf die der Senat zustimmend Bezug nimmt, hat das Landgericht die Begehung der in Rede stehenden Rechtsverletzung durch N2 als erwiesen angesehen (§ 286 ZPO).

aa) Soweit in den Urteilsgründen an einer Stelle davon die Rede ist, dass nach dem Sachvortrag der Beklagten in Verbindung mit der polizeilichen Vernehmung der Tochter deren Tatbegehung "nahe liegt", bezieht sich diese zurückhaltende Formulierung auf die Erschütterung der gegen sie selbst als Anschlussinhaberin sprechenden tatsächlichen Vermutung. Die zuvor getroffene Feststellung, dass N2 entsprechend ihrem Geständnis bei der Polizei als Täterin der Rechtsverletzung vom 17.12.2007 anzusehen sei, wird dadurch aber ebenso wenig in Frage gestellt wie durch die im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte zutreffende Erwägung der Kammer, dass eine bewusste Entlastung des Sohnes der Beklagten durch ihre zwei Jahre jüngere Tochter sich im Ergebnis nicht auf ihre Haftung für Rechtsverletzungen eines ihrer beiden minderjährigen (§§ 106, 832 BGB) und bedingt strafmündigen (§§ 1 Abs. 2; 3 JGG) Kinder auswirken würde.

bb) Es ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Niederschrift über die polizeiliche Vernehmung von N2 aus den Ermittlungsakten 53 Js 4854/08 der Staatsanwaltschaft Heilbronn als öffentliche Urkunde (§§ 415 ff., 432 ZPO) zum Beweis des Inhalts ihres Geständnisses herangezogen hat.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 Abs. 1 S. 1 ZPO; vgl. BGH, MDR 2013, 1184 [Rn. 6 ff.]) liegt darin schon deshalb nicht, weil das Landgericht die Zeugin N2 selbst vernommen und diese auf Befragen bestätigt hat, vor der Polizei das Geständnis abgelegt zu haben.

Erst auf die weitere Frage, ob dieses Geständnis der Wahrheit entsprach, hat sie die Antwort verweigert (§ 384 Nr. 1 ZPO). Das steht der urkundlichen Verwertung des polizeilichen Vernehmungsprotokolls indessen nicht entgegen. Unverwertbar kann zwar die protokollierte Aussage eines Zeugen sein, der in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren als Beschuldigter ohne Belehrung über sein Aussageverweigerungsrecht oder als Zeuge ohne Belehrung über sein Recht, als Angehöriger das Zeugnis zu verweigern, vernommen wurde (vgl. BGH, NJW 1985, 1158; NJW 1985, 1470; anders für die Verwertung einer Beschuldigtenvernehmung im Zivilprozess gegen die vernommene Person BGHZ 153, 165 = NJW 2003, 1123 [1125]). Hier ist N2 jedoch bei der Polizei über ihr Recht, als Beschuldigte zu schweigen (§§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 StPO) und vor dem Landgericht über ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Tochter der Beklagten (§ 183 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) belehrt worden, worauf sie sich zur Aussage bereit erklärt hat. Von einer Unverwertbarkeit der polizeilichen Aussage kann jedenfalls danach keine Rede mehr sein, weil die (strafprozessual nicht veranlasste) Belehrung von N2 als Angehörige der Beklagten vom Landgericht nachgeholt worden ist, ohne dass die Zeugin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hätte. Sollte diese Belehrung überhaupt erforderlich gewesen sein, um das Protokoll ihrer polizeilichen Aussage zivilprozessual verwerten zu können, so wäre dieser Mangel durch die vor dem Landgericht erklärte Aussagebereitschaft der Zeugin geheilt worden. Denn danach bestand kein Anlass mehr, sie vor ihrer früheren Aussage zu schützen; das Zeugnisverweigerungsrecht ist unteilbar und es steht nicht in der Macht eines Zeugen, über den Umfang der richterlichen Entscheidungsgrundlage, also darüber zu bestimmen, was von seinen Aussagen verwertbar sein soll und was nicht (vgl. BGH, NJW 1985, 1470 [1471]). Aus dem Umstand, dass die Zeugin sich im weiteren Verlauf ihrer Vernehmung vor dem Landgericht zu Recht geweigert hat, eine bestimmte Einzelfrage zu beantworten, folgt insoweit nichts anderes.

b) Die Beklagte haftet als Aufsichtspflichtige für die von N2 begangene Rechtsverletzung; denn den ihr obliegenden Nachweis, dass sie ihrer Pflicht genügt hat oder der von den Klägerinnen geltend gemachte Schaden auch bei gehöriger Beaufsichtigung entstanden sein würde (§ 832 Abs. 1 S. 2 BGB), hat sie nicht geführt, wie bereits das Landgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Unbehelflich ist der Hinweis der Berufung, dass der Umfang der elterlichen Aufsichtspflicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung jahrelang umstritten gewesen sei; denn bereits die Erfüllung der vergleichsweise liberalen Anforderungen der neueren höchstrichterlichen Rechtssprechung durch die Beklagte kann nicht festgestellt werden.

Danach genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind im Alter von 13 oder 14 Jahren, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten (vgl. BGH, GRUR 2013, 511 = WRP 2013, 799 [Rn. 23 ff.] - Morpheus). Eine Belehrung der Zeugin N2 hat das Landgericht jedoch nicht festzustellen vermocht; dass diese fruchtlos geblieben wäre, ist ebenso wenig erwiesen. Die Angaben der Zeugin, wonach sie und ihr Bruder sich grundsätzlich schon an von ihrer Mutter vorgegebene Regeln gehalten, mit dieser aber ihrer Erinnerung nach nie über die Nutzung des Internets und der Teilnahme an Internettauschbörsen gesprochen hätten, bieten dafür keinen Anhaltspunkt. Fehlt es danach für eine Parteivernehmung der Beklagten (§ 448 ZPO) schon an der erforderlichen gewissen Wahrscheinlichkeit ihrer nicht weiter substantiierten gegenteiligen Behauptung (vgl. BGH, GRUR 1999, 367 [368] = WRP 1999, 208 - Vieraugengespräch), so war weder das Landgericht noch ist der Senat gehalten, ihrer entsprechenden Beweisanregung in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu folgen (vgl. BGH, GRUR 2013, 1213 = WRP 2013, 1620 [Rn. 55] - SUMO).

2. Der Höhe nach haftet die Beklagte den Klägerinnen auf Ersatz des vollen von ihnen geltend gemachten, aus der unerlaubten Handlung der Zeugin N2 erwachsenen Schadens (vgl. Palandt / Sprau, BGB, 72. Aufl., § 832 Rn. 14; Bamberger / Roth / Spindler, BeckOK BGB § 832, Rn. 34).

Bereits vor der Neufassung von § 97 UrhG durch die Urheberrechtsnovelle 2008 (mit seiner Regelung der Arten der Schadensberechnung in § 97 Abs. 2 UrhG) war allgemein anerkannt, dass der Geschädigte seinen Schaden auf dreifache Weise berechnen, also nicht nur seinen konkreten Schaden einschließlich des entgangenen Gewinns beziffern oder den Verletzergewinn herausverlangen, sondern seinen Schaden auch im Wege der Lizenzanalogie berechnen kann (vgl. nur BGH, GRUR 1980, 227 [232] - Monumenta Germaniae Historica). Dies führt im Streitfall zu den vom Landgericht jeder der vier Klägerinnen zuerkannten Beträgen.

Der Schätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO) des Landgerichts liegt ein fiktives Lizenzentgelt von 200,00 € für jeden der insgesamt 15 in die Schadensberechnung einbezogenen Musiktitel zu Grunde. Ein solcher Ansatz, der sich entgegen den Rügen der Berufung an verkehrsüblichen Entgeltsätzen auch für legale Downloadangebote im Internet orientiert und auf der Basis senatsbekannter Rahmenvereinbarungen der Tonträger-Branche von einem Betrag von 0,50 € pro Abruf sowie von mindestens 400 möglichen Abrufen durch unbekannte Tauschbörsenteilnehmer ausgeht, erscheint bei Musikaufnahmen der streitbefangenen Art in der Regel angemessen (Senat, WRP 2012, 1007 = MMR 2012, 387 [390 f.]; Urt. v. 05.08.2013 - 6 U 10/13; Urt. v. 18.10.2013 - 6 U 93/13; im Ergebnis jetzt ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 05.11.2013 - 5 U 222/10).

Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die im Streitfall zu einem niedrigeren Ansatz führen müssen, sind weder dargetan noch ersichtlich; insbesondere stellt der für Filesharing-Netzwerke typische Umstand, dass die abgerufenen Dateien nicht von einem einzigen Anbieter, sondern anteilig von vielen verschiedenen Anbietern der gleichen Dateien bezogen werden, keinen derartigen Anhaltspunkt dar. Ob die zuerkannten Schadensersatzbeträge auch angemessen wären, falls die Klägerinnen sich nicht auf die Geltendmachung fiktiver Lizenzvergütungen für insgesamt 15 Musikdateien beschränkt hätten, kann der Senat (wie das OLG Hamburg, a.a.O.) dahin gestellt lassen.

3. Begründet ist auch der den Klägerinnen vom Landgericht zugesprochene Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten (§§ 670, 683 S. 1, 677 BGB), dies allerdings nur in Höhe von 952,32 € nebst Zinsen.

a) Auf die Beurteilung ist die ab 09.10.2013 durch das Gesetz zur Bekämpfung unseriöser Geschäftspraktiken vom 01.10.2013 (BGBl. I S. 3714) geänderte Fassung des § 97a UrhG nicht anzuwenden, weil es für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung ankommt (vgl. BGH, GRUR 2010, 1120 [Rn. 17] - Vollmachtsnachweis; GRUR 2011, 617 [Rn. 29] - Sedo; MMR 2012, 39 - Erstattung von Abmahnkosten).

b) Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu Nr. 1 und 2 ergibt, war die anwaltliche Abmahnung vom 12.03.2008, mit der die Beklagte wegen unbefugten Zugänglichmachens von zu Gunsten der Klägerinnen geschützten Musiktiteln über ihren Internetanschluss auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen wurde, im Kern sachlich berechtigt. Sie genügte auch den inhaltlichen Anforderungen an eine Abmahnung. Diese muss mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, welches konkrete Verhalten Anlass der Beanstandung ist, damit der Schuldner in tatsächlicher Hinsicht weiß, was genau für den Gläubiger den Stein des Anstoßes bildet; einer in rechtlicher Hinsicht richtigen und umfassenden Bewertung bedarf es nicht. Sieht sich ein anwaltlich beratener Internetanschlussinhaber wie hier auf Grund der Abmahnung in der Lage, eine die Beanstandung ausräumende strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, spricht dies für eine hinreichende Spezifizierung der Abmahnung, auch wenn mehrere gemeinsam auftretende Anspruchsteller nicht kenntlich machen, wer von ihnen an welchen Titeln der beigefügten Titellisten Rechte beansprucht, denn die die Abmahnung dient auch dann grundsätzlich dem objektiven Interesse und mutmaßlichen Willen des Schuldners, eine kostenintensivere gerichtliche Auseinandersetzung über den Unterlassungsanspruch zu vermeiden (vgl. Senat, Urt. v. 05.08.2013 - 6 U 10/13 m.w.N.; enger OLG Düsseldorf, MMR 2012, 253 in einem Prozesskostenhilfeverfahren).

c) Die Abmahnung ist nicht als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Nach Lage der Dinge kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie vorrangig den sachfremden Zweck verfolgte, eine möglichst hohe Geldforderung der Klägerinnen zu realisieren. An der Unterbindung von Verletzungen ihrer Tonträgerrechte an einer dreistelligen Zahl von Musikdateien hatten die Klägerinnen ein berechtigtes Interesse. Der Umstand allein, dass die Klägerinnen im nachfolgenden Rechtsstreit nicht an allen 407 in Rede stehenden Dateien Rechte dargetan haben und wohl auch nicht darlegen können, begründet noch nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs, zumal das mit der Abmahnung unterbreitete Vergleichsangebot auf Zahlung eines Pauschalbetrages von 4.000,00 € angesichts der in Rede stehenden Schadensersatzbeträge nicht völlig abwegig und unangemessen erscheint.

d) Soweit die Beklagte mutmaßt, die Klägerinnen hätten mit ihren Prozessbevollmächtigten eine erfolgsabhängige Vergütung vereinbart, hat er für eine solche Absprache im konkreten Fall keine greifbaren Anhaltspunkte aufgezeigt. Im Übrigen schulden die Klägerinnen ihren Prozessbevollmächtigten das erstattet verlangte Honorar auf der Basis der Regelungen des RVG selbst dann, wenn sie mit diesen entgegen der im Jahr 2008 einschlägigen Regelung des § 49 b Abs. 2 BRAO ein Erfolgshonorar vereinbart haben sollten. Die Nichtigkeit der auf ein unzulässiges Erfolgshonorar gerichteten Vereinbarung nach § 49 b Abs. 2 BRAO, § 134 BGB lässt die Wirksamkeit des Anwaltsvertrags im Übrigen unberührt; der Rechtsanwalt kann in diesem Fall Vergütung in Höhe der gesetzlichen Gebühren verlangen (vgl. Senat, Urt. v. 05.08.2013 - 6 U 10/13 m.w.N.).

e) Die Klägerinnen können und müssen (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) sich gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten nicht auf Verjährung der Honorarforderung berufen. Der im Jahr 2008 entstandene Vergütungsanspruch ist nicht verjährt, weil die Klägerinnen ihn mit dem Ende 2011 erteilten Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung anerkannt (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) haben.

f) Der Korrektur bedarf lediglich die vom Landgericht vorgenommene Berechnung der Abmahnkosten. Wie die Kammer zu Recht angenommen hat, haben die Klägerin ihre Aktivlegitimation gegenüber dem Bestreiten der Beklagten nur in Bezug auf 100 Dateien hinreichend nachvollziehbar dargelegt, während der Abmahnung die angebliche Verletzung von Rechten an 407 Dateien zu Grunde lag. Bei dieser Sachlage sind die Abmahnkosten nicht einfach nach der Gebührentabelle aus dem Gegenstandswert der berechtigten Abmahnung zu berechnen, den der Senat mit dem Landgericht mit 80.000,00 € beziffert. Vielmehr sind die erstattungsfähigen Kosten entsprechend dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils zu dem von den Klägerinnen selbst mit 200.000,00 € angegebenen Gegenstandswert der gesamten Abmahnung zu bestimmen (vgl. BGH, GRUR 2010, 744 = WRP 2010, 1023 [Rn. 52] - Sondernewsletter; GRUR 2012, 949 = WRP 2012, 1086 [Rn. 49] - Missbräuchliche Vertragsstrafe; Senat, Beschluss vom 15.01.2013 - 6 W 12/13; vom 08.05.2013 - 6 W 256/12).

Zu erstatten hat die Beklagte den Klägerinnen somit 80.000/200.000 = 2/5 der (im Übrigen zutreffend mit einer 1,3 Gebühr aus 200.000,00 € zuzüglich 20,00 € Pauschale Nr. 7002 VV RVG auf 2.380,80 € berechneten) gerichtlich geltend gemachten Abmahnkosten, was 952,32 € entspricht.

4. Bei Zustellung des Mahnbescheids (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) war Verjährung der eingeklagten Ansprüche (§§ 194 f., 199 BGB) noch nicht eingetreten. Mit dem Landgericht ist auszuschließen, dass die Klägerinnen von der erst am 28.12.2007 bei der Staatsanwaltschaft Heilbronn eingegangenen Providerauskunft und damit von der Person der Beklagten ohne grobe Fahrlässigkeit noch im Jahr 2007 hätten Kenntnis erlangen müssen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Im Hinblick darauf, dass die im Streitfall wie in anderen Fällen der vorliegenden Art aufgeworfenen grundsätzliche Fragen der Schadensberechnung und der Abmahnkostenerstattung höchstrichterlich noch nicht ausreichend geklärt erscheinen, hat der Senat gemäß § 543 ZPO die Revision zugelassen.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird in Abänderung des Beschlusses vom 23.08.2013 auf 4.580,00 € festgesetzt.






OLG Köln:
Urteil v. 06.12.2013
Az: 6 U 96/13


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