Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Januar 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 16/01

(BPatG: Beschluss v. 15.01.2002, Az.: 27 W (pat) 16/01)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. Oktober 2000 aufgehoben.

Gründe

I Die Wort-/Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endesoll für

"Kontaktlinsen (auch farbige und mit optischen Mustern versehende Kontaktlinsen), Brillen, einschließlich Sonnenbrillen, und optische Instrumente, Kontaktlinsenzubehör, nämlich Kapseln und Behälter zur Aufbewahrung und Reinigung von Kontaktlinsen, Pflegemittel, Reinigungsmittel, Beschichtungsmittel, Augentropfen und -gele für die Verbesserung des Tragekomforts und der optischen Anpassung von Kontaktlinsen, spezielle Reinigungs- und Sterilisiergeräte, einschließlich Ultraschallreinigungsgeräte, Magnetrührgeräte und Wärmesterilisiergeräte, Anpassung von Kontaktlinsen und Anpaßberatung, insbesondere auch mit Hilfe von Keratometern, Farbberatung und Anpassung von farbigen Kontaktlinsen."

in das Register eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die Anmeldemarke weise durch den typographisch ausgestalteten Schriftzug "die Linse" und die unterhalb dessen sich befindende zeichnerische Darstellung einer weißen Kontaktlinse auf schwarzem Grund ohne weiteres erkennbar auf die Art, den Inhalt und den Verwendungszweck der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hin; denn der Verkehr werde das angemeldete Zeichen nur als Sachhinweis auf Sehhilfen und damit zusammenhängende Waren und Dienstleistungen ansehen. Auch die typographische und graphische Gestaltung könne eine Schutzfähigkeit nicht begründen, da sie nicht über das werbegraphisch Übliche hinausgehe und daher nicht als hinreichend phantasievoll gewertet werden könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Seiner Auffassung nach reichen die graphische Ausgestaltung des Wortbestandteils "die Linse" und des Bildbestandteils sowie der Zusatz "jb" in der rechten unteren Ecke der weißen Halbellipse für die erforderliche Unterscheidungskraft aus.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige (§ 66 Abs 1 MarkenG) Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da der Eintragung des Anmeldezeichens keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 MarkenG entgegenstehen.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle entbehrt die angemeldete Marke nicht jeglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH; BGH, GRUR 2001, 162 [163] m.w.N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH). Diesen geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft wird das Anmeldezeichen noch gerecht.

Allerdings enthält das angemeldete Kombinationszeichen einzelne Bestandteile, die in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, soweit es sich bei ihnen um (Kontakt-)Linsen und deren Zubehör sowie hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehende Dienstleistungen handelt, für sich genommen schutzunfähig sind. So beschränken sich die Wörter "die Linse" auf eine bloße Bezeichnung dieser Waren; steht aber ein für die fraglichen Waren beschreibender Begriffsinhalt im Vordergrund, ist die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft zu verneinen (vgl. BGH, GRUR 1999, 1089 [1091] - YES; BGH, WRP 2000, 298 [299] - Radio von hier; BGH, WRP 2000, 300 [301] - Partner with the best; BGH, aaO - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Gleiches gilt - ungeachtet der besonderen Ausgestaltung, auf welche noch einzugehen ist - für die Wiedergabe einer liegenden Kontaktlinse im Bildbestandteil des angemeldeten Zeichens. Denn die bloße, auch die fotografisch ungenaue oder nicht maßstabsgerechte Darstellung der beanspruchten Ware, welche sich in der Wiedergabe der für die Art der Ware typischen oder zur Erreichung eines technischen Effekts erforderlichen Merkmale erschöpft, ist grundsätzlich nicht geeignet, diese ihrer betrieblichen Herkunft nach zu individualisieren (st. Rspr.; vgl. BGHZ 130, 187, 192; BGH GRUR 2001, 734, 735 - Jeanshosentasche; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH).

Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Zeichen in seiner Gesamtheit nicht schutzfähig ist. So fehlt ein solcher im Vordergrund stehender beschreibender Inhalt bzw eine bloße bildliche Wiedergabe schon für die ebenfalls beanspruchten Waren "Brillen, einschließlich Sonnenbrillen, und optische Instrumente". Aber auch soweit die Anmeldemarke für die übrigen Waren und Dienstleistungen einzelne, für sich genommen schutzunfähige Bestandteile enthält, erschöpft sie sich nicht in der bloßen Aneinanderreihung schutzunfähiger Angaben, sondern vermittelt einen darüber hinausgehenden phantasievollen Gesamteindruck, der geeignet ist, das Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft zu überwinden (vgl. Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl., § 8 Rn. 59 mwN; s. a. BGH WRP 2001, 1201, 1202 - anti-KALK und, reine Bildmarken betreffend, BGH aaO - Jeanshosentasche; BGH aaO - SWATCH).

Hierbei ist zunächst auf die besondere grafische Ausgestaltung der Wörter "die Linse" hinzuweisen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass diese nicht nur in weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund abgebildet, sondern nochmals darüber in schwarzen Buchstaben auf weißem Hintergrund wiederholt werden, wobei beide Schriftzüge wie beim Betrachten eines einzigen Schriftzuges durch ein in der Mitte gebrochenes Vergrößerungsglas wirken; dies wiederum ruft den Effekt einer gewissen Unschärfe der dargestellten Wörter hervor, der dem Eindruck vergleichbar ist, den ein Kurz- oder Weitsichtiger beim Betrachten des Schriftzuges ohne optische Hilfsmittel hat. Zwar können einfache grafische Gestaltungsmittel, an die der Verkehr insbesondere durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt ist, eine Schutzfähigkeit nicht begründen (vgl. BGH aaO - anti-KALK); dass es sich bei der vorgenannten grafischen Darstellung aber um ein solches werbeübliches Gestaltungsmittel auf dem hier in Rede stehenden Warensektor handelt, konnte der Senat nicht feststellen.

Des weiteren geht auch der Bildbestandteil über eine bloße gezeichnete Wiedergabe der Linse hinaus. Denn er enthält zum einen die beiden Buchstaben "jb", bei denen es sich für den Verkehr erkennbar nicht um Merkmale von Kontaktlinsen, sondern um Initialen (wohl die des Anmelders) handelt (vP5gl BpatGE 34, 105 - Joy of LEONARDO). Vor allem ist hier aber die grafische Ausgestaltung des schwarzen Hintergrundes zu berücksichtigen, der eine elliptische Form aufweist; eine solche Form ist nicht nur untypisch, sondern auch nicht zur zeichnerischen Wiedergabe der abgebildeten Linse erforderlich.

Schließlich trägt auch die besondere Anordnung der einzelnen Elemente zueinander zum Gesamteindruck des angemeldeten Zeichens bei, der über die übliche Wiedergabe der typischen Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinausgeht. Das angemeldete Zeichen ist daher insgesamt geeignet, die mit ihm gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen nach ihrer betrieblichen Herkunft zu individualisieren.

Da somit die Anmeldemarke den zu stellenden geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft noch genügt und sonstige Eintragungshindernisse nicht ersichtlich sind, war der die Anmeldung zurückweisende Beschluss der Markenstelle auf die Beschwerde des Anmelders aufzuheben.

Dr. Schermer Albert Schwarz Na Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/27W(pat)16-01.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 15.01.2002
Az: 27 W (pat) 16/01


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