Landesarbeitsgericht Hamburg:
Beschluss vom 30. Juni 2005
Aktenzeichen: 8 Ta 5/05

(LAG Hamburg: Beschluss v. 30.06.2005, Az.: 8 Ta 5/05)

- Im Beschwerdeverfahren nach § 33 RVG gilt das Verschlechterungsverbot.

- Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach § 33 RVG und nicht § 63 GKG, wenn im konkreten Fall feststeht, dass eine Gerichtsgebühr nicht anfällt.

- Die Gebührenfreiheit nach § 33 IX RVG gilt nur für das Verfahren über den Festsetzungsantrag. Im Beschwerdeverfahren fällt eine Gebühr nach Nr. 1811 der Anlage zu § 2 II RVG an.

- Ein allgemeiner Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO ist neben einer Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG grundsätzlich nicht werterhöhend zu berücksichtigen.

- Der Gegenstandswert für einen Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung während eines anhängigen Kündigungsrechtsstreits beträgt ein Bruttomonatsgehalt.

- Der Antrag auf ein Zwischenzeugnis ist bei der Festsetzung des Gegenstandswerts pauschal mit EUR 500,- zu bewerten, sofern keine Regelung zum Inhalt des Zeugnisses begehrt wird.

- Eine allgemeine Erledigungsklausel in einem Vergleich ist bei der Festsetzung des Gegenstandswerts nicht werterhöhend zu berücksichtigen.

- Eine Verschwiegenheitsklausel in einem Vergleich ist regelmäßig nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn konkrete Interessen eines Beteiligten erkennbar sind und diesen ein wirtschaftlicher Wert zugeordnet werden kann.

- Eine Regelung über die Herausgabe von Gegenständen in einem Vergleich erhöht den Gegenstandswert nur dann, wenn über die Herausgabe der Gegenstände Streit bestand.

Gegenstandswert für diverse Streitgespräche

Tenor

1. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 1. 2. 2005 (1 Ca 590/04) wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I. Die Beschwerde ist gemäß § 33 III RVG zulässig, sie ist insbesondere von einem Antragsberechtigten (§ 33 II 2 RVG) form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg, denn der angefochtene Beschluss lässt keine Fehler erkennen.

1. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, dem allgemeinen Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO neben dem Antrag gemäß § 4 KSchG keinen eigenen Gegenstandswert zuzuordnen, ist zutreffend. Sie entspricht der nahezu einhelligen Ansicht von Rechtsprechung und Literatur (BAG v. 6. 12.1984 - 2 AZR 754/79 - NZA 1985, 296, zu II 2 b der Gründe; LAG Hamburg v. 3. 6. 2002 - 7 Ta 11/02 - n. v.; LAG Bremen v. 29. 3. 2000 - 4 Ta 15/00 - JurBüro 2000, 418; LAG Köln v. 8. 9.1998 - 4 Ta 207/98 - MDR 99, 102; LAG Thüringen v. 3. 6.1996 - 8 Ta 76/96 - RAnB 96, 220; LAG Thüringen v. 14. 11. 2000 - 8 Ta 134/00 - MDR 01, 538; LAG Nürnberg v. 2. 12. 2003 - 9 Ta 190/03 - NZA-RR 04, 660; LAG Nürnberg v. 7. 2. 1992 - 4 Ta 144/91 - NZA 92, 617; GMP - Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl. 2002, § 12 Rz 103 a; KR-Friedrich, 7. Aufl. 2004, § 4 KSchG Rz 279; ErfK/Koch, 4. Aufl. 2004, § 12 ArbGG Rz 17).

Die von der Beschwerde zitierte Gegenansicht (LAG Hamm v. 2. 11. 1998 - 9 Ta 9/02 ) hat das LAG Hamm im Beschluss v. 3. 2. 2003 (9 Ta 520/02 - NZA-RR 03, 321) ausdrücklich aufgegeben und sich der herrschenden Auffassung angeschlossen. Aktuell nimmt soweit ersichtlich nur das LAG Hessen für den Antrag nach § 256 ZPO eine Erhöhung des Gegenstandswerts um ein Bruttomonatsgehalt vor, welches im Beschluss v. 7. 1. 2005 (15 Ta 688/04 - juris) seine bisherige Rechtsprechung (LAG Hessen v. 19. 11. 2001 - 15 Ta 85/01 - NZA-RR 02, 384; LAG Hessen v. 21. 1. 1999 - 15/6 Ta 630/98 - NZA-RR 99, 156) aufgegeben hat.

Die Gegenansicht überzeugt in der Sache nicht. Sie beruht allein auf dem Argument, der Antrag gemäß § 256 ZPO müsse deshalb den Gegenstandswert erhöhen, weil er auch in einem gesonderten Verfahren isoliert verfolgt werden könnte und ein solches Verfahren einen Gegenstandswert haben müsste. Letzteres ist zutreffend, nicht jedoch die Schlussfolgerung. Werden unterschiedliche Streitgegenstände verfolgt, die wirtschaftlich ganz oder teilweise identisch sind, fließt die wirtschaftliche Identität in die Bemessung des Gegenstandswertes regelmäßig nur dann ein, wenn die Streitgegenstände in einem Verfahren verfolgt werden. So ist weitgehend unstreitig, dass ein Auflösungsantrag nach § 9 KSchG den Gegenstandswert eines Kündigungsrechtsstreits nicht erhöht (BAG v. 25. 1. 1960 - 2 AZR 519/57 - BAGE 8, 240 = NJW 60, 884; LAG Hamburg v. 3. 9. 2003 - 4 Ta 11/03 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 13; LAG Hamburg v. 26. 6. 2001 - 2 Ta 12/02 - n. v.; LAG Brandenburg v. 17. 4. 2003 - 6 Ta 62/03 - RzK I 10l Nr 124; LAG Berlin v. 13. 3. 2001 - 17 Ta 6026/01 (Kost) - NZA-RR 01, 436; LAG München v. 14. 9. 2001 - 4 Ta 200/01 - NZA-RR 02, 493; LAG Düsseldorf v. 20. 7. 1987 - 7 Ta 198/87 - LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert 66; KR-Spilger 7. Auf. 2004, § 9 KSchG Rz 94; a. A. noch LAG Berlin v. 30. 12. 1999 - 7 Ta 6121/99(Kost) - MDR 00, 526), obwohl auch dieser Antrag unter gewissen Voraussetzungen isoliert verfolgt werden kann und der Gegenstandswert dieser Verfahren bis zur Grenze von § 42 IV GKG (früher § 12 VII ArbGG) festgesetzt wird (LAG Hamburg Beschluss v. 29. 12. 2004 - 8 Sa 44/04 - n. v.).

Da die Beschwerdekammer die Auffassung des Arbeitsgerichts teilt, kann dahinstehen, welcher Prüfungsmaßstab im Beschwerdeverfahren nach § 33 RVG (früher § 10 BRAGO) zur Anwendung kommt:

Das LAG Hamburg geht bisher davon aus, die Festsetzung des Gegenstandswerts sei uneingeschränkt zu überprüfen, das Beschwerdegericht habe eigenes Ermessen auszuüben (Beschluss v. 4. 8. 1992 - 2 Ta 6/92 - NZA 93, 43; Beschluss v. 30. 8. 1991 - 1 Ta 7/91 -LAGE§ 12 ArbGG 79 Nr. 93 ; Beschluss v. 28. 10. 1987 - 1 Ta 4/87 - LAGE § 10 BRAGO Nr. 2; ebenso: LAG Niedersachsen v. 26. 11. 1984 - 10 Ta 28/84 - NZA 85, 260; LAG Rheinland-Pfalz v. 14. 1. 1991 - 9 Ta 3/91 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 88;GK-Wenzel Stand: 3/05 § 12 ArbGG Rz 386). Die h. M. meint demgegenüber, das Beschwerdegericht sei lediglich befugt zu prüfen, ob das Arbeitsgericht bei der Wertfestsetzung die im Gesetz aufgestellten Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Das Beschwerdegericht könne jedoch nicht sein eigenes Ermessen an Stelle des Ermessens des Gerichts setzen, dessen Entscheidung angefochten wird (LAG Baden-Württemberg v. 25. 3. 1981 - 3 Ta 5/81 - AMBl BY 1981, C 32; LAG Berlin v. 21. 5. 1979 - 2 Ta 18/79 - juris; LAG Köln v. 20. 1. 2003 - 2 Ta 1/03 - NZA-RR 03, 555; ebenso Beschluss v. 15. 4. 2002 - 5 Ta 93/02 - juris; LAG Nürnberg v. 2. 12. 2003 - 9 Ta 190/03 - NZA-RR 04, 660; 1. 8. 2003 - 6 Ta 98/03 - AR-Blattei ES 160.13 Nr. 248; 7. 4. 1999 - 6 Ta 61/99 - NZA 99, 840; 5. 5. 1986 - 1 Ta 3/85 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 53; LAG Schleswig-Holstein v. 17. 2. 1998 - 3 Ta 34/98 - juris; BayObLG v. 28. 6. 2000 - 3Z BR 143/00 - NJW-RR 01,1301; OLG Karlsruhe v. 12. 3. 1979 - 5 WF 34/79 - juris).

2. Den Gegenstandswert für den Weiterbeschäftigungsantrag hat das Arbeitsgericht ebenfalls zu Recht mit einem Monatsgehalt bewertet. Die Behauptung der Beschwerde, die weit überwiegende Anzahl der Landesarbeitsgerichte gehe von zwei Monatsgehältern aus, ist unzutreffend. Richtig ist, dass unterschiedlichste Auffassungen vertreten werden:

- Einige ältere Entscheidungen haben den Weiterbeschäftigungsantrag mit 3 Monatsgehältern bewertet (LAG Bremen v. 20. 11. 1980 - 4 Ta (5 H) 42/80 - AuR 81, 285; LAG Rheinland-Pfalz 23. 7. 1982 - 1 Ta 121/82 - juris).

- Das LAG Schleswig-Holstein ordnet dem Weiterbeschäftigungsantrag in Verbindung mit der Kündigungsschutzklage im Regelfall keinen eigenen Gegenstandswert zu (Beschluss v. 16. 4. 1997 - 4 Ta 69/97 - juris; Beschluss v. 14. 9. 1984 - 5 Ta 110/84 - LAGE § 12 ArbGG 79 Streitwert Nr. 34).

- Einige Landesarbeitsgerichte gehen von 2 Monatsgehältern aus (LAG Düsseldorf v. 25. 6. 1987 - 7 Ta 187/87 - AnwBl 87, 554; LAG Hamm v. 4. 12. 2003 - 4 Sa 900/03 - NZA-RR 04, 189; LAG Brandenburg v. 24. 9. 2003 - 6 Sa 118/03 - juris).

- Die weit überwiegende Anzahl der Landesarbeitsgerichte bewertet den Weiterbeschäftigungsantrag in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre mit einem Bruttomonatsgehalt (LAG Baden-Württemberg v. 27. 1. 1982 - 1 Ta 17/82 - LAGE § 12 ArbGG 79 Streitwert Nr 16; LAG Berlin v. 18. 11. 2003 - 17 Ta 6116/03 (Kost) - MDR 04, 598; LAG Berlin v. 23. 9. 2002 - 6 Ta 1705/02 - juris; LAG Niedersachsen v. 17. 2. 2004 - 13 Sa 566/03 - NZA-RR 472; LAG München v. 28. 2. 1990 - 10 (9) Ta 85/89 - JurBüro 90, 1609; LAG Nürnberg v. 3. 1. 1989 - 8 Ta 134/88 - NZA 89, 862; LAG Rheinland-Pfalz v. 16. 4. 1992 - 10 Ta 76/92 - LAGE GKG § 19 Nr 13; LAG Sachsen v. 14. 6. 1993 - 4 Ta 12/93 - LAGE 97 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; LAG Thüringen v. 27. 2. 1996 - 8 Ta 19/96 - AuA 1996, 250; ebenso: ErfK-Ascheid 5. Aufl. 2005, § 4 KSchG Rz 103; ErfK-Koch 4. Aufl. 2004, § 12 ArbGG Rz 17; Germelmann ArbGG 4. Aufl. 2002, § 12 Rz 109). Das von der Beschwerde für die Gegenansicht zitierte LAG Köln hat sich unter Aufgabe seiner älteren Rechtsprechung ebenfalls der herrschenden Meinung angeschlossen (Beschluss v. 21. 6. 2002 - 7 Ta 59/02 - MDR 02, 1441). Das gleiche gilt für das LAG Hessen (Beschluss v. 16. 5. 2003 - 16 Ta 158/03 - juris; Beschluss v. 23. 4. 1999 - 15/6 Ta 28/98 - NZA-RR 99, 434). Auch die Kammern des LAG Hamburg gehen in ständiger Rechtsprechung von einem Monatsgehalt aus (Beschluss v. 4. 6. 2003 - 4 Ta 7/03 - n. v.; Beschluss v. 5. 8. 2003 - 6 Ta 13/03 - juris; Beschluss v. 30. 3. 1989 - 6 Ta 32/88 - JurBüro 90, 49; Beschluss v. 2. 9. 2002 - 7 Ta 21/02 - MDR 03, 178; Beschlüsse v. 10. 5. 2004 - 8 Ta 5/04 und v. 29. 7. 2004 - 8 Ta 11/04 - beide juris).

Die Beschränkung des Gegenstandswerts auf ein Monatsgehalt ist sachgerecht, soweit der Beschäftigungsanspruch - wie im Regelfall - nur zeitlich begrenzt für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits geltend gemacht wird und wegen der Verbindung mit dem Antrag nach § 4 KSchG die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis besteht, für die Entscheidung über den Beschäftigungsantrag nicht gesondert geprüft werden muss (LAG Hamburg v. 11. 5. 2004 - 8 Ta 5/04 - juris).

3. Das Arbeitsgericht hat auch den Antrag auf ein Zwischenzeugnis zutreffend mit EUR 500,- bewertet.

Der Antrag der Klägerin enthielt keine inhaltlichen Vorgaben für das Zwischenzeugnis. Nur soweit auch der Inhalt eines Zwischenzeugnisses bestimmt werden soll, geht das LAG Hamburg in Übereinstimmung mit den meisten anderen Landesarbeitsgerichten von einem Gegenstandswert in Höhe eines Bruttomonatsgehalts aus (LAG Hamburg v. 13. 1. 1987 - 5 Ta 35/87 - JurBüro 88, 1158; LAG Hamburg v. 30.05.1984, AnwBl 1985,98; LAG Hamburg v. 11.11.1983 - 1 Ta 11/83 - AnwBl. 84, 155; ebenso: LAG Berlin v. 14. 11. 2002 - 16 Sa 970/02 - NZA-RR 03, 523; LAG Düsseldorf v. 19. 8. 1999 - 7 Ta 238/99 - LAGE § 3 ZPO Nr. 10; LAG Köln v. 28. 4. 1999 - 13 Ta 96/99 - MDR 99, 1336; LAG Köln v. 27. 7. 1995 - 13 Ta 144/95 - AR-Blattei ES 160.13 Nr 199; für eine Obergrenze von einem halben Bruttomonatsgehalt allerdings: LAG Hamburg v. 4. 7. 2003 - 4 Ta 7/03 - n. v.; LAG Rheinland-Pfalz v. 18. 1. 2002 - 9 Ta 1472/01 - MDR 02, 954).

Wird ein Zwischenzeugnis begehrt, ohne dass eine Bestimmung über dessen Inhalt getroffen werden soll, ist streitig, ob der Gegenstandswert mit einem halben Bruttomonatsgehalt (LAG Hessen v. 19. 11. 2001 - 15 Ta 85/01 - NZA-RR 02, 384; LAG Köln v. 26. 2. 2004 - 7 Ta 43/04 - MDR 04, 1067; LAG Köln v. 12. 7. 1996 - 11 Ta 97/96 - juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 2. 6. 2004 - 2 Ta 113/04 - juris; LAG Sachsen v. 19.10.2000, LAGE § 3 ZPO Nr. 12) oder mit einem Pauschalbetrag von EUR 500,- (LAG Hamburg v. 4. 7. 2003 - 4 Ta 7/03 - n. v.; LAG Hessen v. 9. 7. 2003 - 15 Ta 123/03 - NZA-RR 03, 660) oder von EUR 250,- (LAG Thüringen v. 14. 11. 2000 - 8 Ta 134/00 - MDR 01, 538) in Ansatz zu bringen ist. Die von der Beschwerde vertretene Auffassung, für ein Zwischenzeugnis ohne inhaltliche Bestimmung sei ein Gegenstandswert von einem vollen Bruttomonatsgehalt angemessen, wird - soweit ersichtlich - von niemandem geteilt.

Die Kammer hält bei Anträgen auf ein Zeugnis ohne Inhaltsbestimmung einen Pauschalbetrag für angemessen und setzt diesen - für Zwischen- und Schlusszeugnisse gleichermaßen - regelmäßig mit EUR 500,- an (ebenso: LAG Hamburg v. 4. 7. 2003 - 4 Ta 7/03 - n. v.)

4. Ebenfalls zutreffend hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das endgültige Zeugnis mit einem Bruttomonatsgehalt in Ansatz gebracht. Hier war zu berücksichtigen, dass im Vergleich der Inhalt des Zeugnisses in wesentlichen Punkten festgelegt worden ist. Die Wertfestsetzung für diesen Fall entspricht soweit ersichtlich einheitlicher Praxis der Landesarbeitsgerichte (LAG Hamburg v. 12. 1. 1998 - 4 Ta 28/97 - LAGE § 3 ZPO Nr 9; LAG Düsseldorf v. 5. 11. 1987 - 7 Ta 361/87 - JurBüro 1988, 1079; LAG Hamm v. 27. 4. 2000 - 4 Sa 1018/99 - juris; LAG Hamm v. 19. 6. 1986 - 8 Ta 142/86 - AnwBl 87, 497; LAG Hessen v. 9. 12. 1970 - 5 Ta 76/69 - BB 71, 653 (LS); LAG Köln v. 15. 4. 2002 - 5 Ta 93/02 - juris; LAG Köln v. 29. 12. 2000 - 8 Ta 299/00 - MDR 01, 717; LAG Köln v. 27. 7. 1995 - 13 Ta 140/95 - AR-Blattei ES 166.13 Nr. 199; LAG München v. 14. 9. 1976 - 6 Sa 584/76 - AMBl BY 1977, C22; LAG Rheinland-Pfalz v. 31. 7. 1991 - 9 Ta 138/91 - NZA 92, 524 (LS); LAG Sachsen v. 20. 12. 2002 - 2 Sa 96/02 - juris; LAG Sachsen v. 3. 8. 2000 - 4 Ta 117/00 - MDR 01, 282) und wird auch von der Beschwerde nicht beanstandet.

5. Schließlich lässt auch die Bewertung der im Vergleich getroffenen Vereinbarungen über die Verschwiegenheit, die Rückgabe von Firmeneigentum und die Erledigung des Rechtsstreits mit zusammen einem Monatsgehalt keinen Fehler zum Nachteil der Beschwerdeführer erkennen.

a) Für den Gegenstandswert eines Vergleichs sind nur die in ihm geregelten streitigen Gegenstände maßgebend. Mit geregelte unstreitige Gegenstände sind grundsätzlich nicht werterhöhend zu berücksichtigen (LAG Rheinland-Pfalz v. 3. 8. 1984 - 1 Ta 43/84 - NZA 84, 99).

Insoweit erscheint es keineswegs zwingend, für die genannten Regelungen den Wert eines vollen Bruttomonatsgehalts in Ansatz zu bringen:

aa) Eine Erledigungsklausel wird regelmäßig nicht werterhöhend berücksichtigt, soweit sie lediglich deklaratorischen Charakter hat, durch sie also keine konkret benannten weiteren Streitpunkte erledigt werden (LAG Hessen v. 9. 7. 2003 - 15 Ta 123/03 - NZA-RR 03, 660; LAG Hessen v. 23. 4. 1999 - 15/6 Ta 426/98 - NZA-RR 99, 382; LAG Schleswig-Holstein v. 17. 2. 1998 - 3 Ta 34/98 - juris; LAG Schleswig-Holstein v. 12. 3. 1997 - 6 Ta 44/97 - MDR 99, 814). Das ist sachgerecht, weil die Erledigung des Rechtsstreits regelmäßige Folge eines Vergleichs ist, auch wenn dies nicht ausdrücklich klargestellt wird.

bb) Bei einem Streit um die Herausgabe von Sachen bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem wirtschaftlichen Wert der streitbefangenen Gegenstände für die Beteiligten. Anhaltspunkte dafür, welchen Wert die nach Ziffer 9 des Vergleichs herauszugebenden Firmenunterlagen hatten, und um welche weiteren im Eigentum der Beklagten stehenden Gegenstände es im Ausgangsfall ging, sind der Beschwerde nicht zu entnehmen. Allein die pauschale Behauptung, es habe sich um Gegenstände mit hohem Sachwert gehandelt, genügt nicht.

cc) Eine Verschwiegenheitsklausel in einem Vergleich kann aus unterschiedlichen Gründen vereinbart werden. Die Festsetzung eines zusätzlichen Gegenstandswerts für eine solche Regelung setzt voraus, dass diese Gründe erkennbar sind. Allein die pauschale Behauptung, die Verschwiegenheit sei wegen der Höhe der vereinbarten Abfindung von hoher Bedeutung, genügt nicht.

b) Ob sich danach der Ansatz eines weiteren Monatsgehalts als zu hoch darstellt, kann jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn eine Abänderung der Festsetzung zum Nachteil der Beschwerdeführer ist im Verfahren nach § 33 III RVG nicht zulässig.

aa) Den in zwei älteren Entscheidungen zu § 10 BRAGO vertretenen gegenteiligen Standpunkt (LAG Hamburg v. 13. 11. 1995 - 2 Ta 20/95 - NZA-RR 96, 306; LAG Hamburg v. 28. 10. 1987 - 1 Ta 4/87 - LAGE § 10 BRAGO Nr. 2; ebenso: LAG Hamm v. 26. 7. 1990 - 8 TaBV 70/89 - AR-Blattei ES 160.13 Nr. 187; BayObLG v. 11. 11. 1992 - 3Z BR 146/92 - JurBüro 1993, 309; GK - Wenzel, ArbGG, Stand: März 2005 1999, § 12 Rz 386) hat das LAG Hamburg bereits im Beschluss vom 16. 8. 2002 (5 Ta 14/02 - n. v.) aufgegeben und sich damit der herrschenden Rechtsprechung und Literatur angeschlossen (LAG Hessen v. 19. 11. 2001 - 15 Ta 85/01 - juris; LAG Hessen v. 23. 4. 1999 - 15/6 Ta 426/98 - NZA-RR 99, 382; LAG Hessen v. 21. 1. 1999 - 15/6 Ta 630/98 - NZA-RR 99, 156; LAG Köln v. 13. 12. 1999 - 13 (7) Ta 366/99 - MDR 00, 670; LAG München v. 28. 1. 1987 - 5 (6) Ta 268/86 - JurBüro 1987, 858; LSG Niedersachsen v. 23. 5. 1997 - L 5 S (Ka) 63/97 - NdsRpfl 1997, 236; VGH Baden-Württemberg v. 10. 8. 1987 - 6 S 1591/87 - juris; Madert in: Gerold/ Schmidt /van Eicken/Madert, RVG, 16. Aufl. (2004), § 33 Rz 44; Zöller-Gummer, 24. Aufl. § 572 ZPO Rz 39).

Die erkennende Kammer folgt der 5. Kammer des LAG Hamburg. Das Verschlechterungsverbot bei Rechtsmitteln ist ein allgemeines Prinzip, dessen Durchbrechung im Einzelfall vom Gesetz angeordnet sein muss (ebenso: Zöller-Gummer, ZPO, 24. Aufl. § 572 Rz 39). Eine solche Ausnahme regelt für das Gebührenrecht § 63 III GKG (früher § 25 II GKG). Diese Vorschrift ist auf die Beschwerde nach § 33 RVG nicht analog anzuwenden, weil es an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Die Abänderungsbefugnis in § 63 GKG beruht darauf, dass dort die Festsetzung des Gegenstandswerts in gleicher Weise für die Gerichts- wie auch für die Anwaltsgebühren gilt. Die Festsetzung dient also auch den eigenen Gebühreninteressen des Gerichts. Deshalb kann eine unrichtige Festsetzung vom Gericht, welches sie getroffen hat, oder vom Rechtsmittelgericht nach § 63 III GKG von Amts wegen geändert werden. Fehlt es an einem eigenen Gebühreninteresse des Gerichts, verliert die amtsseitige Abänderungsbefugnis ihre Rechtfertigung. Das Verfahren um die Gegenstandswertfestsetzung wird praktisch zu einem kontradiktorischen Verfahren. Die Rechtsanwälte, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen der Beiordnung oder Bestellung eines Rechtsanwalts auch die Staatskasse sind nach § 33 II 2 RVG antragsbefugt. Daraus folgt nach § 33 III RVG auch die Beschwerdebefugnis, soweit sich die Streitwertfestsetzung zu ihrem Nachteil auswirkt. Die Beteiligten verfügen damit über ein geeignetes Instrument, ihre Interessen wahrzunehmen (ebenso: LAG Hamburg v. 16. 8. 2002 - 5 Ta 14/02 - n. v.). Eine Abänderung durch das Gericht, welche sich allein zu Gunsten eines Beteiligten auswirkt, der dies nicht beantragt hat, wäre systemfremd.

bb) Die vorliegende Beschwerde fällt auch in den Anwendungsbereich von § 33 RVG.

Jedenfalls bis zur Neuregelung des Kostenrechts zum 1. 7. 2004 war die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 10 BRAGO (jetzt § 33 RVG) und §§ 9 BRAGO, 25 GKG (jetzt § 63 GKG) umstritten:

Teilweise wurde davon ausgegangen, § 10 BRAGO sei nur dort anwendbar, wo die Verfahrensordnungen generell keine Erhebungen von Gerichtsgebühren vorsehen (GK-Wenzel ArbGG Stand: 3/05 § 12 Rz 30; Creutzfeldt NZA 98, 458, 459). Im arbeitsgerichtlichen Verfahren würde dies i. w. betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten nach §§ 80 ff ArbGG betreffen. Das LAG Köln (Beschluss v. 8. 8. 1991 - 11 Ta 127/91 - JurBüro 1991, 1678) verneinte die Anwendbarkeit von § 10 BRAGO ausdrücklich auch in einem Urteilsverfahren, nachdem dieses durch einen Vergleich beendet worden war.

Nach anderer Auffassung (LAG Hessen v. 21. 1. 1999 - 15/6 Ta 630/98 - NZA-RR 99, 156; LAG Schleswig-Holstein v. 23. 1. 2003 - 4 Ta 190/02 - juris; Kotz in Kreutzfeldt "Neues Kostenrecht" (2004), Rz 160) sollte das Verfahren nach § 10 BRAGO immer dann zu Anwendung kommen, wenn im konkreten Fall feststand, dass eine Gerichtsgebühr nicht erhoben werden konnte. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren sind dies alle Streitigkeiten, die durch gerichtlichen Vergleich insgesamt erledigt worden sind (Vorbemerkung 8 zum Anhang 1 zum GKG).

Die Kammer folgt für § 33 RVG der zuletzt genannten Ansicht. Nach Fortfall des Gebühreninteresses des Gerichts ist es sachgerecht, die Festsetzung des Gegenstandswerts in eine vom Willen der Beteiligten abhängige Verfahrensart zu überführen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Es entsteht eine Gebühr gemäß Nr. 1811 der Anlage 1 zu § 2 II RVG.

Die Gebührenfreiheit gemäß § 33 IX RVG gilt nur für das Verfahren über den Antrag, nicht für das Beschwerdeverfahren. (ebenso: LAG Hamburg v. 15. 3. 2005 - 3 Ta 33/05 - n. v.; Beschluss v. 17. 6. 2005 - 1 Ta 4/05 - n. v.; im Ergebnis ebenso: LAG Bremen v. 27. 08. 2004 - 3 Ta 45/04 und 48/04 - NZA 04, 1179; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., 2004, § 33 Rz 30; a. A. Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 33 RVG Rz 26). Wie sich aus § 33 Abs. 9 Satz 1 RVG einerseits und Satz 2 dieser Bestimmung andererseits ergibt, unterscheidet das Gesetz zwischen dem Verfahren über den Antrag und dem Verfahren über die Beschwerde. Die Anordnung der Gebührenfreiheit in Satz 1 bezieht sich ausdrücklich nur auf das Verfahren über den Antrag. Satz 2 schließt die Kostenerstattung aus. Wie sich aus der Trennung mit einem Semikolon ergibt, bezieht sich die danach folgende Regelung "dies gilt auch im Verfahren über die Beschwerde", nur auf Satz 2. Hätte der Gesetzgeber auch Satz 1 auf das Beschwerdeverfahren für anwendbar erklären wollen, hätte es nahe gelegen, den 2 Halbsatz von Satz 2 als eigenständige Regelung in einem Satz 3 zu formulieren oder eine § 66 VIII GKG entsprechende Regelung zu wählen, wo es heißt: "Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet."

Die Richtigkeit dieser Auslegung wird auch durch die Gesetzgebungsmaterialien belegt. So heißt es in der Begründung zu § 33 RVG in dem von allen Fraktionen des Bundestages gemeinsam eingebrachten Entwurfs zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BT-DS 15/1971, S. 196) ausdrücklich, die Gebührenfreiheit solle auf das Verfahren über den Antrag beschränkt werden. Im Verfahren über die Beschwerde bzw. die weitere Beschwerde entstehe eine Gebühr nach Nr. 1811 KV. Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-DS 15/2487), welche der Bundestag am 12. 2. 2004 (Plenarprotokoll 15/91) einstimmig angenommen hat, enthält zu § 33 RVG keine weiteren Ausführungen.

Gegen die vorliegende Entscheidung sind weitere Rechtsmittel nicht statthaft (§ 33 IV 3 RVG).






LAG Hamburg:
Beschluss v. 30.06.2005
Az: 8 Ta 5/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/31a091ba5629/LAG-Hamburg_Beschluss_vom_30-Juni-2005_Az_8-Ta-5-05




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