Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 8. Oktober 2008
Aktenzeichen: VI-Kart 10/07 (V)

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 08.10.2008, Az.: VI-Kart 10/07 (V))

OLG Düsseldorf, 1. Kartellsenat

Beschluss vom 8.10.2008, VI-Kart 10/07 (V)

§ 36 Abs. 1 GWB

1. Die Anwendbarkeit der nationalen Zusammenschlusskontrolle wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das fusionsbedingt entstehende Krankenhaus bereits als gemeinsames Krankenhaus im Krankenhausplan aufgenommen worden ist. Denn der nach Krankenhausplanungsrecht erlassene Feststellungsbescheid begründet keine Pflicht zur Fusion.

2. Im Bereich der Krankenhausfusionen kann zur Bestimmung des räumlich relevanten Marktes auf die Eigenversorgungsquote - d.h. den prozentualen Anteil derjenigen Patienten, die in dem betreffenden Postleitzahlengebiet wohnen und zur Behandlung ein in jenem Gebiet ansässiges Krankenhaus aufgesucht haben - abgestellt werden.

3. Das Gebiet mit einer hohen Eigenversorgungsquote - im Entscheidungsfall von 90 % - stellt den in räumlicher Hinsicht größtmöglichen Markt dar.

4. Auch im Bereich der Krankenhausfusionen wird die Marktstellung eines Krankenhausbetreibers im Allgemeinen durch seinen Marktanteil bestimmt. Dass der Preiswettbewerb auf dem Krankenhausmarkt weitgehend aufgehoben ist und ein wirksamer Wettbewerb in erster Linie über die Qualität der Krankenhausversorgung stattfindet, steht dem nicht entgegen.

Tenor

I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 6. Juli 2007 (B3-85111-Fa 6/07) werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zur zweckentspre-chenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Bundeskar-tellamtes werden der Beteiligten zu 1) und der Beigeladenen auferlegt.

III. Wert der Beschwerde: 3.050.416,00 €

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) (nachfolgend: A.) betreibt nach Umwandlung des L K. H. (L.) sieben große Krankenhäuser in H., unter anderem die A.-K. H. (A. H.). An A. ist die A. L. Beteiligungsgesellschaft mbH, eine 100 %ige Tochter der Konzernholding A. K. GmbH in K., mit ..,9% beteiligt. Die Freie und Hansestadt H. (FHH) hält über den H. V. (einer Anstalt öffentlichen Rechts) die verbleibenden ..,1 % Anteile. Laut Gesellschaftervertrag der L. H. wird für strategisch wichtige Entscheidungen (z. B. Strukturveränderungen, Investitionspläne, Liquiditätspläne, Bauzielpläne, Jahresabschluss, Gewinnverwendung und Abschluss und Änderung von Anstellungsverträgen mit ärztlichen Mitarbeitern, die ein hohes jährliches Grundgehalt beziehen) eine qualifizierte Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen, in jedem Fall aber die Zustimmung des H. V. AöR gefordert.

Der gesamte A.-Konzern umfasste im Frühjahr 2006 insgesamt 95 Einrichtungen mit insgesamt ca. 34.500 Mitarbeitern und einer Kapazität von ca. 21.000 Betten und Behandlungsplätzen, hiervon 70 Kliniken in der Bundesrepublik Deutschland und 6 Kliniken in den USA. Der Konzernumsatz belief sich im Jahr 2005 auf ca. .. Mrd. Euro. A. seinerseits verzeichnete in demselben Jahr einen Umsatz von ... Mio. Euro. Sie hatte insgesamt ca. 12.000 Beschäftigte und behandelt in mehr als 100 Fachabteilungen jährlich rund 405.000 Patienten in H. und im H. Umland.

Die A. H. ist ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung, das neben den Fachgebieten Anästhesie und Radiologie weitere acht Fachgebiete abdeckt mit insgesamt 765 Planbetten und 66 teilstationären Behandlungsplätzen. In Entfernung von ca. zwei Kilometern zur A. H. liegt das Krankenhaus M. (nachfolgend: KH M.) mit ca. 255 Betten. Das KH M. befindet sich in freigemeinnütziger Trägerschaft, dessen Trägerin die Beteiligte zu 2) (nachfolgend: M.) ist, deren einzige Gesellschafterin die Beteiligte zu 4) (nachfolgend: H.) ist. Im Geschäftsjahr 2005 erzielte das KH M. einen Umsatz von weniger als .. Mio. Euro. Die A. H. und das KH M. befinden sich in einem teilweise engen Kooperationsverhältnis. Die A. H. erbringt für das KH M. die fachärztliche radiologische Versorgung, führt weitere Eingriffe an Patienten des KH M. aus, übernimmt zudem sämtliche Laboruntersuchungen und erbringt ferner verschiedene Konsilleistungen für das KH M.. Das KH M. erbringt umgekehrt für die A. H. Leistungen bei der Versorgung Neugeborener und hat außerdem die ärztliche Leitung der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie an der A. H. inne.

Im Süden H., der durch die Elbe vom Zentrum der Stadt H. abgegrenzt ist, befinden sich neben dem KH M. und der A. H. als weiteres Plankrankenhaus nur das Krankenhaus "G. S." mit 257 Planbetten im Stadtteil W..

Die Beigeladene (nachfolgend: FHH) ist gesetzlich verpflichtet, für eine bedarfgerechte gesundheitliche Versorgung der Metropolregion H. auf der Basis leistungsfähiger und wirtschaftlicher Krankenhäuser zu sorgen (vgl. § 1 KHG). Es war seit längerer Zeit Ziel der Krankenhausplanung der FHH , das Versorgungsgebiet der A. und der M. aufeinander abzustimmen und die chirurgische und gynäkologische/geburtshilfliche Versorgung im H. Süden neu zu ordnen. Im Krankenhausplan 2005 heißt es dazu, beide Häuser hätten im Jahre 2002 eine Allianz zur Krankenhausversorgung im H. Süden verabschiedet, deren weiteres Ziel die Zusammenführung am Standort der A. H. sei. Zunächst seien dafür die baulichen Voraussetzungen zu schaffen, weshalb eine Umsetzung nicht vor den Jahren 2008/2010 zu erwarten sei. Mit bestandskräftigem, von A. und der Rechtsvorgängerin der H. - der Kongregation ..., H. (nachfolgend: Kongregation) - erwirkten Bescheid vom 21. August 2006 stellte die FHH fest, dass "das gemeinsame Krankenhaus A. H. und KH M. mit den Betriebsteilen beider Krankenhäuser (…) weiter in den Krankenhausplan 2005 ausgenommen worden ist".

Zuvor hatten der Rechtsvorgänger der A. und die Kongregation am 23. Februar 2006 einen notariellen Übertragungsvertrag geschlossen. In diesem war vorgesehen, dass die Kongregation alle Geschäftsanteile der M. an die A. überträgt. Die Übertragung war u. a. aufschiebend bedingt durch die fusionskontrollrechtliche Freigabe des Bundeskartellamtes (§ 14 des Vertrages). Zudem wurde ein Rücktrittsrecht für die Kongregation vereinbart, falls die vertraglich vorgesehenen aufschiebenden Bedingungen nicht bis zum 31. August 2006 eingetreten sind. Weitere notarielle Vereinbarungen zwischen den Parteien wurden am 18. August 2006 über eine gesplittete Geschäftsanteilsübertragung der Kongregation mit Darlehensgewährung und Optionsvertrag getroffen, wobei auch insoweit sowohl aufschiebende bzw. auflösende Bedingungen und ein Rücktrittsrecht der Kongregation unter den gleichen Voraussetzungen wie in dem notariellen Vertrag vom 23. Februar 2006 vorgesehen waren.

Mit Schriftsatz vom 21.12.2006 meldete A. beim Bundeskartellamt ihr Vorhaben an, das KH M. durch den Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile der M. zu übernehmen. Mit Beschluss vom 6. Juni 2007 hat das Bundeskartellamt den angemeldeten Zusammenschluss nach § 36 Abs. 1 GWB untersagt, weil der Erwerb zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung führe, die A. auf dem Markt für akutstationäre Krankenhausleistungen im räumlich relevanten Markt H. inne habe. Die Voraussetzungen einer sog. Sanierungsfusion, nach der das Vorhaben freigabefähig wäre, lägen nicht vor.

Im Rahmen seiner Marktuntersuchungen hat das Bundeskartellamt die sachliche und räumliche Marktabgrenzung wie folgt vorgenommen:

Im Rahmen der sachlichen Marktabgrenzung hat das Bundeskartellamt festgestellt, dass der Markt für stationäre medizinische Dienstleistungen von dem Zusammenschlussvorhaben betroffen sei. Nicht erfasst würden demgegenüber Rehabilitationseinrichtungen, die Alten- und Pflegeheime sowie Privatkliniken, deren Leistungen nicht über die Krankenkassen abrechnungsfähig sind.

Zur Ermittlung des räumlichen Gebietes, in dem der sachlich abgegrenzte Wettbewerb im Hinblick auf den zu beurteilenden Zusammenschluss stattfinde, hat das Bundeskartellamt die Patientenherkunft von 240 Kliniken in H. und im Umland von H. ermittelt. Zu diesem Zweck hat es das Ermittlungsgebiet nach Postleitzahlengebieten aufgeteilt. Daraus hat es vier in Betracht kommende räumlich relevante Märkte abgegrenzt. Der kleinstmögliche Markt "H." (Gebiet HH1) umfasst die Gebiete H. (Postleitzahlengebiet 210.. bis 210..), W. (Postleitzahlengebiet 211.. bis 211..) und H. (Postleitzahlengebiet 211.. bis 211..). Die jeweils größer abgegrenzten Gebiete "H. plus" ("HH2"), "H. Süden" ("HH3") und H. und südliches Umland ("HH4") schließen die jeweils kleineren Abgrenzungen ein. Im Ergebnis hat das Bundeskartellamt das Gebiet "HH1" als räumlich relevanten Markt angesehen. Gleichwohl hat es auch die Angebots- und Nachfragesituation in den anderen abgegrenzten Gebieten ermittelt und bei der kartellrechtlichen Beurteilung berücksichtigt.

Das Bundeskartellamt hat angenommen, dass A. bereits vor dem Zusammenschluss eine (einzel-)marktbeherrschende Stellung auf dem räumlich relevanten Markt besitze. Dazu hat das Bundeskartellamt die Marktanteile als aussagekräftiges und bedeutendes Merkmal für eine bestehende Marktbeherrschung herangezogen. Das Bundeskartellamt vertritt die Auffassung, dass die Marktanteile der Krankenhäuser des A.-Konzerns und der FHH gemäß § 36 Abs. 2 GWB gemeinsam zu berücksichtigen seien. Das sich im räumlich relevanten Markt "HH1" befindliche Krankenhaus A. H. halte einen Marktanteil von ..%. Hinzu kommen außerhalb des räumlich relevanten Marktes liegende Häuser, die im Markt "HH1" einen Marktanteil von ..% halten, und das U. E. mit einem Marktanteil von ..%. Das Bundeskartellamt hat auf der Basis dieser Erkenntnisse ausgeführt, dass die Vermutungsschwelle einer einzelmarktbeherrschenden Stellung des § 19 GWB aufgrund des agregierten Marktanteils von 55 % deutlich überschritten werde. Auch unter Zugrundelegung der weiteren Marktabgrenzungen "HH2" bis "HH4" ergebe sich kein anderes Bild, da die Häuser des A.-Konzerns und der FHH auch in diesen Markträumen gemeinsam jeweils Marktanteile zwischen .. und .. % erzielen.

Die Krankenhäuser, die im Markt "HH1" liegen und im Wettbewerb zur A. H. stehen, kommen auf vergleichsweise deutlich geringere Marktanteile. So erzielt das KH M. einen Marktanteil von .. %, während der nächste Wettbewerber - das Krankenhaus G. S. - auf einen Marktanteil von lediglich ..% kommt. Auf den Wettbewerber Fachklinik H. entfällt im räumlichen Markt "HH1" ein Marktanteil von unter .. %.

Als einen weiteren Punkt, der die marktbeherrschende Stellung von A. und der FHH im relevanten Markt festige, hat das Bundeskartellamt die hervorgehobene Position bei der Breite und Tiefe des Versorgungsangebotes berücksichtigt. Die A. H. sei bei weitem das größte Allgemeinkrankenhaus im Umfeld. Soweit Krankenhäuser außerhalb des relevanten Marktes nennenswerte Marktanteile erzielten, seien diese ebenfalls A. zuzuordnen. Auch im Bezug auf die Stellung der A./FHH-Häuser im Bereich medizinischer Kooperationen und Patientenzuweisung zeige sich ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil. Vor allem kleinere Wettbewerbshäuser seien auf die Kooperation mit den A./FHH-Kliniken angewiesen, da sie viele Versorgungsangebote nicht eigenständig vorhalten könnten. Die Kliniken der FHH und von A. seien, so das Bundeskartellamt, somit in der Lage, die Qualität und Funktionsfähigkeit von weniger breit aufgestellten Wettbewerbern erheblich zu beeinflussen. Dazu gehöre im Besonderen auch das Krankenhaus G. S..

Der Zusammenschluss der M. mit A. führe - so das Bundeskartellamt - zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der A./FHH-Krankenhäuser. Durch den Zusammenschluss erhöhe sich der Marktanteil von A./FHH auf .. %.

Über diese Marktanteilszuwächse hinaus sieht das Bundeskartellamt die Schwächung des Krankenhauses G. S. durch den Zusammenschluss als zusätzliche Verstärkung der Marktstellung von A./FHH. Das Krankenhaus G. S. sei auf die Kooperation mit anderen Häusern oder auf Patientenzuweisungen angewiesen. Die Zuweisungen machten einen erheblichen Anteil der Gesamtpatientenzahlen der Klinik aus, darunter fast ausschließlich geriatrische Fälle von hohem wirtschaftlichem Wert. Für die wirtschaftliche Situation von G. S. sei daher bereits problematisch, dass die Zuweisungen aus den A./FHH-Kliniken in den letzten Jahren rückläufig gewesen seien. Die Zuweisungen vom KH M., dem einzigen weiteren Wettbewerber, der bisher weitgehend unabhängig von A./FHH agieren konnte, seien seit 2004 hingegen kontinuierlich gestiegen.

Auch nach Zugrundelegung der weitest möglichen Marktabgrenzung, H. und südliches Umfeld ("HH 4"), kommt es nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes zu einer Marktanteilsaddition zwischen 2,5 und 5 %. Dieser verhältnismäßig geringe Marktanteilszuwachs genüge als Verstärkungswirkung im Sinne von § 36 Abs. 1 GWB, zumal die Marktstruktur bereits aktuell durch einen hohen Marktanteil von A./FHH und eine Zersplitterung der auf die Wettbewerber entfallenden Marktanteile gekennzeichnet sei.

Gegen die Untersagungsverfügung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde von A. und FHH.

Gegen die Untersagung wendet sich die Beschwerde zunächst mit dem Argument, dass aufgrund § 69 SGB V und § 130 GWB der Bereich der Zusammenschlüsse auf dem Krankenhaussektor dem Anwendungsbereich der Fusionskontrolle entzogen sei. Die Zusammenschlussbeteiligten hätten in Vollzug einer öffentlichrechtlichen Vorgabe gehandelt, indem sie den an sie gerichteten und mittlerweile bestandskräftigen Feststellungsbescheid der H. Sozialbehörde umsetzen müssten. Wende man das Fusionskontrollrecht in diesem Fall an, so komme es zu einer unmittelbaren Kollision zwischen der Umsetzung des krankenhausplanungsrechtlichen Feststellungsbescheides einerseits und der kartellbehördlichen Untersagungsentscheidung. Die Krankenhausplanung zeige, dass es einen generellen und nicht überbrückbaren Zielkonflikt zwischen Kartellrecht und Krankenhausplanungsrecht gebe. Eine medizinisch und wirtschaftlich leistungsfähige Krankenversorgung erfordere in vielen Fällen Strukturen, die nach den Kriterien des Kartellrechts als marktbeherrschend einzustufen seien. Die Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung müsse Vorrang vor reinen Marktstrukturüberlegungen haben. Darüber hinaus könne es nicht angehen, dass bei einer bindenden Entscheidung der Krankenhausplanung das Vertrauen der Krankenhausträger darauf, dass sie ihre Disposition an den Vorgaben der Krankenhausplanung ausrichten können und sollen, nicht geschützt werde, weil deren Umsetzung an der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle scheitere.

A. rügt ferner, dass ihr die Marktanteile des U. E. zugerechnet würden. Darüber hinaus habe das Bundeskartellamt auch den räumlichen Markt unzutreffend abgegrenzt. Es müsse der weite Markt "HH 4" als Ausgangsmarkt angesehen werden, dem darüber hinaus auch noch Umlandgebiete (L. und W.) zuzurechnen seien. Aufgrund der unzutreffenden Marktabgrenzung gelange das Bundeskartellamt bei der Beurteilung der Zusammenschlusswirkungen zu falschen Ergebnissen. Die Behauptung des Bundeskartellamts, A. verfüge über eine marktbeherrschende Stellung, sei ausschließlich auf eine statische Analyse von Marktanteilen und Marktanteilsabständen ermittelt. Dieser Indikator sei allerdings ungeeignet, die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Krankenhausmarkt abzubilden. Der bestehende Qualitäts- und Innovationswettbewerb zwischen Krankenhäusern schließe unkontrollierte Verhaltensspielräume auch bei Betreibern, die über hohe Marktanteile verfügen, wirksam aus.

Das Bundeskartellamt habe ferner in fehlerhafter Weise angebliche strukturelle Wettbewerbsvorsprünge von A. herangezogen. Die angeführte Doppelstellung der FHH als Genehmigungsbehörde und Mitgesellschafterin der A. trage nicht. Die FHH sei nämlich als öffentlichrechtliche Gebietskörperschaft gemäß Artikel 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden und zur Neutralität verpflichtet. Dies schließe es aus, Planungskompetenzen zum Vorteil von Wirtschaftsunternehmen, an denen sie selbst beteiligt ist, auszuüben.

Das von A. bereitgehaltene medizinische Versorgungsangebot sei keinesfalls größer als die Versorgungsangebote anderer spezialisierter Krankenhäuser, wie etwa des M.-krankenhauses, des A.-krankenhauses oder des Unfallkrankenhauses B.. Das Bundeskartellamt habe in fehlerhafter Weise seiner Untersagungsentscheidung die Annahme zugrunde gelegt, dass A. aufgrund der Finanzkraft der an ihr beteiligten FHH einen größeren wettbewerblichen Verhaltensspielraum habe als ihre Wettbewerber. Insbesondere habe das Bundeskartellamt weder nachgewiesen, dass die FHH über Finanzkraft im Sinne eines wettbewerblichen Vorteils verfüge, noch dargelegt, dass diese Finanzkraft marktnah einsetzbar sei. Schließlich weist A. darauf hin, dass es eine enge Kooperation von A. H. und M. gebe, die dazu führe, dass schon jetzt nur ein eingeschränktes Wettbewerbsverhältnis zwischen den beiden Krankenhäusern bestehe, weshalb der geplante Zusammenschluss keine wesentliche Auswirkung auf die Marktstruktur habe.

Unabhängig von diesen Gründen seien die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB auch deshalb nicht erfüllt, weil der Zusammenschluss nicht kausal für die vom Bundeskartellamt befürchteten wettbewerbsschädlichen Folgen sei. Es lägen die Voraussetzungen einer Sanierungsfusion vor: das Krankenhaus M. befinde sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und sei ohne den Zusammenschluss nicht überlebensfähig. Zudem gebe es keine Alternative zu einer Übernahme durch das erwerbende Unternehmen, und das noch verbleibende Potential beim Ausscheiden des Krankenhauses M. werde ohnehin dem A. H. zuwachsen.

Am 11. Juli 2007 hat die Kongregation den Rücktritt vom Übertragungsvertrag vom 23. Februar 2006 erklärt. Durch Pressemitteilung vom 12. Juli 2007 wurde sodann der Verkauf des Krankenhauses M. an die H. mitgeteilt. Mit Schreiben vom 13. Juli 2007 setzte die Kongregation A. von dem Verkauf an die H. in Kenntnis und fügte die an den beurkundenden Notar gerichtete Rücktrittserklärung bei. Auch von den am 18. August 2006 geschlossenen Verträgen ist die Kongregation zurückgetreten. Das neue Zusammenschlussvorhaben zwischen M. und H. ist beim Bundeskartellamt angemeldet worden und mittlerweile fusionskontrollrechtlich freigegeben worden.

Nach der ersten mündlichen Verhandlung des Senats am 23. Januar 2008 ist am 1. August 2008 zwischen A. und H. ein notarieller Vertrag ("Anteilskauf- und Abtretungsvertrag") geschlossen worden. Mit diesem Vertrag haben sich beide Parteien darauf verständigt, dass es bei dem im anhängigen Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Zusammenschluss im Fall seiner kartellrechtlichen Unbedenklichkeit bleiben soll. Im Rahmen des gefundenen Einvernehmens sollen die Geschäftsanteile an M. auf A. unabhängig von der Frage übergehen, ob der von der Kongregation erklärte Rücktritt vom Anteilskaufvertrag vom 23. Februar 2006 rechtswirksam war oder nicht. Grundlage der Übertragung soll der zwischen A. und H. abgeschlossene Anteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 1. August 2008 sein, der eine unter der aufschiebenden Bedingung der kartellrechtlichen Freigabe stehende Abtretung der Geschäftsanteile an A. enthält.

Die Beteiligte zu 1) und die Beigeladene beantragen,

den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 6. Juni 2007 aufzuheben und den angemeldeten Zusammenschluss freizugeben.

Das Bundeskartellamt beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Es verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt dem Beschwerdevorbringen im Einzelnen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die Anlagen Bezug genommen.

II.

A.

Die Beschwerden sind zulässig.

Eine Erledigung des Beschwerdeverfahrens liegt (nicht) mehr vor, nachdem A. aufgrund des notariellen Vertrages vom 1. August 2008 die Möglichkeit erhalten hat, die streitbefangenen - und zwischenzeitlich auf H. übergegangenen - Geschäftsanteile von dieser zu erwerben, sofern und sobald die kartellrechtliche Unbedenklichkeit des Fusionsvorhabens rechtskräftig feststeht.

B.

In der Sache bleiben die Rechtsmittel aber ohne Erfolg.

Das Bundeskartellamt hat das Zusammenschlussvorhaben zu Recht gem. § 36 Abs. 1 GWB untersagt, weil zu erwarten ist, dass der von A. beabsichtigte Anteilserwerb deren marktbeherrschende Stellung auf dem regionalen Markt für Krankenhausleistungen verstärken wird. Dabei kann es für die Entscheidung des Falles auf sich beruhen, ob der räumlich relevante Markt mit dem Bundeskartellamt eng abzugrenzen und auf den Raum H. begrenzt ist, oder ob er darüber hinaus geht und das gesamte Gebiet H. Süd umfasst. Die Voraussetzungen einer Sanierungsfusion liegen entgegen der Annahme der Beschwerde nicht vor.

1.

Der Zusammenschluss von Krankenhäusern unterliegt den Vorschriften über die Fusionskontrolle gem. §§ 35 ff. GWB. Weder die sozialrechtlichen Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherungen noch die Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes schließen die Anwendbarkeit der Fusionskontrollvorschriften aus (vgl. BGH Beschl. v. 16. 1. 2008, Rn. 16 ff. - Rhön-Grabfeld; Senat, WuW/E-R 1958, 1959 ff. - Rhön-Grabfeld).

a)

§ 69 SGB V bestimmt, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden abschließend durch das Sozialrecht geregelt werden. Nach ihrem Wortlaut betrifft diese Vorschrift nicht die Rechtsbeziehung von Krankenhäusern untereinander, und auch aus systematischen Erwägungen ergibt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass diese Regelungen über ihren Wortlaut hinaus auch Zusammenschlüsse unter Krankenhäusern betreffen sollen. Auch dem Zweck des Gesetzes ist nichts dafür zu entnehmen, dass der Zusammenschluss von Krankenhäusern der kartellbehördlichen Kontrolle entzogen ist. Mit der Neuregelung des § 69 SGB V ist das Ziel verfolgt worden, die Tätigkeiten der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung ihres öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrags stehen, dem Wettbewerbs- und Kartellrecht vollständig zu entziehen. Im Hinblick auf diesen Zweck kann § 69 SGB V zwar auch die Beziehung von Leistungserbringern, zu denen die Krankenhäuser gehören, untereinander erfassen, sofern es um Handlungen in Erfüllung des öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleichs geht. Krankenhäuser, die sich zusammenschließen, erfüllen diesen Versorgungsauftrag nicht. Sie verändern nur in ihrem eigenen Interesse die Strukturen, die für die Erfüllung des öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen zur Verfügung stehen. Es kommt auch kein Ausschluss der Fusionskontrolle durch die "Drittbetroffenheitsklausel" (§ 69 Satz 5 SGB V) in Betracht. Wie der Senat unter Billigung des BGH entschieden hat, sind Krankenhäuser Leistungserbringer i.S.d. § 69 SGB V und daher nicht Dritte gem. § 69 Satz 5 SGB V. (Senat, WuW/E-R 1958, 1959 - Rhön-Grabfeld)

b)

Die Regelungen über die Fusionskontrolle werden ebenso wenig durch die Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) verdrängt. Die Regelungsbereiche der Fusionskontrolle und der Krankenhausfinanzierung sind unterschiedlich. Zweck der Krankenhausfinanzierung ist gem. § 1 Abs. 1 KHG die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser. Durch die staatliche Förderung und die wirtschaftliche Planung des Krankenhauswesens wird regulierend auf den Marktzutritt, die Marktbedingungen und die Marktentfaltung von Krankenhäusern Einfluss genommen. Die Auswirkungen einer Fusion von Krankenhäusern auf die Marktstruktur werden im Rahmen der Krankenhausfinanzierung und -planung demgegenüber nicht überprüft. Ein infolge einer Fusion bei einem in den Krankenhausplan aufgenommenen Krankenhaus eingetretenen Trägerwechsel wird von der zuständigen Landesbehörde nur in krankenhaus- und förderungsrechtlicher Hinsicht berücksichtigt. Für diese Prüfung ist die Marktstellung, die sich für beteiligte Krankenhäuser nach der Fusion ergibt, ohne Bedeutung, sodass die Fusionskontrolle weiterhin einen eigenständigen Anwendungsbereich behält (BGH, a.a.O, Rn. 20 - Rhön-Grabfeld).

Ohne Erfolg verweist die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf den bestandskräftigen Feststellungsbescheid der FHH vom 21. August 2006, durch den das gemeinsame Krankenhaus A. H. und M. in den Krankenhausplan aufgenommen worden ist. Die Argumentation der Beschwerde, dass die Fusionskontrolle hinter der krankenhausplanenden Entscheidung zur Zusammenlegung der beiden Krankenhäuser A. H. und KH M. zurücktreten müsse, weil andernfalls in die Kompetenz der FHH zur hoheitlichen Krankenhausplanung eingegriffen werde, wäre nur dann stichhaltig, wenn durch den Feststellungsbescheid verbindlich die Verpflichtung der beiden Krankenhausträger zur Fusion ausgesprochen worden wäre. Nur dann läge nämlich eine vom Wettbewerbsrecht hinzunehmende Rechtslage vor, die es erforderlich machen kann, den streitbefangenen Anteilserwerb von der kartellbehördlichen Zusammenschlusskontrolle auszunehmen (vgl. Senat, Beschl. v. 17.9.2008 - VI-Kart 19/07 (V) Umdruck Seite 9 ff. m.w.N.). Dies ist indes gerade nicht der Fall. Der Feststellungsbescheid vom 21. August 2006 begründet keine Pflicht zur Fusion. Er führt lediglich dazu, dass in dem Krankenhausplan nur das gemeinsame Krankenhaus A. H./KH M. aufgenommen wird. Die rechtlichen Folgen, die sich daraus ergeben, bestehen u. a. darin, dass nur das gemeinsame Krankenhaus Anspruch auf öffentliche Fördergelder (§ 8 Abs. 1 KHG) hat und zur Krankenhausversorgung und Behandlung von gesetzlich Versicherten zugelassen ist (§ 108 Nr. 2 SGB V) sowie ferner Ansprüche auf Entgelt nur im Rahmen des Versorgungsauftrages bestehen, wie er im Rahmen der Krankenhausplanung festgelegt wird. Diese Konsequenzen des KHG mögen rein tatsächlich einen Anreiz für die streitbefangene Krankenhaus-Fusion darstellen; rechtlich wird indes eine Pflicht zur Fusion hierdurch nicht begründet. Deutlich wird dies nicht zuletzt in der Tatsache, dass Gegenstand und Ziel der Krankenhausplanung die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und nicht die Beurteilung und Abschätzung der wettbewerblichen Folgen einer Krankenhausfusion ist. Krankenhausplanung und Fusionskontrolle dienen damit unterschiedlichen Zwecken (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 20 - Rhön-Grabfeld), sodass die Krankenhausplanung eine rechtlich bindende Aussage nur in Bezug auf die planerischen Merkmale der Tätigkeit und der Finanzierung von Krankenhäusern treffen kann und die Feststellungen der Fusionskontrolle, ob ein bestimmter Markt, auf dem Krankenhäuser tätig sind, durch einen Zusammenschluss strukturell beeinträchtigt werden kann, einer davon unabhängigen Prüfung durch das Bundeskartellamt überlassen bleiben. Die Krankenhausplanung disponiert im Übrigen nicht über Bestehen und Trägerschaft der Krankenhäuser, sodass die Untersagung eines Trägerwechsels auch nicht in hoheitliche Befugnisse eingreift. Die Regeln der Fusionskontrolle stellen vielmehr eine rechtliche Vorgabe dar, die Einfluss auf die Durchsetzbarkeit planerischer Ziele nehmen können. So gesehen steht die Umsetzung der krankenhausplanerischen Entscheidungen unter dem Vorbehalt ihrer kartellrechtlichen Unbedenklichkeit.

c)

Die Vorschriften der Zusammenschlusskontrolle können - anders als die Beschwerde reklamiert - auch nicht mit dem Argument unangewendet bleiben, dass die Untersagung einer Krankenhausfusion im Einzelfall den Zielen der Gesundheitspolitik zuwider laufen kann. Das hat bereits der Bundesgerichtshof (a.a.O. Rn. 43 ff. - Rhön-Grabfeld) entschieden und zur Begründung ausgeführt, dass es schon an einem Zielkonflikt zwischen Kartellrecht und Gesundheitspolitik fehle, weil die kartellbehördliche Zusammenschlusskontrolle dem Erhalt des Leistungswettbewerbs diene und der von der Gesundheitspolitik verfolgte Rationalisierungsdruck dasselbe Ziel verfolge. Ebenso wenig zwingt - so führt der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang weiter aus - die gesundheitspolitisch geförderte Bildung von Leistungsverbünden benachbarter Krankenhäusern (sog. Cluster) zur Fusion, weil eine Clusterbildung auch durch Kooperationen mehrerer Krankenhäuser erreicht werden könne und die Bildung regionaler Cluster nicht zwangsläufig die Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Positionen nach sich ziehen müsse. Schließlich - so betont der Bundesgerichtshof - habe der Gesetzgeber eine kartellrechtliche Bereichsausnahme für Krankenhausfusionen nicht vorgesehen. Die Regelungen des Sozialrechts einerseits und des Kartellrechts andererseits stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander und sind mit ihren jeweiligen Regelungsmaterien beide Bestandteil der geltenden Rechtsordnung (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 45 - Rhön-Grabfeld).

Bei dieser rechtlichen Ausgangslage kann sich im Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 GWB allein die Frage stellen, ob eine Krankenhausfusion im Einzelfall deshalb kartellbehördlich nicht untersagt werden darf, weil der mit ihr verbundene regionale Konzentrationsprozess die notwendige und gewollte Folge der Gesundheitsreformgesetze ist (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 45 - Rhön-Grabfeld). In diesem Fall liegt eine strukturelle Wettbewerbsbedingung des relevanten Marktes vor, die bei der kartellrechtlichen Prüfung der Fusion zu berücksichtigen ist und dazu führen kann, dass es entweder an einer untersagungsrelevanten Marktstrukturverschlechterung fehlt, weil der Zusammenschluss und die mit ihm verbundenen wettbewerblichen Wirkungen (bundes-)gesetzlich gefordert werden und sie damit letztlich nicht auf einem unternehmerischen Verhalten beruhen, oder die das Ergebnis haben, dass der Zusammenschluss auch zu Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen auf einem anderen Markt führt, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (§ 36 Abs. 1 2. Halbsatz GWB). Im Streitfall liegt keiner dieser beiden Ausnahmetatbestände, in denen die Gesetzgebung des Bundes im Gesundheitsbereich kartellrechtliche Relevanz erlangen kann, vor. Es ist weder vorgetragen noch sonst zu erkennen, dass die streitbefangene Krankenhausfusion eine notwendige und gewollte Folge der Gesundheitsreformgesetze und damit bundesgesetzlich gefordert ist. Ob die Bestimmungen des Landes H. dahingehende Regelungen enthalten, kann dahin stehen, weil ein solches Landesrecht gemäß Art. 31 GG in jedem Fall hinter dem bundesdeutschen Kartellrecht zurücktreten müsste.

d)

Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollvorschriften scheitert schließlich nicht deshalb, weil diese nur für Märkte vorgesehen sind, die Wettbewerbskräften unterworfen sind. Krankenhäuser bieten stationäre Behandlungen sowohl für gesetzlich versicherte Patienten wie auch für Privatpatienten auf einem Markt im Sinne der deutschen Fusionskontrolle an. Denn auch bei gesetzlich Versicherten wird die stationäre Krankenhausbehandlung aufgrund eines entgeltlichen Leistungsaustauschs gewährt, bei dem Angebot und Nachfrage durch einen privatrechtlichen Vertrag zusammengeführt werden. Ein der Fusionskontrolle zugänglicher Markt fehlt nicht deshalb, weil der entgeltliche Leistungsaustausch bei der Krankenhausbehandlung von Kassenpatienten aufgrund einer abschließend sozialrechtlich geregelten Nachfrage erfolgen würde. Fusionsrechtlich maßgebliche Marktgegenseite für das Angebot von Krankenhausleistungen sind auch im Anwendungsbereich des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung die Patienten und nicht die Krankenkassen. Ein gesetzlich versicherter Patient, der stationärer Behandlung bedarf, wählt als Marktteilnehmer das Krankenhaus autonom unter den nach § 108 SGB V zur Behandlung von Kassenpatienten zugelassenen Krankenhäusern aus. Auch wenn diese Wahlfreiheit durch einen gesetzlichen Kostenanreiz eingeschränkt wird, bleibt die grundsätzliche Wahlfreiheit des Patienten bestehen. Es ist für die fusionsrechtliche Nachfragerstellung der gesetzlich versicherten Patienten unerheblich, dass die Kosten ihrer Behandlung grundsätzlich ummittelbar von den Krankenkassen getragen werden. Maßgeblich (und ausreichend) ist alleine, dass die Leistungsempfänger eine autonome Auswahlentscheidung unter mehreren konkurrierenden Leistungserbringern treffen, die wettbewerbliche Handlungsspielräume haben, die im Bereich der staatlichen Krankenhausbehandlung vornehmlich den Qualitätswettbewerb betreffen (BGH, a.a.O., Rn. 37 ff. - Rhön-Grabfeld; Senat, WuW/E-R 1958, 1960 - Rhön-Grabfeld). Wettbewerbsstrukturen sind dort nicht weniger schutzwürdig als im Regelfall, in dem der Nachfrager, der eine Ware oder Dienstleistung auswählt, sie auch bezahlen muss. Dementsprechend geht auch die Praxis der europäischen Kommission davon aus, dass Krankenhausdienstleistungen in Deutschland auf einem fusionsrechtlich relevanten Markt angeboten werden (Kommissionsentscheidung vom 8.12.2005, COMP/M. 4010 Tz.8 ff. - Fresenius/Helios).

2)

Das Bundeskartellamt hat zu Recht angenommen, dass der Zusammenschluss der A. H. und des KH M. die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB erfüllt.

a)

Das Bundeskartellamt hat den sachlich relevanten Markt zutreffend abgegrenzt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH a.a.O, Rn. 57 ff. - Rhön-Grabfeld) kann in sachlicher Hinsicht auf dem Krankenhausmarkt grundsätzlich ein einheitlicher Markt für akut stationäre Krankenhausbehandlung abgegrenzt werden. Eine weitere Unterteilung nach medizinischen Fachabteilungen ist jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in denen das Zielobjekt der Fusion ein Allgemeinkrankenhaus mit dafür typischen Fachabteilungen der Chirurgie, der Gynäkologie und Geburtshilfe sowie der Inneren Medizin ist, nicht nötig. In Fortführung der Rechtsprechung zum Sortimentsgedanken hat der Bundesgerichtshof (BGH a.a.O, Rn. 57 ff. - Rhön-Grabfeld) entschieden, dass auch das übliche Sortiment akut stationärer Behandlungsleistungen eine "bestimmte Art von gewerblichen Leistungen" i.S.d. § 19 Abs. 2 GWB darstellt. Dieses "Sortiment" an allgemeinen Krankenhausleistungen entspricht der typischen abstrakten Verbrauchererwartung, also den Vorstellungen, die der Verbraucher unabhängig von einem konkreten Behandlungsbedarf mit dem Leistungsangebot eines Allgemeinkrankenhauses verbindet. Es ist auch im Entscheidungsfall maßgeblich. Zwischen den Verfahrensbeteiligten steht außer Streit, dass zwischen den Fachabteilungen der beiden fusionsbetroffenen Krankenhäuser A. H. und KH M. wettbewerblich erhebliche Überschneidungen bestehen, weil auch das A. H. als ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung über Fachabteilungen in den Bereichen der Chirurgie, der Gynäkologie und Geburtshilfe sowie der Inneren Medizin verfügt. Fusionsbetroffen ist deshalb der Wettbewerb der beiden Krankenhäuser auf dem Markt für eine akut stationäre Krankenhausbehandlung.

b)

Das Bundeskartellamt hat im Ansatzpunkt auch den räumlich relevanten Markt zutreffend unter Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts abgegrenzt.

Nach dem Bedarfsmarktkonzept ist für die Zusammenschlusskontrolle derjenige Angebotsmarkt räumlich relevant, auf den sich das Zusammenschlussvorhaben auswirkt. Dieser Markt umfasst alle Nachfrager, die nach den tatsächlichen Verhältnissen des konkreten Falles als Abnehmer für das Angebot der zusammenschlussbeteiligten Unternehmen in Betracht kommen und deren wettbewerbliche Handlungsmöglichkeiten durch den Zusammenschluss betroffen oder beschränkt werden können. Akut stationäre Krankenhausbehandlungen werden typischerweise nah vom Wohnort angeboten, um die Bevölkerung entsprechend der staatlichen Krankenhausplanung bedarfsgerecht zu versorgen. Geht es um die kartellrechtliche Beurteilung einer Krankenhausfusion, ist entscheidend auf das tatsächliche Nachfrageverhalten der Patienten abzustellen. Das entspricht der vom Bundesgerichtshof gebilligten Rechtsprechung des Senats und trägt dem Umstand Rechnung, dass das Nachfrageverhalten zuverlässiger durch das feststellbare Verhalten der Patienten in der Vergangenheit abgebildet wird als durch eine Befragung gesunder Personen, welches Krankenhaus sie im Falle einer Erkrankung aufsuchen würden (BGH a.a.O, Rn. 65 ff. - Rhön-Grabfeld; Senat, WuW/E-R 1958, 1961 - Rhön-Grabfeld).

Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt ist auch das Bundeskartellamt ausgegangen. Zur Ermittlung des räumlichen Gebietes, in dem der sachlich abgegrenzte Wettbewerb im Hinblick auf den zu beurteilenden Zusammenschluss stattfindet, hat es die Patientenherkunft von insgesamt 240 Kliniken in H. und im H. Umland ermittelt und untersucht, wie viele Patienten aus den einzelnen Postleitzahlbezirken die einzelnen Krankenhäuser zur Behandlung aufgesucht haben. Daneben ist angebotsseitig untersucht worden, aus welchen Gebieten die Patienten der einzelnen Krankenhäuser stammen. Das Bundeskartellamt ist dabei im Hinblick auf die vier räumlich in Betracht kommenden Märkte zu dem Ergebnis gelangt, dass im Gebiet "HH1" eine Eigenversorgungsquote von 70%, im Raum "HH2" eine Eigenversorgungsquote von 60%, im Raum "HH3" eine Eigenversorgungsquote von 65% und im Raum "HH4" eine Eigenversorgungsquote von 90% besteht. Eigenversorgungsquote bezeichnet dabei den Anteil derjenigen Patienten, die in dem betreffenden Gebiet (z.B. "HH1") wohnen und zur Behandlung ein in jenem Gebiet ansässiges Krankenhaus aufgesucht haben. Legt man die genannten Quoten zugrunde, so steht außer Frage, dass der Raum "HH4" mit einer Eigenversorgung von 90 % der in räumlicher Hinsicht größtmögliche Markt ist. Denn mit einem gemeinsamen Marktanteil von lediglich 10 % stellen die außerhalb dieses Marktraums gelegen Krankenhäuser aus Sicht der nachfragenden Patienten keine wettbewerbsrelevante Leistungsalternative dar. Ob der räumliche Markt - wie vom Amt angenommen - enger abzugrenzen und auf das Gebiet "HH1" zu beschränken ist, ist angesichts der nah beieinander liegenden Eigenversorgungsquoten in den Räumen "HH1", "HH2" und "HH3" fraglich. Die geringen Abweichungen in der Eigenversorgungsquote könnten auf hinreichend homogene Wettbewerbsbedingungen schließen lassen, die es rechtfertigen, die drei Gebiete zu einem einzigen Marktraum zusammenzufassen. Letztlich braucht dieser Frage allerdings nicht weiter nachgegangen zu werden. Selbst wenn man - insoweit zugunsten der Beschwerde - das Gebiet "HH4" als den räumlich relevanten Markt zugrunde legt, liegen die Untersagungsvoraussetzungen vor.

Nicht zu jenem räumlichen Markt "HH4" gehören die Regionen L. und W.. Die in den Postleitzahlengebieten W. und L. gelegenen Krankenhäuser erzielen nach den vom Bundeskartellamt festgestellten Patientenströmen im Markt "HH 4" lediglich unbedeutende Marktanteile von jeweils unter 1 %. Diese Krankenhäuser stellen folglich für die Patienten aus dem Raum "HH4" keine ernsthaft in Betracht kommende Ausweichalternative zu den im Gebiet "HH4" gelegenen Krankenhäusern dar. Umgekehrt erreichen die Krankenhäuser aus dem Markt "HH 4" zwar in L. rund 12,5% Marktanteil und in W. rund 20% Marktanteil. Insoweit handelt es sich allerdings um rein einseitige Patientenbewegungen in das Gebiet "HH 4" hinein, die es aus diesem Grund nicht rechtfertigen, den Marktraum "HH4" um die Regionen L. und W. zu einem einheitlichen Markt zu erweitern.

3)

Das Bundeskartellamt hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass A. bereits vor dem Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten Markt besitzt und der beabsichtigte Zusammenschluss mit M. diese Position verstärken würde, ohne dass die Nachteile der Fusion durch eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen auf einem anderen Markt überwogen werden (§ 36 Abs. 1 GWB).

a)

A. verfügt auf dem Angebotsmarkt für eine akut stationäre Krankenhausbehandlung im Raum "HH4" bereits vor dem Zusammenschluss über den mit Abstand höchsten Marktanteil.

aa.

Zutreffend hat das Bundeskartellamt bei der Marktanteilsberechnung die Krankenhäuser des A.-Konzerns und der FHH gemäß § 36 Abs. 2 GWB addiert. Nach Satz 1 der genannten Vorschrift sind dann, wenn ein am Zusammenschluss beteiligtes Unternehmen ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen im Sinne von § 17 AktG ist, die so verbundenen Unternehmen als einheitliches Unternehmen anzusehen. § 36 Abs. 2 Satz 2 GWB ordnet in diesem Zusammenhang ergänzend an, dass jedes Unternehmen als herrschendes gilt, sofern mehrere Unternehmen gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben. Im Entscheidungsfall liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 GWB im Hinblick darauf vor, dass A. von der Mehrheitsgesellschafterin A. L. Beteiligungsgesellschaft mbH und - vermittelt über die H. V. AöR als Minderheitsgesellschafterin - von der FHH gemeinsam beherrscht werden.

(1)

Die FHH gilt - obschon sie eine öffentlichrechtliche Gebietskörperschaft ist - als Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne. Das folgt aus § 36 Abs. 3 GWB. Danach wird unwiderlegbar (vgl. Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 36 Rn. 46; Bauer in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 2 GWB., § 36 Rn. 199; Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB, 4. Aufl., § 36 Rn. 33) die Unternehmenseigenschaft vermutet, wenn einer Person oder Personenvereinigung, die an sich kein Unternehmen ist, die Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen zusteht. Das ist vorliegend der Fall, weil die FHH beispielsweise die alleinige Trägerin des U. E. ist.

(2)

Die FHH hat gemäß § 17 Abs. 1 AktG die Möglichkeit, beherrschenden Einfluss auf A. auszuüben.

Das Merkmal des beherrschenden Einflusses wird im AktG nicht näher definiert. Es besteht indes in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit, dass ein Unternehmen dann über einen beherrschenden Einfluss verfügt, wenn es die Geschäfts- und Unternehmenspolitik des anderen Unternehmens beeinflussen kann (vgl. Senat, Beschl. v. 7.5.2008 - VI-Kart 1/07(V) Umdruck Seite 10; Bechtold, a.a.O., § 36 Rn. 38; Bauer in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, a.a.O., § 36 Rn. 188; Mestmäcker/Veelken in Immenga/ Mestmäcker, a.a.O., § 36 Rn. 51). Es genügt, wenn ein allgemeiner Einfluss auf die Geschäfts- und Personalpolitik möglich ist (BGH, WuW/E BGH 2882, 2886 f. - Zurechnungsklausel; KG WuW/E OLG 1993, 1994 - organische Pigmente). Hierzu zählen insbesondere die Entscheidung über Investitionen, Produktion und Vertrieb (KG WuW/E OLG 4075, 4077 - Springer-Kieler Zeitung). Die Beherrschung muss dabei gesellschaftsrechtlich bedingt oder vermittelt sein; eine hiervon unabhängige Einflussmöglichkeit reicht nicht aus (BGH WuW/E BGH 2882, 2886 f. - Zurechnungsklausel). Das wichtigste Mittel der Beherrschung sind Stimmrechte (Koppensteiner in Kölner Kommentar zum Aktienrecht, 2. Aufl., Bd. 1, §§ 1-75 AktG, § 17 Rn. 34; Bayer in MünchKomm, § 17 Rn. 34). Ausreichend ist die Möglichkeit, ein Übergewicht der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen. Eine solche Personalentscheidungsgewalt sichert im Regelfall beherrschenden Einfluss, weil eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sich die bestellten Mitglieder einflusskonform verhalten werden (Bayer in MünchKomm, a.a.O., § 17 Rn. 27; Bauer in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, a.a.O., § 36 Rn. 18). Auch Vetorechte, die einem Minderheitsgesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag in Bezug auf strategische Unternehmensentscheidungen eingeräumt werden, können einen beherrschenden Einfluss vermitteln (vgl. zu Allem: Senat, a.a.O. Umdruck Seite 10; Bechtold, a.a.O., § 36 Rn. 38; Bauer in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, a.a.O., § 36 Rn. 18).

Ausgehend von diesen Voraussetzungen hat die FHH aufgrund des Gesellschaftervertrages der L. H. die Möglichkeit, (mit-)beherrschenden Einfluss auf die Geschäfts- und Personalpolitik von A. auszuüben, weil strategisch wichtige Entscheidungen, die den wettbewerblichen Verhaltensspielraum und das Wettbewerbsverhalten des Unternehmens bestimmen, der Zustimmung der FHH bedürfen. Nach dem Gesellschaftsvertrag von A. unterliegen die Verabschiedung des Investitionsplans, des Liquiditätsplans und des Bauzeitenplans ebenso der Zustimmung der FHH wie die Entlastung der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats, die Feststellung des Jahresabschlusses, die Entschließung über die Gewinnverwendung sowie der Abschluss und die Änderung von Anstellungsverträgen mit ärztlichen Mitarbeitern, die ein hohes jährliches Grundgehalt beziehen. Damit können wichtige wettbewerbsrelevante Entscheidungen nicht gegen die Stimmen der FHH getroffen werden. Jene bestimmt deshalb im Ergebnis maßgeblich über den Wirtschaftsplan und darüber, ob und welche Mitarbeiter des Klinikums über Tarif bezahlt werden. Gerade diese Bereiche sind für die Geschäfts- und Personalpolitik des Klinikums und damit für seine Stellung im Wettbewerb mit anderen Krankenhäusern entscheidend. Der Wirtschafts- und Stellenplan ist das Planungsinstrument des Klinikums. Er verhält sich über alle geplanten Aufwendungen und Erträge (Erfolgsplan) und über die geplanten Investitionen (Finanzplan). Der Stellenplan entscheidet darüber, wie viele Stellen geschaffen oder abgebaut werden sollen. Die Frage einer Vergütung ärztlicher Mitarbeiter mit hohem Grundgehalt stellt sich vornehmlich bei Vertragsabschlüssen mit leitenden Ärzten. Gerade diese sind für den Ruf eines Krankenhauses und die Qualität der angebotenen Leistungen, mithin für die Stellung im (Qualitäts-)Wettbewerb, von besonderer Bedeutung.

bb.

Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes (vgl. Tabelle unter Rn. 154 der angefochtenen Verfügung) hält A. im Marktraum "HH4" unter Einbeziehung der FHH zuzurechnenden Krankenhäuser einen Marktanteil von insgesamt .. % mit einem Marktanteilsabstand von .. % zum nächstgrößten Wettbewerber, dem Katholischen M.-krankenhaus. Auf die übrigen im Marktraum "HH4" tätigen Krankenhäuser fallen Marktanteile von jeweils maximal .. %. Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand der Beschwerde, das U. E. nehme nicht an der allgemeinen Patientenversorgung teil und könne daher nicht berücksichtigt werden, greift nicht durch. Nach § 2 Abs. 1 UKE-Gesetz nimmt das U. E. nämlich Aufgaben der Krankenversorgung in der Region wahr. Das UKE erbringt als Maximalversorger in erheblichem Umfang auch Krankenhausleistungen wahr, die von Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung. Bereits der - die Vermutungsgrenze von einem Drittel (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 1 GWB) weit übersteigende - Marktanteil von .. % und der damit zugleich einhergehende enorme Marktanteilsabstand zu den Wettbewerbern legen eine marktbeherrschende Stellung von A. nahe.

Zu Unrecht bezweifelt die Beschwerde die Aussagekraft des Marktanteils für die Marktstellung eines Krankenhausbetreibers. Es trifft nicht zu, dass auf dem Krankenhausmarkt aufgrund seiner Besonderheiten kein notwendiger Wirkungszusammenhang zwischen hohen Marktanteilen auf der einen Seite und wettbewerbsbeschränkendem Verhalten auf der anderen Seite existiert. Zwar ist der Preiswettbewerb auf dem Krankenhausmarkt weitgehend aufgehoben; wirksamer Wettbewerb findet aber über die Qualität der Krankenhausversorgung statt. Dabei mag es zutreffen, dass die Qualität in der medizinischen Behandlung auch von einem marktbeherrschenden Krankenhaus ohne nachteilige Folge für seine Marktposition nicht unbegrenzt verschlechtert werden kann. Andererseits bestehen aber zahlreiche Qualitätsparameter, bei denen sich die Marktmacht auf den Qualitätswettbewerb auswirken kann. Dazu gehört beispielsweise die menschliche Qualifikation der Ärzte und des Pflegepersonals, die Organisation und Optimierung der Behandlungsabläufe einschließlich der Abstimmungen zwischen den verschiedenen Abteilungen, die Unterbringung der Patienten (Ausstattung und Sauberkeit der Räume) und ihre Verpflegung (so auch die Monopolkommission, Sondergutachten gem. § 42 Abs. 4 S. 2 GWB zum Zusammenschlussvorhaben der A. K. H. GmbH mit der K. M. gGmbH, 2008, Rn. 71).

b)

Bestätigt wird der Befund einer marktbeherrschenden Stellung von A. durch die Tatsache, dass die von diesem Unternehmen (einschließlich FHH) betriebenen Krankenhäuser die mit Abstand größte Versorgungsbreite und Versorgungstiefe aufweisen. Mit Recht hat das Bundeskartellamt in diesem Kontext darauf hingewiesen, dass das U. E., die A. H., und die A.-Krankenhäuser St. G. und A. zu denjenigen Krankenhäusern mit den höchsten Planbettenzahlen und den meisten Fachabteilungen gehören. Bei dem U. E. und dem Krankenhaus St. G. handelt es sich jeweils um Krankenhäuser der Maximalversorgung, bei den anderen genannten Häusern um solche der Schwerpunktversorgung. In der Gesamtschau ihrer verschiedenen Schwerpunktgebiete decken die A. zuzurechnenden Krankenhäuser praktisch den gesamten Bereich der medizinischen Versorgung ab und bieten dem Patienten ein umfassendes Versorgungsangebot. Dem haben die Wettbewerber Vergleichbares nicht entgegen zu setzen. Das insoweit größte Versorgungsspektrum bietet das Katholische M.-krankenhaus mit lediglich 6 Fachabteilungen. Alle anderen Wettbewerber sind demgegenüber Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung und weisen eine deutlich geringere Angebotsbreite und Spezialisierungstiefe auf. Wegen der weiteren Einzelheiten des medizinischen Angebots der betreffenden Häuser wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen Feststellungen des Amtes in den Randnummern 162 bis 166 der angefochtenen Verfügung Bezug genommen.

Darauf, dass auch nach der Fusion eine hinlänglich große Zahl von Wettbewerbern am Markt verbleiben, kommt es - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht an. Eine marktbeherrschende Stellung setzt nicht voraus, dass Wettbewerber dem Marktbeherrscher überhaupt kein Potenzial entgegen zu setzen hätten. Entscheidend ist alleine, ob und dass der wettbewerbliche Verhaltensspielraum von den Konkurrenten noch wirksam kontrolliert werden kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Kein einziges Wettbewerbs-Krankenhaus verfügt über eine Marktposition, um A. im Marktraum "HH4" mit Aussicht auf Erfolg angreifen oder zumindest seinen Verhaltensspielraum im Wettbewerb wirksam begrenzen zu können.

c)

Ohne dass es für die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung von A. hierauf noch ankommt, nimmt das Unternehmen auch bei der Finanzkraft eine führende Position ein. Dies hat das Bundeskartellamt in dem angefochtenen Beschluss (dort Randnummer 167 ff., 169 der angefochtenen Verfügung zutreffend festgestellt. Auf die entsprechenden Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Soweit sie die Wettbewerbs-Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft befinden, hat das Amt mit Recht darauf abgestellt, dass es insoweit an einer vergleichbaren gezielten unternehmensstrategischen Ausrichtung auf den sachlich betroffenen Krankenhausmarkt fehlt.

d)

Hinzu tritt als Marktstrukturkriterium schließlich die Doppelstellung der FHH als Anteilseignerin von A. und als Krankenhausplanungsbehörde. Auch wenn die FHH als Krankenhausplanungsbehörde gesetzlich zu einem rechtmäßigen Verhalten und zur Neutralität verpflichtet ist, können aus der Doppelstellung Verhaltensspielräume eröffnet sein, die es ermöglichen, auch unter Beachtung von Recht und Gesetz im Einzelfall eine Planungsentscheidung zugunsten von A. zu treffen.

e)

Zu Recht hat das Bundeskartellamt angenommen, dass der Zusammenschluss zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von A. führen würde.

aa.

Es steht außer Streit, dass sich der auf A. entfallende Marktanteil im Marktraum "HH4" fusionsbedingt um 2,5 bis 5 % erhöht. Bereits dieser - verhältnismäßig geringe - Marktanteilszuwachs erfüllt die Untersagungsvoraussetzung der Verstärkungswirkungen. Denn er führt zu einer weiteren Verdichtung des ohnehin hoch konzentrierten Marktes und hat zur Folge, dass der Marktanteil von A., die bereits vor der Fusion mit weitem Abstand größten Anbieter ist, wettbewerbsschädlich erhöht wird (vgl. BGH WRP 2005, 352, 353 - Deutsche Post/transoflex).

bb.

Darüber hinaus lässt der Zusammenschluss eine weitere Schwächung des Wettbewerbs-Krankenhauses G. S. befürchten. Für jenes Krankenhaus sind die Patientenzuweisungen aus den umliegenden Krankenhäusern eine wichtige Einnahmequelle. Die Zuweisungen machen für das Krankenhaus nicht nur einen beträchtlichen zweistelligen Anteil seiner jährlichen Gesamtfallzahlen aus, sondern betrafen in der Vergangenheit außerdem überwiegend geriatrische Fälle mit einem hohen Vergütungswert. Die Zuweisungen aus M., die bislang einen nennenswerten einstelligen Prozentsatz der Fallzahlen von G. S. ausmachten, bezogen sich ausschließlich auf solche vergütungsträchtigen geriatrischen Fälle. Aufgrund der Fusion würde A. die Möglichkeit erhalten, die Zuweisungen an G. S. einzustellen oder zumindest spürbar zu reduzieren mit der Folge, dass dieser Wettbewerber geschwächt und die eigene Marktposition gefestigt oder sogar ausgebaut werden kann.

f)

Die Kausalität des Zusammenschlussvorhabens für die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung ist gegeben. Sie wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass bereits jetzt ein enges Kooperationsverhältnis zwischen dem A. H. und dem KH M. besteht. Zum einen führt der Zusammenschluss über die bisherige Kooperation hinaus zu einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung beider Häuser. Zum anderen beendet die Fusion das - ungeachtet der Zusammenarbeit - aktuell bestehende Wettbewerbsverhältnis zwischen dem A. H. und dem KH M., das nicht zuletzt dadurch gestärkt wird, dass bestimmte Leistungen des einen Krankenhauses durch die Kooperation mit dem anderen Krankenhaus erbracht werden können.

g)

Zutreffend hat das Bundeskartellamt festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Sanierungsfusion nicht vorliegen. Das gilt schon deshalb, weil die streitbefangenen Geschäftsanteile mittlerweile von Helios erworben worden sind, weshalb schon nicht die Feststellung getroffen werden kann, dass es keine Alternative zu der in Rede stehenden Fusion, nämlich dem Anteilserwerb durch A., gibt. (vgl. Mestmäcker/Veelken, in Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 36, Rdnr. 329).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB. Die beschwerdeführenden Parteien haben, weil sie im Verfahren unterlegen sind, die Gerichtskosten der Beschwerdeinstanz zu tragen sowie dem Bundeskartellamt die ihm entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 74 Abs. 2 GWB besteht kein Anlass, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens war gem. § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 39 GKG auf 3.050.416,00 € festzusetzen. Nach der Rechtsprechung des Senats entspricht der nach freiem Ermessen zu schätzende Wert einer Beschwerde, mit welcher die von der Kartellbehörde untersagte Fusion weiterverfolgt wird, grundsätzlich dem vollem Kaufpreis der zu erwerbenden Anteile.

Kühnen Prof. Dr. Ehricke Ausetz

Rechtsmittelbelehrung:

Die Entscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 08.10.2008
Az: VI-Kart 10/07 (V)


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/31a85416e0f3/OLG-Duesseldorf_Beschluss_vom_8-Oktober-2008_Az_VI-Kart-10-07-V




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