Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juli 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 267/01
(BPatG: Beschluss v. 25.07.2002, Az.: 25 W (pat) 267/01)
Tenor
1) Dem Anmelder wird Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gewährt.
2) Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. September 2000 und vom 10. September 2001 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Bezeichnung Textmakerist am 31. Mai 1999 für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 42 und 38 ua "Elektrische Apparate und Instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten)...; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel)...; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Telekommunikation" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach Beanstandung in zwei Beschlüssen, von denen ein Beschluss im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen bestehender Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG zurückgewiesen, da die angemeldete Bezeichnung. unmittelbar in personenbezogener Weise die Art der hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen beschreibe, freihaltungsbedürftig und ohne Unterscheidungskraft sei. Die aus den beiden geläufigen Wortelementen "Text" und "maker" zusammengesetzte Bezeichnung "Textmaker" bilde im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen eine fachterminologischwerbeübliche Wortzusammensetzung, deren Gesamtsachaussage "Texthersteller" sich ohne weiteres erschließe. Auf dem hier vorliegenden Waren- und Dienstleistungssektor sei es auch terminologieüblich, personenbezogene Begriffe sachbezogen, insbesondere zur hard- und softwaretechnischen Bezeichnung zu verwenden (zB Manager, Treiber, Interpreter, Server, Controller, Editor, Übersetzer, Browser, Explorer usw). So würden auch ursprünglich personenbezogene Bezeichnungen wie "Multitester", "Spannungsprüfer", "Eierkocher", "Lautsprecher" usw längst warenbezogen bzw gerätebeschreibend verwendet. Auch vorliegend räume das dem schutzunfähigen Grundwort "maker" vorangestellte Bestimmungswort "Text" nicht die beschreibende Qualifikation der in "maker" enthaltenen Sachaussage aus, sondern präzisiere nur den Anwendungsbereich der maßgeblichen Waren und Dienstleistungen, nämlich die Texterstellung.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, der in der Sache keinen Antrag gestellt und keine Ausführungen gemacht hat. Der Verfahrensbevollmächtigte des Anmelders hat die Beschwerdegebühr erst am 23. Oktober 2001 und damit nach Ablauf der am 22. Oktober 2001 endenden Monatsfrist ab Zustellung des angefochtenen Erinnerungsbeschlusses eingezahlt (§ 66 Abs 5 Satz 2 iVm Abs 2 MarkenG). Er hat auf den ihm am 10. Dezember 2001 zugestellten Hinweis des Gerichts mit Telefax vom 19. Dezember 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und gleichzeitig eine eidesstattliche Versicherung der Frau B... zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens vorgelegt. Der An- meldevertreter hat ausgeführt, dass die seit sechs Jahren in der Kanzlei tätige Rechtsanwaltsfachangestellte Frau B..., die ihre Aufgaben stets sorgfäl- tig und fehlerfrei erledigt habe, aufgrund eines einmaligen Versehens entgegen der ausdrücklichen Weisung statt einer Blitzüberweisung irrtümlicherweise nur eine eilige Überweisung veranlasst habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze des Anmeldevertreters und die weiteren Unterlagen Bezug genommen.
II.
1) Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht auch nicht entgegen, dass die Beschwerdegebühr erst nach Ablauf der in § 66 Abs 2 MarkenG bestimmten Monatsfrist seit Zustellung der angegriffenen Entscheidung der Markenstelle eingezahlt worden ist. Denn insoweit war dem Anmelder auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 91 Abs 6 MarkenG).
Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 91 Abs 1 MarkenG kann einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist nur entsprochen werden, wenn der Antragsteller ohne Verschulden an der Einhaltung der versäumten Frist verhindert war. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Anmelder innerhalb der in § 91 Abs 2 MarkenG bestimmten Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses den Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt hat und unter Berücksichtigung des durch die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten Frau B... hinreichend glaubhaft gemachten Vorbringens die Fristversäumnis ohne Verschulden erfolgt ist (§ 91 Abs 1 Satz 1 MarkenG). Denn auch wenn dem Anmelder das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten wie Eigenverschulden anzurechnen ist, so muss sich dieser - und damit auch der Anmelder - ein Versehen von Hilfskräften, insbesondere Büropersonal, nicht zurechnen lassen, sofern weder bei der Auswahl noch bei der Beaufsichtigung dieser Hilfskräfte ein Verschulden feststellbar ist (Althammer/Ströbele, aaO, Rdn 11; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl, § 233 Rdn 41). Ein derartiges Organisationsverschulden kann aber hier nach dem glaubhaften Vorbringen, insbesondere angesichts der Art der übertragenen Aufgaben, der eindeutigen Weisungen und der bisherigen Zuverlässigkeit der erfahrenen, seit vielen Jahren in der Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten tätigen Büroangestellten nicht festgestellt werden. Aufgrund dieser Umstände war dem Anmelder deshalb Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren und gleichzeitig über die Hauptsache zu entscheiden (§ 238 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 82 Abs 1 MarkenG).
2) Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats kann letztlich mit der erforderlichen Sicherheit weder festgestellt werden, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine beschreibende freihaltungsbedürftige Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG handelt, noch dass der Eintragung das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen steht.
a) Auch der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass den hier maßgeblichen Verkehrskreisen, zu denen insbesondere auch die allgemeinen Verkehrskreise zählen, nicht nur die Bedeutung der Zeichenbestandteile "Text" und "maker" ohne weiteres verständlich ist, sondern dass diese auch in erheblichem Umfang die angemeldete Wortzusammensetzung "Textmaker" im Sinne von "Textmacher" oder "Texthersteller" verstehen und damit den - jedenfalls in Bezug auf einen Teil der Waren und Dienstleistungen - beschreibenden Aussagegehalt der Bezeichnung erfassen. So fallen unter den angemeldeten Oberbegriff "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" auch Textverarbeitungsprogramme, für welche die Bezeichnung "Textmaker" auch nach Auffassung des Senats ohne weiteres die Zeckbestimmung der Herstellung von Texten erkennen lässt, während hinsichtlich anderer Waren wie "Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Schreibmaschine und Büroartikel" usw bereits ein Verständnis von "Textmaker" als Sachbezeichnung wegen des insoweit erforderlichen, hinreichend gegenständlichen und unmittelbaren Sachbezugs fraglich erscheint (vgl hierzu zB EuG MarkenR 2001, 324, 326 UNIVERSALTELEFONBUCH).
Aber auch soweit die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf einzelne Waren und Dienstleistungen einen verständlichen beschreibenden Aussagegehalt erkennen lässt, genügt dies unter Berücksichtigung des gebotenen großzügigen Maßstabs nicht, um ihr die Schutzfähigkeit abzusprechen, zumal es zahlreiche sogenannte sprechende Marken gibt, die in irgendeiner Form zB die Art der Waren und Dienstleistungen oder den Anwendungsbereich mehr oder weniger deutlich beschreiben, und es insbesondere zur Begründung von Unterscheidungskraft keiner eigentümlichen oder originellen Zeichenbildung oder eines Phantasieüberschusses bedarf (vgl BGH MarkenR 2000, 264, 265 - LOGO; EuG MarkenR 2002, 88, Tz 45 - EU-ROCOOL).
Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass die Schutzunfähigkeit einzelner Wortbestandteile weder unter dem Gesichtspunkt fehlender Unterscheidungskraft noch unter dem Gesichtspunkt eines Freihaltebedürfnisses gegen die Eintragungsfähigkeit der Gesamtbezeichnung sprechen muss. Denn der Verkehr nimmt ein als Marke verwendetes Zeichen regelmäßig in seiner Gesamtheit mit all seinen Bestandteilen auf, ohne es zu zergliedern oder zu analysieren (so BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl zB GRUR 1995, 408 - PROTECH; vgl auch zu Mehrwortmarken BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Wesentlich ist insoweit, ob sich die Wortzusammenfügung als eine in der Wortstruktur oder Semantik vom üblichen Sprachgebrauch abweichende, für eine Sachangabe eher ungewöhnliche Gesamtbezeichnung darstellt und ob deshalb der Verbraucher diese noch als Sachbezeichnung versteht (vgl hierzu EuGH, MarkenR 2001, 400 - Babydry). Hierzu ist auch zu berücksichtigen, ob es sich bei der Bezeichnung um eine lexikalisch nachweisbare Wortbildung handelt oder ob ein beschreibender Gebrauch zB im Internet oder in Zeitschriften usw feststellbar ist, wenn die fehlende Nachweisbarkeit auch ein derartiges Verständnis als Sachangabe nicht ausschließt (vgl zB BGH GRUR 2001, 1151, 1552 - marktfrisch; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 142).
b) Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen oder deren Bestimmung dienen können und die deshalb einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit, insbesondere der Mitbewerber an der freien Verwendbarkeit unterliegen. Ein derartiges konkretes Freihaltungsbedürfnis kann in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht festgestellt werden, wenngleich es sich schon eher um einen Grenzfall handeln mag.
Eine beschreibende Verwendung der Gesamtbezeichnung im maßgebenden Inland konnte weder der Senat noch die Markenstelle nachweisen. Entsprechende gründliche Recherchen in einschlägigen Wörterbüchern und auch im Internet blieben ohne Ergebnis. Der Senat stellte vielmehr fest, dass auch im englischsprachigen Raum der angemeldete Begriff zur Bezeichnung eines Texters bzw "Textherstellers" nicht gebräuchlich ist. Auch die im Internet nachzuweisenden Treffer reduzieren sich eindeutig auf eine markenmäßige Verwendung eines als "TextMaker" bezeichneten Software-Programms. Soweit der Begriff "textmaker" in einem einzigen englischsprachigen Fließtext nachweisbar ist, lässt sich jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob der Verfasser den Begriff beschreibend oder nur als Hinweis auf das vorgenannte Software-Programm verwendet. Hierbei darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass eine Wortbildung durch Verknüpfung mehrerer Nomen zu einem neuen Gesamtwort eher der wörtlichen Transformation des Deutschen ins Englische entspricht. Die Annahme, "textmaker" stelle deshalb jedenfalls eine im englischen Sprachgebrauch nachzuweisende neue Sachbezeichnung dar, liegt deshalb fern. Insoweit verkennt der Senat auch nicht, dass im Einzelfall eine fremdsprachige Bezeichnung, insbesondere aufgrund unzureichender Fremdsprachenkenntnisse der inländischen Verkehrskreise oder aufgrund einer von dem sprachlichen Ursprungsland abweichenden, besonderen Sprachentwicklung sich durchaus im Inland als Sachangabe etablieren kann und/oder als solche verstanden wird. Dies lässt sich aber vorliegend nicht feststellen.
Dies gilt auch soweit die Markenstelle darauf verwiesen hat, dass es auf dem hier vorliegenden Waren- und Dienstleistungssektor terminologieüblich sei, personenbezogene Begriffe sachbezogen, insbesondere zur hard- und softwaretechnischen Bezeichnung zu verwenden (zB Manager, Editor, Übersetzer, Browser, Explorer usw) und insbesondere auch ursprünglich personenbezogene Bezeichnungen wie "Eierkocher", "Lautsprecher" usw längst warenbezogen bzw gerätebeschreibend verwendet würden. Denn es kann vorliegend gerade nicht festgestellt werden, dass die beanspruchte Gesamtbezeichnung bereits Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hätte, insbesondere nicht als verselbständigter Gesamtbegriff wie zB "Lautsprecher", zumal auch im Deutschen der Begriff "Textmacher" oder "Texthersteller" keineswegs mit der gebräuchlichen Verwendung entsprechend gebildeter und im Inland üblicher Begriffe wie "Liedermacher", "Texter" oder "Software-Hersteller" vergleichbar ist. Nach alledem kann die Zurückweisung der Anmeldung gerade nicht auf die im Erinnerungsbeschluss enthaltene Annahme gestützt werden, "Textmaker" werde angesichts völlig vergleichbar gebildeter Begriffe ohne weiteres als beschreibende Angabe verstanden.
Es kann schließlich auch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass ein konkretes Bedürfnis an der freien Verwendung dieser Wortkombination künftig entstehen könnte. Die für eine solche Prognose erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, die einen konkreten Anhalt für eine solche Entwicklung bieten müssten (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 75 mwN), hat die Markenstelle nicht getroffen und konnten auch aufgrund der weiteren Recherchen des Senats nicht ermittelt werden, zumal auch eine beschreibende Verwendung des angemeldeten Begriffs im englischsprachigen Ausland nicht feststellbar ist.
c) Der angemeldeten Wortverbindung kann nach den getroffenen Feststellungen schließlich auch nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden, da es sich in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen wegen der konkreten Sprachform gerade nicht um eine sprachübliche Sachangabe handelt, die sich in der bloßen Aneinanderreihung schutzunfähiger Bestandteile erschöpft. Der Verkehr hat deshalb keine Veranlassung, die ungebräuchliche Wortzusammenfügung "Textmaker" nicht als ein Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufzufassen (vgl zur st Rspr BGH GRUR 2001, 1150 - LOOK; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz 22 - Bravo - zur GMV).
Nach alledem waren auf die Beschwerde des Anmelders die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.
Kliems Bayer Engels Pü
BPatG:
Beschluss v. 25.07.2002
Az: 25 W (pat) 267/01
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