Amtsgericht Essen:
Urteil vom 18. April 2005
Aktenzeichen: 11 C 10/05

(AG Essen: Urteil v. 18.04.2005, Az.: 11 C 10/05)

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Gebührenansprüchen des Rechtsanwalts I, C-Straße, ......1 N gemäß Rechnung vom 28.07.2004 in Höhe von 37,70 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Freistellungsanspruch wegen eines offen stehenden Restbetrages eines Anwaltshonorars geltend. Von ihrem Prozessbevollmächtigten wurden der Klägerin mit Rechnung vom 28.07.2004 Anwaltsgebühren für diese gerichtliche Tätigkeit in Höhe von 119,94 € in Rechnung gestellt, was einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nummer 2400 VV-RVG entspricht. Zudem wurden Kosten für Ablichtung und eine Auslagenpauschale für Post und Telekommunikation und einer Mehrwertsteuer in Höhe von 16 % geltend gemacht, so dass sich der Gesamtbetrag von 119,94 € ergab, auf welchen die Beklagte 82,24 € gezahlt hat, so dass sich eine offene Forderung von 37,10 € ergibt.

Der anwaltlichen Tätigkeit lag ein Verkehrsunfallgeschehen vom 19. Mai 2004 zugrunde, an welchem die Klägerin und die bei der Beklagten haftpflichtversicherte Pkw des Unfallgegners beteiligt waren. Im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin fertigte dieser zunächst ein Anschreiben vom 28.07.2004, in welchem er die Höhe der Ansprüche der Klägerin bezifferte. Die Beklagte bat daraufhin um Übersendung von Lichtbildern des beschädigten klägerischen Fahrzeugs und regulierte unter dem 22.09.2004 nach Überprüfung der Lichtbilder. Sie erhob Einwendungen der Höhe nach bezüglich des Nutzungsausfallschadens und der fiktiven Geltendmachung von Verbringungskosten in Höhe von 81,80 €. Die Klägerin macht pauschale Verzugskosten in Höhe von 10,00 € geltend.

Sie ist der Ansicht:

Im vorliegenden Fall sei eine Gebühr von 1,3 anzusetzen und nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere da keine einfache Abwicklung der Angelegenheit deshalb vorgelegen habe, da die Beklagte noch die Übersendung von Lichtbildern gewünscht habe, sei der Ansatz einer Gebühr von 1,3 völlig zu Recht erfolgt.

Hilfsweise macht die Klägerin fiktive Verbringungskosten in Höhe von 81,80 € geltend.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 47,70 € nebst gesetzlicher Zinsen aus 37,70 € seit dem 24.09.2004 sowie aus weiterer 10,00 € ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klage sei nicht schlüssig, da jeglicher Tatsachenvortrag zur Bestimmung der konkreten Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens anhand von Ermessenskriterien fehle. Der Ansatz einer 0,8 Geschäftsgebühr sei mehr als ausreichend gewesen. Eine Gebühr von mehr als 1,3 könne nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Eine Regelgebühr von 1,3 könne nur angesetzt werden, wenn die Sache dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache nach von durchschnittlicher Natur gewesen sei. Vorliegend habe es sich jedoch um eine einfache rechtlich Angelegenheit gehandelt, so dass lediglich eine 0,8 Geschäftsgebühr angemessen sei.

Gründe

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf weiteren Schadenersatz aus dem Verkehrsunfallereignis vom 19.05.2004 in der S-Straße in ......2 N, gerichtet auf Freistellung von den restlichen Anwaltsgebühren aus der Rechnung ihres Prozessbevollmächtigten vom 28.07.2004 gemäß § 3 PflichtVersG i.Vm. § 249 BGB und §§ 2, 3, 14 StVG i.V.m. Nummer 2400 VV-RVG zu.

Zu den Schäden, die der Schädiger im Rahmen eines Verkehrsunfallereignisses dem Geschädigten zu ersetzen hat, gehören auch die Anwaltskosten, die dem Geschädigten für die außergerichtliche Geltendmachung von Ersatzansprüchen entstehen.

Das Gericht ist der Auffassung, dass auch im vorliegenden Fall eine Geschäftsgebühr von 1,3 gerechtfertigt ist.

Die Geschäftsgebühr gemäß den §§ 13, 14 RVG i.V.m. Nummer 2400 VV-RVG ist an die Stelle des § 118 BRAGO getreten. Nach der Neufassung des anwaltlichen Gebührenrechts im RVG soll nunmehr für alle eine Angelegenheit anfallenden Tätigkeiten des Rechtsanwaltes lediglich eine einzige Gebühr anfallen. Für die außergerichtliche Gebühr eines Rechtsanwalts ist dies in erster Linie die Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatzrahmen von 0,5 bis 2,5. Unter Berücksichtigung der in § 14 RVG enthaltenen Grundsätze ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts davon auszugehen, dass im Rahmen der Gebührennummer 2490 VV-RVG in durchschnittlichen Angelegenheiten grundsätzlich von der Mittelgebühr (1,5) auszugehen ist. Dies wird jedoch durch die Anmerkung zu Nummer 2400 VV-RVG dahingehend eingeschränkt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Wenn jedoch Umfang und Schwierigkeit der Sache von durchschnittlicher Natur sind, verbleibt es nach dem so formulierten Willen des Gesetzgebers bei der Regelgebühr mit 1,3 (vgl. insoweit auch das Urteil des AG Landstuhl vom 23.11.2004 in NJW 2005, 161.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts handelt es sich - auch bei der zügigen Abwicklung eines Schadenersatzanspruches aufgrund eines Verkehrsunfalles - um eine durchschnittliche Angelegenheit. Dementsprechend wurde auch früher im Rahmen der Abrechnung nach § 118 BRAGO insoweit die Mittelgebühr von 7,5/10 in Ansatz gebracht. Durch die Geschäftsgebühr nach Nummer 2400 VV-RVG wird die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Geschädigten, die in dem Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information möglicherweise auch der Teilnahme an einer Besprechung besteht, in vollem Umfang abgegolten. Bei der Abwicklung eines Schadenersatzanspruches aus einem Verkehrsunfall gehört dazu in der Regel, dass der Anwalt zunächst die Haftpflichtversicherung des Schädigers zu ermitteln hat und dann mit dem Geschädigten den tatsächlichen Hergang des Unfallgeschehens zu erörtert hat, um insoweit festzustellen, ob und in welchem Umfang Schadenersatzansprüche gegenüber den anderen Unfallbeteiligten geltend gemacht werden können. Im Anschluss daran hat der Rechtsanwalt die möglichen Schadenpositionen zu ermitteln und mit dem Geschädigten und gegebenenfalls auch mit dem Sachverständigen zu besprechen.

Insoweit handelt es sich bei dem vorliegenden Fall um den typischen, bei einem Verkehrsunfall anfallenden Geschäftsablauf. Es handelte sich nicht um eine Angelegenheit, deren Behandlung zwar keine besonderen Schwierigkeiten bereitete, die sich jedoch nach Auffassung des Gerichts durchaus als eine "durchschnittliche Angelegenheit" darstellt. Hinzukommt, dass die Beklagte zwar dem Grunde nach einstandspflichtig war, jedoch bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Übersendung von Lichtbildern des klägerischen Fahrzeuges einforderte und der Rechtsanwalt insofern gegenüber der Klägerin tätig werden musste und auch der Beklagten die Bilder übermitteln musste.

Es ist zudem insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die Gebühr Nummer 2400 VV-RVG im Gegensatz zu der Regelung der Anwaltsgebühren in der BRAGO auch im Zusammenhang mit der Abwicklung des Verkehrsunfalles schadensanfallende Besprechungen abgegolten werden. Es soll nunmehr nach den Grundsätzen des RVG die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts in Verkehrsunfallsachen durch eine einzige Gebühr gemäß Nummer 2400 VV-RVG voll abgedeckt werden, so dass durch die rechtzeitige Kontaktaufnahme zwischen den Prozessbevollmächtigten des Geschädigten und dem Versicherer eine außergerichtliche Regelung herbeigeführt werden kann, ohne dass im Rahmen eines zu führenden Prozesses weitere Rechtsanwaltsgebühren anfallen, mit denen dann möglicherweise im Ergebnis der Versicherer des Schädigers belastet werden könnte. Mit der Zusammenfassung der Rechtsanwaltsgebühren in einer Gebühr wird durch den Gesetzgeber auch zum Ausdruck gebracht, dass das gesamte außergerichtliche Tätigwerden des Rechtsanwaltes durch diese eine Gebühr abgegolten werden soll, ohne dass im Einzelfall für jeden Fall konkret überprüft werden soll, ob tatsächlich eine Besprechung zwischen Haftpflichtversicherer und dem Rechtsanwalt des Geschädigten stattgefunden hat.

Bei einer Angelegenheit von durchschnittlicher Schwierigkeit und Umfang fällt dann insgesamt die Gebühr von 1,3 an. Lediglich, wenn sich Besonderheiten ergeben hinsichtlich der Schwierigkeit und des Umfanges der Angelegenheit, kann diese Gebühr überschritten werden.

Die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer gemäß § 14 Absatz 2 RVG war nicht erforderlich, da in dieser Vorschrift mit "Rechtsstreit" lediglich der Gebührenprozess zwischen dem Anwalt und seinem Auftraggeber zu verstehen ist, nicht aber - wie vorliegend - der Schadenersatzanspruch seitens des Auftraggebers des Rechtsanwalts gegen seinen Gegner.

Die Klägerin hat lediglich einen Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 37,70 € aus der Rechnung vom 28.07.2004, da nicht vorgetragen wurde, dass diese die Rechtsanwaltskosten bereits an ihren Prozessbevollmächtigten entrichtet hat. Der Antrag auf Freistellung ist als ein weniger in dem Zahlungsantrag enthalten, so dass Klageabweisung im Übrigen erfolgte.

Die Klägerin hat zudem keinen Zinsanspruch, da nicht vorgetragen wurde, dass ihr ein Verzugsschaden bislang durch Inanspruchnahme aus der Rechtsanwaltsrechnung entstanden ist.

Das Gericht hat die Berufung zugelassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordert.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nummer 11, 711, 713 ZPO.






AG Essen:
Urteil v. 18.04.2005
Az: 11 C 10/05


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