Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. August 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 281/99
(BPatG: Beschluss v. 28.08.2000, Az.: 30 W (pat) 281/99)
Tenor
1. Die Beschwerde der aus der Marke 674 349 Widersprechenden wird zurückgewiesen.
2. Es wird festgestellt, daß die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 1998 und vom 8. April 1999 wirkungslos sind, soweit die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2 099 430 angeordnet worden ist.
Gründe
I.
Die Bezeichnung Dion.
ist für "pharmazeutische Erzeugnisse" in das Markenregister eingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der älteren Marke 674 349 Dicton, eingetragen seit 1955 ua für "Arzneimittel".
Eine weitere, aus der 1995 ua für "pharmazeutische Erzeugnisse" eingetragenen Marke 2 099 430 "Bion" Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren ihren Widerspruch zurückgenommen.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß des Erstprüfers hinsichtlich der Widerspruchsmarke 2 099 430 die Verwechslungsgefahr bejaht und deshalb die Löschung der angegriffenen Marke wegen dieses Widerspruchs angeordnet. Hinsichtlich der Widerspruchsmarke 674 349 hat die Markenstelle die Gefahr von Verwechslungen verneint und den Widerspruch aus der Marke 674 349 zurückgewiesen und dazu ua ausgeführt: Der Abstand, den die angegriffene, jüngere Marke angesichts eines normalen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke 674 349 einzuhalten habe, werde trotz identischer Waren eingehalten, weil die Widerspruchsmarke durch die Mehrkonsonanten "c(k)" und "t" derart geprägt werde, daß Verwechslungen in keiner Hinsicht zu befürchten seien. Die gegen diesen Beschluß gerichteten Erinnerungen der Inhaberin der angegriffenen Marke und der Widersprechenden 1 sind zurückgewiesen worden.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Eine Begründung der Beschwerde ist nicht zu den Akten gelangt.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat ebenfalls Beschwerde eingelegt, soweit die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2 099 430 "Bion" angeordnet worden und ihre hiergegen gerichtete Erinnerung erfolglos geblieben ist. Dieser Widerspruch ist im Beschwerdeverfahren zurückgenommen worden.
Die Widersprechende 1 beantragt sinngemäß, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde der aus der Marke 674 349 Widersprechenden ist nicht begründet. Der nach § 42 Absatz 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Absatz 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (ständige Rechtsprechung, zB EuGH MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA).
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 674 349 ist als durchschnittlich einzustufen. Es sind keine Umstände ersichtlich, die Anlaß zu einer von der Annahme eines normalen Schutzumfangs abweichenden Einstufung geben könnten.
Nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich die Marken wegen des weiten Oberbegriffs "Arzneimittel" im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke auf identischen Waren begegnen. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgebend ist der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher (vgl BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/TISSERAND), der allerdings beim Umgang mit Produkten, die die Gesundheit betreffen, regelmäßig eine etwas gesteigerte Aufmerksamkeit aufwendet (BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).
Unter Würdigung dieser Gesamtumstände ist die Gefahr von Verwechslungen nicht zu befürchten. Auch bei Anlegung eines strengen Prüfungsmaßstabs hält die angegriffene Marke von der Widerspruchsmarke einen ausreichenden Abstand ein. Verwechslungsgefahr besteht weder im Wortklang noch im Schriftbild. Der Gesamteindruck der relativ kurzen Wörter wird durch ihre Abweichungen bei jeder Aussprache und Schreibweise ausreichend verschieden beeinflußt.
Der Gefahr schriftbildlicher Verwechslungen steht entgegen, daß sich die Marken durch die zusätzlichen Buchstaben "-ct-" in der Widerspruchsmarke im grafischen Erscheinungsbild deutlich unterscheiden. Auch klangliche Verwechslungen sind nicht zu befürchten. Die Marken stimmen in dieser Hinsicht zwar in der Lautfolge "Dion" überein. Die zusätzlichen Buchstaben "-ct-" bleiben angesichts der relativ kurzen Markenwörter jedoch nicht unbemerkt und prägen den Gesamtklang der Widerspruchsmarke stark. Insbesondere führt dies zu einer deutlichen, harten und zweisilbigen Aussprache der Widerspruchsmarke. In der angegriffene Marke dagegen verleiht die Lautfolge "-io-" eine gedehnt fließende Klangfarbe. Diese Unterschiede reichen aus, um klanglichen Verwechslungen hinreichend entgegenzuwirken.
Soweit die Inhaberin der Widerspruchsmarke 2 099 430 ihren Widerspruch im Beschwerdeverfahren zurückgenommen hat, war auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke im Interesse einer eindeutigen Klärung der Rechtslage die Wirkungslosigkeit der Beschlüsse im Umfang der Löschung von Amts wegen festzustellen (§ 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG iVm § 269 Abs 3 Satz 1 ZPO analog, vgl dazu BGH Mitt 1998, 264 - Puma).
Zu einer Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen besteht keine Veranlassung (§ 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG).
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BPatG:
Beschluss v. 28.08.2000
Az: 30 W (pat) 281/99
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