Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 2. Juli 2002
Aktenzeichen: 22 U 47/99
(OLG Köln: Urteil v. 02.07.2002, Az.: 22 U 47/99)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Land-gerichts Köln vom 16.12.1998 - 91 0 81/98 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die jeweiligen Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erfolgen.
Gründe
Die Hauptversammlung der Beklagten
stimmte am 1.4.1998 zu Punkt 6 der Tagesordnung dem Verkauf des
operativen Handelsgeschäfts der Beklagten an die K. W. AG und dem
zu diesem Zweck abzuschließenden Kauf- und Óbertragungsvertrag zu.
Die K. W. AG war zum damaligen Zeitpunkt eine Schwestergesellschaft
der Beklagten und gehörte wie diese zum M.-Konzern.
Mehrheitsaktionärin der Beklagten war die M.-AG. Die
Hauptversammlung der Beklagten beschloß außerdem zu Punkt 7 der
Tagesordnung die wegen des Verkaufs und der Óbertragung des
operativen Handelsgeschäfts erforderlichen Satzungsänderungen.
In der im Bundesanzeiger bekannt
gemachten Einladung zur Hauptversammlung heißt es zu TOP 6 u.a.
(Bl. 419, 446, 447 d.A.):
"Die K. AG und die K. W. AG haben die
W.-E. D. I.-T. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, D., damit
beauftragt, als neutraler Gutachter den Wert des operativen
Handelsgeschäfts zum 1.1.1998 zu ermitteln. Das Gutachten gelangt
unter Einschluß der nicht gedeckten Pensionsverpflichtungen zu
einem Wert von 88.240.000 DM. Auf dieser Grundlage hat sich die K.
AG mit der K. W. AG auf einen Kaufpreis für das operative
Handelsgeschäft von 88.240.000 DM geeinigt."
In der Einladung wird zudem auf eine
von der Beklagten erstellte Broschüre verwiesen, die den Aktionären
auf Anforderung kostenlos zugesandt und die in der Hauptversammlung
ausliegen werde. In dieser Broschüre war der Bericht des Vorstands
über den Verkauf des operativen Handelsgeschäfts, der Entwurf des
Kaufvertrags, der Wortlaut der neuen Satzung und das oben genannte
Gutachten der W.-E. D. I.-T. GmbH (im folgenden: W.) abgedruckt
(Bl. 502 ff. d.A.). In dem Gutachten der W. vom 20.2.1998 heißt es
unter Punkt "C. Bewertung" (Bl. 519 R d. A.):
"Die Berechnung des Ertragswertes ist
aus der Anlage ersichtlich. Auf der Basis der zu kapitalisierenden
Ergebnisse ergibt sich der Ertragswert für das auszugliedernde
operative Geschäft der K. AG mit rund
DM 180 Mio.
Der Ertragswert entspricht dem
Unternehmenswert des operativen Geschäftes. Die uns durch die
Óbersendung des Gutachtens des Versicherungsmathematikers Herrn Dr.
Dr. H., W., zur Kenntnis gebrachten Fehlbeträge in Höhe von DM 91,8
Mio betreffend Unterstützungskasse und bilanzierter
Pensionsverpflichtungen aufgrund einer Verkehrswertermittlung der
eingegangenen Verpflichtungen sind in diesem Betrag noch nicht
berücksichtigt."
Sodann folgt unter "C.
Schlußbemerkung":
"Wir sind beauftragt worden, ein
Gutachten über den Unternehmenswert des operativen Geschäfts der K.
AG, K., zu erstatten.
Nach dem Ergebnis unserer an den
Ertragserwartungen orientierten Bewertung beträgt der
Unternehmenswert zum Stichtag 31. Dezember 1997 DM 180 Mio.
..." (Bl. 520 d.A.).
In der Hauptversammlung vom 1.4.1998
erläuterte der Vorstandsvorsitzende M. den Kaufpreis von 88.240.000
DM, den Ausgleichsbetrag von 91.760.000 DM, der sich aus der
handelsrechtlichen Bewertung der Altersversorgungszusagen, der
vorhandenen Rückstellungen und Vermögenswerte nach dem Gutachten
des Dr. Dr. H. ergebe und der von dem durch die W. ermittelten
Ertragswert von 180 Mio. DM in Abzug zu bringen sei (S. 20/21 des
Wortprotokolls in der Hauptversammlung).
Die Kläger haben gegen die Beschlüsse
zu TOP 6 und 7 der Hauptversammlung Widerspruch zu notariellem
Protokoll erklärt.
Die Kläger haben behauptet, der
Kaufpreis sei wesentlich zu niedrig. Die Großaktionärin der
Beklagten erstrebe für sich einen Sondervorteil. Daraus ergebe sich
die Anfechtbarkeit der Beschlüsse nach § 243 II AktG. Die Aktionäre
seien im übrigen insoweit getäuscht worden, als die W. die
Fehlbeträge der Unterstützungskasse nicht selbst ermittelt habe.
Aber auch der von der W. ermittelte Ertragswert sei zu niedrig. Die
Fehlbeträge der Unterstützungskasse hätten allenfalls mit den im
Anhang zur testierten Bilanz aufgeführten 27,3 Mio. DM, abgezinst
um die Steuerersparnis, berücksichtigt werden dürfen. Auch der
vorgelegte Mustermietvertrag enthalte zahlreiche Klauseln, die zu
ungerechtfertigten Sondervorteilen der Mieterin führten.
Schließlich seien auch die in der Hauptversammlung gestellten
Fragen unzureichend und unvollständig beantwortet worden.
Die Kläger haben beantragt,
den in der Hauptversammlung der
Beklagten vom 1.4.1998 zu TOP 6 gefaßten Beschluß für nichtig zu
erklären;
hilfsweise,
festzustellen, daß er nichtig ist.
Die Kläger zu 2), 3) und 4) haben
weiter beantragt,
den in der Hauptversammlung der
Beklagten vom 1.4.1998 zu TOP 7 gefaßten Beschluß für nichtig zu
erklären;
hilfsweise,
festzustellen, daß er nichtig ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, die Klage des
Klägers zu 1) sei unzulässig, weil sie ihrem Aufsichtsrat nicht
rechtzeitig zugestellt worden sei. Die Angriffe der Kläger gegen
das Gutachten der W. seien unrichtig. Der Hinweis auf das Gutachten
in der Bekanntmachung sei nicht irreführend. Die
Pensionsverpflichtungen seien von der Dr. Dr. H. Beratungs-GmbH
zutreffend berechnet worden. Eine Doppelerfassung von Belastungen
sei nicht erfolgt. Durch die Mietverträge entstehe ihr kein
Nachteil. Die Auskunftsrügen seien in der Sache unbegründet und im
übrigen verwirkt.
Durch Urteil vom 16.12.1998 - 91 0
81/98 LG Köln -, auf das wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug
genommen wird, hat das Landgericht den Klagen stattgegeben. Zur
Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der zu TOP 6 gefaßte
Beschluß über die Zustimmung zum Verkauf des operativen
Handelsgeschäfts und dem dazu abzuschließenden Kaufvertrag sei
gemäß § 243 I AktG anfechtbar. Der Gegenstand der Tagesordnung sei
nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden, § 124 IV S. 1 AktG. Die
Bekanntmachung und Information der Aktionäre über den Kaufpreis sei
unzureichend und irreführend. Entgegen der Formulierung in der
bekannt gemachten Tagesordnung gelange die W. "als neutraler
Gutachter" keineswegs zu einem Wert des operativen Handelsgeschäfts
unter Einschluß der nicht gedeckten Pensionsverpflichtungen von
88.240.000 DM. Es sei nicht unwahrscheinlich, daß eine Reihe von
Aktionären nach dem so begründeten Kaufpreis auf eine Teilnahme an
der Hauptversammlung verzichtet hätten. Relevanz der Täuschung für
die Anfechtbarkeit des Beschlusses zu TOP 6 sei zu bejahen. Der
Beschluß sei aber auch gemäß § 243 II AktG anfechtbar. Der
beschlossene Kaufpreis von 88.240.000 DM stelle einen
ungerechtfertigten Sondervorteil des Großaktionärs K. W. AG zum
Schaden der Gesellschaft dar. Der Beschluß zu TOP 7 sei für
unwirksam zu erklären, weil die beschlossenen Satzungsänderungen
die Wirksamkeit des beabsichtigten Kaufvertrages voraussetzten.
Gegen dieses ihr am 19.1.1999
zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.2.1999 Berufung
eingelegt, die sie nach entsprechender Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist am 29.4.1999 begründet hat.
Die Beklagte meint, ein
Anfechtungsgrund im Sinne des § 243 I AktG sei nicht gegeben. Aus
der Broschüre, deren Zusendung mit der Einladung angeboten und die
zusätzlich in der Hauptversammlung zur Einsichtnahme ausgelegen
habe, sei ersichtlich gewesen, aus welchen Komponenten sich der
Kaufpreis zusammengesetzt und wer diese Komponenten gutachterlich
ermittelt habe. Die in der Bekanntmachung gegebenen Informationen
zur Kaufpreisbildung seien ohne rechtliche Verpflichtung der
Beklagten erfolgt. Jedem Aktionär, der an weiterführenden
Informationen interessiert gewesen sei, habe die Möglichkeit offen
gestanden, sich an die Beklagte zu wenden. Der Hinweis in der
Bekanntmachung der Tagesordnung sei auch nicht irreführend.
Jedenfalls sei eine etwaige Verletzung der Informationspflicht
nicht kausal für die Beschlußfassung. Es sei nur von
untergeordneter Bedeutung, daß ein anderer Gutachter als die W. den
versicherungsmathematisch zu errechnenden Betrag der nicht
gedeckten Pensionsverpflichtungen ermittelt habe. Es sei auch
üblich, daß beim Unternehmenskauf der volle sich nach
versicherungsmathematischen Grundsätzen zu errechnende Betrag der
ungedeckten Pensionsverpflichtungen anzusetzen sei, und zwar durch
Subtraktion vom Ertragswert. Im übrigen genieße auch die Dr. Dr. H.
Beratungs-GmbH einen ganz herausragenden Ruf. Für einen objektiv
urteilenden Aktionär habe daher kein Anlaß bestanden, diesem
Gutachten mißtrauischer gegenüberzustehen als dem Gutachten der W..
Jedenfalls die in der Hauptversammlung anwesenden Aktionäre seien
im Besitz der hier fraglichen Information gewesen. Auch ein Verstoß
gegen § 243 II AktG durch ungerechtfertigten Sondervorteil
zugunsten des Mehrheitsaktionärs liege nicht vor. Entgegen den
Ausführungen des Landgrichts sei dies nicht die K. W. AG, sondern
die M.-AG gewesen. Die Ausführungen des Landgerichts hierzu seien
auch rechtsfehlerhaft. Eine Doppelberücksichtigung von Ausgaben und
Belastungen, wie die Kläger meinten, sei nicht erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils 91 0 81/98
des Landgerichts Köln vom 16.12.1998 die Klagen aller Kläger
abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger wiederholen und vertiefen
ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meinen weiterhin, die Angaben
zum Gutachten der W. in der Bekanntmachung der Tagesordnung seien
irreführend und hätten bewirkt, daß eine Vielzahl von Aktionären im
Vertrauen auf die Richtigkeit der Bewertung der W. in der
Hauptversammlung nicht erschienen oder ihre Bankenvertreter zur
Zustimmung zu dem Beschluß angewiesen hätten. Sie tragen im übrigen
ergänzend zur Anfechtbarkeit wegen eines Sondervorteils für die
Mehrheitsaktionärin der Beklagten vor und meinen insbesondere, es
sei eine Doppelberücksichtigung von Ausgaben erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von
den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen
Bezug genommen.
Der Senat hat aufgrund
Beweisbeschlusses vom 7.9.1999 (Bl. 801 f. d.A.) Beweis erhoben
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des
Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Dipl.-Ing. B. W.. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten Bl. 854 ff.
d.A. Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ó N D
Die form- und fristgerecht eingelegte
und auch im übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat in der
Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Landgerichts entspricht im
Ergebnis der Sach- und Rechtslage, das Berufungsvorbringen der
Beklagten rechtfertigt keine andere Beurteilung.
I.
Die Anfechtungsklagen sind aus den
insoweit in vollem Umfang zutreffenden Ausführungen des
erstinstanzlichen Urteils, auf die der Senat Bezug nimmt,
zulässig.
II.
Zutreffend hat das Landgericht den
Beschluß der Hauptversammlung der Beklagten vom 1.4.1998 zu TOP 6 -
Zustimmung zum Verkauf des operativen Handelsgeschäfts und zu dem
abzuschließenden Kaufvertrag - auf die Anfechtungsklagen hin nach §
243 I i.V.m. § 124 IV S. 1 AktG für nichtig erklärt.
Der insoweit durch die Hauptversammlung
gefaßte Beschluß ist nach § 243 I AktG anfechtbar, weil der
Gegenstand der Tagesordnung nicht ordnungsgemäß nach 124 II S. 2
AktG bekannt gemacht worden ist und dementsprechend eine
Beschlußfassung nach § 124 IV S. 1 AktG nicht hätte erfolgen
dürfen. Die Beklagte hat in der Bekanntmachung der Tagesordnung
unrichtige und irreführend Angaben über die für die Bemessung des
Kaufpreises maßgeblichen Bewertungsgrundlagen gemacht, auf denen
der Beschluß der Hauptversammlung beruht.
1.
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte
mit den Angaben zu den Grundlagen für die Bemessung des Kaufpreises
und mit dem Hinweis in der Einladung auf eine auf Anforderung zu
übersendende Broschüre über die ihr nach dem Gesetz obliegenden
Informationspflichten hinausgegangen ist. In jedem Fall durften
nämlich die in der Bekanntgabe gemachten Angaben nicht unrichtig
und irreführend sein. Die Bekanntgabe der Tagesordnung dient dazu,
den Aktionären eine angemessene Meinungsbildung zu ermöglichen und
eine sinnvolle Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten. Diesem Zweck
laufen unrichtige und irreführende Angaben zuwider, unabhängig
davon, ob es sich um notwendige oder freiwillige Angaben
handelt.
2.
Unrichtig und irreführend war die
Angabe in der Einladung, das Gutachten der W. gelange unter
Einschluß der nicht gedeckten Pensionsverpflichtungen zu einem Wert
des operativen Handelsgeschäfts von 88.240.000 DM.
Tatsächlich hat nämlich die W. in ihrem
Gutachten festgestellt, der Ertragswert für das auszugliedernde
operative Geschäft der K. ergebe sich mit DM 180 Mio. Der
Ertragswert entspreche dem Unternehmenswert. Zur Abzugsfähigkeit
der ihr durch die Óbersendung des Gutachtens des
Versicherungsmathematikers Dr. Dr. H. zur Kenntnis gebrachten
Fehlbeträge in Höhe von 91,8 Mio. betreffend Unterstützungskasse
und bilanzierter Pensionsverpflichtung hat die W. keine Stellung
bezogen, sie hat insoweit nur ausgeführt, diese Beträge seien in
dem Betrag noch nicht berücksichtigt. Statt dessen hat sie unter
"C. Schlußbemerkung" nochmals ausgeführt, nach dem Ergebnis ihrer
an den Ertragserwartungen orientierten Bewertung betrage der
Unternehmenswert zum Stichtag DM 180 Mio. Dies bedeutete, daß die
W. nach - bloßer - Kenntnisnahme von dem
versicherungsmathematischen Gutachten die dort genannten
Fehlbeträge nicht selbst in ihre gutachterliche Bewertung
übernommen und auch nicht selbst eine Subtraktion dieses Betrages
von dem von ihr ermittelten Unternehmenswert vorgenommen hat. Sie
hat damit gerade nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie die im
Gutachten des Versicherungsmathematikers genannten Beträge über die
bloße Kenntnisnahme hinaus überprüft und für richtig und
abzugsfähig gehalten hat. Eine eigene Bewertung des Werts des
operativen Handelsgeschäfts der Beklagten mit 88.240.000,- DM unter
Einschluß der nicht gedeckten Pensionsverpflichtungen ist dem
Gutachten der W. daher nicht zu entnehmen. Genau diesen -
unrichtigen - Eindruck, daß nämlich diese Zahl das Ergebnis der
Bewertung durch die W. war, erweckt aber die Einladung zur
Hauptversammlung.
3.
Auf dieser unrichtigen und
irreführenden Angabe in der Bekanntmachung beruht auch der in der
Hauptversammlung zu TOP 6 gefaßte Beschluß.
a)
Nach einhelliger Auffassung in
Rechtsprechung und Literatur kann nicht jeder Verfahrensfehler die
Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen begründen, vielmehr
besteht Einigkeit dahin, daß solche Fehler ausscheiden, die auf das
Ergebnis der Beschlußfassung keinen Einfluß gehabt haben
können.
Nach der Rechtsprechung, insbesondere
des Bundesgerichtshofs, ist eine Anfechtung dann ausgeschlossen,
wenn der Verfahrensverstoß nicht kausal für die Beschlußfassung
war, wenn nämlich die beklagte Gesellschaft darlegt und ggfls.
beweist, daß der angefochtene Beschluß auch ohne den
Verfahrensmangel in gleicher Weise zustande gekommen wäre. Dabei
sind an diese Darlegung und Beweisführung strenge Anforderungen zu
stellen. Die Möglichkeit, daß der durch den Mangel betroffene
Aktionär das Beschlußergebnis hätte beeinflussen können, muß also
nicht nur unwahrscheinlich sein, sondern bei vernünftiger
Betrachtung unter keinen Umständen in Betracht kommen (vgl. BGH NJW
1998, 684; BGHZ 119, 1 ff.; BGHZ 107, 296; BGH NJW 1972,
1320,1321;). Dabei kommt es nach dieser Rechtsprechung für die
Frage, ob ein Hauptversammlungsbeschluß auf einer Verletzung der
Informationspflicht beruht, nicht allein auf die Kenntnis des
Aktionärs an, der über die zur Beschlußfassung notwendige Mehrheit
in der Hauptversammlung verfügt. Maßgebendes Entscheidungskriterium
muß vielmehr sein, ob auch ein objektiv urteilender Aktionär, der
wie der Mehraktionär Kenntnis von allen für die Beurteilung
maßgebenden Umständen gehabt hätte, unter Beibehaltung des
Verfahrensverstoßes wie dieser abgestimmt hätte. Maßgebend ist
daher auch, welche Bedeutung dieser objektiv urteilende Aktionär
der mangelhaften Informationserteilung beigemessen hätte (BGHZ 119,
1, 19; BGHZ 122, 211, 239; BGHZ 107, 297, 306 f.; BGHZ 86, 1, 22;
BGH NJW 1990, 350, 352, 353).
Demgegenüber stellt die herrschende
Meinung im Schrifttum, der sich auch das Landgericht im
vorliegenden Fall angeschlossen hat, auf die Relevanz des Fehlers
für das Beschlußergebnis ab. Nach dieser Auffassung ist eine am
Zweck der verletzten Norm orientierte wertende Betrachtung geboten,
die Kausalitätsüberlegungen auf die Fälle fehlerhafter
Ergebnisfeststellung zurückführt und im übrigen zu einer nach der
Bedeutung des Verfahrensfehlers für die Mitgliedschaft
differenzierenden Beurteilung gelangt (vgl. Hüffer AktG 5. Aufl. §
243 Rn 13; ders. in Münchner Kommentar zum AktG § 243 Rn 30;
Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG §243 Rn 81, jeweils m.w.N.;
vgl. auch OLG Köln DB 1988, 2449; OLG D. NJW-RR 1992, 100,
101).
Welcher Auffassung zu folgen ist, kann
im vorliegenden Fall dahinstehen. In den Fällen eines
Einberufungsmangels oder der Verletzung von Auskunfts- und
Informationspflichten, die für die Ausübung der
Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs von Bedeutung sind, kommen
nämlich beide Auffassungen grundsätzlich zum selben Ergebnis (vgl.
auch Münchner Hdb. d. GesR IV, 2. Aufl. § 41 Rn 33; Hüffer AktG
a.a.O. Rn 17). Liegt ein solcher relevanter Fehler vor, wird
nämlich in aller Regel auch der von der Rechtsprechung zur
Beurteilung herangezogene objektiv urteilende Aktionär bei
zutreffender Berücksichtigung des den Minderheitsaktionären
zugebilligten Rechts zur Mitentscheidung in Kenntnis aller
wesentlichen Umstände zu dem Ergebnis kommen, daß es nicht
gerechtfertigt ist, dem Beschluß unter Aufrechterhaltung des
Verfahrensfehlers zuzustimmen.
b)
So liegt es auch im vorliegenden
Fall.
aa)
Es ist zunächst nicht nur nicht
auszuschließen, sondern entspricht der Lebenserfahrung, daß eine
Reihe der nicht zur Hauptversammlung erschienenen Aktionäre ihre
Entscheidung, an der Hauptversammlung nicht teilzunehmen, auch und
gerade im Hinblick auf die in der Bekanntmachung der Tagesordnung
enthaltene unrichtige Information getroffen haben, daß die W., ein
unstreitig und allgemein bekannt anerkanntes und renommiertes
Wirtschaftsprüfungsunternehmen, den Unternehmenswert festgestellt
und der Kaufpreis dementsprechend festgelegt worden war. Es ist
auch ohne weiteres nachvollziehbar, daß Aktionäre aus diesem Grunde
auch auf die Anforderung und das Studium der Broschüre, die auch
das Gutachten enthielt, verzichtet haben.
bb)
Es kann weiter jedenfalls nicht
ausgeschlossen werden, daß diese Aktionäre ohne die hier in Rede
stehende unrichtige Information zur Hauptversammlung erschienen
wären und gegen die Beschlußvorlage gestimmt hätten oder ihre
Bankenvertreter angewiesen hätten, gegen den Bechluß zu stimmen.
Auszuschließen ist nicht einmal, daß, wären mehr
Minderheitsaktionäre erschienen und hätte eine breitere Diskussion
über die Bewertung des Unternehmens stattgefunden, nicht nur die
Bankenvertreter, sondern auch die Mehrheitsaktionärin eine
Beschlußfassung ohne vorherige Ergänzung des Gutachtens abgelehnt
hätte, um Zweifel bei den übrigen Aktionären, aber auch in der
Àffentlichkeit an der ordnungsgemäßen Bewertung und der etwaigen
Einräumung von Sondervorteilen auszuräumen.
Die W. hat nämlich in ihrem Gutachten
nicht nur nicht zu erkennen gegeben, daß sie die Bewertungsansätze
der Berechnungen des Gutachters Dr. Dr. H. kritisch überprüft
hatte, sie hat sich diese auch ersichtlich nicht zu eigen gemacht.
Dies entsprach zum einen, wie der vom Senat beauftragte
Sachverständige W. überzeugend ausgeführt hat, nicht dem Grundsatz
des eigenverantwortlichen Handelns des Wirtschaftsprüfers, der
seine Arbeit in enger Abstimmung mit dem hinzugezogenen
Versicherungsmathematiker vornimmt, um die vollumfängliche
Berücksichtigung aller relevanter Sachverhalte der betrieblichen
Altersversorgung in der Unternehmensbewertung sicherzustellen und
Óberschneidungen bzw. Doppelerfassungen zu vermeiden (vgl. S. 15
des Gutachtens). Zum anderen konnte dies nachvollziehbar den
Verdacht aufkommen lassen, die W. habe sich aus gutem Grunde jeder
Stellungnahme zu den Feststellungen des versicherungsmathematischen
Gutachtens enthalten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das
Gutachten des Versicherungsmathematikers zutreffend war und ob die
W. tatsächlich dessen Ergebnisse kritisch überprüft hatte und so
etwa Doppelerfassungen von Belastungen vermieden worden waren. Es
kommt allein darauf an, daß aufgrund des in der Hauptversammlung
vorliegenden Gutachtens der W. Anlaß bestand, hieran zu zweifeln.
Ist aber nicht auszuschließen, daß die Mehrheitsaktionärin
derartige Zweifel aus den oben genannten Gründen nicht hätte
bestehen lassen und vor einer Beschlußfassung hätte ausräumen
lassen wollen, läge Kausalität auch ohne Einbeziehung des "objektiv
urteilenden Aktionärs", auf den die Rechtsprechung abstellt,
vor.
cc)
Letztlich kann dahinstehen, ob
auszuschließen ist, daß das Abstimmungsergebnis tatsächlich kausal
in dem vorgenannten Sinne durch die unrichtige Information in der
Bekanntmachung beeinflußt worden ist. Jedenfalls ist nämlich
entsprechend der oben zitierten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs davon auszugehen, daß ein objektiv urteilender
Aktionär, der wie der Mehrheitsaktionär Kenntnis von allen für die
Beurteilung maßgebenden Umständen gehabt hätte, in Kenntnis der
Fehlinformation in der Bekanntmachung nicht wie dieser abgestimmt
hätte. Ein solcher objektiv urteilender Aktionär hätte unter
Berücksichtigung der irreführenden Information in der
Bekanntmachung in Betracht gezogen, daß bei einer Reihe von
Aktionären die Entscheidung, zur Hauptversammlung nicht zu
erscheinen, im Vertrauen auf die angebliche Bewertung durch die W.
erfolgt war und hätte eine Beschlußfassung unter Aufrechterhaltung
dieser Fehlinformation und ihrer Folgen für die Mitwirkungsrechte
für die Minderheitsaktionäre nicht für gerechtfertigt gehalten.
dd)
Auch nach der im Schrifttum
herrschenden Meinung wäre jedenfalls Relevanz des Verfahrensfehlers
gegeben, da dieser in einer unrichtigen und irreführenden
Bekanntmachung der Tagesordnung lag und die Mitwirkung der
Aktionäre an der Beschlußfassung und damit den Kerngehalt ihrer
Mitgliedschaftsrechte beeinträchtigte.
III.
Ob, wie das Landgericht gemeint hat,
der Beschluß auch wegen Inhaltsfehlers nach § 243 II AktG unter dem
Gesichtspunkt eines Sondervorteils für die Mehrheitsaktionärin der
Beklagten, die M.-AG, anfechtbar wäre, kann im Hinblick auf die
Ausführungen zu Ziffer I. dahinstehen; eine Entscheidung hierüber
dürfte nicht ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens
über die Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit der Bewertung des
Kaufpreises möglich sein.
IV.
Die Anfechtungsklage der Kläger zu 2) -
4) zu TOP 7 der Tagesordnung hat das Landgericht mit zutreffender
Begründung für begründet gehalten. Die beschlossenen Ànderungen zu
§ 2 der Satzung über den Unternehmensgegenstand und zu § 8 über die
Zusammensetzung des Aufsichtsrates setzten nämlich die Wirksamkeit
des Kaufvertrages zwischen der Beklagten und der K. W. AG
voraus.
V.
Die prozessualen Nebenentscheidungen
folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren:
400.000,- DM (100.000,- DM je Klage)
Wert der Beschwer für die Beklagte:
über der Revisionssumme
OLG Köln:
Urteil v. 02.07.2002
Az: 22 U 47/99
Link zum Urteil:
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