Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. August 2007
Aktenzeichen: 26 W (pat) 244/04
(BPatG: Beschluss v. 29.08.2007, Az.: 26 W (pat) 244/04)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. August 2004 teilweise aufgehoben und die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "Bier und Biermischgetränke" angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Marke 303 45 789 Heinerleeingetragen für Klasse 32: Biere und Biermischgetränke; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);
Klasse 43: Verpflegung von Gästenist Widerspruch erhoben worden aus der Marke GM 120 345 HEINEKEN eingetragen für Klasse 32: Biere Klasse 35: Beratung in Geschäftsorganisation und -leitung Klasse 42: Technische Beratung für das Brauereigewerbe und Beratung für den Betrieb von Cafes, Hotels und Restaurants.
Die Markenstelle für Klasse 32 - besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes - hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, auch unter Berücksichtigung einer Identität der beiderseits in Anspruch genommenen Waren "Biere" und einer dafür auf Seiten der Widersprechenden anzuerkennenden erhöhten Kennzeichnungskraft halte die jüngere Marke den erforderlichen großen Abstand ein. In klanglicher Hinsicht stimmten die Marken zwar in den Anfangssilben sowie den ersten beiden Buchstaben der zweiten Silbe überein. Jedoch sei bei der Beurteilung nicht nur auf die Summe einzelner Lautmerkmale, sondern auf den klanglichen Gesamteindruck abzustellen, der hier deutlich unterschiedlich sei. Die Widerspruchsmarke klinge durch den klangstarken Konsonanten "k" wesentlich prägnanter und pointierter als die ausnahmslos von weichen Lauten gebildete angegriffene Marke. Auch wenn die Abweichung das jeweilige Wortende betreffe, sei sie doch ausreichend, weil sie den klanglichen Gesamteindruck der Zeichen in markanter Weise beeinflusse. Dies erkenne der Durchschnittsverbraucher, dem die Auswahl der Biersorte in der Regel nicht gleichgültig sei und der daher eine erhöhte Aufmerksamkeit aufbringe. Zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr trage auch der unterschiedliche Sinngehalt der Marken bei. Während es sich bei der Widerspruchsmarke um einen (niederländischen) Eigennamen handele, bestehe die jüngere Marke aus der verniedlichenden Form des deutschen Vornamens "Heiner". Auch in schriftbildlicher Hinsicht sei ein sicheres Auseinanderhalten der Marken gewährleistet.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken sei in klanglicher, visueller und begrifflicher Hinsicht zu bejahen. Auszugehen sei von einem äußerst großen Schutzumfang der Widerspruchsmarke als einer der weltweit bekanntesten Marken. Sowohl "HEINEKEN" als auch "Heinerle" stellten Diminutive- und Koseformen des männlichen Vornamens "Heinrich" dar, was sich aus dem eingereichten Gutachten ihres anwaltlichen Vertreters K... ergebe. Die klanglichen Unter- schiede seien entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht ausreichend, um einer Verwechslungsgefahr entgegenzuwirken. Gleiches gelte für das Schriftbild beider Marken, die identische Oberlängen und keinerlei Unterlänge aufwiesen.
Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. August 2004 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den Beschluss der Markenstelle als zutreffend und weist insbesondere darauf hin, dass die angesprochenen Verkehrskreise eine etwaige Ableitung der Markenwörter von dem Vornamen "Heinrich" nicht ohne weiteres erkennen könnten.
II.
Die Beschwerde ist teilweise begründet, und zwar soweit der Widerspruch auch im Hinblick auf die "Biere; Biermischgetränke" zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen ist sie unbegründet. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG ist die Löschung der angegriffenen Marke hinsichtlich der genannten Waren anzuordnen, denn es besteht insoweit die Gefahr von Verwechslungen zwischen den sich gegenüberstehenden Marken im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2007, 235 - Goldhase; GRUR 2006, 859, 861 - Malteserkreuz; jeweils m. w. N.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend für die Waren "Biere; Biermischgetränke" der angegriffenen Marke erfüllt. Angesichts der von dem Markeninhaber nicht in Abrede gestellten und im Übrigen gerichtsbekannten großen Bekanntheit der Widerspruchsmarke im Bereich der Ware "Bier" ist von einer erheblich gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für diese Ware auszugehen. Die Ware "Bier" wird von beiden Marken identisch beansprucht, die Waren "Biermischgetränke" sind der Ware "Bier" äußerst ähnlich. Unter Berücksichtigung der Wechselwirkung der in Betracht zu ziehenden Faktoren reicht der Abstand des angegriffenen Zeichens zu der Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher und auch schriftbildlicher Hinsicht insoweit nicht aus; eine beachtliche Gefahr der Verwechslung der Vergleichsmarken kann insoweit nicht ausgeschlossen werden. Beide Markenwörter weisen denselben Vokalbestand sowie dieselbe Silbenzahl und -betonung auf. Die ersten 5 Buchstaben sind identisch, die beiden ersten Silben fast identisch, der Auslaut endet auf demselben Vokal "E", weswegen die Endsilbe "-le" in der angegriffene Marke trotz des abweichenden Konsonanten leicht für die 3. Silbe "-ken" der Widerspruchsmarke gehalten werden kann. Die klangliche Verwechslungsgefahr hat für den Bereich der Waren "Bier; Biermischgetränke" zudem besondere Bedeutung, weil bei der Bestellung von Bieren und bierhaltigen Getränken insbesondere die akustische Wiedergabe der Marke eine erhebliche Rolle spielt und die Übertragungsmöglichkeiten häufig durch Lärm mehr oder weniger stark beeinträchtigt sind und daher naheliegend ist, dass gerade die allein unterschiedliche 3. Silbe nicht hinreichend differenzierbar wahrgenommen wird. Zudem weisen beide Zeichen bei der Wiedergabe in Großbuchstaben im Hinblick auf die Anordnung und Abfolge der Buchstaben hinreichende Übereinstimmungen im Schriftbild auf, so dass auch die Gefahr einer Verwechslung im visuellen Bereich feststellbar ist.
Soweit die Markenstelle der Auffassung gewesen ist, die jüngere Marke enthielte wegen der Anlehnung an den Vornamen "Heinrich" einen leicht erkennbaren Begrifflichsgehalt, der die Unterscheidbarkeit erleichtere, vermag der Senat diese Auffassung nicht zu teilen. Zwar kann der Umstand, dass eine Marke einen Begriffsgehalt aufweist, die Wirkung haben, dass bildliche oder klangliche Unterschiede vom Hörer wesentlich schneller und besser erfasst werden, so dass es erst gar nicht zu Verwechslungen kommt (BGH GRUR 1959, 182, 185 - Quick; GRUR 1992, 130, 132 - Bally/BALL; GRUR 2000 - comtes/ComTel). Voraussetzung für einen Ausschluss der Verwechslungsgefahr unter diesem Gesichtspunkt ist jedoch ein abweichender Sinngehalt, der vom Verkehr sofort erfasst wird und keinen weitergehenden Denkvorgang erfordert (vgl. BGH, a. a. O. - Bally/BALL). Unabhängig von der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob beide Markenwörter als Diminutive anzusehen und etymologisch von dem Vornamen "Heinrich" abgeleitet sind, bestehen durchgreifende Bedenken gegen eine Feststellung, dass die angesprochenen inländischen Verkehrskreise, denen die Verkleinerungsform "-ken" nicht durchgängig bekannt sein dürfte, zumal sie nicht sprachüblich von "Heiner" ("Heinerchen" - "Heinerken") - abgeleitet ist, dies auch schon, wie erforderlich, auf den ersten Blick erkennen. Auch das jüngere Markenwort "Heinerle" mag zwar die Verkleinerungsform von "Heiner" sein, der Gebrauch dieser Diminutivform ist aber nach Auffassung des Senats so unüblich und damit dem Verkehr so wenig vertraut, dass sich hieraus keine wirkliche Unterscheidungshilfe ergibt. Zudem ist entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht zwingend, dass "Heineken" wie ein Nachname wirkt, so dass sich auch hieraus keine bessere Unterscheidbarkeit herleiten lässt.
Für die übrigen Waren der angegriffenen Marke gilt dagegen, dass die Ähnlichkeit der Waren "Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)" mit der Ware "Biere" und die Ähnlichkeit der Zeichen in klanglicher, visueller und begrifflicher Hinsicht auch unter Berücksichtigung des erhöhten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke für "Bier" nicht ausreichen, um eine Verwechslungsgefahr hinreichend sicher feststellen zu können. Sinngemäß das Gleiche gilt auch für die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen "Verpflegung von Gästen" einerseits und "Beratung in Geschäftsorganisation und -leitung; Technische Beratung für das Brauereigewerbe und Beratung für den Betrieb von Cafes, Hotels und Restaurants" andererseits.
III.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen, nach dem jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Dr. Fuchs-Wissemann Kopacek Prietzel-Funk Bb
BPatG:
Beschluss v. 29.08.2007
Az: 26 W (pat) 244/04
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