Amtsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 11. Juni 2013
Aktenzeichen: 57 C 16103/12

(AG Düsseldorf: Urteil v. 11.06.2013, Az.: 57 C 16103/12)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin gestattet das Gericht, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 3'879,80 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin gehört zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern. Unter der zu diesem Zeitpunkt dem Beklagten zugeordneten IP-Adresse ...# kam es am 09.12.2010 um 13:22 Uhr zu einer Nutzung einer auf dem BitTorrent-Protokoll beruhenden Filesharingsoftware, wobei das Musikalbum "XXX", bestehend aus 15 Einzeltiteln, von der Musikgruppe "XX" zum Upload zur Verfügung gestellt worden ist. Weiter stand oben genanntes Musikalbum am 10.12.2010 um 12:51 Uhr, am 11.12.2010 um 11:34 Uhr und am 12.12.2010 um 11:33 Uhr unter einer zum Internetanschluss des Beklagten gehörenden IP-Adresse zum Upload zur Verfügung.

Neben dem Beklagten wird der Internetanschluss durch die Ehefrau und die 1989 und 1995 geborenen Kinder des Beklagten genutzt. Die beiden Söhne verfügen dabei über einen eigenen PC, den der Beklagte nicht nutzt.

Nach Ermittlung der IP-Adresse sandte die Klägerin an den Beklagten unter Angabe der konkreten vom Filesharing umfassten Werke ein Abmahnschreiben vom 23.03.2011, mit dem sie ihn aufforderte es zu unterlassen, geschütztes Musikrepertoire der Klägerin im Internet verfügbar zu machen. Für die Einzelheiten wird auf Anlage K1 der Klageschrift Bezug genommen. Der Beklagte reagierte hierauf mit Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung dahingehend, dass er es ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz unterlässt, das "Werk" "XXX" der Künstlergruppe "XX" im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Für die Einzelheiten wird auf Anlage K4 der Klageschrift Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen an sie angemessenen Schadenersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Höhe von 2€500 Euro zu zahlen sowie weitere 1€379, 80 Euro Kosten der Abmahnung nach einem Streitwert von 50€000 Euro.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Gründe

Die Klage ist abzuweisen, denn weder steht fest, dass der Beklagte Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung zum Nachteil der Klägerin war; noch steht fest, dass er als Störer zu qualifizieren ist, wobei die reine Störereigenschaft im Übrigen keinen Schadenersatzanspruch begründen könnte, sondern lediglich einen Anspruch auf Tragung der Kosten der Abmahnung.

1. Ein Schadenersatzanspruch im Wege der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 S.1 UrhG steht der Klägerin nicht zu, weil der Beklagte bestritten hat, die Urheberrechtsverletzung selbst begangen zu haben und die Klägerin Beweis für die Täterschaft des Beklagten nicht anbieten konnte. Nach den von der Klägerin vorgelegten Beweismitteln steht lediglich fest, dass die Urheberrechtsverletzung vom Internetanschluss des Beklagten ausgegangen ist. Dies aber bedeutet noch nicht, dass auch der Beklagte selbst Täter oder Teilnehmer war. Es besteht nämlich kein zu widerlegender Anscheinsbeweis dahingehend, dass der Anschlussinhaber Täter der Urheberrechtsverletzung durch Filesharing war, sondern lediglich eine tatsächliche Vermutung (OLG Köln MMR 2012, 549; im Einzelnen zum Unterschied zwischen diesen Rechtsbegriffen wie auch zu den rechtsdogmatischen Grundlagen und der aktuellen Entwicklung der Rechtsprechung Solmecke et al. MMR 2013, 217ff). Auch der Bundesgerichtshof nimmt einen solchen Anscheinsbeweis nicht an. Vielmehr kommt die Beklagtenseite ihrer sekundären Darlegungslast bereits durch entsprechend konkreten Vortrag nach, dass die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als der Täterschaft des Anschlussinhabers besteht. Ist sie dieser nachgekommen, verbleibt es bei der vollen Beweislast der Klägerseite für die Täterschaft des Anschlussinhabers (BGH MMR 2010, 565 (Sommer unseres Lebens), dort Randnummer 12; wiederholt in BGH I ZR 74/12 (Morpheus), dort Randnummern 32-35, insbesondere Randnummer 35 weist eindeutig der Klägerseite die Beweislast zu). Damit trägt die Klägerseite die volle Beweislast für die Täterschaft der Beklagtenseite, sobald diese lediglich substantiiert darlegt - nicht beweist - dass weitere Personen Zugriff auf ihren Internetanschluss hatten. Dieser Auffassung des Bundesgerichtshofs schließt sich das Amtsgericht an, da sie allein den grundlegenden Beweisregeln des Zivilrechts entspricht. Ein durch die Beklagtenseite zu widerlegender Anscheinsbeweis setzt - anders als eine tatsächliche Vermutung - das sichere Feststehen von Tatsachen voraus, die nach allgemeiner Lebenserfahrung auf einen typischen gleichförmigen Geschehensablauf schließen lassen (MüKo-ZPO-Prütting § 286 Rn. 48ff.). Es gibt aber keinen Grundsatz der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss allein nutzt und etwaige Rechtsverletzungen daher durch ihn begangen sind. Im Gegenteil spricht die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass ein Internetanschluss, der zu einem Mehrpersonenhaushalt gehört, auch von allen berechtigten Personen gleichberechtigt und ohne ständige Aufsicht durch den Anschlussinhaber genutzt wird und dass auch Gäste Zugriff auf den Internetanschluss haben.

(a) Der Beklagte ist seiner sekundären Darlegungslast hinreichend durch den Vortrag nachgekommen, dass in seinem Haushalt seine in den Jahren 1989 und 1995 geborenen Söhne wohnen und diese über einen eigenen PC, auf den der Beklagte keinen Zugriff hat, auf das Internet zugreifen. Damit besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass die Nutzung des Filesharings durch einen der Söhne erfolgt ist. Eine tiefergehende Darlegungslast besteht nicht, insbesondere muss der Anschlussinhaber keinen Sachverhalt vortragen, der die Täterschaft einer anderen Person wahrscheinlicher erscheinen lässt als seine eigene oder gar die eigene Täterschaft unmöglich erscheinen lässt. Dies zu fordern, würde dem Wesen der sekundären Darlegungslast nicht gerecht werden. Anders als der Anscheinsbeweis beruht die die sekundäre Darlegungslast auslösende tatsächliche Vermutung der Nutzung durch den Anschlussinhaber nicht auf einem entsprechenden Erfahrungssatz, sondern darauf, dass der Nutzerkreis des Internetanschlusses in der Sphäre des Anschlussinhabers liegt und demnach nur er - nicht aber die Klägerseite - in der Lage ist, zum Nutzerkreis näher vorzutragen. Die Zumutbarkeit der sekundären Darlegungslast für die Beklagtenseite beruht also gerade darauf, dass diese zu Tatsachen vortragen soll, zu der sie sich - im Gegensatz zur Klägerseite - aus eigener Kenntnis üblicherweise erklären können muss (ständige Rechtsprechung; BGH NJW 1999, 1404 (1406) mwN). Sie darf dagegen nicht dazu verwendet werden zu Ergebnissen zu kommen, die dem hier mangels ausreichender Erfahrungsgrundlage nicht gegebenen Anscheinsbeweis entsprechen. Daher kann insbesondere nicht Vortrag dahingehend gefordert werden, wer zu den angegebenen Tatzeitpunkten den Internetzugang genutzt hat. Hierbei handelt es sich um keine Information, die in der Sphäre des Anschlussinhabers üblicherweise verfügbar ist, weil gewöhnlich kein Buch darüber geführt wird, welcher Mitnutzer wann den Anschluss genutzt hat. Insbesondere darf die sekundäre Darlegungslast nicht dazu benutzt werden, im Ergebnis eine gesetzlich nicht gegebene Gefährdungshaftung für Inhaber von Internetanschlüssen zu schaffen, der nur dadurch entkommen werden könnte, dass Buch darüber geführt wird, welcher Mitnutzer wann genau im Internet war. Nutzungsaufzeichnungen dieser Art werden unter Familienmitgliedern üblicherweise nicht geführt. Aus diesem Grund kann vom Anschlussinhaber auch nicht gefordert werden, dass er konkret angibt, welche andere Person als Täter in Frage kommt (OLG Hamm NJOZ 2012, 975). Im Übrigen würde eine solche Forderung im Widerspruch zum Rechtsgedanken des § 383 ZPO stehen. Verfehlt ist daher auch die von der Klägerseite mit Schriftsatz vom 29.05.2013 eingeführte Rechtsauffassung des Landgerichts Köln gemäß Hinweisbeschluss vom 13.12.2012, Az. 28 O 346/12, wonach zum konkreten Nutzungsverhalten sämtlicher Mitnutzer vorzutragen sein soll, um einen atypischen Lebenssachverhalt, nämlich die Nichtverantwortlichkeit des Anschlussinhabers, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Die Rechtsauffassung ist geprägt von einer unzulässigen Vermengung der sekundären Darlegungslast und des Anscheinsbeweises und verkennt gänzlich, dass die Nutzung des Anschlusses durch eine andere Person als den Anschlussinhaber gerade kein atypischer Lebenssachverhalt ist, sondern dies den Normalfall darstellt. Soweit das Landgericht Köln am Ende des zitierten Ausschnittes des Hinweisbeschlusses anführt, eine andere Auslegung ließe für "den vom BGH postulierten Anscheinsbeweis" nur noch in Haushalten allein lebender Menschen Raum, wird bereits im Ansatz verkannt, dass der Bundesgerichtshof gerade keinen Anscheinsbeweis "postuliert" hat, sondern lediglich eine tatsächliche Vermutung, die eine sekundäre Darlegungslast auslöst. Dem Hinweisbeschluss liegt eine bedenkliche Rechtsauffassung zu Grunde, die davon geprägt sind, unter Umgehung der üblichen zivilprozessualen Beweisregeln dem Anschlussinhaber eine Beweislast für seine Nichtnutzung des Filesharings aufzuerlegen. Diese Rechtsauffassungen scheinen auf der Überlegung zu fußen, dass eine wirksame "Bekämpfung" des Filesharing im Internet nur möglich ist, wenn eine Entlastung des Anschlussinhabers nur in Ausnahmefällen gelingt. Indes darf aber die Bekämpfung tatsächlicher oder vermeintlicher Missstände kein Anlass sein, für Urheberrechtsverletzungen eine Art Sonderbeweisrecht zu Gunsten der Rechteinhaber zu schaffen. Es gehört zu den rechtsstaatlichen Grundlagen des Zivilprozesses, dass der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt. Abweichungen sind nur im Einzelfall veranlasst und dürfen nicht dazu führen, dass der Beklagte sich regelmäßig zu entlasten hat. Abweichungen von der Beweisverteilung sind vielmehr rechtsstaatlich nur dann akzeptabel, wenn die allgemeine Lebenserfahrung einen bestimmten typischen Lebenssachverhalt nahelegt - siehe hierzu die Anwendungen der Regeln des Anscheinsbeweises im Straßenverkehrsrecht - nicht aber bereits dann, wenn es absehbar ist, dass die Klägerseite den Beweis nur schwer wird führen können, die allgemeine Lebenserfahrung aber die von der Klägerseite behaupteten Tatsachen nicht nahe legt. In einem solchen Fall obliegt vielmehr dem Beklagten lediglich eine sekundäre Darlegungslast zu den Tatsachen, die er üblicherweise kraft Sachnähe vortragen kann. Hierzu gehört bei einem Familieninternetzugang aber gerade nicht detaillierter Vortrag zu Einzelheiten des Nutzungsverhaltens der Familienmitglieder, da eine derartige Überwachung in der Praxis nicht stattfindet und auch nicht stattzufinden hat. Verfehlt ist es in diesem Zusammenhang insbesondere auch vom Anschlussinhaber zu verlangen, dass er im Zweifel Tatsachen, die die Mitnutzung durch andere nahelegen, nicht nur darzulegen, sondern auch zu beweisen hat. Eine sekundäre Darlegungslast betrifft anders als ein Anscheinsbeweis nur die abweichende Verpflichtung zum Parteivortrag, aber gerade nicht die Beweisverteilung (BGH NJW 2008, 982 (984); Beck-OK-ZPO-Bacher § 284 Rn. 84).

Dass dies im Ergebnis zur Folge hat, dass in Fällen des Filesharings vielfach der Klägerseite der Beweis nicht gelingen wird - dies erscheint selbst in einem Einzelhaushalt denkbar, weil die regelmäßige Mitnutzung durch Besucher üblich ist und auch keine allgemeine Lebenserfahrung dafür streitet, dass in einem Einpersonenhaushalt keine weitere Person den Internetzugang unbeaufsichtigt benutzt - ist in einem Rechtsstaat hinzunehmen. Dieses - von manchen Instanzgerichten offenbar als unerträglich angesehene Ergebnis - könnte letztlich nur der Gesetzgeber ändern, nämlich durch Einführung einer Gefährdungshaftung des Anschlussinhabers. Es gehört nicht zum Aufgabenkreis der Rechtsprechung, eine faktische Gefährdungshaftung durch den Grundlagen des Zivilprozesses widersprechende Beweislastverteilung faktisch zu schaffen. Im Übrigen begegnet eine weit reichende Haftung des Anschlussinhabers weit größeren rechtspolitischen Bedenken als die Problematik der klägerischen Beweisführung. Eine weit reichende Haftung des Anschlussinhabers würde im Ergebnis dazu führen, dass sowohl andere Haushaltsmitglieder als auch Besucher unter ständiger Beobachtung durch den Anschlussinhaber stehen müssten. Insbesondere dürfte der Anschlussinhaber, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, mit Forderungen überzogen zu werden die das Durchschnittsnettoeinkommen der Bevölkerung bei weitem überschreiten, nicht zulassen, dass Besucher seines Haushaltes mittels mitgebrachter Laptops oder Handys über W-LAN den Internetzugang benutzen bzw. müsste zumindest detailliert Buch darüber führen, wer wann in seinem Haushalt zu Besuch war, über welches Endgerät er das Internet genutzt hat und wie dessen Nutzungsverhalten war. Dies aber ist nicht nur lebensfremd, sondern würde in nicht zumutbarer Weise das soziale Zusammenleben beeinträchtigen. Fremde Internetzugänge - sei es in der eigenen Familie oder bei Freunden - unbeaufsichtigt zu benutzen, ist fester Bestandteil des modernen Alltagslebens. Dass auf diese Art und Weise jedem die Möglichkeit gegeben wird, kurzfristig und flexibel auf Informationen jedweder Art zuzugreifen, ist ein bedeutender kultureller Wert, der durch eine überzogene Haftung des Anschlussinhabers massiv gefährdet ist. Eine Rechtsprechung, die im Ergebnis bewirkt, dass der Anschlussinhaber zur Vermeidung hoher zivilrechtlicher Forderungen gegen ihn nichts anders kann als Besucher und Familienangehörige ständig zu überwachen oder ihnen die Anschlussnutzung zu verbieten, gefährdet die kulturellen Werte einer modernen liberalen Gesellschaft weit mehr als möglicherweise schwer verfolgbare Urheberrechtsverletzungen.

Nachdem der Beklagte also somit seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, ist die Klägerin für den Beweis der Täterschaft des Beklagten beweispflichtig. Beweis hat sie nicht angeboten.

(b) Der Beklagte haftet auch nicht aus einer Verletzung der Aufsichtspflicht heraus. Eine Haftung aus § 832 Abs. 1 BGB kommt unabhängig von der Frage, ob eine ausreichende Belehrung des 1995 geborenen Sohnes zum Verbot des Filesharing erfolgt ist, schon deswegen nicht in Betracht, weil nicht feststeht, dass dieser Sohn Täter der Urheberrechtsverletzung war (vgl. hierzu LG Köln ZUM 2013, 66). Hierfür kommt nämlich ebenso der 1989 geborene Sohn in Betracht, der zum Tatzeitpunkt bereits das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, somit nicht mehr unter elterlicher Sorge stand.

2. Zum Anspruch auf Tragung der Abmahnkosten:(a) Der Beklagte ist darüber hinaus auch nicht als Störer gemäß § 97 Abs. 1 UrhG anzusehen, so dass auch ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nicht besteht. Allein die Zurverfügungstellung des Internetanschlusses an sich führt noch nicht zur Störerhaftung, vielmehr bedarf es um eine uferlose Ausweitung der Haftung auf Dritte, die weder Täter noch Teilnehmer sind zu vermeiden, hierzu der Verletzung von Prüfpflichten (BGH NJW 2010, 2061 Rn. 19). Darin, dass der Beklagte zugelassen hat, dass über seinen Internetzugang ein weiterer von ihm in keiner Weise kontrollierbarer PC, nämlich der der Söhne, Zugriff auf das Internet hat, ist eine Verletzung von Prüfpflichten nicht zu erblicken. Es gehört zum üblichen Familienleben dazu, dass verschiedene Familienmitglieder eigene Computer haben und mittels dieser über einen gemeinsamen Anschluss, dessen Inhaber ein Familienmitglied, auch auf das Internet zugreifen. Eine Verpflichtung zur Kontrolle durch den Anschlussinhaber besteht nicht. Sie würde in unzumutbarer Weise in die Autonomie der übrigen Familienmitglieder eingreifen und faktisch zu einer Unterordnung der anderen Familienmitglieder unter den Anschlussinhaber führen und wäre überdies ohne vertiefte technische Kenntnisse für den Anschlussinhaber kaum durchführbar. Sie würde daher im Ergebnis auf eine gesetzgeberisch nicht gewollte und auch rechtspolitisch verfehlte Gefährdungshaftung für Anschlussinhaber hinauslaufen. Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Morpheus-Entscheidung angedeutet, dass die Prüfpflichten aus der Anschlussinhabereigenschaft nicht weitergehender sind als bestehende Aufsichtspflichten nach bürgerlichem Recht (BGH NJW 2013, 1441 Rn. 42). Solche bestehen zwischen volljährigen Familienmitgliedern aber gerade nicht.

(b) Da somit bereits mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Störerhaftung eine Verpflichtung zur Tragung der Abmahnkosten nicht besteht, kommt es nicht mehr darauf an, ob ein Streitwert von 50€000 Euro tatsächlich der Sache angemessen ist, weiter kommt es auch nicht darauf an, ob der Anspruch auf Kostenerstattung aus anderen Gründen nicht besteht. Dennoch sei angemerkt, dass das Gericht erhebliche Zweifel an der Erstattungsfähigkeit von unbestimmt formulierten Abmahnungen hat, die lediglich pauschal dazu auffordern, das geschützte Musikrepertoire der Klägerin nicht im Internet verfügbar zu machen. Durch das zuständige Oberlandesgericht ist bereits entschieden worden, dass ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten wegen Vorliegens einer gänzlich unbrauchbaren anwaltlichen Tätigkeit dann nicht besteht, wenn weder das konkret betroffene Werk benannt ist noch die geforderte Unterlassung konkret beschrieben ist (OLG Düsseldorf MMR 2012, 253). Anders als in dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts zu Grunde liegendem Sachverhalt ist hier zwar das vom Filesharing betroffene Werk konkret benannt, jedoch wird weiterhin pauschal und ohne Beigabe einer Repertoireliste dazu aufgefordert Musikrepertoire der Klägerin nicht ohne ihre Einwilligung im Internet zugänglich zu machen. Vorgefertigte Abmahnschreiben dieser Art sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen, die der AGB-Kontrolle unterliegen. Die pauschale Aufforderung eine Erklärung abzugeben, dass sämtliche Werke der Klägerin nicht im Internet verfügbar zu machen sind, ist nach § 307 Abs. 1 S.2 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, weil hiermit das Beweisrisiko, ob ein bestimmtes Werk dem Urheberrechtsschutz des Verwenders der AGB unterliegt oder nicht, der Gegenseite aufgebürdet wird (OLG Düsseldorf aaO). Zwar ist die Beklagtenseite nicht zwingend gehalten, die vorformulierte Unterlassungserklärung der Klägerseite zu verwenden, sondern kann - wie hier geschehen - eine modifizierte Unterlassungserklärung abgeben, die sich lediglich auf die vom Filesharing konkret betroffenen Werke bezieht. Die Klägerin zielt jedoch mit der Formulierung ihrer Abmahnschreiben darauf aus, dass die Beklagtenseite innerhalb gesetzter Frist die vorformulierte unbestimmte und damit nach § 307 Abs. 1 S.2 BGB unwirksame strafbewehrte Unterlassungserklärung, die der Formulierung im Abmahnschreiben entspricht, der Klägerin unterschrieben zurücksendet.

Die an eine ordnungsgemäße Abmahnung zu stellende Mindestforderung ist diejenige, dass sie geeignet ist, einen Unterlassungsprozess zu vermeiden (OLG München NJWE-WettbR 1998, 65). Würde die Beklagtenseite der in der Abmahnung enthaltenen Aufforderung, keine rechtlich geschützten Werke der Klägerin im Internet zur Verfügung zu stellen, durch Zurücksendung der vorformulierten Unterlassungserklärung nachkommen, wäre diese wegen ihrer Unwirksamkeit gerade nicht geeignet, einen gerichtlichen Unterlassungsprozess zu vermeiden, so dass einiges dafür spricht, dass auch bei der hier verwendeten Formulierung des Abmahnschreibens nebst beigegebener Unterlassungserklärung keine hinreichend brauchbare Anwaltsleistung gegeben ist. Es mag zwar - wie hier - im Einzelfall sein, dass der Empfänger der Abmahnung sich selbst Rechtsrat einholt - wozu er nicht verpflichtet ist - und sodann eine hinreichend konkrete wirksame Unterlassungserklärung abgibt. Dies ändert aber nichts daran, dass eine im Rechtsverkehr brauchbare Abmahnung nur dann gegeben ist, wenn im Fall, dass der Empfänger der in ihr enthaltenen Unterlassungsaufforderung durch Abgabe einer entsprechenden strafbewehrten Unterlassungserklärung nachkommt, diese Rechtsgültigkeit beanspruchen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO im Hinblick auf die Kosten der Beklagtenseite.






AG Düsseldorf:
Urteil v. 11.06.2013
Az: 57 C 16103/12


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