Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 19. März 2008
Aktenzeichen: I ZR 225/06
(BGH: Beschluss v. 19.03.2008, Az.: I ZR 225/06)
Tenor
Die Beschwerden der Klägerinnen und der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2006 werden zurückgewiesen, weil die Rechtssachen weder grundsätzliche Bedeutung haben noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Streitwert: 7,2 Mio. €
Gründe
I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Kunststoff-Spritzgießtechnik. Der Beklagte zu 2 war bei der Klägerin zu 2 für die Konstruktion und Produktion von PET-Spritzwerkzeugen und Heißkanalsystemen zuständig. Nachdem die Klägerin zu 2 das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zu 2 beendet hatte, gründete er die Beklagte zu 1.
Die Klägerinnen haben behauptet, der Beklagte zu 2 habe bei seinem Ausscheiden Datensätze mit Konstruktionszeichnungen entwendet und für die Anfertigung von Werkzeugen übernommen. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Beklagten mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 25. November 2003 zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung verurteilt sowie ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt. Auf die Berufung der Parteien hat das Berufungsgericht die Beklagten mit Teil- und Grundurteil vom 8. März 2005 zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung verurteilt, ferner hat es den geltend gemachten Zahlungsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, dass die Beklagten den Klägerinnen den darüber hinausgehenden Schaden zu ersetzen haben. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 24. November 2005 zurückgewiesen.
Im vorliegenden Betragsverfahren verlangen die Klägerinnen Schadensersatz in Höhe von 7.045.940,48 € sowie die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Teil- und Grundurteils vom 8. März 2005 und die Verurteilung zur Zahlung eines Kostenvorschusses von 170.963,20 €. Das Berufungsgericht hat dem Zahlungsantrag stattgegeben und den Antrag auf Urteilsveröffentlichung und Vorschusszahlung abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden. Mit ihren Revisionen möchten die Klägerinnen ihren Antrag auf Abweisung des Zahlungsantrags und die Beklagten ihren Antrag auf Verurteilung zur Urteilsveröffentlichung und Vorschusszahlung weiterverfolgen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten macht unter anderem geltend, es stelle sich die grundsätzliche Rechtsfrage, ob in Fällen der Verwertung fremder Betriebsgeheimnisse auch dann der gesamte Verletzergewinn herauszugeben sei, wenn andere Ursachen für den Umfang des Verletzergewinns mit ursächlich gewesen seien. Eine Zulassung der Revision sei insoweit auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Senats abweiche, nach der nur der auf der Verletzungshandlung beruhende Anteil des Gewinns herauszugeben sei. Damit dringt die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten nicht durch.
1. Nach dem rechtskräftigen Teil- und Grundurteil des Berufungsgerichts vom 8. März 2005 steht fest, dass die Beklagten sich die Konstruktionspläne der Klägerinnen widerrechtlich verschafft und bei der Herstellung ihrer Werkzeuge verwendet haben; die Beklagten haben demnach ein Betriebsgeheimnis der Klägerinnen schuldhaft verletzt und sind den Klägerinnen daher zum Ersatz des ihnen hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Das Berufungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerinnen den ihnen durch die Verletzung des Betriebsgeheimnisses entstandenen Schaden auf dreifache Weise berechnen und demnach die Herausgabe des Verletzergewinns verlangen können (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.1977 - I ZR 112/75, GRUR 1977, 539, 541 f. = WRP 1977, 897 - Prozessrechner).
2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten nicht verkannt, dass der Verletzergewinn nur insoweit herauszugeben ist, als er auf der Rechtsverletzung beruht (BGH, Urt. v. 21.9.2006 - I ZR 6/04, GRUR 2007, 431 Tz. 37 = WRP 2007, 533 - Steckverbindergehäuse, m.w.N.); das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass nach der Rechtsprechung des Senats insoweit zwischen den verschiedenen, einen Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns begründenden Rechtsverletzungen zu unterscheiden ist.
a) Bei der unlauteren Nachahmung eines schützenswerten Leistungserzeugnisses kommt es darauf an, ob und inwieweit beim Vertrieb der nachgeahmten Produkte die Gestaltung als Imitat für die Kaufentschlüsse ursächlich gewesen ist oder ob andere Umstände eine wesentliche Rolle gespielt haben. Selbst bei einer identischen oder fast identischen Nachahmung kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass jeder Kaufentschluss und damit der gesamte Gewinn allein durch das imitierte Aussehen und nicht auch durch andere wesentliche Umstände verursacht worden ist. So kann für den Kaufentschluss beispielsweise auch der niedrige Preis des nachgeahmten Produkts ausschlaggebend sein (BGHZ 119, 20, 29 - Tchibo/Rolex II). Für die Entscheidung zum Kauf eines technischen Gegenstands kann weniger die Gestaltung als vielmehr die technische Funktionalität (für die kein Schutz in Anspruch genommen werden kann) maßgeblich sein (BGH GRUR 2007, 431 Tz. 40 - Steckverbindergehäuse, m.w.N.). Auch bei einer Kennzeichenrechtsverletzung wird der geschäftliche Erfolg in vielen Fällen nicht ausschließlich oder noch nicht einmal überwiegend auf der Verwendung des fremden Kennzeichens, sondern auf anderen Umständen beruhen (BGH, Urt. v. 6.10.2005 - I ZR 322/02, GRUR 2006, 419 Tz. 15 = WRP 2006, 587 - Noblesse). Entsprechende Überlegungen gelten für die Verletzung von Geschmacksmusterrechten (BGHZ 145, 366, 375 - Gemeinkostenanteil), Urheberrechten und Patentrechten (OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 274, 277).
b) Anders liegt es bei einer Verletzung von Betriebsgeheimnissen. In höchstrichterlichen Entscheidungen ist wiederholt ausgesprochen worden, dass eine unter Verstoß gegen § 17 UWG erlangte Kenntnis von Betriebsgeheimnissen vom Verletzer in keiner Weise verwendet werden darf; Ergebnisse, die der Verletzer mittels solcher Kenntnisse erzielt, sind von Anfang an und - jedenfalls in der Regel - dauerhaft mit dem Makel der Wettbewerbswidrigkeit behaftet. Das muss auch für solche Entwicklungen gelten, die zwar nicht vollständig auf den unlauter erlangten Kenntnissen beruhen, bei denen diese aber - entweder für eigenständige Entwicklungsgedanken des Verletzers oder neben diesen - in einer Weise mitursächlich geworden sind, die wirtschaftlich oder technisch nicht als bedeutungslos angesehen werden kann. Denn auch in diesen Fällen wird die unlauter erlangte Kenntnis zum Vorteil des Verletzers (mit-)verwendet, da er ohne sie, d.h. bei ausschließlich eigenständiger Entwicklung, entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nur später und/oder mit größerem eigenen Aufwand zu gleichen Entwicklungsergebnissen hätte gelangen können wie unter Zuhilfenahme der mit dem Makel der Wettbewerbswidrigkeit behafteten Kenntnisse (BGH, Urt. v. 19.12.1984 - I ZR 133/82, GRUR 1985, 294, 296 - Füllanlage, m.w.N.).
c) Die Grundsätze der Entscheidung "Füllanlage" sind entgegen der Darstellung der Beklagten durch die Entscheidung "Spritzgießwerkzeuge" (BGH, Urt. v. 3.5.2001 - I ZR 153/99, GRUR 2002, 91 = WRP 2001, 1174) nicht in Zweifel gezogen worden. Dort heißt es zwar, es sei zu prüfen, ob nicht im Streitfall eine zeitliche Begrenzung des nachvertraglichen Geheimnisschutzes geboten sei (BGH GRUR 2003, 91, 94 - Spritzgießwerkzeuge). Es ging in jener Entscheidung aber nicht um einen Anspruch aus § 17 UWG wegen der rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung von Betriebsgeheimnissen, sondern um den - rechtlich anders zu beurteilenden - Anspruch aus § 1 UWG a.F. wegen der Weitergabe und Verwertung von während des Beschäftigungsverhältnisses auf redliche Weise erlangten Betriebsgeheimnissen. In einem solchen Fall setzt sowohl die Feststellung der Unlauterkeit als auch die Festlegung der Rechtsfolgen eine Gesamtabwägung zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen einerseits und dem Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung seines technischen Knowhows andererseits voraus (BGH GRUR 2003, 91, 93, 94 - Spritzgießwerkzeuge). Für solche Abwägungen und Einschränkungen ist bei einer Verletzung fremder Betriebsgeheimnisse nach § 17 UWG kein Raum.
d) Das Berufungsgericht hat der Entscheidung "Füllanlage", nach der unter Verstoß gegen § 17 UWG erlangte Kenntnisse von Betriebsgeheimnissen in keiner Weise verwendet werden dürfen und die dadurch erzielten Ergebnisse von Anfang an und - jedenfalls in der Regel - dauerhaft mit dem Makel der Wettbewerbswidrigkeit behaftet sind, zu Recht entnommen, dass bei einer Verletzung von Betriebsgeheimnissen grundsätzlich der gesamte unter Einsatz des geheimen Knowhows erzielte Gewinn herauszugeben ist. Es gibt keinen Grund, dies im Streitfall ausnahmsweise anders zu beurteilen. Die Beklagten, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast tragen, haben, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, nicht aufgezeigt, dass die von ihnen vertriebenen Werkzeuge nur zu einem bestimmten Teil auf den klägerischen Konstruktionsdateien, zu einem anderen Teil aber auf eigenen Konstruktionsplänen beruhen. Soweit die Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde erneut geltend machen, der zu ersetzende Schaden bestehe lediglich in den ersparten Aufwendungen für eigene Konstruktionszeichnungen, hat bereits das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass es im Streitfall nicht um die von den Beklagten ersparten Aufwendungen, sondern um den den Klägerinnen entstandenen Schaden geht. Es ist daher vollkommen unerheblich, ob die Beklagten von einem gewissen Zeitpunkt ab nicht mehr auf Konstruktionsdateien der Klägerinnen angewiesen gewesen wären, sondern auf eigene Konstruktionszeichnungen hätten zurückgreifen können. Davon abgesehen ändern diese hypothetischen Erwägungen der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten nichts daran, dass die Beklagten tatsächlich keine eigenen Konstruktionszeichnungen erstellt, sondern die Konstruktionsdateien der Klägerinnen verwendet haben.
III. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.
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LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 25.09.2003 - 2/3 O 460/01 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 28.11.2006 - 11 U 57/03 -
BGH:
Beschluss v. 19.03.2008
Az: I ZR 225/06
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