Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 20. Dezember 2011
Aktenzeichen: I-6 W 214/11

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 20.12.2011, Az.: I-6 W 214/11)

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger vom 05. November 2011 wird der Streitwert-beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 13. April 2011 - 32 O 81/09 - abgeändert und der Streitwert für das Ver-fahren auf 250.000,00 € = 125.000,00 € pro angefochtenem Beschluss der Hauptversammlung vom 25. März 2009 festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Streitwert für die von den beiden Klägern - zwei Kleinaktionären der beklagten Aktiengesellschaft - eingereichte, mangels Einzahlung eines Vorschusses für die Gerichtskosten aber niemals zugestellte Anfechtungsklage gegen zwei Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 25. März 2009 endgültig auf 500.000,00 € festgesetzt, durch die zwei Beschlüsse aus der früheren Hauptversammlung vom 27. März 2008 wieder aufgehoben worden sind, mit denen die Durchführung einer Sonderprüfung zur Untersuchung von möglichen Pflichtverletzungen des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Beklagten im Zusammenhang mit dem Beinahezusammenbruch der Beklagten im Zuge der Finanzkrise beschlossen worden war.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der hohe Streitwert sei aufgrund der gerichtsbekannten Gesamtumstände gerechtfertigt. Den angefochtenen Beschlüssen komme eine besonders hohe wirtschaftliche Bedeutung zu, da sie Auswirkungen auf eine Vielzahl von Haftungsprozessen mit hohen Streitwerten hätten. Aus einem Parallelverfahren sei außerdem gerichtsbekannt, dass bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Beschlüsse für die Maßnahmen im Rahmen der Sonderprüfung allein schon Kosten von ca. 1,2 Millionen € angefallen seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die - nach der Auslegung des Senats von beiden Klägern im eigenen Namen eingelegten - Streitwertbeschwerde vom 05. November 2011, mit der diese geltend machen: Der festgesetzte Streitwert sei überhöht. Von den zum Zeitpunkt der angefochtenen Beschlüsse schon aufgelaufenen Kosten hätten sie bei Erhebung der Klage nichts gewusst. Sie hätten daher von einem Streitwert in der üblichen Größenordnung von rund 50.000,00 € ausgehen dürfen, wie ihn der Senat z.B. in dem Verfahren I-6 U 121/08 zugrunde gelegt habe.

Das Landgericht hat der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen und diese mit Beschluss vom 23. November 2011 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG statthafte und auch ansonsten zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kläger ist teilweise begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang.

1. Gemäß § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG bestimmt das Prozessgericht den Streitwert für eine aktienrechtliche Beschlussmängelklage unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles - insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien - nach billigem Ermessen, wobei dieser jedoch gemäß § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Zehntel mehr als 500.000,00 € beträgt, 500.000,00 € nur insoweit übersteigen darf, als die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist.

In die Ermessensentscheidung mit einzubeziehen ist also zunächst das Interesse der beiden Kläger, welches aber in der Regel - und so auch hier - nur maximal mit dem Kurswert ihrer Beteiligungen als Kleinaktionäre zu bemessen ist (Senat, Beschluss vom 31.08.2000 - 6 W 33/00 - = AG 2001, 267 f. = juris Rn 19 m.w.N.). Auf der Gegenseite ist das Interesse der beklagten Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der angefochtenen Beschlüsse zu berücksichtigen. Dazu gehört auch das Interesse, das die anderen Aktionäre an der Verteidigung der angefochtenen Beschlüsse haben, weil sie von einem rechtskräftigen Urteil gemäß § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG mitbetroffen werden. Maßgeblich für den Wert des von der Gesellschaft verfolgten Interesses ist vorrangig der Vermögenswert der beschlossenen Maßnahme; kann ein solcher nicht festgestellt werden, ist auf die Bedeutung der betroffenen Gesellschaft abzustellen, für die etwa der Betrag des Grundkapitals oder die Bilanzsumme Indizien bilden (MüKoAktG/Hüffer, 3. Auflage, § 247 AktG Rn 12 m.w.N.).

2. Nach diesen Grundsätzen hält der Senat hier im Ergebnis auch unter Berücksichtigung der in dem angefochtenen Beschluss angeführten Umstände nur einen Streitwert in Höhe von 250.000,00 € (= 2 x 125.000,00 €( für angemessen.

a) Anders als in dem Beschwerdeverfahren I-6 W 45/09, in dem der Senat über den Antrag von drei Aktionären mit einem Gesamtbesitz von immerhin 211.100 Stammaktien zur erneuten Bestellung des durch die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 27. März 2008 eingesetzten und sodann durch die hier angefochtenen Beschlüsse in der weiteren Hauptversammlung vom 25. März 2009 wieder abberufenen Sonderprüfers durch das Landgericht entschieden und den Streitwert dafür gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO auf einen Betrag von 500.000,00 € - und somit auf den gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2 KostO zulässigen Höchstbetrag - festgesetzt hat, geht es hier nämlich nur um eine Beschlussmängelklage zweier Kleinaktionäre, deren besonderes Interesse an einem für sie nicht unzumutbar hohen Streitwert der Gesetzgeber zudem durch die Sondervorschrift des § 247 Abs. 1 AktG gerade gewahrt sehen will (MüKoAktG/Hüffer, a.a.O., § 247 AktG Rn 2 m.w.N.). Jedenfalls die finanziellen Interessen der Klägerseite sind daher in dem hier vorliegenden Fall deutlich geringer anzusetzen als in dem Verfahren I-6 W 45/09, in dem allein ein für den Fall einer Pflichtverletzung in Betracht kommender Schadensersatzanspruch nur der dortigen Antragsteller selbst gegen die Gesellschaft oder deren Organe sich im Zweifel auf einen Betrag von mehr als dem dort festgesetzten Streitwert von 500.000,00 € belaufen dürfte.

b) Bei angemessener Berücksichtigung der Interessen auch der Klägerseite können daher nach der Ansicht des Senats im Ergebnis auch die in dem angefochtenen Beschluss in der Sache letztlich nur berücksichtigten Interessen der beklagten Gesellschaft jedenfalls nicht einen Streitwert in Höhe des gemäß § 247 Abs. 1 Satz 2 ZPO zulässigen Höchstbetrages von 500.000,00 € rechtfertigen, sondern nur einen Streitwert in Höhe der Hälfte dieses Höchstbetrages, mithin also in der sich aus dem Beschlusstenor ergebenden Höhe von 250.000,00 €.

Hinzu kommt, dass es entgegen der Auffassung des Landgerichts auf die bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Hauptversammlung vom 25. März 2009 angefallenen Kosten der Sonderprüfung in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht ankommen kann, weil der Anfall dieser Kosten in der Vergangenheit durch den Ausgang der von den Klägern erhobenen Beschlussmängelklage ohnehin nicht mehr hätte beeinflusst werden können. Auch im Hinblick auf die in dem angefochtenen Beschluss weiter angeführten Auswirkungen auf andere Haftungsprozesse mit zum Teil hohen Streitwerten ist außerdem zu beachten, dass die hier in Betracht kommenden Verfahren im wesentlichen bereits deutlich vor der Hauptversammlung im März 2009 eingeleitet waren und aus Gründen, die der Senat in dem Beschwerdeverfahren über die Sonderprüfung in anderem Zusammenhang bereits näher dargelegt hat (vgl. Beschlüsse vom 09. Dezember 2009 - I-6 W 45/09 = AG 2010, 126 ff. = juris Rn 63 und vom 04. Februar 2010 - I 6 W 45/09 = juris Rn 10), durch den hier streitgegenständlichen Abbruch der Sonderprüfung nur noch in einem begrenzten Umfang beeinflusst werden konnten.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 20.12.2011
Az: I-6 W 214/11


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