Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Urteil vom 10. November 2010
Aktenzeichen: 6 A 1896/09
(Hessischer VGH: Urteil v. 10.11.2010, Az.: 6 A 1896/09)
Die Pflicht zur Verschwiegenheit des Rechtsanwalts gilt gem. § 2 Abs. 2 BORA nicht, soweit die Berufsordnung für Rechtsanwälte oder andere Rechtsvorschriften Ausnahmen zulassen oder die Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder die Verteidigung des Rechtsanwalts in eigener Sache die Offenbarung erfordern.
Eine derartige Ausnahme lässt sich der Vorschrift des § 44c KWG- oder anderen Vorschriften des Kreditwesengesetzes - nicht entnehmen.
Von den vorbezeichneten Ausnahmen abgesehen entfällt bzw. endet die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts nur dann, wenn sein Mandant auf diesen Schutz verzichtet.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil desVerwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2009 - 1 K3874/08.F -, der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2007 undder Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2008 aufgehoben.
Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zutragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung inHöhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorder Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Auskunfts- und Vorlegungsersuchens vom 28. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2008.
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er nahm von Juni bis Juli 2007 auf seinem bei der A... Bank AG, Filiale Eisenach, geführten Girokonto größere Geldbeträge unterschiedlicher Zahlungsanweiser in Höhe von insgesamt 496.000,00 € entgegen. Als Verwendungszweck war regelmäßig €B...€ oder Ähnliches angegeben. Davon ließ sich der Kläger am 5. Juli 2007 einen Betrag in Höhe von 120.000,00 € in bar auszahlen, verwendete im Juli 2007 einen Betrag in Höhe von 155.000,00 € mit der Zweckangabe: €Wertpapierkauf Depot€ und wies am 16. Juli 2007 einen Betrag in Höhe von 170.000,00 € an Herrn Rechtsanwalt D... an.
Mit Bescheid vom 28. November 2007 ersuchte die Beklagte den Kläger € gestützt auf § 44c Abs. 1 KWG € ihr sämtliche Geschäfts- und Kontounterlagen vorzulegen, welche seine Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit der Firma €C...€ und der Gesellschaft €B... GbR€ beträfen oder mit dieser im Zusammenhang ständen, und ihr € der Beklagten € insoweit Auskunft über seine Geschäftsangelegenheiten zu erteilen (I. des Bescheids). Gleichzeitig wurde dem Kläger die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 50.000,00 € angedroht (II. des Bescheids) und die sofortige Vollziehung der Zwangsgeldandrohung angeordnet (III. des Bescheids). Zur Begründung führte die Beklagte aus, es bestehe der Verdacht, dass der Kläger erlaubnispflichtige Bankgeschäfte und/oder Finanzdienstleistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 und § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG betreibe bzw. erbringe oder in unerlaubte Geschäftstätigkeiten der €C...€ bzw. der €B... GbR€ einbezogen sei.
Gegen den Bescheid vom 28. November 2007 € zugestellt am 30. November 2007 € legte der Kläger persönlich Widerspruch ein, den er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung damit begründete, dass er weder Finanzdienstleistungen erbracht habe noch als €echter Treuhänder€ tätig geworden sei. Die Entgegennahme der Gesellschafterbeiträge sei ausschließlich auf der Grundlage eines Mandantenauftrags erfolgt, der lautete, diese auf Verdachtsfälle nach dem Geldwäschegesetz zu überprüfen; es habe sich also um eine anwaltliche Tätigkeit gehandelt. Der Wertpapierkauf über einen Betrag von 155.000,00 € sei auf Anweisung der Mandantschaft erfolgt und in ein Anderdepot überführt worden.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2008 wurde das im vorgenannten Bescheid angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 50.000,00 € festgesetzt, dem Kläger die Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 100.000,00 € angedroht und die sofortige Vollziehung der Zwangsgeldfestsetzung sowie der erneuten Zwangsgeldandrohung angeordnet.
Gegen diesen Bescheid € zugestellt am 11. Januar 2008 € legte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 22. Januar 2008 Widerspruch ein und suchte am selben Tag bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main um Eilrechtsschutz nach.
Das Verwaltungsgericht hat die im Eilverfahren gestellten Anträge mit Beschluss vom 7. März 2008 (1 L 198/08.F) als unbegründet abgelehnt. Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat den vorbezeichneten Beschluss abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 28. November 2007 und 10. Januar 2008 angeordnet bzw. wiederhergestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 28. November 2007 zurück.
Den Zwangsgeldfestsetzungsbescheid vom 10. Januar 2008 hob die Beklagte später mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2009 auf.
Am 7. November 2008 hat der Kläger Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2008 erhoben. Die Rechtswidrigkeit des Auskunfts- und Vorlegungsersuchens hat er mit einem Verstoß gegen die Pflicht des Rechtsanwalts zur Verschwiegenheit begründet. Er sei nicht zur Auskunft über seine Tätigkeit für die €C...€ und die €B... GbR€ und zur Vorlage der entsprechenden Geschäftsunterlagen verpflichtet, weil er sich diesbezüglich auf seine Verschwiegenheitspflicht nach § 43a Abs. 2 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung € BRAO € bzw. § 2 Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte € BORA € berufen könne. Die Pflicht zur Verschwiegenheit beziehe sich nach § 43a Abs. 2 Satz 2 BRAO bzw. § 2 Abs. 2 BORA auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt bekannt geworden sei. Die Aufgaben, mit denen er durch die oben genannten Gesellschaften betraut worden sei, habe er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt ausgeübt. Er sei im Rahmen eines Wirtschaftsmandats beauftragt worden, die Gesellschafterbeiträge auf Verdachtsfälle nach dem Geldwäschegesetz zu überprüfen. Er sei bevollmächtigt worden, die Gesellschafterbeiträge über ein von ihm eingerichtetes Rechtsanwaltsanderkonto zu überprüfen und Verdachtsfälle zu melden; die Überprüfung sei ihm über seine Kanzleisoftware RA-Micro-Recherche möglich. In Verdachtsfällen sei er befugt gewesen, nach § 11 GwG Anzeige zu erstatten.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 28. November 2007 und den Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2008 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine Klageerwiderung befindet sich nicht in den Gerichtsakten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Mai 2009 als unbegründet abgewiesen und die Berufung zugelassen. Dabei hat sich das Verwaltungsgericht € ebenso wie im Eilverfahren € auf den Standpunkt gestellt, dass der Kläger die Auskunft und die Vorlage von Unterlagen nicht unter Hinweis auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht verweigern könne.
Der Rechtsanwalt sei in dem Maße zur Verschwiegenheit verpflichtet, wie auch sein Mandant selbst keine Auskunft geben müsse. Umgekehrt folge daraus, dass ein Rechtsanwalt nicht zur Verschwiegenheit über Angelegenheiten berechtigt sei, in denen der Mandant selbst einer Auskunftspflicht unterliege. Da die Mandantin des Klägers € die C... Ltd. € nach § 44c KWG zur Auskunft verpflichtet sei, könne nichts anderes auch für den Kläger gelten. Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht diene nämlich weder dem Zweck, den Anwalt selbst vor finanzdienstleistungsrechtlicher Verantwortung zu schützen, noch dazu, den etwaigen Betreibern unerlaubter Bankgeschäfte durch die Einschaltung eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Rechtsanwalts die Möglichkeit zu verschaffen, sich vollständig der aufsichtsrechtlichen Kontrolle zu entziehen, indem sie das Wissen um wesentliche Teile ihres Geschäftsmodells bei dem Anwalt monopolisierten, so dass sie selbst mangels Kenntnis und der Anwalt wegen der Verschwiegenheitspflicht keine Auskunft erteilen könnten.
Im Übrigen beziehe sich das Recht und die Pflicht zur Verschwiegenheit nur auf das, was dem Rechtsanwalt €in Ausübung seines Berufs€ bekannt geworden sei. Eine treuhänderische Tätigkeit als solche sei keine anwaltliche Berufstätigkeit. Von einer der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht umfassten Tätigkeit könne nur die Rede sein, wenn der Gegenstand der treuhänderischen Beauftragung eine Rechtsberatung sei. Es dürfe sich deshalb nicht um eine Treuhandtätigkeit handeln, die ausschließlich wirtschaftlich geprägt sei oder bei der die Rechtsberatung weitgehend hinter die wirtschaftliche Geschäftsabwicklung zurücktrete. Die Kammer könne aus der Tätigkeitsbeschreibung des Klägers nicht erkennen, dass es sich dabei um eine spezifisch anwaltliche Tätigkeit handele. Sie halte vielmehr an ihrer im Eilbeschluss dargelegten Auffassung fest, dass diese Tätigkeit nicht über die eines Geldwäschebeauftragten im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 GwG a.F. hinausgehe, die nicht der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterliege. Mit dem neuen Geldwäschegesetz vom 13. August 2008 sei die erforderliche Bestellung eines der Geschäftsleitung nachgeordneten Geldwäschebeauftragten zwar entfallen. Es bleibe der internen Organisationsstruktur der Verpflichteten überlassen, wie sie den ihnen auferlegten Sorgfaltspflichten bei der Entgegennahme von Geld entsprächen. Sie könnten diese Aufgabe aber nach wie vor auf einen Dritten übertragen, wenn dieser bestimmte Qualifikationen erfülle (§ 7 Abs. 1 GwG 2008). Dritter in diesem Sinne könne insbesondere auch ein Rechtsanwalt sein (§ 7 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 7 GwG 2008). Als solcher unterliege der Rechtsanwalt € und das sei im vorliegenden Zusammenhang bemerkenswert € auch der behördlichen Aufsicht nach § 16 GwG. Damit unterlägen auch Rechtsanwälte als originär Verpflichtete oder in der Funktion eines Geldwäschebeauftragten bzw. Dritten (§ 7 Abs. 1 GwG) der Aufsicht und könnten sich nicht auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht berufen.
Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass die Tätigkeit des Geldwäschebeauftragten, wenn sie von einem Rechtsanwalt ausgeübt werde, der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterliege, vermöge die Kammer nicht zu erkennen, dass die Vereinnahmung von Geldern auf einem anwaltlichen Anderkonto in irgendeinem funktionalen Zusammenhang zur Tätigkeit als Geldwäschebeauftragter stehe.
Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 25. Mai 2009 zugestellt.
Am 18. Juni 2009 hat der Bevollmächtigte des Klägers Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 25. August 2009 begründet. Er macht geltend, dass das Verwaltungsgericht die Reichweite der besonderen anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht verkenne. Das Verwaltungsgericht verkenne insbesondere, dass der Rechtsanwalt nicht im selben Maße zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, wie sein Mandant selbst die Auskunft verweigern könne. Der Rechtsanwalt sei nur dann zur Auskunft berechtigt, wenn der Mandant ihn von der Schweigepflicht entbinde; Ausnahmen gälten lediglich bei Erkenntnissen über geplante besonders schwere Straftaten gemäß § 138 StGB und nach §§ 6 und 11 GwG.
Der Kläger habe zahlreiche für die Annahme anwaltlicher Interessenvertretung sprechende Anhaltspunkte vorgetragen: Er sei im Rahmen eines Wirtschaftsmandats beauftragt worden, die Gesellschafterbeiträge der C... Ltd. auf Verdachtsfälle nach dem Geldwäschegesetz zu überprüfen. Die Gesellschaft habe ihm die Meldepflicht nach dem Geldwäschegesetz insbesondere vor dem Hintergrund übertragen, dass der Kläger als Rechtsanwalt einer eigenen gesetzlichen Meldepflicht unterliege. Die Überprüfung und Identifizierung der einzelnen Personen, die Gesellschafterbeiträge überwiesen hätten, sei dem Kläger über seine Kanzleisoftware RA-Micro-Recherche möglich. Seine Tätigkeit erschöpfe sich nicht nur in Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung, im Hinblick auf die Anzeige von Verdachtsfällen nach den §§ 2 ff. sowie § 11 GwG sei es durchaus sinnvoll, sich bezüglich der Erfüllung dieser Straftatbestände rechtlichen Beistands zu versichern. Im Beratungsgespräch habe der Kläger die Mandantin über die Rechtslage, die sich daraus ergebenden Pflichten zur Identifizierung und Meldung von Verdachtsfällen, die praktische Anwendung sowie Wege der gesetzeskonformen Transparenz beraten. Denn seitens der Mandantin sei eine Lösung gesucht worden, die den Regelungen des Geldwäschegesetzes entspreche, insbesondere vor dem Hintergrund anstehender Auslandsüberweisungen der Gesellschafterbeiträge durch die Mandantin. Der Kläger habe demnach neben der Treuhandtätigkeit bzw. der Tätigkeit eines Geldwäschebeauftragten in erheblichem Umfang rechtlichen Beistand im Sinne der §§ 1 und 3 Abs. 1 BRAO geleistet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2009 aufzuheben und den Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 28. November 2007 und den Widerspruchsbescheid der Behörde vom 10. Oktober 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält das gegen den Kläger gerichtete Auskunfts- und Vorlegungsersuchen für rechtmäßig. Sie teilt insbesondere die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts gemäß § 43 Abs. 2 BRAO bzw. § 1 Abs. 2 BORA nicht so weit reiche, €dass der Rechtsanwalt, auch wenn der Mandant auskunfts- und vorlegungspflichtig ist, Auskunft und Vorlage verweigern könnte€.
Im Übrigen übe der Kläger im Zusammenhang mit der C... Ltd. keine anwaltliche Tätigkeit wie Rechtsberatung und Rechtsvertretung aus. Eine reine Treuhandtätigkeit als solche sei keine anwaltliche Tätigkeit; auch die Tätigkeit eines Geldwäschebeauftragten sei keine anwaltliche Tätigkeit. Es gebe zudem keinen funktionalen Zusammenhang zwischen der Vereinnahmung der Gelder und der Überprüfung nach dem Geldwäschegesetz. Auch die Angabe des Klägers, die Mandantin habe ein Interesse daran gehabt, mit den einzelnen Einzahlungen nicht befasst zu werden, sondern nur den Gesamtbetrag zu erhalten, habe mit den Verpflichtungen aus dem Geldwäschegesetz nichts zu tun.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens (2 Bände) sowie des Eilverfahrens (2 Bände) und auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge (5 Hefter Behördenakten und 2 Hefter Widerspruchsvorgänge).
Gründe
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2009 - 1 K 3874/08.F - ist begründet.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die Berufung in dem vorbezeichneten Urteil zugelassen. Der Kläger hat am 18. Juni 2009 gegen das ihm am 25. Mai 2009 zugestellte Urteil und damit fristgemäß i. S. v. § 124a Abs. 2 VwGO Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist ebenfalls fristgemäß i. S. v. § 124a Abs. 3 VwGO am 25. August 2009 bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen, nachdem die Begründungsfrist entsprechend § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO bis zu diesem Tag verlängert worden war.
Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid vom 28. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2008 zu Unrecht abgewiesen. Die Anfechtungsklage gegen den vorbezeichneten Bescheid ist zulässig und begründet; der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dabei ist das Verwaltungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Zulässigkeit der Anfechtungsklage nicht etwa die Erledigung der Hauptsache entgegensteht, die allerdings eingetreten wäre, wenn der Kläger die von ihm geforderten Auskünfte zwischenzeitlich in vollem Umfang erteilt hätte.
Die Argumentation des Verwaltungsgerichts knüpft offensichtlich an die Regelung in § 43 Abs. 2 VwVfG an, wonach ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, so lange und so weit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Betrachtet man die vollständige Erfüllung der mit Bescheid auferlegten Pflichten als Erledigung auf andere Weise i. S. d. § 43 Abs. 2 VwVfG, so wäre der Bescheid unwirksam geworden und bedürfte grundsätzlich keiner förmlichen Aufhebung mehr. Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen zu Recht ausgeführt, dass der Kläger der ihm mit Bescheid vom 28. November 2007 auferlegten Auskunftspflicht nicht (vollständig) nachgekommen ist; auch hat er die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt. Das an den Kläger gerichtete Ersuchen der Beklagten im Bescheid vom 28. November 2007 lautet dahingehend, ihr sämtliche Geschäfts- und Kontounterlagen vorzulegen, welche seine Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit der Firma €C...€ und der Gesellschaft €B... GbR€ beträfen oder mit dieser in Zusammenhang ständen, und ihr - der Beklagten - insoweit Auskunft über seine Geschäftsangelegenheiten zu erteilen. Der Kläger hat zwar im Verwaltungsverfahren und im Eilverfahren Auskünfte erteilt und Unterlagen vorgelegt. Dabei handelte es sich aber bereits nach den eigenen Angaben des Klägers nicht um eine umfassende Erfüllung des Auskunfts- und Vorlegungsersuchens, da er sich im Übrigen auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht berufen hat. Auch das Vorbringen des Klägers im Klageverfahren, insbesondere im Berufungsverfahren, wo er an seinem Antrag auf Aufhebung des Bescheids vom 28. November 2007 festhält, kann nur so verstanden werden, dass er selbst davon ausgeht, nicht vollumfänglich Auskunft erteilt und Unterlagen vorgelegt zu haben. Auch die Beklagte bringt mit ihrer Antragstellung zum Ausdruck, dass sie nach wie vor an dem Auskunfts- und Vorlegungsersuchen festhält.
Die Anfechtungsklage ist auch begründet.
Das Auskunfts- und Vorlegungsersuchen im Bescheid vom 28. November 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Als Rechtsgrundlage für das Auskunfts- und Vorlegungsersuchen hat sich die Beklagte in ihrem Bescheid vom 28. November 2007 sowie im Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2008 auf § 44c Abs. 1 und 6 des Gesetzes über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz - KWG -) - offensichtlich in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung - gestützt.
Der Senat legt der Prüfung des noch nicht erfüllten und damit auf Dauer angelegten Vorlegungsersuchens der Beklagten allerdings die aktuelle Rechtslage zu Grunde (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 6 C 11.07 u.a. -, ZIP 2008, 911 [Rdnr. 20]; BVerwG, Urteil vom 08.07.2009 - 8 C 4.09 -, ZIP 2009, 1899 [Rdnr. 36]; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Aufl., 2010, § 108 Rdnr. 19), d. h. das Kreditwesengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), zuletzt geändert durch das Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen (VersVerGAnfG) vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 950).
Das Verwaltungsgericht und die Beklagte sind zu Recht davon ausgegangen, dass die Dienstleistungen, die der Kläger als Rechtsanwalt für die Firma €C...€ und die Gesellschaft €B... GbR€ erbringt, den Tatbestand der Ermächtigungsnorm gem. § 44c Abs. 1 und 6 KWG verwirklichen.
Nach § 44c Abs. 1 Satz 1 KWG hat ein Unternehmen, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass es Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 32 KWG oder verbotene Geschäfte nach § 3 KWG betreibt, auf Verlangen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. Der gleichen Verpflichtung unterliegen Mitglieder der Organe und Beschäftigte dieses Unternehmens sowie in die Abwicklung der Geschäfte einbezogene oder einbezogen gewesene andere Unternehmen. Absatz 6 des § 44c KWG stellt ergänzend klar, dass die Rechte der Bundesanstalt auch hinsichtlich der Unternehmen und Personen bestehen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in die Anbahnung, den Abschluss oder die Abwicklung unerlaubter Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen einbezogen sind.
Nach Wortlaut und Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/7142, S. 93) dient die Regelung dazu, Auskunfts- und Vorlegungspflichten für Unternehmen zu begründen, bei denen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen anbieten und einer Erlaubnis nach § 32 KWG bedürften, auf Grund des ungeklärten Sachverhalts über die tatsächliche Einordnung des Geschäftsgegenstandes jedoch noch Zweifel bestehen. Durch Anordnungen nach § 44c KWG sollen die Sachverhaltsgrundlagen für Maßnahmen nach § 37 KWG (oder § 6 Abs. 3 KWG) geschaffen werden (BVerwG, Urteil vom 22.09.2004 - 6 C 29.03 -, BVerwGE 122, 29).
Das eigene Betreiben unerlaubter Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen im Sinne der ersten Alternative von § 44c Abs. 1 KWG scheidet nach dem vorliegenden Sachverhalt aus, denn der Kläger wird bei der Entgegennahme bzw. Weitergabe der Gelder nicht im eigenen Namen tätig, sondern er führt hiermit Aufgaben im Auftrag der oben genannten Gesellschaften aus (vgl. zum Erfordernis des Handelns in eigenem Namen: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, Kommentar, 3. Aufl., 2008, § 1 KWG Rdnr. 23). Allein die Aussage der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2008 (S. 7 = Bl. 54 des Widerspruchsvorgangs [Q 31 - 89.50.10.48 - 13/07 - Dz]), es könne auf Grund der mangelnden Auskünfte des Klägers und der daher bestehenden Unklarheiten nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger selbst als Verantwortlicher der €C... Ltd.€ bzw. €B... GbR€ agiere und so möglicherweise die unerlaubten Geschäfte selbst betreibe, genügt nicht, um von einem Anfangsverdacht i. S. d. § 44 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 KWG ausgehen zu können.
Der Kläger ist aber als Unternehmen i. S. d. § 44c Abs. 1 KWG in die Abwicklung (möglicher) Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen der auftraggebenden Gesellschaften einbezogen. Diese durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010) neu aufgenommene Tatbestandsalternative bezweckt eine Ausweitung der Auskunfts- und Vorlegungspflicht im Interesse einer effektiven Aufklärung möglicher unerlaubter Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen auf sämtliche im weitesten Sinne beim Vertrieb dubioser Anlageprodukte beteiligten Drittunternehmen, wozu nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/8017, S 128) gerade auch die Tätigkeit von Treuhändern zählt. Damit unterfällt diesem Tatbestand auch die Tätigkeit eines Rechtsanwalts, der - wie im vorliegenden Fall der Kläger - im Auftrag eines Dritten Gelder entgegen nimmt und weiterleitet.
Gleichwohl ist der Kläger nicht zur Auskunft über die seine Tätigkeit für die beiden oben genannten Gesellschaften betreffenden Geschäfte und zur Vorlage der entsprechenden Geschäftsunterlagen verpflichtet, weil er sich diesbezüglich auf seine Verschwiegenheitspflicht nach § 43a Abs. 2 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO - bzw. § 2 Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte - BORA - berufen kann.
Die Pflicht zur Verschwiegenheit des Rechtsanwalts bezieht sich nach § 43a Abs. 2 Satz 2 BRAO bzw. § 2 Abs. 2 BORA auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist. Gem. § 2 Abs. 2 BORA gilt die Pflicht zur Verschwiegenheit nicht, soweit die Berufsordnung für Rechtsanwälte oder andere Rechtsvorschriften Ausnahmen zulassen oder die Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder die Verteidigung des Rechtsanwalts in eigener Sache die Offenbarung erfordern. Eine derartige Ausnahme lässt sich der Vorschrift des § 44c KWG - oder anderen Vorschriften des Kreditwesengesetzes - nicht entnehmen. Von den vorbezeichneten Ausnahmen abgesehen entfällt bzw. endet die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts nur dann, wenn sein Mandant auf diesen Schutz verzichtet (Feuerich/Weylandt, Bundesrechtsanwaltsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 43a BRAO Rdnr. 24).
Liegt keiner dieser Ausnahmefälle vor, ist die anwaltliche Schweigepflicht weiteren Einschränkungen grundsätzlich nicht zugänglich.
Bei der Regelung der Verschwiegenheitspflicht nach § 43a Abs. 2 Satz 2 BRAO und § 2 Abs. 2 BORA handelt es sich um eine besondere Berufsausübungsregelung, die das von staatlicher Kontrolle freizuhaltende Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant und die eigenständige und unabhängige Funktion des Rechtsanwalts zur Durchsetzung des Rechts im Interesse des Mandanten schützen soll. Der Schutz der anwaltlichen Berufsausübung vor staatlicher Kontrolle liegt hierbei nicht allein im individuellen Interesse des einzelnen Rechtsanwalts oder Rechtssuchenden. Als Organ der Rechtspflege ist der Rechtsanwalt dazu berufen, die Interessen seines Mandanten zu vertreten; sein berufliches Tätig werden liegt im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege. Dem Rechtsanwalt als berufenen unabhängigen Berater und Beistand obliegt es, seinem Mandanten umfassend beizustehen. Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgabe ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Grundbedingungen dafür, dass ein solches Vertrauensverhältnis entstehen kann, sind Integrität und Zuverlässigkeit des Rechtsanwalts. Die Verschwiegenheitspflicht ist daher unverzichtbare Bedingung der anwaltlichen Berufsausübung (BVerfG, Urteil vom 30.03.2004 - 2 BvR 1520/01 u.a. -, BVerfGE 110, 226 [251 ff.] m. w. N.).
Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts darf folglich nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen (vgl. § 3 Abs. 2 BRAO), das den Anforderungen von Art. 12 Abs. 1 GG genügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. 07. 2003 - 1 BvR 238/01 -, NJW 2003, 2520). Ohne eine spezialgesetzlich ausdrücklich normierte Beschränkung der Verschwiegenheitspflicht lässt sich eine solche deshalb nicht allein aus allgemeinen Erwägungen wie etwa der Befürchtung herleiten, die Beauftragung des Rechtsanwalts diene allein dazu, eigene Auskunfts- und Vorlagepflichten des Mandanten zu umgehen und dadurch dessen illegales Handeln zu verschleiern. Ebenso wenig kann der durch § 43a Abs. 2 Satz 2 BRAO und § 2 Abs. 2 BORA normierte Schutzbereich auf die Interessenwahrnehmung für "rechtsunkundige Bürger" reduziert werden. Insbesondere ist es aber ohne entsprechende gesetzliche Grundlage nicht zulässig, die Auskunfts- und Vorlagepflicht des Mandanten nach § 44c KWG dergestalt mit der Schweigepflicht des Rechtsanwalts zu verknüpfen, dass Letztere - wie das Verwaltungsgericht und die Beklagte meinen - nur so weit reiche, wie auch der Mandant nicht zur Auskunft verpflichtet sei. Bei der Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts handelt es sich aus den oben dargelegten Gründen um ein eigenständiges, von den fachgesetzlichen Regelungen des Kreditwesengesetzes unabhängiges Institut, dessen besondere Zweckbestimmung getrennt von den Zielen des Fachgesetzes zu würdigen ist.
Die Voraussetzungen der § 43a Abs. 2 Satz 2 BRAO, § 2 Abs. 2 BORA, unter denen der Rechtsanwalt über die ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden Umstände Stillschweigen zu bewahren hat, liegen hier sämtlich vor.
Der Kläger hat das Wissen, das Anknüpfungspunkt für das Auskunfts- und Vorlegungsersuchen im Bescheid vom 28. November 2007 ist, in Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt erlangt.
Im Hinblick auf die Vielfältigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hat es der Gesetzgeber unterlassen, den Wirkungskreis des Rechtsanwalts nach Sachgebieten im Einzelnen festzulegen. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 BRAO bestimmt lediglich allgemein, dass der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass derjenige, der sich an einen Rechtsanwalt wendet, diesen auch als solchen in Anspruch nimmt (Gerold/Schmidt/von Eiken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 18. Aufl., 2008, § 1 RVG Rdnr. 26 m. w. N.; LG Dresden, Beschluss vom 14.06.2007 - 3 AR 5/07 -, NJW 2007, 2789). Die Vertretung kann auch rein wirtschaftliche Interessen zum Gegenstand haben, wenn die dem Rechtsanwalt eigentümliche Aufgabe, rechtlichen Beistand zu leisten, nicht völlig in den Hintergrund tritt (Feuerich/Weylandt, a.a.O., § 3 BRAO Rdnr. 4). Auch Treuhandtätigkeit gehört zum (typischen) Berufsbild des Rechtsanwalts; dass § 1 Abs. 2 RVG - früher § 1 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) - die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Treuhänder ausdrücklich vom Geltungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ausnimmt, ist nicht entscheidend, zumal auch andere anwaltliche Tätigkeit kraft Vereinbarung grundsätzlich außerhalb des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes abgerechnet werden kann. Voraussetzung ist lediglich, dass Gegenstand der treuhänderischen Beauftragung eine Rechtsberatung ist. Es darf sich deshalb nicht um eine Treuhandtätigkeit handeln, die ausschließlich wirtschaftlich geprägt ist oder bei der die Rechtsberatung weitgehend hinter die wirtschaftliche Geschäftsabwicklung zurücktritt (BGH, Urteil vom 09.11.1992 - II ZR 141/91 -, BGHZ 120, 157 [159 f.]; Feuerich/Weylandt, a.a.O., Einl. BRAO Rdnr. 18).
Der Senat hat dazu im Eilverfahren die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer anwaltlichen Tätigkeit des Klägers - und damaligen Antragstellers - soweit ersichtlich erfüllt seien. Auf Seiten 6 ff. des Beschlusses vom 14. August 2008 (6 B 815/08) heißt es:
€Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21. Juli 2008 auf die gerichtliche Verfügung vom 4. Juli 2008 dargelegt, dass zwischen ihm und den Auftraggebern ein Wirtschaftsmandat bestanden habe, das ausschließlich auf seine Tätigkeit als Rechtsanwalt bezogene Tätigkeiten zum Inhalt gehabt habe, nicht aber eine Anlageberatung oder eine Vermögensverwaltung. Die Auftraggeber hätten ihm - dem Antragsteller - die Meldepflicht nach dem Geldwäschegesetz übertragen, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass er einer eigenen gesetzlichen Meldepflicht unterlegen habe. Er sei in diesem Rahmen bevollmächtigt worden, die Gesellschafterbeiträge über ein von ihm eingerichtetes Rechtsanwaltsanderkonto zu überprüfen und Verdachtsfälle zu melden. Eine solche Überprüfung sei ihm über seine Rechtsanwaltssoftware möglich, über die er sofortigen Zugriff auf die Daten von Einwohnermeldeämtern in ganz Deutschland habe. Dieser direkte Zugriff auf die elektronischen Auskunftsdateien ermögliche es ihm, die Person des Überweisenden zu identifizierten und die Adresse der betreffenden Person zu ermitteln, wobei über die angewendete Software überprüft werden könne, ob eine angegebene Adresse postalisch korrekt sei. Um eine Überprüfung auf Verdachtsfälle vorzunehmen, habe er von der Gesellschaft die Anschrift, das Geburtsdatum, die Höhe der Beteiligungen und die Bankverbindung des betreffenden Gesellschafters erhalten und auf der Grundlage dieser Daten mit der Anwaltssoftware die Identifizierung des Gesellschafters vorgenommen. Er sei jeweils ausdrücklich ermächtigt und beauftragt worden, Verdachtsfälle bei zweifelhafter Identifizierung zu melden und entsprechende Zahlungseingänge, die dem Gesellschafter wirtschaftlich nicht hätten zugeordnet werden können, zu melden.
Legt man diese Ausführungen zu Grunde, kann nicht von einem ausschließlich oder vorherrschend wirtschaftlich geprägten Treuhandverhältnis zwischen dem Antragsteller und seinen Auftraggebern ausgegangen werden. Die Entgegennahme von Geldern der Gesellschafter der oben genannten Unternehmen steht nach dem Vortrag im Schriftsatz vom 21. Juli 2008 in engem Zusammenhang mit der dem Antragsteller im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit möglichen Überprüfung und Identifizierung der einzahlenden Personen und ist schon deshalb der anwaltlichen Tätigkeit im Sinne von § 43 a Abs. 2 Satz 2 BRAO bzw. § 2 Abs. 2 BORA zuzurechnen. Dass es einer solchen näheren Überprüfung anhand von Daten der Einwohnermeldeämter nicht bedarf, um den Verpflichtungen nach § 6 und § 8 des Geldwäschegesetzes nachzukommen, ist unerheblich. Das Vorliegen einer anwaltlichen Tätigkeit beurteilt sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und der Vorinstanz nicht danach, ob die Einschaltung eines Rechtsanwalts notwendig oder sinnvoll ist. Überdies erscheint die Annahme der Antragsgegnerin und des Verwaltungsgerichts, die Beauftragung des Antragstellers sei mit Blick auf die den Auftraggebern nach dem Geldwäschegesetz obliegenden Verpflichtungen deshalb überflüssig, weil sich die Tätigkeit des Antragstellers in Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung erschöpfe, zu denen der anwaltliche Sachverstand nichts beitragen könne, fragwürdig. § 6 des Geldwäschegesetzes knüpft bezüglich der Verpflichtung zur Identifizierung des Vertragspartners bei einer vereinbarten Transaktion bei Vorliegen von Verdachtsfällen an die Straftatbestände in § 261 und § 129 a StGB an, so dass es durchaus sinnvoll erscheinen kann, sich bezüglich der Erfüllung eines dieser Straftatbestände rechtlichen Beistands zu versichern.
Es haben sich im vorliegenden Eilverfahren auch keine Hinweise darauf ergeben, dass mit der Bestellung des Antragstellers als "Geldwäschebeauftragter" allein die Absicht verfolgt wurde, sich durch Berufung auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht den Auskunfts- und Vorlagepflichten nach § 44 c KWG zu entziehen. Allerdings lässt sich bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der aufsichtsrechtlichen Anordnung der Antragsgegnerin vom 28. November 2007 nicht endgültig klären. Eindeutige Anhaltspunkte dafür, wie das Vertragsverhältnis zwischen dem Antragsteller und der C... Ltd. ausgestaltet ist, lassen sich weder dem erstinstanzlichen Beschluss noch den Gerichts- oder Verwaltungsakten entnehmen. Diese Überprüfung bleibt ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.€
Eindeutige Anhaltspunkte dafür, wie das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der €C... Ltd.€ ausgestaltet ist, lassen sich zwar auch nach Durchführung des Hauptsacheverfahrens nicht gewinnen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich weitergehende Angaben des Klägers zu dem Mandatsverhältnis aus dessen Sicht verbieten, da er ansonsten Gefahr läuft, wegen des Verstoßes gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht zur Rechenschaft gezogen zu werden. Geht man von der Prämisse aus, dass derjenige, der sich an einen Rechtsanwalt wendet, diesen im Zweifel auch als solchen in Anspruch nimmt, so ist die Vorlage der dem Kläger erteilten Vollmacht (vgl. Bl. 41 der Gerichtsakten) bereits ein Indiz dafür, dass sich der Kläger zu Recht auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht beruft. Untermauert hat das der Kläger dadurch, dass er im Laufe des Verfahrens teilweise Auskunft über das Wirtschaftsmandat erteilt und eine eigene eidesstattliche Versicherung (Bl. 54 der Gerichtsakten) abgegeben hat. Er hat im Wesentlichen vorgetragen, er sei im Rahmen eines Wirtschaftsmandats beauftragt worden, die Gesellschafterbeiträge der C... Ltd. auf Verdachtsfälle nach dem Geldwäschegesetz zu überprüfen. Die Gesellschaft habe ihm die Meldepflicht nach dem Geldwäschegesetz insbesondere vor dem Hintergrund übertragen, dass der Kläger als Rechtsanwalt einer eigenen gesetzlichen Meldepflicht unterliege. Die Überprüfung und Identifizierung der einzelnen Personen, die Gesellschafterbeiträge überwiesen hätten, sei dem Kläger über seine Kanzleisoftware RA-Micro-Recherche möglich. Seine Tätigkeit erschöpfe sich nicht nur in Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung, im Hinblick auf die Anzeige von Verdachtsfällen nach den §§ 2 ff. sowie § 11 GwG sei es durchaus sinnvoll, sich €bezüglich der Erfüllung dieser Straftatbestände€ rechtlichen Beistands zu versichern. Im Beratungsgespräch habe der Kläger die Mandantin über die Rechtslage, die sich daraus ergebenden Pflichten zur Identifizierung und Meldung von Verdachtsfällen, die praktische Anwendung sowie Wege der gesetzeskonformen Transparenz beraten. Denn seitens der Mandantin sei eine Lösung gesucht worden, die den Regelungen des Geldwäschegesetzes entspreche, insbesondere vor dem Hintergrund anstehender Auslandsüberweisungen der Gesellschafterbeiträge durch die Mandantin. Der Kläger habe demnach neben der Treuhandtätigkeit bzw. der Tätigkeit eines Geldwäschebeauftragten in erheblichem Umfang rechtlichen Beistand im Sinne der §§ 1 und 3 Abs. 1 BRAO geleistet.
Danach bleibt der Senat bei seiner Auffassung, dass von einem ausschließlich oder vorherrschend wirtschaftlich geprägten Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Auftraggebern nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann. Die Entgegennahme von Geldern der Gesellschafter steht nach dem Vortrag des Klägers in engem Zusammenhang mit der Leistung rechtlichen Beistands und ist schon deshalb der anwaltlichen Tätigkeit zuzurechnen. Allein die Tatsachen, dass der Kläger keinen in sich schlüssigen Vortrag über den Inhalt des Mandatsverhältnisses gehalten hat, dass er kein Anderkonto eröffnet hat und dass er in erheblichem Umfang Barabhebungen getätigt hat, rechtfertigen es - entgegen der Auffassung der Beklagten nicht - den Kläger als reine €Zahlstelle€ zu betrachten und ihm die Leistung rechtlichen Beistands im Verhältnis zu seiner Mandantin abzusprechen.
Sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer anwaltlichen Tätigkeit - wie beim Kläger - erfüllt, unterliegt der Kläger auch der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Die Pflicht zur Verschwiegenheit lässt sich - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch nicht mit dem Hinweis negieren, die Tätigkeit des Klägers gehe nicht über die eines Geldwäschebeauftragten i. S. d. § 14 Abs. 2 Nr. 1 GwG a. F. hinaus, der gerade nicht der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterliege. Es stellt sich bereits die Frage, ob der Kläger tatsächlich als Ansprechpartner für die Strafverfolgungsbehörden bei der Verfolgung der Geldwäsche nach § 261 StGB bestimmt war (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 1 GwG a. F.) oder eine vergleichbare Position i. S. d. § 7 GwG n. F. inne hatte. Der Vortrag des Klägers lässt auch die Schlussfolgerung zu, dass ihm die Position eines Geldwäschebeauftragten nur im Innenverhältnis zukam. Jedenfalls wäre er als Ansprechpartner für die Strafverfolgungsbehörden bei der Verfolgung der Geldwäsche i. S. d. § 14 Abs. 2 Nr. 1 GwG a. F. oder als Dritter, dem die Erfüllung der Sorgfaltspflichten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 gem. § 7 GwG n. F. übertragen worden sind, lediglich in diesem Rahmen zur Erteilung von Auskünften berechtigt und verpflichtet. Zuständige Aufsichtsbehörde für den Kläger als Rechtsanwalt wäre nach § 16 Abs. 2 Nr. 4 GwG nicht die Beklagte, sondern die jeweils örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer i. S. d. §§ 60, 61 BORA.
Die Anfechtungsklage ist nach alledem begründet.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Beklagte zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 ZPO i. V. m. § 167 VwGO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor.
Beschluss:
Der Streitwert wird auch für den zweiten Rechtszug auf 50.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG und folgt der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 66 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Hessischer VGH:
Urteil v. 10.11.2010
Az: 6 A 1896/09
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