Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. November 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 236/02

(BPatG: Beschluss v. 25.11.2003, Az.: 33 W (pat) 236/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. April 2002 aufgehoben.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 10. März 1998 die Wort-/Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endefür folgende Dienstleistungen angemeldet worden:

Kl. 35: Personal- und Stellenvermittlung; Vermittlung von Filmschaffenden; Geschäftsführung für darstellende Künstler;

Kl. 41: Filmproduktion; Verfassen von Drehbüchern; Fernsehunterhaltung;

Kl. 42: Berufsberatung; Betreuung von Filmschaffenden.

Mit Beschluss vom 15. April 2002 hat die Markenstelle für Klasse 35 durch ein Mitglied des Patentamts die Anmeldung nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle fehlt der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft. Die aus den Bestandteilen "1st" (erster, bester, bedeutendster, erstklassig) und "Unit" (Einheit, Gruppe, Gemeinschaft bzw. Unternehmen) zusammengesetzte Marke werde vom Großteil des inländischen Verkehrs als Bezeichnung für Dienstleistungen verstanden, die vom besten bzw. einem erstklassigen Unternehmen stammen und deshalb von hoher Qualität seien. Die graphische Gestaltung der Marken sei nur eine werbeübliche Wiedergabe des Markenworts, die keinen über dessen Sinngehalt hinausgehenden Gesamteindruck entstehen lasse und damit nicht die Unterscheidungskraft begründen könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung weist sie darauf hin, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine Wort-/Bildmarke mit einem fremdsprachigen Wortteil handele, die in ihrer konkreten grafischen Ausgestaltung zu beurteilen sei. Die ungewöhnliche Schriftart im Stil einer Schreibschrift grenze sich bewusst von der geometrisch klar abgegrenzten und schlichten rechteckigen Fläche ab. Das Design spiele mit den Gegensätzen zwischen unklarer, nur mühsam lesbarer Handschrift und klarer geometrischer Form. Beim Betrachter bleibe nur der Gesamteindruck der Marke in Erinnerung. Zwar sei es richtig, dass der Teil der Verkehrskreise, der den Bestandteil "1st" als "first" lese, damit den positiven Sinngehalt "Erster" oder "Bester" verbinde, auch werde die von der Markenstelle aufgefundene Bedeutung von "unit" nicht angezweifelt, die Gesamtkombination "1st Unit" sei jedoch weder lexikalisch nachweisbar noch Bestandteil des aktuellen Sprachgebrauchs. Für sie bestünden verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, z.B. im Sinne einer ersten Gruppe bei einer zahlenmäßigen Rangfolge oder einer hervorgehobenen Gruppe. Sie werde vom Verkehr gerade nicht dahingehend verstanden, dass die Dienstleistungen vom besten Unternehmen stammten. Hierzu bedürfe es einer nicht unerheblichen analysierenden Auseinandersetzung. Ebenso wenig handele es sich um eine branchenübliche Bezeichnung oder um eine speziell mit den Dienstleistungen zusammenhängende und diese charakterisierende Angabe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.

Zunächst sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Wie die Markenstelle richtig festgestellt hat, haben die beiden Bestandteile "1st" und "unit" der angemeldeten Marke die Bedeutungen "erste" bzw. "erster" und "Einheit", "Gruppe". Nach dem allgemeinen Sprachverständnis wird der gesamte Wortbestandteil der angemeldeten Marke damit als "erste Einheit" verstanden. Ohne weitere tatsächliche Anhaltspunkte auf dem betreffenden Dienstleistungsgebiet ermittelt zu haben, hat die Markenstelle daraus geschlossen, dass die angemeldete Marke eine Bezeichnung dafür sei, dass die Dienstleistungen aus dem besten bzw. einem erstklassigen Unternehmen stammen und deshalb von hoher Qualität seien.

Dies entspricht jedoch nicht der Bedeutung, die der größte Teil der angesprochenen Verkehrskreise dem Begriff "1st Unit" beimessen wird, wenn er ihm als Kennzeichnung der beanspruchten Dienstleistungen begegnet. Die Dienstleistungen wenden sich nach ihrem Schwerpunkt an Verkehrsteilnehmer aus dem Bereich der darstellenden Kunst, insbesondere der Filmwerke. Hier stellt "1st Unit" einen Fachbegriff dar. Mit den Begriffen "1st unit" und "2nd unit" werden verschiedene Filmcrews bezeichnet, die innerhalb derselben Filmproduktion nebeneinander bzw. gleichzeitig Dreharbeiten durchführen. Regelmäßig leitet der für den Gesamtfilm hauptverantwortliche (Haupt-)Regisseur die 1st Unit, in der naturgemäß auch die wichtigsten Schauspieler eingesetzt werden. Die 2nd Unit macht dagegen die Aufnahmen, für die nicht unbedingt die Schauspieler benötigt werden bzw. bei denen diese ersetzt werden müssen. So werden mit Stuntmen bzw. Doubles gedrehte Actionszenen von der 2nd Unit aufgenommen, wobei häufig ein spezieller Stuntregisseur die Leitung hat. Auch bei Füllszenen kann eine 2nd Unit zum Einsatz kommen (vgl. www.imdb.co/Indie/Ask/20011116.html: "The first unit must shoot all the scenes that the principal cast participate in (as opposed to doubles or stuntmen). The first unit director usually shoots the pieces of an action sequence that directly involve the principal actors, then moves on and lets the 2nd unit fill in the gaps." ; www.standrews.ac.uk/~roguep/crew6.html: "2nd Unit: A small, subordinate crew responsible for filming shots of less importance, such as inserts, crowds, scenery, etc. This crew will have their own director and crew; ultimately responsible to the 1st unit director."; http://employees.oxy.edu/jerry/bts/dutch.htm; www.hitech.at/archiv/2_00/copter1.htm: "Zwei Teams drehen noch bis November an der vierten Staffel, die "1st Unit" ist für Spielszenen, die "2nd Unit" für Special Effects verantwortlich." www.cobrajw.de/body_actionconcept.html: "ActionConcept erhält ... einen 1st Unit Auftrag eines weiteren selbstentwickelten Actionformates, ..."Action Concept produziert als 2nd Unit das TV-Movie "Adrenalin".

Damit könnte man den Begriff "1st Unit" zwar dahingehend als Beschreibung auffassen, dass die Vermittlungs- und Berufsberatungsdienstleistungen darauf ausgerichtet sind, Künstler und sonstige Filmschaffende speziell für den Einsatz in einer 1st Unit zu vermitteln oder zu beraten. Auch für Filmproduktion und Verfassen von Drehbüchern kann es sich um eine Angabe der Spezialisierung auf die Arbeit einer 1st Unit handeln. Darüber hinaus liegt es, abgesehen von den Besonderheiten von Action-Produktionen auf der Hand, und ergibt sich auch aus einigen der vom Senat ermittelten Internetseiten, dass es für das Renommee eines Filmschaffenden (und damit wohl auch für die Höhe seiner Gage) eher förderlich ist, wenn er in der 1st Unit anstatt in der 2nd Unit einer Filmproduktion eingesetzt wird.

Hierbei handelt es sich aber nur um eine mittelbare Beschreibung. Denn der Verkehr auf dem Gebiet der Film- und Fernsehproduktion wird davon ausgehen, dass die beanspruchten Dienstleistungen genauso gut für alle Units erbracht werden. So werden Schauspieler oder Stuntmen von Agenturen zwar für bestimmte Produktionen vermittelt, der Senat konnte aber keine Anhaltspunkte dafür auffinden, dass solche Dienstleistungen auf die jeweilige 1st Unit spezialisiert sind. Dies könnte allenfalls für Filmschaffende sinnvoll sein, die auf Actionfilme bzw. -szenen spezialisiert sind. Abgesehen davon, dass es dann aber "2nd Unit" heißen müsste, läge es auch näher, eine solche Spezialisierung mit Begriffen wie "Action-...", "Stunt-..." u.Ä. auszudrücken, nicht aber mit der Bezeichnung einer nummerierten Filmcrew, die erst bei der Produktion eines Films konkret festgelegt wird. Die Marke lässt daher Raum für Überlegungen, inwieweit die Angabe "1st Unit" die Dienstleistungen in sachlicher Weise beschreiben soll.

Dies gilt auch insoweit, als die beanspruchten Dienstleistungen "Personal- und Stellenvermittlung" und "Berufsberatung" in ihrer oberbegrifflichen Fassung nicht auf die Filmbranche spezialisiert sind. Ein durchschnittlich informierter Verkehrsteilnehmer mit Grundkenntnissen der englischen Sprache wird den Wortteil der angemeldeten Marke naheliegend als "erste Einheit" verstehen. Da ein Unternehmen oder ein Geschäftsbetrieb weder im Deutschen noch im Englischen mit den Worten "Einheit" oder "unit" bezeichnet werden (vgl. insb. Langenscheidts Großwörterbuch der engl. und deutschen Sprache), lässt sich die von der Markenstelle gefolgerte Bedeutung eines erstklassigen oder besten Unternehmens nicht ohne Weiteres nachvollziehen. Vielmehr wird der Verkehr zunächst überlegen müssen, wer oder was in verschiedene Einheiten untergliedert ist, in welchem Zusammenhang ihm hier die erste dieser Einheiten entgegentritt und weshalb sie die erste dieser Untergliederungen sein könnte. Sodann muss er den so gewonnen Bedeutungsgehalt auf die beanspruchten Dienstleistungen übertragen, um zu einer Merkmalsbeschreibung zu gelangen. Hinzu kommt die grafische Ausgestaltung, die zur Lesbarkeit ein näheres Hinschauen verlangt. In dieser Form wird die Marke von den Mitbewerbern der Anmelderin daher nicht zur beschreibenden Bezeichnung von Merkmalen der Dienstleistungen benötigt werden, so dass ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden kann.

Nach Auffassung des Senats weist die angemeldete Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Wie oben ausgeführt, konnte ihr weder ein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden, noch waren Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird. Vielmehr regt sie zum Nachdenken an, in welcher Beziehung der Wortteil der angemeldeten Marke zu den Dienstleistungen stehen kann. Hinzu kommt die grafische Gestaltung der Marke.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/20841.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 25.11.2003
Az: 33 W (pat) 236/02


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