Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. März 2011
Aktenzeichen: 14 W (pat) 14/10

(BPatG: Beschluss v. 15.03.2011, Az.: 14 W (pat) 14/10)

Tenor

I. Dem Beschwerdeführer wird für des Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Monatsraten oder sonstige Zahlungen sind nicht zu leisten.

II. Dem Beschwerdeführer wird Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gewährt.

III. Der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts vom 16. November 2009 wird aufgehoben und das Verfahren wird zur weiteren Entscheidung an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer meldete am 15. Dezember 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt ein Patent mit der Bezeichnung "... " an und stellte am 20. März 2007 Prüfungsantrag. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2006 beantragte er Verfahrenskostenhilfe, die ihm mit Beschluss vom 14. September 2007 für das Prüfungsverfahren und für die im Erteilungsverfahren fälligen Jahresgebühren gewährt wurde. Als anwaltlicher Vertreter wurde ihm Patentanwalt S... beigeordnet. Mit Bescheid vom 23. März 2009 beanstandete die Prüfungsstelle für Klasse A 01 G des Deutschen Patentund Markenamts die Anmeldung und teilte dem Anmelder mit, dass bei einer Aufrechterhaltung der geltenden Ansprüche mit einer Zurückweisung der Anmeldung wegen mangelnder Klarheit gerechnet werden müsse. So enthalte Anspruch 1 Beschreibungsbestandteile und die Ansprüche 2 und 4 bestünden aus reinen Verfahrensmerkmalen, womit nicht klar sei, was unter Schutz gestellt werden solle. Aus diesem Grund sei bisher auch keine gezielte Recherche möglich gewesen. Es wurde dem Anmelder Gelegenheit gegeben binnen einer Frist von vier Monaten Unterlagen zu erstellen und eindeutige Patentansprüche zu formulieren. Dieser Bescheid wurde dem anwaltlichen Vertreter am 16. April 2009 zugestellt. Mit Schreiben vom 5. August 2009 bat Patentanwalt S... um eine Fristverlängerung für die Stellungnahme um zwei Monate. Sollte die Prüfungsstelle keine weitere Mitteilung machen, so werde davon ausgegangen, dass diese Fristverlängerung gewährt werde. Diese Frist wurde nach Aktenvermerk bis zum 5. Oktober 2009 eingeräumt. Ein weiteres Verlängerungsgesuch ist in den Akten nicht enthalten. Am 16. November 2009 hat die Prüfungsstelle die Anmeldung aus den Gründen des Bescheides vom 23. März 2009 zurückgewiesen (§ 48 PatG). Dieser Beschluss ist dem anwaltlichen Vertreter am 25. November 2009 zugestellt worden.

Am 9. Dezember 2009 ist beim Patentamt ein Schriftstück des Anmelders, datiert vom 8. Dezember 2009 eingegangen, das die Überschrift trägt "Anfrage und Beschwerde in Sachen Sprechender Computer AG 101". In diesem Schreiben erwähnt der Anmelder verschiedene Zahlungen an das Patentamt, Auskünfte seines anwaltlichen Vertreters, staatliche Fördergelder, eine Fernsehsendung über seine Erfindungen und dergleichen mehr, der letzte Satz jedoch lautet: "Wir bitten Sie mit dem Patent uns zu helfen, damit ein Erteilungsbeschluss infrage kommt". Innerhalb der Beschwerdefrist ist weder die Beschwerdegebühr bezahlt noch Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt worden. Mit Schreiben vom 22. Februar 2010, Eingang beim Patentamt am 24. Februar 2010, hat der Anmelder sinngemäß Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist der Zahlung der Beschwerdegebühr gestellt und darauf hingewiesen, dass ihm bereits Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden sei. In Hinblick auf die Wiedereinsetzung spricht er von "Versäumniskeiten und falschen Auskünften" seines Patentanwalts. Konkrete Ausführungen, weshalb die Zahlungsfrist versäumt wurde, enthalten weder dieses Schreiben noch die zahlreichen im Verlauf des Verfahrens eingereichten Schriftstücke des Beschwerdeführers.

Eine Nachfrage bei Patentanwalt S... ergab, dass dieser am 12. Oktober 2009 ein weiteres Gesuch um Fristverlängerung beim Patentamt eingereicht hatte (siehe Blatt 42 der Gerichtsakte). Dieses Schreiben ist jedoch nicht zu den Akten gelangt. Der ablehnende Beschluss vom 16. November 2009 kam für PA S... deshalb überraschend. Infolgedessen habe er seinem Mandanten mit Schreiben vom 9. Dezember 2009 nicht die Einlegung einer Beschwerde, sondern einen Antrag auf Weiterbehandlung nach § 123a PatG empfohlen.

II.

1.

Dem Anmelder wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gemäß § 130 Abs. 1 PatG in Verbindung mit §§ 114, 115 ZPO bewilligt. Ausweislich der mit Schreiben vom 9. April 2010 vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich diese Umstände nicht verändert. Somit ist davon auszugehen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Anmelders derart gering ist, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Verfahrenskostenhilfe ohne Festsetzung von Rückzahlungsraten (§ 115 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 ZPO) gerechtfertigt ist. Was die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung betrifft, so ist die vorliegende Beschwerde erfolgreich; eine Aussage über die Erfolgsaussicht der Patentanmeldung selbst ist damit nicht getroffen.

2.

Die Beschwerde ist formgerecht schriftlich eingelegt worden (§ 73 Abs. 2 Satz 1 PatG). Der Anmelder erwähnt in dem Schriftstück vom 8. Dezember 2009 zwar nicht ausdrücklich, dass damit Beschwerde gegen den patentamtlichen Beschluss eingelegt werden soll, dem Gesamtinhalt dieses Schreibens ist jedochunzweideutig zu entnehmen, dass sich der Anmelder gegen die Entscheidung wendet und eine nächstinstanzliche Überprüfung wünscht. Dies ist ausreichend um eine formgerechte Beschwerdeeinlegung nach § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG zu bejahen (Thomas/Putzo Zivilprozessordnung 30. Auflage § 519 Rdn. 13, 14; Schulte, Patentgesetz mit EPÜ 8. Auflage § 73 Rdn. 63 ff.).

3.

Dem Anmelder wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gewährt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG i. V. m. § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG und Nr. 401 300 GebVerz zu § 2 Abs. 1 PatKostG), denn er war ohne Verschulden an der Einhaltung dieser Frist verhindert (§ 123 Abs. 1 PatG).

Der Antragsteller hat innerhalb der Frist von zwei Monaten (§ 123 Abs. 2 PatG) Umstände vorgetragen, die zusammen mit dem sich aus den Akten ergebenden Sachverhalt sowie der Auskunft seines früheren anwaltlichen Vertreters Tatsachen ergeben, die ein Versäumnis der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr unverschuldet erscheinen lassen. Das Fristverlängerungsgesuch vom 12. Oktober 2009, das nicht zu den Akten gelangt ist, war im Anschluss an das erste bewilligte Verlängerungsgesuch gestellt worden. Dass ein solcher Antrag tatsächlich eingereicht wurde, ergibt sich nicht nur aus der glaubhaften Auskunft des Patentanwalts S... und der Vorlage der Kopie dieses Schriftsatzes, sondern auch aus dem Schreiben des Patentanwalts an seinen Mandanten vom 12. November 2009, in dem er diesen auf die voraussichtliche Verlängerung der Äußerungsfrist bis zum 16. Dezember 2009 hinweist. Nach der Zustellung des zurückweisenden Beschlusses vom 16. November 2009 musste Patentanwalt S... also davon ausgehen, dass die Zurückweisung der Anmeldung innerhalb der noch offenen Frist erfolgt war. Folgerichtig hat er seinem Mandanten empfohlen (nur) einen Antrag auf Weiterbehandlung nach § 123a PatG zu stellen. Hätte er um den richtigen Sachverhalt gewusst, so hätte er die Einlegung der Beschwerde zusammen mit der rechtzeitigen Stellung eines Verfahrenskostenhilfeantrages vorgeschlagen. Der Anmelder selbst durfte sich auf die Empfehlung seines anwaltlichen Vertreters verlassen. Damit ist weder ein Verschulden des Anmelders selbst (§ 276 GBG), noch eines seines anwaltlichen Vertreters (§ 278 BGB, § 85 Abs. 2 Satz 1 ZPO) feststellbar. Hinzukommt, dass es für einen rechtsunkundigen Anmelder nur schwer zu erkennen ist, dass die im Erteilungsverfahren vor dem Patentamt bewilligte Verfahrenskostenhilfe nicht auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens umfasst (§ 136 Satz 1 PatG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und er deshalb nicht von der Zahlung der Beschwerdegebühr befreit ist. Zwar ist ein Rechtsirrtum bzw. sind mangelnde Rechtskenntnisse grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund, denn jeder Beteiligte ist verpflichtet, sich die notwendigen Kenntnisse über das geltende Recht zu verschaffen und sich sachkundigen Rat einzuholen (Schulte a. a. O. § 123 Rdn. 136). Hier jedoch gibt der die Verfahrenskostenhilfe gewährende Beschluss nicht nur keinen Hinweis darauf, dass er nur für das Verfahren vor dem Patentamt gilt, sondern er erweckt vielmehr den Anschein, als wären damit alle Kosten und Gebühren des gesamten Verfahrens erfasst. So ist in dem Beschluss des Patentamts vom 14. September 2007 davon die Rede, dass Verfahrenskostenhilfe "für das Prüfungsverfahren und für die im Erteilungsverfahren fällig werdenden Jahresgebühren" erteilt wird. Für einen rechtsunkundigen Leser könnte sich daraus ergeben, dass die Verfahrenskostenhilfe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Erteilungsverfahrens gilt (vgl. hierzu BPatG vom 17.11.2009, 19 W (pat) 137/09). Da die Rechtsmittelbelehrung des zurückweisenden Beschlusses selbst keinen Hinweis auf die Notwendigkeit der gesonderten Beantragung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gibt und der Anmelder von seinem anwaltlichen Vertreter angesichts der Unkenntnis über den wahren Sachverhalt auch keine zutreffende Auskunft erhalten hat, kann auch insoweit weder ein Verschulden des Anmelders selbst noch ein solches seines anwaltlichen Vertreters festgestellt werden. Der Anmelder hat in seinem Schreiben vom 22. Februar 2010 darauf hingewiesen, dass ihm bereits Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. Darin kann die innerhalb der zweimonatigen Wiedereinsetzungsfrist nachzuholende versäumte Handlung -hier: Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerdegebühr -gesehen werden. Damit ist die Beschwerde formund fristgerecht eingelegt.

4. Die Sache war gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG ohne eigene Sachentscheidung an die Prüfungsstelle zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen, denn es ist noch keine umfassende Überprüfung der Patentierungsvoraussetzungen erfolgt. Zwar steht die Zurückverweisung im Ermessen des Bundespatentgerichts (§ 79 Abs. 3 PatG), sie ist jedoch dann sachgerecht und geboten, wenn eine weitere Sachaufklärung notwendig erscheint und bislang noch keine endgültige Prüfung der Patentfähigkeit vorgenommen worden ist. In dem Beanstandungsbescheid vom 23. März 2009 weist die Prüfungsstelle darauf hin, dass derzeit aufgrund mangelnder Klarheit der Patentansprüche noch keine gezielte Recherche durchgeführt werden konnte. Der Anmelder hat in seinem Schreiben vom 8. Dezember 2009 ein "Zusatzschreiben für den Vollautomatischen Computer mit Sprechanlage AG 101" und mit Schreiben vom 10. März 2010 weitere Unterlagen zur "Aufschlüsselung der Baugruppen des Sprechenden Computers" vorgelegt. Auch diese nachgereichten Unterlagen werden in dem weiteren Verfahren zu berücksichtigen sein.

Proksch-Ledig Schwarz-Angele Gerster Münzberg Fa






BPatG:
Beschluss v. 15.03.2011
Az: 14 W (pat) 14/10


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