Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. April 2006
Aktenzeichen: 8 W (pat) 323/03
(BPatG: Beschluss v. 20.04.2006, Az.: 8 W (pat) 323/03)
Tenor
Das Patent 199 01 425 wird aufrechterhalten.
Gründe
I.
Die Patentinhaberin hat das Patent 199 01 425 mit der Bezeichnung:
"Verfahren zur Herstellung eines rohrförmigen Zahnstangenwerkstückes, insbesondere für Zahnstangenlenkungen von Kraftfahrzeugen"
am 18. Januar 1999 beim Patentamt angemeldet. Die Patenterteilung wurde am 5. Dezember 2002 veröffentlicht.
Gegen das Patent hat die Firma A... GmbH in B...
am 3. März 2003 Einspruch erhoben.
Die Einsprechende hat ihren Einspruch auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützt und hierzu zwei Zeichnungsblätter mit der Bezeichnung "Hohle Zahnstange TRW n. Z. 230-01700-2 v. 14. November 95" - Versuchsstadienplan (Blatt 1 und 2) sowie die Kopie eines Lieferscheins V7143 vom 9. Oktober 1997 eingereicht und Zeugenbeweis angeboten.
Die Einsprechende führt in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2006 ausgeführt, dass das patentgemäße Verfahren nicht patentfähig sei, da dieses bereits vor dem Anmeldetag des Patents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, indem es einem Mitarbeiter der Fa. C... & Co. in D..., an Hand der zwei Zeichnungsblätter ausführlich vorgestellt sei. Dabei seien auch mehrere Muster von nach diesem Verfahren gefertigten Zahnstangen übergeben worden.
Die Einsprechende führt aus, dass die in den Zeichnungsblättern ersichtlichen Verfahrensschritte a, c und d das Verfahren des Streitpatents (nach Patentanspruch 1) vorwegnehmen und hat betont, dass die weiteren, in der Zeichnung erläuterten Schritte b sowie e bis i lediglich optional aufgeführt seien und keinesfalls zwingend notwendige Verfahrensschritte darstellen würden.
Die Einsprechende beantragt, das Patent 199 01 425 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat den Ausführungen der Einsprechenden widersprochen und hat die Offenkundigkeit der behaupteten Benutzungshandlung bezweifelt, da nach ihrer Ansicht bei der Vorstellung des Verfahrens in der oben geschilderten Weise von einem Vertrauensverhältnis zwischen der Fa. C... und der Einsprechenden auszugehen sei und somit keine unbegrenzte Anzahl von Personen von der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung hätte Kenntnis nehmen können. Ferner erschließe sich dem Fachmann aus dem Verfahren der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung ohnehin ein völlig anderes Verfahren als das des Streitpatents, so dass eine Vorbenutzung nicht gegeben sei.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent 199 01 425 aufrecht zu erhalten.
Im Prüfungsverfahren sind zum Stand der Technik noch die DE 43 31 792 A1 DE 195 08 798 A1 EP 99 311 A1 EP 110 918 B1 EP 445 470 B1 EP 572 105 A1 DE 40 06 038 A1 DE 100 12 961 A1 DE 100 56 405 A1 in Betracht gezogen worden.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist patentfähig.
3. Der Patentgegenstand betrifft nach dem erteilten Patentanspruch 1 ein
"Verfahren zur Herstellung eines rohrförmigen Zahnstangenwerkstückes, insbesondere für Zahnstangenlenkungen von Kraftfahrzeugen, welches im Bereich der anzubringenden Verzahnung einen rohrförmigen, runden Querschnitt aufweist und ein verändertes Festigkeits- und Formverhältnis zwischen dem Ausgangswerkstück und dem fertigen Zahnstangenwerkstück vor der Anbringung der Verzahnung erhält, wobei ein rohrförmiges Ausgangswerkstück aus einem unvergüteten, geschälten, gerichteten und vollen Rundmaterial auf ein Maß, welches wesentlich geringer als die Länge des fertigen Zahnstangenwerkstückes ist, durch planes Ablängen und anschließendes axiales Tieflochbohren hergestellt wird und danach eine spanlose, kalte Umformung mittels eines Dornes erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass a) das Ausgangswerkstück (1) freifließend gelängt, geformt und dabei der Außendurchmesser verringert wird, wobei die Bohrung (3) nur in einem Längenabschnitt (3.2) von dem Dorn aufgenommen wird und somit eine Bohrung (3.4), die der Bohrung (3) entspricht, erhalten bleibt, b) während dieser längenden Formung in einem dornfreien Längenabschnitt (3.1) die Ausgangsbohrung (3) freifließend zu einer Bohrung (3.3) mit einem geringeren Durchmesser geformt wird, c) somit Längenabschnitte (3.1, 3.2) mit unterschiedlichen Bohrungsdurchmessern (3.3, 3.4) gebildet sind, zwischen denen ein ebenfalls freigeflossener Bereich (4) als Übergang liegt, und d) das Zahnstangenwerkstück (2) sowohl in seinem dornfrei geformten Längenabschnitt (3.1) als auch in seinem während der Formung vom Dorn aufgenommenen Längenabschnitt (3.2) einen nicht zerschnittenen Faserverlauf aufweist und infolge dieser Kaltumformung gegenüber dem Ausgangswerkstück (1) die Festigkeit von z. B. 600 N/mm2 auf z. B. 930 N/mm2 erhöht wird."
Hinsichtlich des Patentanspruchs 2 wird auf die Akte verwiesen.
Die Aufgabe der Erfindung ist gemäß der Beschreibung darin zu sehen, ein technologisch und kostenmäßig günstiges Verfahren zur Herstellung eines rohrförmigen Zahnstangenwerkstückes, insbesondere für Zahnstangenlenkungen von Kraftfahrzeugen, zu schaffen, wobei stets ein rohrförmiger, runder Querschnitt erhalten bleiben soll, wobei der durch das Umformen bedingte Faserverlauf des Materials nicht zerschnitten wird und wobei ein verändertes Festigkeits- und Formverhältnis zwischen dem Ausgangswerkstück vor dem Umformen und dem fertigen Zahnstangenwerkstück nach dem Umformen vor der Anbringung der Verzahnung erzielt wird.
4. Der aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbare Gegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 ist gegenüber den im Verfahren befindlichen Druckschriften sowie gegenüber der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung neu.
Keine der im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften offenbart das Merkmal, wonach das Ausgangswerkstück aus einem unvergüteten, geschälten, gerichteten und vollen Rundmaterial durch axiales Tieflochbohren hergestellt wird.
Bei dem Verfahren nach Patentanspruch 1 der Streitpatentschrift erfolgt die Herstellung des rohrförmigen Zahnstangenwerkstückes mittels eines (einzigen) Dornes, währenddessen bei der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung, unter Berücksichtigung der Verfahrensschritte a, c und d ersichtlich zwei Dorne mit unterschiedlichen Durchmessern verwendet werden.
5. Es kann dahingestellt bleiben, ob die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung tatsächlich stattgefunden hat und dadurch zum Stand der Technik gehört, da selbst dann das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Die von der Einsprechenden geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung zeigt ein Verfahren zur Herstellung eines rohrförmigen Zahnstangenwerkstückes, welches im Bereich der anzubringenden Verzahnung einen rohrförmigen, runden Querschnitt aufweist und ein verändertes Festigkeits- und Formverhältnis zwischen dem Ausgangswerkstück und dem fertigen Zahnstangenwerkstück vor der Anbringung der Verzahnung erhält. Hierbei wird entsprechend dem Vortrag der Einsprechenden davon ausgegangen, dass ein rohrförmiges Ausgangswerkstück aus einem unvergüteten, geschälten, gerichteten und vollen Rundmaterial auf ein Maß, welches wesentlich geringer als die Länge des fertigen Zahnstangenwerkstückes ist, durch planes Ablängen und anschließendes axiales Tieflochbohren hergestellt wird. Danach erfolgt gemäß Verfahrensschritt c mittels eines ersten Dornes eine erste spanlose, kalte Umformung und anschließend gemäß Verfahrensschritt d mittels eines zweiten Dornes eine zweite spanlose, kalte Umformung wobei jeweils - das Ausgangswerkstück offensichtlich frei fließend gelängt, geformt und dabei zumindest in einem Teilbereich der Außendurchmesser verringert wird,
- während dieser längenden Formung in einem dornfreien Längenabschnitt die Ausgangsbohrung frei fließend zu einer Bohrung mit einem geringeren Durchmesser geformt wird,
- somit Längenabschnitte mit unterschiedlichen Bohrungsdurchmessern gebildet sind, zwischen denen ein ebenfalls frei geflossener Bereich als Übergang liegt, und - das Zahnstangenwerkstück sowohl in seinem dornfrei geformten Längenabschnitt als auch in seinem während der Formung vom Dorn aufgenommenen Längenabschnitt einen offensichtlich nicht zerschnittenen Faserverlauf aufweist und infolge dieser Kaltumformung gegenüber dem Ausgangswerkstück zwangsläufig auch die Festigkeit erhöht wird.
Hierbei weist im Verfahrensschritt c des Verfahrens der behaupteten Vorbenutzung der erste Dorn einen gemäß Zeichnung vermassten Durchmesser von "18,65" und im Verfahrensschritt d der zweite Dorn einen gemäß Zeichnung vermassten Durchmesser von "17,8" auf. Somit erschließt sich dem Fachmann, einem Dipl. Ing. Maschinenbau mit guten Kenntnissen in der spanlosen Umformung, unter Berücksichtigung des Vortrags der Einsprechenden, dass bei dem Verfahren nach der geltend gemachten Benutzungshandlung zumindest zwei spanlose Umformungen vorgesehen sind. Bei jeder Umformung wird der Innendurchmesser des Zahnstangenwerkstücks im Bereich des Dornes reduziert. Nämlich von dem Verfahrensschritt a nach c von 18,9 mm auf 18,65 mm und von Verfahrensschritt c nach d von 18,65 mm auf 17,8 mm. Unterschiedlich zu diesem Verfahren nach der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung, bei dem, wie vorstehend erläutert, zwei Dorne verwendet werden, durch die der Bohrungsdurchmesser jeweils verringert wird, ist bei dem patentgemäßen Verfahren nach dem Patentanspruch 1, dass hier eine (einzige) spanlose Umformung mit einem (einzigen) Dorn in einem Zug erfolgt, wobei nach dem Merkmal a des Patentanspruchs 1 eine Bohrung erhalten bleibt, die der Bohrung des tieflochgebohrten Rohlings entspricht.
Ferner wird bei dem Verfahren nach der behaupteten Vorbenutzung der Außendurchmesser auch nicht vollständig verringert, wie es bei der Lehre des Streitpatents der Fall ist, sondern es verbleiben sowohl im Verfahrensschritt c als auch im Verfahrensschritt d (mit der Länge 52 vermasst) jeweils Längenabschnitte am Zahnstangenwerkstück, die beide jeweils den (zwar nicht vermassten, jedoch deutlich erkennbaren) ursprünglichen Durchmesser 37 des Rohteils aufweisen. Somit ist zwangsläufig eine weitere Bearbeitung des Zahnstangenwerkstücks erforderlich, um diesen Restbereich mit dem ursprünglichen Durchmesser 7 des Rohteils zu entfernen.
Schließlich unterscheidet sich das patentgemäße Verfahrens von dem Verfahren der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung auch noch dadurch, dass nach dem Wortlaut der patentgemäßen Lehre, "... die Bohrung (3) nur in einem Längenabschnitt (3.2) von dem Dorn aufgenommen wird, und somit eine Bohrung (3.4), die der Bohrung (3) entspricht, erhalten bleibt...". Hieraus erkennt der Fachmann, dass der Dorn nach der Lehre des patentgemäßen Verfahrens den Übergangsbereich zwischen den unterschiedlichen Bohrungsdurchmessern (Bereich (4)) gerade nicht abstützt, währenddessen die Dorne bei der angegebenen Vorbenutzung jeweils auch den Übergangsbereich zwischen den unterschiedlichen Bohrungsdurchmessern abstützen (entspricht dem Bereich (4) beim Streitpatent).
Aufgrund der vorstehend genannten Unterschiede zwischen der patentgemäßen Lehre nach Anspruch 1 und dem als bekannt angenommenen Verfahren nach der geltend gemachten Vorbenutzung hat der Senat dem patentgemäßen Verfahren das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht absprechen können. Denn der Fachmann erhält keinerlei Anregung, das als bekannt angenommene Verfahren nach der behaupteten Vorbenutzung derart abzuändern, dass das rohrförmige Zahnstangenwerkstück durch eine (einzige) spanlose Umformung mit einem (einzigen) Dorn in einem Zug hergestellt wird, wobei der Außendurchmesser (vollständig) verringert wird und eine Bohrung erhalten bleibt, die der Bohrung des tieflochgebohrten Rohlings entspricht.
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften sind in der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden nicht mehr aufgegriffen worden. Die Überprüfung durch den Senat hat ergeben, dass sie weiter ab liegen und dem Streitpatent - auch in einer Zusammenschau mit dem Inhalt der angenommenen offenkundigen Vorbenutzung - nicht patenthindernd entgegenstehen.
Der entgegengehaltene Stand der Technik konnte somit weder für sich genommen noch in einer Zusammenschau betrachtet einem Fachmann den Gegenstand nach Patentanspruch 1 nahe legen.
Der erteilte Patentanspruch 1 ist daher bestandsfähig.
Der Unteranspruch 2 betrifft zweckmäßige Ausgestaltungen des Verfahrens nach dem Patentanspruch 1, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen. Der Unteranspruch 2 ist daher ebenfalls bestandsfähig.
BPatG:
Beschluss v. 20.04.2006
Az: 8 W (pat) 323/03
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