Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 13. März 1991
Aktenzeichen: 8 S 625/91
(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 13.03.1991, Az.: 8 S 625/91)
1. Eine gerichtliche Wertfestsetzung der Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 10 Abs 1 BRAGO (BRAGebO) für das gesamte Vorverfahren scheidet im Falle der Teilabhilfe des Widerspruchs aus.
2. Die im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machenden Kosten des Vorverfahrens nach § 162 Abs 1 VwGO betreffen nur den Teil des Widerspruchsverfahrens, dem sich ein Klageverfahren angeschlossen hat. Über die durch eine teilweise Abhilfe des Widerspruchs entstandenen Kosten hat die zuständige Behörde nach § 80 LVwVfG (VwVfG BW) zu entscheiden.
Gründe
Die nach § 10 Abs. 3 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den auf § 10 Abs. 1 BRAGO gestützten Antrag des Prozeßbevollmächtigten des Klägers auf Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit im Vorverfahren zu Recht abgelehnt.
Nach § 10 Abs. 1 BRAGO setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluß selbständig fest, wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Antragsberechtigt ist auch der Rechtsanwalt (§ 10 Abs. 2 S. 2 BRAGO). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift hier nicht vorliegen, da die Gebühr für die anwaltliche Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren sich nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen (§ 9 Abs. 1 BRAGO) In diesem Fall scheidet eine Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 10 Abs. 1 BRAGO aus. Die weitere Voraussetzung, daß der zu bewertende Gegenstand bei Gericht anhängig ist oder gewesen ist, liegt ebenfalls nicht vor. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bezug (§ 122 Abs. 2 S. 3 VwGO).
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers erstreckte sich die Kostenentscheidung im angefochtenen und durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. Dezember 1990 aufgehobenen Widerspruchsbescheid nicht auf die gesamten Kosten des Widerspruchsverfahrens. Wie sich aus dem Widerspruchsbescheid ergibt, bezieht sich dieser nur noch auf die Frage, ob der Kläger zur Herstellung oder Ablösung eines Stellplatzes verpflichtet war. Bezüglich des weiteren Stellplatzes hat die Beklagte auf Veranlassung des Regierungspräsidiums dem Widerspruch abgeholfen und dem Kläger den bereits bezahlten Ablösebetrag für einen Stellplatz in Höhe von 8.000,-- DM zurückerstattet, ohne allerdings insoweit eine Kostenentscheidung nach § 72 VwGO zu treffen. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens war daher nur die Frage, ob der Kläger zur Herstellung oder Ablösung eines Stellplatzes verpflichtet war. Nur soweit das Begehren des Widerspruchsverfahrens Gegenstand eines sich anschließenden Klageverfahrens wird, sind die Kosten des Vorverfahrens nach § 162 Abs. 1 VwGO Teil der Kosten des gerichtlichen Verfahrens, über die das Gericht nach § 161 Abs. 1 VwGO entscheidet und die gem. § 164 VwGO vom Urkundsbeamten des Gerichts festgesetzt werden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, DVBl. 1985, 1075; Kopp, VwGO, 8.Aufl., § 162 RdNr. 1). Nur auf diesen Teil der anwaltlichen Tätigkeit bezieht sich auch der Kostenausspruch nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO in dem ergangenen Urteil, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Über die durch teilweise Abhilfe des Widerspruchs entstandenen Kosten hat gem. § 72 VwGO die Ausgangsbehörde zu entscheiden (vgl. VGH Bad.-Württ., ESVGH 31, 224; Kopp, a.a.O., § 72 RdNr. 5).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der Betroffene die ihm insgesamt entstandenen Kosten des Vorverfahrens in zwei getrennten Verfahren gegen die erstattungspflichtige Beklagte geltend machen muß. Über die Kosten des Vorverfahrens, dem kein Hauptsacheverfahren gefolgt ist, muß die Behörde nach § 80 LVwVfG entscheiden. Soweit das Vorverfahren Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens war, sind die Vorverfahrenskosten im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren zu erlangen (§ 164 VwGO).
Der Einwand des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, er erhalte auf diesem Weg ihm nicht zustehende überhöhte Gebühren, weil zwei Gebühren aus einem Streitwert von je 8.000,-- DM höher seien als die ihm allein zustehende Gebühr aus dem Streitwert von 16.000,-- DM, führt insofern zu keiner anderen Entscheidung. Diesen Umstand kann die Behörde bei ihrer nach § 80 Abs. 2 und 3 S. 1 LVwVfG zu treffenden Kostenentscheidung berücksichtigen, so daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers insgesamt nicht mehr als die ihm nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zustehende Gebühr erhält (vgl. § 13 Abs. 3 BRAGO). Zur Zuständigkeit der Behörde im Rahmen der Kostenfestsetzung gehört es, den der Kostenerstattung zugrunde zu legenden Streitwert zu bestimmen und die dabei vorgesehene Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 6.7.1990 -- 4 S 3061/89 --). Eine gesonderte Festsetzung des Gegenstandswerts sieht dieses Verfahren nicht vor und ist auch entbehrlich, da der jeweilige Gegenstandswert für die Berechnung des Erstattungsbetrags nur ein Berechnungselement darstellt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.3.1986 -- 4 B 44.86 -- NJW 1986, 2128). Insofern würde das Gericht durch die beantragte Festsetzung des Gegenstandswerts für das Vorverfahren in unzulässiger Weise in die Kompetenz der zur Entscheidung nach § 80 LVwVfG zuständigen Behörde eingreifen.
VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 13.03.1991
Az: 8 S 625/91
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