Landgericht Hamburg:
Urteil vom 27. April 2006
Aktenzeichen: 315 O 794/05
(LG Hamburg: Urteil v. 27.04.2006, Az.: 315 O 794/05)
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)zu unterlassen,
die Broschüre "Ruhig Blut! Selbstschutz und Erste Hilfe bei Demonstrationen und Aktionen mit Rechtshilfetips" unter Verwendung eines Rot-Kreuz-Zeichens, das wie nachfolgend abgebildet gestaltet ist :
anzubieten oder zu verbreiten oder zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder anzubieten oder verbreiten oder vervielfältigen und öffentlich zugänglich machen zu lassen, insbesondere wenn dies geschieht wie nachfolgend abgebildet:
II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 606,30EURzuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 17. Dezember 2004 zu zahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/5 und der Beklagte 4/5.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000 EUR.
Der Kläger darf die Vollstreckung seitens des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
und beschließt:
Das Passivrubrum wird dahingehend berichtigt, dass der Beklagte, der R. H. e.V., durch den Vorstand P. B., M. C., M. H. und M. K. vertreten wird.
Tatbestand
Der Kläger ist als eingetragener Verein die nationale Rotkreuz-Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Genfer Rotkreuz-Abkommens vom 12.08.1949. Als solcher ist der Kläger nach Art. 38, 44, 53 des I. Genfer Abkommens in der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich berechtigt, das Wahr- und Schutzzeichen des Roten Kreuzes auf weißem Grund zu führen.
Der Beklagte betreibt unter der Domain "www.r.-h..de" einen Online-Dienst, wie es sich aus der Anlage K 5 ergibt. Auf Unterseiten dieser Domain bot der Beklagte bis zum 22.10.2004 die Broschüre "Ruhig Blut! Selbstschutz und Erste Hilfe bei Demonstrationen und Aktionen mit Rechtshilfetips" (Anlage K 6, 14) an. Auf der Titelseite und im Heftinneren dieser Broschüre ist ein Kreuz mit einer Faust am oberen Ende des Kreuzes abgebildet, auf der Titelseite sind das Kreuz und die Faust in "rötlicher" Farbe mit einer weißen Umrandung zu sehen.
Der Beklagte bewarb die Broschüre auf der URL "www.r.-h..de/rhz./rhz... d./ rez03.html" mit den Worten: "Diese Broschüre sollte in keinem Haushalt fehlen und vor allem gehört sie auch gelesen, denn besser ist mann/ frau weiß vorher, was in einer brenzligen Situation zu tun ist." Die Broschüre war auf den Internetseiten des Beklagten nicht abgebildet. Bis zum 18.11.2004 veräußerte der Beklagte - nach seinen eigenen Angaben - eine zweistellige Anzahl von Exemplaren der streitgegenständlichen Broschüre.
Mit Anwaltsschreiben vom 17.11.2004 forderte der Kläger den Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung (Anlagen K 8, 9) und zur Zahlung von Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 1.379,80 EUR, zahlbar bis zum 30.11.2004, auf.
Der Kläger stützt seinen Unterlassungsanspruch auf § 12 BGB (analog) bzw. §§ 1004, 823 BGB in Verbindung mit § 125 OWiG, § 8 TDG.
Dazu trägt er vor, dass der Beklagte in unzulässiger Weise ein mit dem Wahrzeichen des Klägers verwechslungsfähiges Zeichen nutze. Die Verletzung sei gravierend, weil sie dem völkerrechtlichen Schutzzeichen des Klägers zuwiderlaufe und geeignet sei, den guten Ruf des Klägers erheblich zu schädigen.
Der Kläger beantragt,
I. den Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Vermeidung eines vom Gericht in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, die Broschüre "Ruhig Blut! Selbstschutz und Erste Hilfe bei Demonstrationen und Aktionen mit Rechtshilfetips" unter Verwendung eines Rot-Kreuz-Zeichens, das wie nachfolgend abgebildet gestaltet ist :
anzubieten oder zu verbreiten oder zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder anzubieten oder verbreiten oder vervielfältigen und öffentlich zugänglich machen zu lassen, insbesondere wenn dies geschieht wie nachfolgend abgebildet:
2. an den Kläger 699,90 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2004 zu zahlen;
3. dem Kläger über den Umfang der vorstehend zu I.1. bezeichneten Handlungen Auskunft zu erteilen, insbesondere darüber, in welchem Zeitraum und auf welchen Websites die vorstehend abgebildete Broschüre unter Verwendung des Rot-Kreuz-Zeichens angeboten, verbreitet bzw. öffentlich zugänglich gemacht wurde;
4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger all denjenigen Schaden zu erstatten, der ihm durch die vorstehend zu 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet,
er habe in seinem Literaturbetrieb die streitgegenständliche Broschüre zwar bis zum 30.11.2004 angeboten. Seitdem biete er die Broschüre jedoch weder an, noch verbreite er sie. Bis zum 18.11.2004 habe er eine zweistellige Anzahl von Exemplaren der Broschüre vertrieben. Er habe das streitgegenständliche Symbol jedoch zu keiner Zeit selbst abgebildet oder sich zu eigen gemacht.
Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, da er die Broschüre seit Ende November 2004 nicht mehr zum Kauf anbiete.
Der Klage werde auch der Einwand der Verwirkung durch Zeitablauf entgegengehalten. Dem Kläger sei das streitgegenständliche Demo-Sanitäter-Symbol nicht erst seit kurzem, sondern bereits seit den 1980er Jahren bekannt. Der Kläger habe es über 20 Jahre lang unterlassen, mit Anträgen wie den jetzigen gegen die Verwendung des ihm seit langem bekannten streitgegenständlichen Zeichens vorzugehen.
Der Klagantrag sei nicht hinreichend bestimmt. Der Antrag sei hinsichtlich seiner Farbgestaltung nicht näher beschrieben; in dem Antrag werde jedoch in schwarzer Farbe - als Zeichen und im Rahmen einer schwarz-weißen Ablichtung - die Titelseite der streitgegenständlichen Broschüre dargestellt.
Aus dem gleichen Grunde gehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch ins Leere. Denn mit anwaltlichen Abmahnungsschreiben (Anlage K 9) habe der Kläger von dem Beklagten die Unterlassung der Verwendung des Zeichens in schwarzer Farbe begehrt.
In der streitgegenständlichen Broschüre werde nicht ein rotes Kreuz mit aufgesetzter Faust auf weißem Grund verwendet. Die Verwechslungsgefahr sei bereits deshalb ausgeschlossen. Zudem sei die aufgesetzte Faust eine so wesentliche, eigenpersönliche Abweichung, dass nicht der Eindruck entstehen könne, es handele sich um das geschützte schlichte Zeichen des Klägers. Es lägen grafische Unterschiede vor, die einen völlig unterschiedlichen Gesamteindruck begründeten.
Die Broschüre erreiche vom Adressatenkreis und Verbreitungsweg her nur Personen, die in den angesprochenen sozialen Bewegungen aktiv seien. Dies werde durch den Kontext der Darstellung unterstrichen.
Der Beklagte habe jedenfalls schuldlos gehandelt. Aufgrund der erfolgten Freisprüche in den Ordnungswidrigkeitenverfahren vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten, 250 Owi 50/83 und 391 Owi 133/82 jug., die dem Beklagten bekannt gewesen seien, fehle es am Verschuldenselement.
Ein Aufwendungsersatzanspruch für die erfolgte Abmahnung stehe dem Kläger auch deshalb nicht zu, weil er über eine eigene Rechtsabteilung mit Juristen verfüge und aufgrund dessen die Einschaltung externer Rechtsanwälte nicht erforderlich gewesen sei.
Gründe
Die zulässige Klage ist lediglich im tenorierten Umfang begründet (I.). Im Übrigen ist die Klage abzuweisen (II.).
I.
1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 12 Satz 2 BGB und gemäß 1004 BGB in Verbindung mit § 125 Abs.1 OWiG zu.
Der Klagantrag ist hinreichend bestimmt.
Aus den Umständen, insbesondere der Antragsformulierung ergibt sich - auch für den Beklagten - unzweifelhaft, dass Streitgegenstand die Verwendung eines roten Kreuzes mit einer roten Faust ist.
Der Klagantrag ist zudem anhand des Klagevorbringens auszulegen. Der Kläger hat mit der Anlage K 14 einen farbigen Ausdruck des Deckblattes der Broschüre "Ruhig Blut!" eingereicht, auf dem der Rotton des "Roten Kreuzes mit der Faust" zu erkennen ist.
Das Rote Kreuz des Klägers ist nach § 12 BGB geschützt.
Der Kläger genießt für das Wahrzeichen des Roten Kreuzes den Schutz des § 12 BGB, auf den sich auch juristische Personen berufen können. Der Schutz des § 12 BGB gilt auch für das von dem Kläger geführte Rote Kreuz, das als Wahrzeichen seine Grundlage in Art. 38, 44 und 53 des Genfer Abkommens zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde vom 12. 8. 1949 in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz vom 21. 8. 1954 (BGBl II 1954, 781) hat. Die den Namensschutz regelnde Vorschrift des § 12 BGB ist zum Schutz des Wahrzeichens des Roten Kreuzes ebenso wie bei unterscheidungskräftigen Wappen und Vereinsemblemen entsprechend anwendbar. An dem Wahrzeichen des Roten Kreuzes hat der Kläger durch die Ingebrauchnahme, zu der er aufgrund von Anerkennungsschreiben der Bundesregierung und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz befugt war, ein dingliches Schutzrecht gemäß § 12 BGB erworben. Unbefugten ist die Verwendung des Wahrzeichens durch die Bußgeldvorschrift des § 125 OWiG verboten (BGH, NJW 1994, 2820, 2821 - Rotes Kreuz, mit Hinweis auf BGH, NJW-RR 1991, 934 = LM § 12 BGB Nr. 57 = GRUR 1991, 157 - Johanniter-Bier; BGHZ 119, 237 (245) = NJW 1993, 918 = LM H. 3/1993 § 12 BGB Nr. 59 - Universitätsemblem; BGH, LM § 12 BGB Nr. 44 = GRUR 1976, 644 (646) = WRP 1976, 609 (611) - Kyffhäuser).
Im vorliegenden Fall verletzt die Verwendung des angegriffenen Kennzeichens durch den Beklagten das durch § 12 BGB geschützte Wahrzeichen des Klägers, weil die Verwendung geeignet ist, durch Begründung einer Verwechslungsgefahr eine namensmäßige Zuordnungsverwirrung (vgl. dazu BGH, NJW 1994, 2820, 2821- Rotes Kreuz m. w. Nachw.) hervorzurufen.
Die Kammer kann auf der Grundlage des feststehenden Sachverhalts selbst beurteilen, ob eine Verwechslungsgefahr besteht. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist hier - wie im gesamten Kennzeichnungsrecht - eine Rechtsfrage (st. Rspr.; vgl. BGH, a.a.O. m.w.Nachw.).
Soweit der Beklagte behauptet, die streitgegenständliche Broschüre erreiche vom Adressatenkreis und Vertriebsweg her nur Personen, die in den angesprochenen sozialen Bewegungen aktiv seien, mag es zwar richtig sein, dass sich solche Personen besonders angesprochen fühlen. Das Angebot richtet sich jedoch über das Internet bundesweit und ohne Einschränkung an Internetnutzer.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr die in Frage stehenden Bezeichnungen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. In diesem Eindruck treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor als die Unterschiede, so dass es maßgeblich nicht so sehr auf die Unterschiede als auf die Übereinstimmungen zweier Zeichen ankommt (vgl. BGH, a.a.O. m.w.Nachw.).
Das allgemein bekannte Wahrzeichen des Roten Kreuzes ist in Art. 38 des genannten Genfer Rotkreuz-Abkommens dadurch festgelegt worden, dass zu Ehren der Schweiz das durch Umkehrung der eidgenössischen Farben gebildete Wappenzeichen zum Schutzzeichen erklärt wurde. Der Gesamteindruck dieses Wahrzeichens wird geprägt durch das in einem gleichmäßigen Rotton gehaltene Kreuz auf weißem Grund, das durch zwei gleich lange und gleich breite Balken gebildet wird.
Das angegriffene Zeichen wird in seinem Gesamteindruck zunächst bestimmt durch ein in einem gleichmäßigen Rotton gehaltenes Kreuz mit zwei scheinbar gleich langen und gleich breiten Balken. Das rote Kreuz befindet sich zwar nicht auf einem weißen Hintergrund. Es verfügt jedoch über eine weiße Umrandung. Der wesentliche Unterschied zwischen den Zeichen besteht darin, dass sich am oberen Ende des senkrechten Balkens des Kreuzes als Verlängerung in dem gleichen Rotton eine Faust befindet, die ebenfalls weiß umrandet ist. Die rote Faust ist zwar auffällig. Gegenüber dem beherrschenden Eindruck des Roten Kreuzes begründet sie jedoch keinen ausreichenden Abstand zu dem Wahrzeichen der Klägerin.
Es besteht vielmehr die ernsthafte Gefahr, dass aufgrund der weitgehenden Ähnlichkeit der Zeichen der unrichtige Eindruck entsteht, bei dem Herausgeber der Broschüre "Ruhig Blut!" handele es sich um eine Organisation, der von dem Kläger das Recht zur Verwendung seines Wahrzeichens erteilt worden sei.
Auch in einem solchen Fall der Zuordnungsverwirrung liegt eine Verletzung des Rechts des Klägers aus §12 BGB vor (vgl. BGH, a.a.O., m. w. Nachw.). Denn die Möglichkeit einer Zuordnungsverwirrung besteht nicht nur bei einem namens- und kennzeichenmäßigen Gebrauch des Namens durch einen Dritten, sondern auch bei solchen Verwendungen, durch die der Namensträger zu bestimmten Einrichtungen, Gütern oder Erzeugnissen in Beziehung gesetzt wird, mit denen er nichts zu tun hat. Hierfür genügt es, dass im Verkehr der Eindruck entsteht, der Namensträger habe dem Benutzer ein Recht zur entsprechenden Verwendung des Namens erteilt (ständige Rechtsprechung: BGH, a.a.O.; OLG Nürnberg, GRUR 1999, 68 - Rot-Kreuz-Zeichen).
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass es sich bei dem Wahrzeichen des Klägers um ein berühmtes Zeichen handelt. Berühmte Wahrzeichen sind - wie berühmte Unternehmenskennzeichen - gegen jede Beeinträchtigung ihrer Alleinstellung geschützt, und zwar auch dann, wenn eine Verwechslungsgefahr zu verneinen ist. (vgl. dazu Heinrichs in Palandt, BGB, 65. Aufl., § 12 Rn.31).
Das rote Kreuz mit der roten Faust ist erkennbar an das Wahrzeichen des Klägers angelehnt worden, um den Ruf des Wahrzeichens des Roten Kreuzes für die eigenen Zwecke auszunutzen. Die dadurch entstehende "Verwässerungsgefahr" (vgl. dazu Heinrichs a.a.O) des Roten Kreuzes muss der Kläger nicht hinnehmen.
Der Beklagte hat das Zeichen des Klägers gebraucht. Insoweit ist es unerheblich, dass er das Zeichen auf seiner Internetseite nicht abgebildet hat. Denn unstreitig hat er bis zum 17.11.2004 im zweistelligen Bereich Broschüren gegen Entgelt veräußert, so dass er spätestens mit der Auslieferung der Broschüren das Wahrzeichen des Klägers verletzt hat.
Die Wiederholungsgefahr wird wegen der bereits begangenen Verstöße vermutet. Zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr genügen weder der bloße Wegfall der Störung noch die Zusage des Verletzers, von Wiederholungen künftig Abstand zu nehmen. Hiervon geht die Rechtsprechung in Wettbewerbsprozessen seit jeher aus (BGHZ 1, 241, 248 - Piek-fein; BGH GRUR 1955, 342, 345 - Holländische Obstbäume). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Unterlassungsanspruch nicht verwirkt.
Der Verwirkungseinwand - der im Übrigen einen wertvollen Besitzstand voraussetzen würde - kann schon deshalb nicht durchgreifen, weil an dem Schutz des Wahrzeichens des Roten Kreuzes vor unbefugter Verwendung ein überragendes Allgemeininteresse besteht, das gegenüber den Individualinteressen des Beklagten überwiegt. Als internationales Schutzzeichen soll das Wahrzeichen unter allen Einsatzbedingungen stets klar und zweifelsfrei die Funktion seiner Träger bezeichnen. Dementsprechend verpflichten Art. 53 und 54 des genannten Genfer Abkommens die Vertragsstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den unbefugten Gebrauch des Wahrzeichens des Roten Kreuzes und aller Zeichen, die eine Nachahmung darstellen, zu verhindern und zu ahnden. Daher kann kein schutzwürdiger Besitzstand an einem Kennzeichen entstehen, das geeignet ist, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, die Organisation gehöre zum Kläger oder stehe mit diesem als Rot-Kreuz-Organisation jedenfalls in Beziehung (vgl. auch BGH, a.a.O., m.w.Nachw.). Eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs ist mithin grundsätzlich ausgeschlossen (OLG Nürnberg, GRUR 1999, 68 - Rot-Kreuz-Zeichen).
2. Der Zahlungsanspruch ist lediglich in Höhe von 606,30 EUR begründet.
Der Kläger hat unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB einen Anspruch auf Erstattung der vorprozessual entstandenen Anwaltskosten.
Die Abmahnung war begründet und berechtigt. Begründet ist eine Abmahnung, wenn ihr ein Unterlassungsanspruch zugrunde liegt. Berechtigt ist die Abmahnung, wenn sie erforderlich ist, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Diesen Zweck erfüllte das Abmahnschreiben des Klägers. Im Einzelnen:
Durch die Abmahnung hat der Kläger (auch) ein Geschäft des Beklagten geführt. Das Geschäft hat objektiv dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Beklagten entsprochen. Denn der Beklagte hatte das Recht des Klägers aus § 12 BGB verletzt. Auf ein etwaiges Verschulden des Beklagten kommt es insoweit nicht an.
Die Abmahnung war objektiv erforderlich, um dem Beklagten einen Weg zu weisen, den Kläger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.
Soweit der Beklagte einwendet, der geltend gemachte Zahlungsanspruch gehe ins Leere, weil der Kläger mit dem anwaltlichen Abmahnungsschreiben die Unterlassung der Verwendung des Zeichens in schwarzer Farbe begehrt habe, übersieht der Beklagte, dass sich aus den Umständen unzweifelhaft ergab, dass es allein um die Verwendung des roten Kreuzes mit der roten Faust ging.
Es ist nicht zu beanstanden, dass sich der Kläger bei der Abmahnung der Hilfe ihres Prozessbevollmächtigten bedient hat. Ein Unternehmen kann in der Regel die für eine Abmahnung entstandenen Anwaltskosten ersetzt verlangen (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 12 Rn.1.93.). Entgegen der Ansicht des Beklagten liegen hier keine besonderen Umstände vor, die ausnahmsweise dazu führen können, die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts zu verneinen. Allein die Tatsache, dass der Kläger eine Rechtsabteilung unterhält, ist unbeachtlich. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Rechtsabteilung auch über einen Wettbewerbsspezialisten verfügt. Dies ist nicht ersichtlich.
Der angewendete Gebührensatz von 1,3 aus Nr. 2400 des Vergütungsverzeichnisses gemäß Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG ist angemessen. Für die hier maßgebliche Abmahnung erscheint eine Bewertung mit 1,3 innerhalb des durch Nr. 2400 des Vergütungsverzeichnisses gemäß Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG eröffneten Gebührenrahmens von 0,5 bis 2,5 nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung als vertretbar. Dieser Satz liegt unterhalb der Mittelgebühr von 1,5 des anwendbaren Gebührenrahmens. Weitere Gründe, die eine Reduzierung der Gebühr rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben.
Es ist allerdings nur ein Gegenstandswert von 40.000 EUR zugrunde zu legen.
Für die Höhe des Gegenstandswertes ist auf das Interesse des Klägers an der künftigen Unterbindung des beanstandeten Verhaltens abzustellen. Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit den Streitwert mit insgesamt 50.000 EUR angegeben. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger neben dem Unterlassungsanspruch noch Folgeansprüche (Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche) geltend, so dass im vorliegenden Rechtsstreit der Wert des Unterlassungsanspruchs mit 40.000 EUR zu beziffern ist. Dieser Gegenstandswert ist auch dem vorprozessualen Abmahnschreiben zugrunde zu legen.
Nach dem RVG ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Tätigkeit neu geregelt. Soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV entstanden ist, wird diese zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet (Vorbem. 3 Abs.4 zur VV RVG).
Erfolgt nunmehr eine nach dem RVG geregelte Anrechnung der außergerichtlichen Kosten zur Hälfte, berechnet sich der Erstattungsbetrag wie folgt:
Gegenstandswert: 40.000,- EUR
1,3 Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts
Nr.2400 VV RVG:
1.172,60 EUR
Auslagenpauschale des Rechtsanwalts
20,00 EUR
Anrechnung gem. Vorbem. 3 Abs.4 VV RVG
586,30 EUR
Gesamtbetrag:
606,30 EUR
Die geltend gemachten Zinsen stehen dem Kläger gemäß §§ 286 Abs.1, Abs.3, 288 Abs.1 BGB ab dem 17.12.2004 zu. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs fehlt es an einem substantiierten Vortrag des Klägers.
3. Hinsichtlich der weiteren Ansprüche (Schadensersatzfeststellungs- und Auskunftsanspruch) ist die Klage unbegründet.
Der Schadensersatzfeststellungsanspruch aus §§ 823 Abs.1, 12 BGB setzt ein Verschulden voraus. Das gleiche gilt für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf Auskunftserteilung, der nach dem Vortrag des Klägers dazu dienen soll, einen möglichen Schaden zu beziffern.
Der Beklagte handelte nicht schuldhaft.
Er befand sich im unvermeidbaren Verbotsirrtum. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten in Fällen, in denen es um die Verwendung des streitgegenständlichen Zeichens ging, die Betroffenen vom Vorwurf des Verstoßes gegen § 125 OWiG freigesprochen. Der Beklagte hat ferner unbestritten vorgetragen, dass ihm diese Entscheidungen bekannt gewesen seien und er dementsprechend davon ausgegangen sei, dass die Verwendung des roten Kreuzes mit der roten Faust nicht rechtswidrig sei.
Der Beklagte hatte dementsprechend bisher keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass diese gerichtlichen Entscheidungen auch heute noch im zivilrechtlichen Namens- und Kennzeichnungsrecht ohne Einschränkungen gelten.
Das Abmahnschreiben des Klägers vom 17.11.2004 war nicht ausreichend, um solche Zweifel auszulösen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 709, 711 ZPO.
LG Hamburg:
Urteil v. 27.04.2006
Az: 315 O 794/05
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