Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 27. August 2009
Aktenzeichen: 18 U 177/08

(OLG Köln: Urteil v. 27.08.2009, Az.: 18 U 177/08)

Wird ein Squeeze out-Beschluss vor der Zustellung einer dagegen gerichteten Klage eines Aktionärs in das Handeslregister eingetragen, ist die Klage unbegründet, weil der Aktionär mit Eintragung des Beschlusses seine Stellung als Aktionär und damit seine Aktivlegitimation verloren hat.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 17.10.2008 wie folgt teilweise abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger jeweils zu einem Sechstel, die Kosten der Berufung tragen die Kläger zu 1) bis 3) sowie 5) und 6) jeweils zu einem Fünftel

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern zu 1) bis 3) sowie 5) und 6) wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beklagte ist durch formwechselnde Umwandlung aus der I. AG hervorgegangen. Die Umwandlung wurde am 09.07.2009 in das Handelsregister eingetragen.

Die Kläger zu 1) bis 3) sowie 5) und 6) waren Aktionäre der I. AG; die Klägerin zu 4) hat dies behauptet. In der Hauptversammlung der I. AG vom 21.12.2007 wurde der Beschluss gefasst, die Aktien der Minderheitsaktionäre auf die J.K. GmbH V. zu übertragen. Hiergegen haben die Kläger Klagen erhoben, die zwischen dem 17. und dem 21.01.2008 beim Landgericht Köln eingegangen sind. Zuvor hatten sich bereits mit Schriftsatz vom 15.01.2008 die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten für den Fall einer Klageerhebung für den Vorstand der Beklagten bestellt.

Mit Telefax-Schreiben vom 21.02.2008 fragte das Landgericht Köln "in dem Rechtsstreit N. GmbH u. a. gegen I. AG" unter Angabe des Aktenzeichens 82 O 5/08 bei den Prozessbevollmächtigten der Beklagten an, ob sie auch den Aufsichtsrat der Beklagten verträten. Mit Schreiben vom folgenden Tage verneinten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten diese Frage, so dass die Klageschrift dem Aufsichtsrat der I. AG am 28.02.2008 zugestellt wurde; die Zustellung an den Vorstand erfolgte erst am 03.03.2008. Auf Antrag der Beklagten vom 11.02.2008 war aber bereits am 27.02.2008 der angefochtene Beschluss in das Handelsregister eingetragen worden. In diesem Antrag war erklärt worden, "dass eine Klage (gegen) die Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses nicht erhoben worden ist". Aufgrund eines Schreibens des Klägers zu 6) vom 22.01.2008 war das Handelsregister darüber informiert, dass dieser am 21.01.2008 eine Klage gegen den Beschluss beim Landgericht eingereicht hatte.

Das Landgericht hat die Klage der Klägerin zu 4) mangels Nachweises der Aktionärsstellung abgewiesen, auf die Klage der übrigen Kläger hat sie den angefochtenen Beschluss jedoch für nichtig erklärt. Die Kläger zu 1) bis 3), 5) und 6) seien auch noch klagebefugt, obwohl sie bereits bei Zustellung der Klage aufgrund der zuvor erfolgten Eintragung des angefochtenen Beschlusses in das Handelsregister ihre Aktionärsstellung eingebüßt hatten. Die Beklagte habe diese Eintragung rechtsmissbräuchlich erschlichen, weil ihr bei Beantragung der Eintragung und Versicherung, dass Klagen gegen den Beschluss nicht erhoben worden seien, bekannt gewesen sei, dass zumindest eine Klage anhängig gewesen sei. In der Sache hat das Landgericht seine Entscheidung auf eine Reihe von Gründen gestützt:

Die Auslegung der Unterlagen hätte in den Geschäftsräumen der Beklagten in Köln erfolgen müssen. Die Gewährleistungserklärung der Commerzbank habe unzulässige Einschränkungen enthalten. In der Hauptversammlung sei eine Frage der Aktionäre nach dem genauen Zeitpunkt der Übermittlung der Einladung an den Bundesanzeiger unbeantwortet geblieben, obwohl diese für die Beurteilung des Tagesordnungspunktes von Bedeutung gewesen sei.

Den Vortrag der Beklagten, dass die Hauptversammlung der Beklagten am 17.09.2008 - nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht - einen Bestätigungsbeschluss gefasst habe, hat das Landgericht gemäß § 296a ZPO nicht berücksichtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags, der in erster Instanz gestellten Anträge sowie der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Landgerichts Köln Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen und begründeten Berufung. In dieser vertritt sie in erster Linie die Auffassung, dass die Kläger aufgrund der am 27.02.2008 erfolgten Eintragung des Beschlusses bereits bei Zustellung der Klage nicht mehr aktiv legitimiert gewesen seien. Im Übrigen wäre die Anfechtung aber auch in der Sache nicht berechtigt.

Sie beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 17.10.2008 aufzuheben, soweit es zugunsten der Kläger zu 1) bis 3) sowie 5) und 6) ergangen ist und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger zu 1) bis 3) sowie 5) und 6) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Frage, ob das Landgericht den angefochtenen Beschluss zu Recht für nichtig gehalten hat, bedarf keiner Entscheidung. Die Klage sämtlicher Kläger war jedenfalls deshalb schon bei Zustellung unbegründet, weil diese zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Aktionäre der Beklagten waren. Vielmehr waren ihre Aktien mit der am 27.02.2008 erfolgten Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses in das Handelsregister gemäß § 327e Abs. 3 S. 1 AktG bereits auf die Hauptaktionärin übergegangen.

Die Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister ist wirksam. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung ist die Beklagte auch nicht gehindert, sich auf den Verlust der Aktionärsstellung der Kläger durch die Eintragung zu berufen. Die fortbestehende Aktivlegitimation der Kläger lässt sich auch nicht aus entsprechender Anwendung des § 265 ZPO herleiten.

1. Die Anmeldung des Hauptversammlungsbeschlusses zum Handelsregister am 11.02.2008 unter der Angabe, dass Anfechtungsklagen nicht erhoben worden seien, war nicht rechtsmissbräuchlich. Diese Erklärung war offensichtlich zutreffend, denn die Erhebung einer Klage erfolgt durch deren Zustellung an den Beklagten (§ 253 Abs. 1 ZPO). Diese erfolgte hier aber erst am 28.02./03.03.2008. Dafür, dass in § 319 Abs. 5 S. 1 AktG, auf den § 327e Abs. 2 AktG verweist, unter Klageerhebung etwas anderes - nämlich bereits die Einreichung der Klage beim zuständigen Gericht - verstanden werden soll, bestehen keine Anhaltspunkte.

Die Beklagte war am 11.02.2008 auch berechtigt, den Antrag auf Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses vom 21.12.2007 zu stellen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Antrag frühestens nach Ablauf der Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage (§ 246 Abs. 1 AktG) erhoben werden dürfe, weil vorher die Erklärung über die Erhebung einer Anfechtungsklage nicht abgegeben werden könne (vgl. BGH, Urteil vom 05.10,.2006 - III ZR 283/05 -, Rdnr. 17f.), war die Antragstellung zulässig. Seit der Beschlussfassung waren zu diesem Zeitpunkt mehr als sieben Wochen vergangen. Nach anderer Auffassung kann der Eintragungsantrag ohnehin sofort nach der Beschlussfassung gestellt werden, denn aus dem Gesetz lässt sich eine Wartefrist für die Gesellschaft nicht ableiten (vgl. Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG 2008, § 319 Rdnr. 32; Goette, FS K. Schmidt, 2009, S. 469, 472 ). Die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage ist dann vom Handelsregister abzuwarten.

An dieser Bewertung ändert sich auch nicht dadurch etwas, dass der Beklagten seit der Anfrage des Landgerichts vom 21.01.2008 bekannt war, dass zumindest eine Anfechtungsklage anhängig geworden war. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte den Umstand für sich ausgenutzt hat, dass die Klagen noch nicht zugestellt waren, wäre es ein Zirkelschluss, dieses Verhalten als "pflichtwidrig" anzusehen: Es bestand nämlich keine Pflicht, mit der Antragstellung weiter zuzuwarten. Eine Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber dem Aktionär, eine anhängige, aber noch nicht zugestellte Klage durch Eintragung des angefochtenen Beschlusses nicht "zu unterlaufen", besteht nicht. Insoweit ist nämlich zu bedenken, dass die Gesellschaft darauf, ob und ggf. wann eine Zustellung erfolgt, keinen Einfluss hat. Außerdem ist die Gesellschaft in mindestens gleichem Maße dem Mehrheitsaktionär und den nicht klagenden Minderheitsaktionären verpflichtet, die ein berechtigtes Interesse an einer möglichst zügigen Eintragung des gefassten Beschlusses haben. Der sich hier ergebende Interessenkonflikt kann auch ohne weiteres dadurch bewältigt werden, dass eine Eintragung durch das Handelsregister zumindest bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage zurückgestellt und ggf. von der Gesellschaft nach Ablauf dieser Frist noch ein neues Negativattest verlangt wird.

Es ist schließlich auch unerheblich, dass die Beklagte das Handelsregister bei Antragstellung nicht darüber informiert hat, dass bereits Klagen beim Landgericht eingereicht worden waren. Zum einen sieht §§ 319 Abs. 5 S. 1, 327e Abs. 2 AktG nur die Verpflichtung vor, das Handelsregister über erhobene, das heißt, zugestellte Klagen zu informieren. Zum anderen hätte sich ein solches Versäumnis auf die Eintragung aber auch nicht ausgewirkt. Aufgrund der Information seitens des Klägers zu 6) war dem Handelsregister bei Eintragung bekannt, dass zumindest eine Klage gegen den einzutragenden Beschluss bei Gericht eingereicht worden war. Gleichwohl hat es von der Eintragung nicht abgesehen. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass eine entsprechende Information durch die Beklagte etwas anderes bewirkt haben würde.

2. Auch die vom Landgericht erwogene Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO hält der Senat nicht für möglich. Voraussetzung für eine Analogie ist nach allgemeinen Grundsätzen eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Regelungslücke. Diese ist in der vorliegenden Konstellation aber nicht erkennbar (ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2005 - I-6 U 5/04 -. Rdnr. 43 ff. [im Internet abrufbar unter www.lv.justiz.nrw.de/nrwe]; Goette, a. a. O., S. 475 ff.). Der Gesetzgeber hat die Regelung des § 265 Abs. 2 ZPO vielmehr auf die Zeit nach Rechtshängigkeit beschränkt, weil ein einmal begonnener Rechtsstreit nicht durch die im Belieben der Parteien stehende Veräußerung des Streitgegenstandes beeinflusst werden soll. Für eine Veräußerung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit gilt diese Regelung dagegen bewusst nicht. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Regelungen der §§ 319 Abs. 5 S. 1, 327e Abs. 3 S. 1 AktG übersehen haben sollte, dass im Einzelfall die Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses vor der Zustellung der Klage erfolgt, so dass schon deswegen unbegründet ist. Diese Konstellation kann ohne Weiteres immer im Falle der Nichtigkeitsklage auftreten, die noch innerhalb von drei Jahren nach Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister erhoben werden kann (§ 242 Abs. 2 S. 1 AktG).

3. Schließlich überzeugen den Senat auch die vom Landgericht angeführten verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht (ebenso Goette, a. a. O., S. 477 ff.). Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass das Interesse der Minderheitsaktionäre in den Squeeze out-Fällen sich auf ihre Kapitalbeteiligung beschränkt, da sie aufgrund der Mehrheitsverhältnisse ohnehin keinen nennenswerten Einfluss auf die Geschäftspolitik ausüben können (BVerfG, Beschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04 -, Rdnr. 23). Der Schutz des Vermögensinteresses der Minderheitsaktionäre wird jedoch durch die Regelung über die Bezahlung einer angemessenen Barabfindung für den Verlust der Aktien (§ 327a Abs. 1 AktG) hinreichend gewährleistet.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Senat lässt die Revison zu, weil die streitentscheidende Frage, ob eine Eintragung des Squeeze out-Beschlusses vor Zustellung der gegen diesen Beschluss gerichteten Anfechtungsklage zur Unbegründetheit dieser Klage führt, noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist. Zwar hat der Bundesgerichtshof die Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 20.01.2005) zurückgewiesen (Beschluss vom 15.05.2006 - II ZR 48/05 -), jedoch ist deswegen noch eine Verfassungsbeschwerde anhängig (1 BvR 1542/06).

V.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 250.000,00 € festgesetzt.






OLG Köln:
Urteil v. 27.08.2009
Az: 18 U 177/08


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