Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 20. Januar 1994
Aktenzeichen: 7 U 130/93

(OLG Köln: Urteil v. 20.01.1994, Az.: 7 U 130/93)

1.Die bloße Beleihung eines Unternehmers löst noch keine Haftung der beleihenden Körperschaft aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis aus.

2. Ein Beamter handelt bei unrichtiger Anwendung der Gesetze nur dann nicht schuldhaft, wenn seine Rechtsmeinung zumindest vertretbar war und er sie sich aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gebildet hat. 2. Durch die Beleihung kann zwar zwischen dem Beliehenen und der beleihenden juristischen Person des öffentlichen Rechts ein öffentlichrechtliches Auftrags- und Treuhandverhältnis begründet werden. Bei der Entscheidung über den Widerspruch eines Dritten gegen den beleihenden Verwaltungsakt obliegen der Widerspruchsbehörde im Verhältnis zu dem Beliehenen jedoch keine besonderen Sorgfalts- und Treuepflichten aus diesem Verhältnis, sondern nur die allgemeinen Amtspflichten.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt seit 1985 die Ti. (im folgenden: T.) in

T.. Sie verlangt Schadenersatz zum einen, weil der R. K. (im

folgenden R.) eine 1986 von ihr vorgelegte Preisliste aufgrund von

Rechtsverstößen verspätet genehmigt habe und weil er zum anderen

nicht eingeschritten sei, als ein die T. belieferndes

Schlachthofunternehmen in erkennbar desolaten wirtschaftlichen

Verhältnissen gewesen sei, so daß sie - die Klägerin - bis zum

Konkurs dieses Unternehmens ihre Entgeltforderungen nicht habe

durchsetzen können.

Bis zum August 1985 betrieb die Stadt K. die T. aufgrund

öffentlichrechtlicher Vereinbarungen mit dem Rh. , dem E. und der

Stadt B. In den Jahren 1982 bis 1984 entstanden durch den Betrieb

der Anlage jeweils Kosten in Höhe von ca. 1,9 Millionen DM, während

sich die Erlöse aus der Verwertung der Tierkadaver auf rund

800.000,-DM im Jahresdurchschnitt beliefen. Von den Schlachthöfen,

Tierärzten etc., die Tierkörper bei der T. ablieferten, wurden

Gebühren nicht verlangt. Die Defizite mußten durch Zahlungen der

beteiligten Städte und Kreise ausgeglichen werden. Zur Entlastung

der Gemeindefinanzen wurde seit Ende 1984 die Veräußerung der im

Eigentum der Stadt K. stehenden T. an einen privaten Betreiber

angestrebt. Die Verhandlungen führten zum Abschluß eines

Entsorgungsvertrages zwischen der Klägerin einerseits sowie den

beteiligten Städten und Kreisen andererseits, der im Juli 1985

unterzeichnet wurde. Darin wurden die bislang den Kommunen nach dem

Tierkörperbeseitigungsgesetz (TKBG) obliegenden Aufgaben der

Klägerin übertragen, die sich ihrerseits zur kostenlosen Entsorgung

gegenüber ihren Vertragspartnern verpflichtete. In § 1 Abs. 3 des

Vertrages hieß es, daß der Unternehmer (die Klägerin) für die

Erfüllung seiner Verpflichtungen von den Aufgabenträgern keine

Vergütung erhalte. Rechte und Pflichten Dritter blieben von dieser

Regelung unberührt. Mit Notarvertrag vom 8. August 1985 veräußerte

die Stadt K. ihren Grundbesitz mit den Gebäulichkeiten der T. für

2,6 Millionen DM an die Klägerin. Sie teilte dies dem R. mit, der

daraufhin unter dem 4. September 1985 der Klägerin aufgrund deren

Antrag vom 26. Februar 1985 die Pflicht zur Beseitigung von

Tierkörpern pp. aufgrund des § 4 Abs. 2 TKBG übertrug. Dem

Beleihungsbescheid war keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Der

R. übersandte eine Abschrift des Bescheides den beteiligten Städten

und Kreisen zur Kenntnis.

Die Klägerin stellte alsbald fest, daß auch sie mit Verlusten

arbeitete, die ein Jahresdefizit von über 1.000.000,-DM erwarten

ließen. Der Marktpreis für Konfiskate verschlechterte sich. Mit

Schreiben vom 17. Juli 1986 beantragte die Klägerin beim R. daher

die Genehmigung einer Preisliste für die Entsorgung gemäß §§ 8 Abs.

1, 9 Abs. 2 des Landestierkörperbeseitigungsgesetzes (LTKBG NW),

die sie berechtigen sollte, von den letzten Besitzern der

Tierkörper vor Ablieferung an die T. ein - privatrechtliches -

Entgelt zu verlangen. Das weckte den Widerstand der Vertragspartner

des Entsorgungsvertrages, die der Auffassung waren, die Klägerin

habe dort eine kostenlose Entsorgung zugesichert. Am 20. August

1986 kam es beim R. zu einer Besprechung mit den beteiligten

Städten und Kreisen. Die Vertreterin des R. wies darauf hin, daß

die Beleihungsverfügung vom 4. September 1985 noch nicht

bestandskräftig sei. Im Verlaufe der Besprechung erklärten die

Vertreter der beteiligten Städte und Kreise, gegen diese Verfügung

Widerspruch einzulegen. Schriftliche Widerspruchsbegründungen

gingen beim R. zwischen dem 19. und 22. September 1986 ein. Der R.

gab mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 1986 dem Widerspruch

statt, hob seine Verfügung vom 4. September 1985 auf und lehnte den

Antrag der Klägerin auf Óbertragung der Beseitigungspflicht nach §

4 Abs. 2 TKBG ab. Die Klägerin erhob dagegen Klage und begehrte

auch einstweiligen Rechtsschutz. Durch einstweilige Anordnung des

OVG M. vom 20. Februar 1987 - 13 B 194/87 - wurde der R.

verpflichtet, die Genehmigung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

mit Preisliste vorläufig zu erteilen. Dem entsprach der R. mit

Bescheid vom 5. März 1987. Seine Óbertragungsverfügung vom 4.

September 1985 nahm er unter Anordnung des Sofortvollzugs mit

Bescheid vom 9. März 1987 zurück. Dagegen legte die Klägerin

Widerspruch ein. Das VG K. stellte mit Beschluß vom 16. März 1987

die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs wieder her; seine

Entscheidung wurde durch das OVG M. mit Beschluß vom 23. Juni 1987

(13 B 826/87) bestätigt. Mit Bescheid vom 29. September 1988 nahm

der R. seinen Widerspruchsbescheid vom 6. November 1986 zurück und

erteilte unter dem 30. September 1988 die endgültige Genehmigung

für die von der Klägerin vorgelegten Allgemeinen

Geschäftsbedingungen mit Preisliste. Ebenfalls am 30. September

1988 hob der R. seinen Rücknahmebescheid vom 9. März 1987 auf.

Bereits im Anschluß an die vorläufige Genehmigung der Preisliste

vom 5. März 1987 hatte die Klägerin in zahlreichen

Rechtsstreitigkeiten begonnen, ihre Forderung auf Entgelte seit dem

1. August 1986 - mit diesem Stichtag war die Preisliste rückwirkend

genehmigt worden - durchzusetzen. Ihre Prozeßgegner wehrten sich

gegen eine rückwirkende Entgelterhebung mit dem Argument, sie

hätten aufgrund der jahrelangen Óbung darauf vertrauen dürfen, daß

die Beseitigung unentgeltlich erfolge. Der Klägerin gelang es daher

in keinem Fall, Ansprüche aufgrund der Preisliste für Entsorgungen

bis Ende April 1987 durchzusetzen. Mit ihren Entgeltforderungen für

die Zeit danach stieß die Klägerin allenthalben auf den Einwand,

ihr im Juli 1985 geschlossener Entsorgungsvertrag mit den

beteiligten Städten und Kreisen habe nicht nur die Zusage einer

kostenlosen Beseitigung der Tierkadaver gegenüber diesen

Gebietskörperschaften enthalten, sondern auch - im Wege eines

Vertrages zugunsten Dritter - gegenüber den die T. beliefernden

Schlachthöfen. Diese Auffassung wurde von den Gerichten teilweise

geteilt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 21. September 1988 - 13 U 110/88

-). Der BGH entschied mit Urteil vom 19. Januar 1993 in einem

Verfahren zwischen der jetzigen Klägerin und der

Betriebsgesellschaft eines Schlachthofes, daß der

Entsorgungsvertrag von Juli 1985 gegenstandslos geworden sei. Der

Entsorgungsvertrag habe nämlich vorgesehen, daß sich die

beseitigungspflichtigen Gebietskörperschaften nach § 4 Abs. 1 TKBG

der Klägerin zur Erfüllung der ihnen obliegenden Pflicht lediglich

als Gehilfin bedienen, selbst aber beseitigungspflichtig bleiben

würden. Dazu sei es indessen nicht gekommen, weil die Klägerin

durch die Óbertragungsverfügung des R. vom 4. September 1985 gemäß

§ 4 Abs. 2 TKBG anstelle der Gebietskörperschaften selbst

beseitigungspflichtig geworden sei. Es bestehe infolgedessen eine

Zahlungspflicht gemäß der genehmigten Preisliste.

Die Klägerin hat behauptet, durch die verspätete Genehmigung der

Preisliste seien ihr ab 1. August 1986 Einnahmeverluste in Höhe von

1.118.297,94 DM sowie bis zum 30. Juni 1991 ein Zinsschaden in Höhe

von weiteren 755.840,38 DM entstanden. Daraus errechnet sich der

erste mit der Klage geltend gemachte Schadensposten.

Einen weiteren Schadensersatzanspruch leitet die Klägerin daraus

her, daß sie am 29. Oktober 1987 einen Beamten des R. mündlich

darüber unterrichtet hat, daß die Firma Me. - die als Betreiberin

des Schlachthofes in P. die T. benutzte - Liquiditätsprobleme habe.

In einem seitens der Klägerin am 3. November 1987 gefertigten

Aktenvermerk heißt es, daß anläßlich einer Besprechung - die

unstreitig einen anderen Anlaß hatte - Herr W. vom R. darauf

hingewiesen worden sei, daß die Firma Me. sehr schwach sei und nur

für 20.000,-DM von der H. Kreditversicherung gegen

Forderungsausfälle versichert werde. Herr W. habe sich gewundert,

daß dies möglich sei. Die Klägerin hat behauptet, auch in der

Folgezeit immer wieder darauf hingewiesen zu haben, daß die Firma

Me. auf wirtschaftlich sehr schlechten Beinen stehe; sie habe daher

die Behörde zum Einschreiten angehalten. Der R. unternahm in dieser

Hinsicht in der Folgezeit nichts. Óber das Vermögen der Firma Me.

wurde am 10. Juli 1988 Konkurs eröffnet. Das von der Klägerin gegen

die Firma Me., die jegliche Zahlung von Entgelten abgelehnt hatte,

auf Zahlung gerichtete Verfahren (87 0 113/87 LG Köln) war zu

diesem Zeitpunkt erstinstanzlich noch nicht abgeschlossen: Das

Landgericht hatte eine umfangreiche Beweisaufnahme angeordnet.

Unter dem 28. September 1988 meldete die Klägerin ihre Ansprüche

zur Tabelle des Konkursverfahrens an. Ihre Forderungen wurden in

der Konkurstabelle vom 13. Januar 1989 festgestellt; sie erhielt in

der Folgezeit jedoch keine Zahlungen aus der Konkursmasse. Das

Verfahren 87 0 113/87 LG K. , in dem die Klägerin die in der Zeit

vom 1. Mai bis 30. Juni 1987 aufgelaufenen Forderungen gegen die

Firma Me. geltend gemacht hatte, wurde wegen des Konkursverfahrens

nicht weitergeführt, nachdem das Landgericht zuvor Beweis erhoben

und alsdann durch Grundurteil vom 28. Oktober 1988 die Ansprüche

der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hatte. Die

Entgelte für ihre Entsorgungstätigkeit zugunsten der Firma Me.

zwischen dem 1. Mai 1987 und dem 30. September 1988 beziffert die

Klägerin einschließlich Zinsen auf 884.096,21 DM. Sie macht diesen

Betrag im vorliegenden Rechtsstreit als zweiten Schadensposten

geltend.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zur Zahlung von 2.759.235,40 DM nebst 12,5 %

Zinsen seit dem 1. Juli 1991 zu verurteilen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen, und u.a. die Einrede der Verjährung

erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ansprüche aus der

verspäteten Genehmigung der Preisliste könnten weder aus § 839 BGB

noch aus § 670 BGB hergeleitet werden. Der R. habe in dem

entsprechenden Verfahren jedenfalls vertretbare Rechtsstandpunkte

eingenommen, so daß es an einer Amtspflichtverletzung fehle. Zudem

spreche auch viel dafür, daß ein etwaiger Amtshaftungsanspruch

verjährt sei. Ein Anspruch aus § 670 BGB scheitere schon deswegen,

weil kein privatrechtliches Auftragsverhältnis zwischen den

Parteien bestanden habe. Die im Zusammenhang mit dem Konkurs der

Firma Me. geltend gemachten Ansprüche seien dem Grunde nach schon

außerordentlich zweifelhaft, jedenfalls aber verjährt.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre in der ersten

Instanz geltend gemachten Ansprüche im wesentlichen weiter. Soweit

sie ihren Schaden aus der verspäteten Genehmigung der Preisliste

errechnet, nimmt sie die im August 1986 angefallenen Entgelte aus

ihrer Schadensberechnung jedoch heraus, weil sie davon ausgehen

will, daß auch bei gehörig beschleunigter Genehmigung der

Preisliste wegen der notwendigen Vorlaufzeit vor dem 1. September

1986 eine Entgeltzahlung nicht habe verwirklicht werden können. Sie

wiederholt und vertieft im übrigen ihr erstinstanzliches

Vorbringen. Sie beanstandet, daß das Landgericht Ansprüche aus § 39

Abs. 1 OBG NW sowie aus der durch die Beleihung mit den Aufgaben

der Tierkörperbeseitigung begründeten öffentlichrechtlichen

Sonderrechtsbeziehung nicht geprüft habe.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Land unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu

verurteilen, an sie 2.620.095,38 DM nebst 12,5 % Zinsen seit dem 1.

Juli 1991 zu zahlen,

hilfsweise, ihr zu gestatten, Sicherheit durch

selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder

öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und ihm zu gestatten, Sicherheit

auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen

Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu leisten.

Es weist den Vorwurf objektiver Pflichtverletzungen zurück und

hält die getroffenen Behördenentscheidungen jedenfalls für

rechtlich vertretbar. Zudem seien die beiden geltend gemachten

selbständigen Schadenersatzansprüche jeweils verjährt.

Wegen sämtlicher weiterer Einzelheiten des Sachund Streitstandes

wird auf das angefochtene Urteil sowie das schriftsätzliche

Vorbringen der Parteien samt der von ihnen überreichten Anlagen

Bezug genommen. Das gilt auch für die im vorstehenden nicht

angesprochenen Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens und der

zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit

der Genehmigung der von der Klägerin vorgelegten Preisliste.

Gründe

Die Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage

jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

A. Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Genehmigung der

Preisliste

Der Senat ist anders als das Landgericht der Auffassung, daß der

R. seine ihm gegenüber der Klägerin obliegenden Amtspflichten

verletzt hat, als er mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 1986

seine Verfügung vom 4. September 1985 aufhob und den Antrag der

Klägerin auf Óbertragung der Beseitigungspflicht nach § 4 Abs. 2

TKBG ablehnte. Das war zugleich eine rechtswidrige Maßnahme im

Sinne des § 39 Abs. 1 OBG. Die danach aus beiden Vorschriften

resultierenden Ansprüche sind indessen verjährt. Ansprüche aus

Verletzung eines öffentlichrechtlichen und durch die Óbertragung

der Tierkörperbeseitigungspflicht entstandenen Verhältnisses

bestehe nicht:

1. a) Der Widerspruchsbescheid vom 6. November 1986, mit dem der

Antrag auf Genehmigung der Preisliste zurückgewiesen wurde, war

rechtswidrig. Er war allein darauf gestützt, daß er eine wirksame

Beleihung nach § 4 Abs. 2 TKBG voraussetze, an der es aber fehle,

weil die Beleihungsverfügung vom 4. September 1985 mit Bescheid vom

selben Tag auf den Widerspruch der beteiligten Gebietkörperschaften

hin aufgehoben worden sei. Dieser Aufhebungsbescheid war

seinerseits rechtswidrig. Der R. hat seinen Widerspruchsbescheid

vom 6. November 1986 mit Bescheid vom 29. September 1988 selbst als

rechtswidrig zurückgenommen. Die dagegen gerichtete Klage der Stadt

B. ist vom VG K. mit Urteil vom 10. Juni 1992 (9 K 3756/89)

rechtskräftig abgewiesen worden. Die anfänglich gegenteilige

Auffassung des R. beruhte auf der Vorstellung, die

Tierkörperbeseitigung sei eine Selbstverwaltungsangelegenheit der

Gemeinde, so daß deren fehlendes Einverständnis mit der Óbertragung

der Tierkörperbeseitigungspflicht auf einen Privaten nicht ohne

Vorliegen schwerwiegender Gründe übergangen werden könne. Seit dem

inhaltlich überzeugenden Beschluß des OVG M. vom 23. Juni 1987 ist

jedoch geklärt, daß es sich bei der Tierkörperbeseitigung um eine

staatliche Aufgabe handelt, welche die Kreise und kreisfreien

Städte als Aufgaben im übertragenen Wirkungsbereich wahrnehmen. Das

beklagte Land bezweifelt jetzt auch selbst nicht mehr, daß die

ursprüngliche Beleihungsverfügung rechtmäßigen und die dagegen von

den Gebietskörperschaften eingelegten Widersprüche keinen Erfolg

hätten haben dürfen.

b) Die maßgeblichen Beamten des R. haben im Zusammenhang mit dem

Bescheid vom 6. November 1986 auch schuldhaft gehandelt. Bei der

Gesetzesauslegung und der Rechtsanwendung hat jeder Inhaber eines

öffentlichen Amtes die Gesetzesund Rechtslage unter Zuhilfenahme

der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft

zu prüfen und danach aufgrund vernünftiger Óberlegungen sich eine

Rechtsmeinung zu bilden. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung

gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar

angesehen werden kann, kann aus der Mißbilligung dieser

Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht

hergeleitet werden. Die Verneinung des Schuldvorwurfs setzt daher

voraus, daß die letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsmeinung

vertretbar und daß sie zum anderen aufgrund sorgfältiger

rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war (ständige

Rechtsprechung, zuletzt BGH NJW 1993, 530, 531). Eine sorgfältige

rechtliche und tatsächliche Prüfung ist nicht erkennbar.

aa) Es mag noch als vertretbar angesehen werden, die Óbertragung

der Tierkörperbeseitigungspflicht auf einen Privaten als Eingriff

in das den Gebietskörperschaften zustehende Selbstverwaltungsrecht

anzusehen, wie es das VG K. in seinem Eilverfahrensbeschluß vom 30.

September 1986 getan hat. Daß der R. diese Frage selbständig jemals

einer gewissenhaften Prüfung unterzogen hat, ist indessen nicht

ersichtlich. Sowohl in dem Bescheid vom 2. September 1986 (AH I,

52, 53) als auch in dem Widerspruchsbescheid vom 6. November 1986

ist lediglich davon die Rede, daß es sich bei der Beseitigung der

Tierkörper um Selbstverwaltungsangelegenheiten handele. Gründe für

dieses Ergebnis werden nicht mitgeteilt. Wenn sich der R. mit

dieser Frage wirklich auseinandergesetzt hätte, hätte für eine

Offenlegung der Argumente um so mehr Anlaß bestanden, als der

Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin, Rechtsanwalt E., unter dem

27. August 1986 (AH I, 48 ff) und 16. September 1986 (GA 359, 368

f.) die gegenteilige Auffassung vertreten und begründet hatte. Das

beklagte Land hat auch keine etwa intern erstellten Vermerke zu

dieser Rechtsfrage vorlegen können, die zwar erarbeitet, dann aber

in die Begründung der Bescheide nicht eingeflossen wären. Der

Wortlaut des § 4 Abs. 2 TKGB, der den Gemeinden lediglich ein

Anhörungsrecht vor der Beleihung an den Privaten zugesteht, sprach

gegen eine Selbstverwaltungsangelegenheit. Trotzdem ohne Argumente

die gegenteilige Auffassung einzunehmen, stellt ein schuldhaft

nicht ausreichendes Bemühen um die richtige Rechtsfindung dar. Es

kann daher den R. nicht entlasten, daß das VG K. in seinem im

Eilverfahren ergangenen Beschluß vom 30. September 1986 ein

vertretbares Argument für eine Zuweisung zur

Selbstverwaltungsangelegenheit gesehen hat, nämlich die Parallele

zur Abfallbeseitigung.

bb) Der R. hätte den Rechtsbehelfen der beteiligten

Gebietskörperschaften auch deshalb nicht stattgeben dürfen, weil

sie erkennbar verspätet eingelegt und daher unzulässig waren. Die

Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO war bei Eingang der formgerechten

Widerspruchsschreiben abgelaufen. Wiedereinsetzung in den vorigen

Stand hätte der R. nicht gewähren dürfen. Es kann keinesfalls davon

die Rede sein, daß den Gebietskörperschaften die Einlegung vor

Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen

sei, was nach § 58 Abs. 2 VwGO Voraussetzung für eine

Wiedereinsetzung gewesen wäre. Die Vertreter der Städte und Kreise

hatten bei der Dienstbesprechung am 20. August 1986 nur mündlich

Widerspruch gegen die Beleihungsverfügung eingelegt. Das ist in dem

Protokoll der Besprechung abschließend festgehalten mit dem Zusatz,

sie würden die Begründung bis zum 20. September 1986 nachreichen. §

70 Abs. 1 VwGO schreibt vor, daß ein Widerspruch nur schriftlich

oder zur Niederschrift bei der Behörde erhoben werden kann. Mit dem

vorgenannten Protokollvermerk war die Schriftform für den

Widerspruch schon deshalb nicht gewahrt, weil das Protokoll nicht

vom Widerspruchsführer verfaßt war. Aktenvermerke über mündlich

eingelegte Widersprüche reichen nicht aus (Kopp, VWGO, 9. Aufl., §

70, 2). Eine Rechtsbehelfseinlegung zur Niederschrift verlangt die

wörtliche Niederschrift; auch insoweit ist ein bloßer Aktenvermerk

unzureichend (Kopp, a.a.0. § 81,13). Die Niederschrift soll auch

nochmals vorgelesen und vom Rechtsbehelfsführer genehmigt werden

(Ordnungsvorschrift). Auch das ist unterblieben. Die bei der

Besprechung vom 20. August 1986 anwesenden Vertreter der

Gebietskörperschaften hatten daher keinen Grund zu der Annahme, ihr

mündlich erhobener Widerspruch sei ordnungsgemäß zur Niederschrift

protokolliert worden. Auch wenn sie in der Besprechung sinngemäß

erklärt hätten, zur Niederschrift Widerspruch einlegen zu wollen

(vgl. AH I, 106), so mußten sie schon nach dem Ende der

Besprechung, spätestens aber nach der Óbersendung des nicht

unterschriebenen und nicht mit Anlagen versehenen Protokolls für

wahrscheinlich halten, daß die Formerfordernisse für einen

wirksamen Widerspruch nicht beachtet worden waren. Bei dieser

Sachlage war die Auffassung, ihnen sei die Einlegung vor Ablauf der

Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen, nicht

ernsthaft vertretbar. Das VG K. hat in seinem Beschluß vom 30.

September 1986 eine offensichtliche Unwirksamkeit der Widersprüche

vom 20. August 1986 nur mangels hinreichend geklärten Sachverhalts

verneint, so daß das Verschulden des R. nicht mit dem Hinweis auf

eine gleichlautende richterliche Kollegialentscheidung verneint

werden kann. Im übrigen ist dieser Beschluß in einem summarischen

Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangen. Insoweit findet die

"Richtlinie", daß das für § 839 BGB erforderliche Verschulden

regelmäßig zu verneinen ist, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern

besetzter Spruchkörper die Ansicht des Beamten geteilt hat, keine

Anwendung (BGH NJW 1986, 2954 zu § 123 VwGO). Der R. mußte den

Sachverhalt gründlich ermitteln und abschließend rechtlich

beurteilen, bevor er von Amts wegen eine Wiedereinsetzung

vornahm.

c) Als die Klägerin den Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides am

2. Dezember 1991 beim Amtsgericht Nettetal einreichte, waren ihre

Ansprüche aus Amtshaftung aber bereits verjährt (§ 852 BGB). Die

Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald der Verletzte von

Schaden und Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt.

Ausreichend für den Verjährungsbeginn ist im allgemeinen eine

solche Kenntnis, die es dem Verletzten erlaubt, eine hinreichend

aussichtsreiche - wenn auch nicht risikolose - und ihm daher

zumutbare Feststellungsklage zu erheben (vgl. BGH NJW 67, 2199 und

1988, 1146). Diese Kenntnisse lagen bei der Klägerin spätestens im

Oktober 1988 vor.

aa) Die primäre Rechtsverfolgung gegenüber den

Verwaltungsbehörden - die als vorrangig eine laufende

Verjährungsfrist unterbricht (BGHZ 95, 238; 103, 242) und

folgerichtig auch dem Beginn einer Verjährungsfrist entgegensteht -

hatte mit dem Zugang der Bescheide vom 29. und 30. September 1988,

mit denen die ursprüngliche Beleihungsverfügung wieder hergestellt

und die beantragte Preisliste genehmigt wurde, zum erfolgreichen

Abschluß geführt. Nunmehr hatte die Klägerin die erforderliche

Kenntnis der Rechtswidrigkeit der ergangenen Bescheide und der

ersatzpflichtigen Körperschaft. Die ihr schon damals bekannten

Tatsachen erlaubten ihr auch den Schluß auf das Verschulden des/der

zuständigen Beamten.

bb) Allerdings konnte sie damals den ihr entstandenen Schaden

angesichts der zahlreichen noch nicht abgeschlossenen

Rechtsstreitigkeiten in seinem Umfang nicht annähernd übersehen. Es

war noch unklar, inwieweit die anhängigen Verfahren gegen die

Ablieferer von Tierkadavern zum Erfolg führten oder nicht. Im Falle

einer fahrlässigen Amtspflichtverletzung (wie hier) ist

Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist die Kenntnis des

Geschädigten von dem Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit.

Die Klägerin wußte indessen im Oktober 1988 positiv, daß die

anderweitigen Ersatzmöglichkeiten den ihr entstandenen Schaden

jedenfalls teilweise nicht decken würden. Damit konnte sie eine

Feststellungsklage gegen den Amtsträger erheben mit dem Begehren,

die Ersatzpflicht des Amtsträgers soweit festzustellen, als ein

Schaden nicht anderweitig gedeckt werde (BGH NJW 1988, 1146 in

Abgrenzung zu BGH NJW 1977, 198).

Die Klägerin wußte zum einen, daß ihr ein erheblicher

Zinsverlust entstanden war. In dem endgültigen Genehmigungsbescheid

vom 30. September 1988 war nämlich bei den Zahlungsbedingungen

bestimmt, daß Rechnungen der Klägerin innerhalb von zehn Tagen nach

Erhalt ohne Abzug zahlbar seien und Zinsen bei Verzug frühestens ab

Fälligkeit in Rechnung gestellt werden könnten (AH 72). Da

Rechnungen erst nach der vorläufigen Genehmigung vom 5. März 1987

hatten verschickt werden können, war bei der Klägerin kein Zweifel

mehr möglich, daß die seit August 1986 entstandenen Zinsverluste

anderweitig nicht aufgefangen werden konnten. Zudem hatte der 13.

Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Urteil vom 21. September

1988 eine Zahlungsklage der Klägerin gegen den Tierarzt Dr. S. über

6.600,60 DM rechtskräftig abgewiesen (13 U 144/88). Zwar hat die

Klägerin das Datum der Zustellung dieses Urteils nicht genannt; der

in dem angefochtenen Urteil ausgesprochenen Vermutung, ihr sei das

Urteil aber im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs (der

unmittelbar nach den Gerichtsferien erfahrungsgemäß entspannt ist)

zugegangen, hat sie im Berufungsverfahren nicht widersprochen.

Zudem war sie auch in einem Verfahren gegen einen Dr. K. durch

Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 21.

September 1988 rechtskräftig unterlegen; der Klagebetrag dieses

Verfahrens ist nicht aktenkundig. Nach allem wußte die Klägerin,

daß ihr ein erheblicher, auf andere Weise nicht zu ersetzender

Schaden entstanden war. Die Verjährungsfrist des

Amtshaftungsanspruches hatte daher zu laufen begonnen. Dem kann die

Klägerin nicht entgegenhalten, es sei zu diesem Zeitpunkt noch

unsicher gewesen, wer entgeltpflichtiger Besitzer dieser Konfiskate

im Sinne des § 8 TKBG gewesen sei. Die Erhebung der

Feststellungsklage gegen das beklagte Land war unabhängig davon

möglich. Die Verjährungsfrist begann auch nicht etwa erst mit dem

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 1993 (X ZR 54/91) zu

laufen, mit dem abschließend klargestellt wurde, daß die Benutzer

der T. die Zahlung der Entgelte nicht unter Hinweis auf eine

Drittschutzwirkung des Entsorgungsvertrages von Juli 1985 zwischen

der Klägerin und den beteiligten Gebietskörperschaften verweigern

konnten. Denn eben diese Rechtsauffassung hatte die Klägerin seit

1987 unentwegt selbst vertreten. Die Instanzgerichte hatten sich

dieser Auffassung teilweise angeschlossen, teilweise nicht. Bei

dieser Sachlage war die Erhebung der Feststellungsklage gegen das

beklagte Land im Oktober 1988 bei allen bestehenden Risiken - die

bei Einreichung des Mahnbescheidsantrags im Dezember 1991 übrigens

unverändert fortbestanden - zumutbar.

Die Verjährungseinrede des beklagten Landes greift daher

durch.

2. Aus den vorgenannten Gründen ist auch ein Anspruch aus § 39

OBG NW nach § 42 OBG verjährt. Mangels einer § 839 Abs. 1 Satz 2

BGB entsprechenden Subsidiaritätsklausel hat die Verjährungsfrist

insoweit eher früher zu laufen begonnen. Allerdings hat der Senat

nach dem zuvor Gesagten keinen Zweifel, daß es sich beim Bescheid

vom 6. November 1986 um eine rechtswidrige Maßnahme einer

Ordnungsbehörde im Sinne des § 39 OBG gehandelt hat. Der Begriff

der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift ist bewußt weit gefaßt und

schließt auch unrichtige Auskünfte ein (BGHR OBG NW § 39 Abs. 1 b),

Maßnahme 1 und 2). Um so weniger bestehen Zweifel, einen - wie hier

- eine Genehmigung versagenden Verwaltungsakt als Maßnahme

anzusehen. Da die Vorschriften der Tierkörperbeseitigung

seuchenpolizeiliche Vorgänge betreffen, handelte es sich auch um

die Maßnahme einer Ordnungsbehörde.

3. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren betont, jedenfalls

stehe ihr ein Schadenersatzanspruch wegen positiver

Forderungsverletzung eines öffentlichrechtlichen Auftragsund

Treuhandverhältnisses zu. Eine Beleihung begründe zwischen dem

Beliehenen und der beleihenden juristischen Person des öffentlichen

Rechts ein derartiges Sonderverhältnis. Die Óbertragung der

Tierkörperbeseitigungspflicht nach § 4 Abs. 2 TKBG sei eine solche

Beleihung, die zu Sonderpflichten führe.

Der Senat neigt dazu, dem im Grundsatz zu folgen. Gleichwohl

verbietet sich angesichts der besonderen Situation des vorliegenden

Falles die Anwendung der entsprechenden Rechtssätze. Die Annahme

einer Sonderverbindung mit einer schärferen Haftung des Staates ist

nur dort gerechtfertigt, wo die verletzten Pflichten über die

allgemeinen Amtspflichten des § 839 BGB hinausgehen, also zwischen

dem einzelnen und der öffentlichen Körperschaft ein besonders enges

Verhältnis besteht (vgl. Palandt/Thomas, 52. Aufl., § 276, Rdn.

130). Daran fehlte es, als der R. über die Widersprüche der

beteiligten Gebietskörperschaften zu entscheiden hatte. Wird gegen

den beleihenden Verwaltungsakt Widerspruch von dritter Seite

eingelegt, so hat die Widerspruchsbehörde nach den tatsächlichen

und rechtlichen Gegebenheiten objektiv und neutral zu entscheiden.

Bei dieser Streitfrage hat sie gegenüber dem Beliehenen keine

besondere Treuepflicht, die über die jedem Dritten gegenüber

obliegende Amtspflicht hinausginge. Wenn sie einem derartigem

Widerspruch zu Unrecht stattgibt, verletzt sie keine besonderen

Treuepflichten, sondern (nur) ihre allgemeinen Amtspflichten. Ein

Schadenersatzanspruch aus der Verletzung des Treuhandverhältnisses

muß insoweit ausscheiden. Auf den von der Klägerin betonten

Umstand, ob dem eingelegten Widerspruch eine aufschiebende Wirkung

zukam oder nicht, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

B. Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Konkurs der

Firma Me.

Soweit die Klägerin einen Schadenersatzanspruch über rund

884.000,-DM darauf stützt, daß die Beklagte nicht nach einem

Gesprächshinweis vom 29. Oktober 1987 Maßnahmen gegen die später in

Konkurs gegangene Firma Me. ergriffen hat, fehlt es an sämtlichen

anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen. Weder war das

beklagte Land nach dem vorgetragenen Sachverhalt verpflichtet,

zugunsten der Klägerin gegen die Firma Me. vorzugehen, noch ist

ersichtlich, daß eine - unterstellte - Pflichtverletzung für den

entstandenen Ausfallschaden ursächlich geworden ist. Obendrein

wären etwaige Ansprüche wiederum verjährt.

1. Der R. war nicht verpflichtet, die Firma Me. anzuhalten, das

von der Klägerin geforderte Entgelt zu zahlen. Zwischen der

Klägerin und der Firma Me. schwebte seit 1987 über die Frage der

Entgeltpflicht ein Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln. Die

zuständige Kammer wertete die Einwendungen der Beklagten als

erheblich und ordnete eine umfangreiche Beweisaufnahme an. Vor

Konkurseröffnung wurde über den Grund des Anspruchs nicht

entschieden. Der R. war nicht berechtigt und erst recht nicht

verpflichtet, in diesem schwebenden Rechtsstreit zugunsten der

Klägerin gewissermaßen Partei zu ergreifen und durch

öffentlichrechtliche Maßnahmen Flankenschutz für die

zivilrechtlichen Ansprüche zu geben. Er war gut beraten, insoweit

die Entscheidung der ordentlichen Gerichte abzuwarten.

2. Die Klägerin hat kaum ausreichende Tatsachen dafür

vorgetragen, daß dem R. Einzelheiten über die finanzielle Situation

der Firma Me. in einer Weise unterbreitet worden seien, daß an

deren gewerberechtlicher Zuverlässigkeit nachhaltig hätte

gezweifelt werden müssen und daher gegen das Unternehmen gerichtete

gewerberechtliche Verfügungen in Erwägung hätten gezogen werden

können. Bezeichnend ist, daß die Klägerin zu keinem Zeitpunkt sich

schriftlich an den R. gewandt hat. Aus dem Unterlassen etwa

gebotener immissionsschutzrechtlicher Maßnahmen kann die Klägerin

Schadenersatzansprüche aber ohnehin nicht herleiten. Denn soweit in

diesem Bereich nicht nur im Interesse der Allgemeinheit vorgegangen

wird, sondern Amtspflichten gegenüber Dritten bestehen, beschränken

sie sich auf den Kreis der von den Immissionen betroffenen

Nachbarn. Keinesfalls haben diese Vorschriften zum Ziel,

privatrechtliche Zahlungsansprüche von Vertragspartnern des

Gewerbeunternehmens zu sichern.

3. Es kann nicht festgestellt werden, daß eine - unterstellte -

Pflichtverletzung des R. für den eingetretenen Schaden ursächlich

geworden ist. Nach dem ersten mündlichen Hinweis am 29. Oktober

1987 hätte sich der R., sofern dieser Hinweis einen Anlaß für

weitere Recherchen geboten hätte, zunächst genauer über die

wirtschaftlichen Verhältnisse der Firma Me. ins Bild setzen müssen.

Der Umstand alleine, daß sie keine Entgelte zahlte, bedeutete nach

dem Vorgesagten nichts, da auch andere Lieferanten der Konfiskate

jede Entgelte im Hinblick auf die angebliche Drittwirkung des

Entsorgungsvertrages verweigerten. Wenn sich nach einigen Monaten

herausgestellt hätte, daß die wirtschaftliche Basis der Firma Me.

in der Tat desolat war, hätte gegebenenfalls der R. oder eine ihm

nachgeordnete Behörde eine erste Verfügung gegen die Firma Me.

erlassen können. Eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Firma

Me. alsdann derartige Verfügungen sofort hätte bestandskräftig

werden lassen und/oder die ausstehenden Honorarforderungen der

Klägerin beglichen hätte, gibt es nicht. Vielmehr spricht alles

dagegen, daß sie ihre in dem laufenden Verfahren vor dem

Landgericht K. eingenommene und durch den Erlaß eines

Beweisbeschlusses teilweise abgestütze Position aufgegeben hätte.

Eine unterlassene Amtspflicht ist aber nach feststehender

Rechtsprechung nur dann kausal für den eingetretenen Schaden, wenn

feststeht, daß ein pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt

verhindert hätte (BGH NJW 1984, 432, 434). Dafür fehlt es hier

selbst unter Berücksichtigung des § 287 ZPO an allen

Voraussetzungen. Sofern die Klägerin darauf beharrt, daß notfalls

der Schlachthof P. der Firma Me. hätte stillgelegt werden müssen,

hilft auch diese Óberlegung nicht weiter. Eine Stillegung etwa im

Frühjahr 1988 hätte nicht zur Begleichung der Honorarforderungen

seit Juni 1987 geführt. Auch in den wenigen verbleibenden Wochen

bis zur Konkurseröffnung am 10. Juli 1988 wären nicht die

Forderungen gemäß der Preisliste beglichen worden; lediglich wären

in diesem Fall nicht die Unkosten für die Beseitigung der von der

Firma Me. angelieferten Konfiskate entstanden. Diesen anderen

Schaden mit vergeblichem Aufwand - andere Lieferanten von

Konfiskaten sind sicherlich nicht unbedient geblieben - hat die

Klägerin nicht berechnet. Nach allem ist es völlig

unwahrscheinlich, daß ein energisches Eingreifen des R. dazu

geführt hätte, daß die Firma Me. ohne Beschreiten des

verwaltungsgerichtlichen Rechtsweges alle Verfügungen hingenommen

hätte. Der Rechtsweg wäre bis zur Konkurseröffnung keinesfalls

beendet gewesen. Ganz und gar unwahrscheinlich ist, daß die Firma

Me. die Honorarforderungen der Klägerin wegen angedrohter

Zwangsmaßnahmen seitens der Beklagten beglichen hätte. Angesichts

der von der Klägerin geschilderten sehr schlechten Finanzlage der

Firma hätte das um so mehr verwundern müssen.

4. Außerdem ist den Ausführungen des Landgerichts zur Frage der

Verjährung beizutreten. Kurz nach der Konkurseröffnung hätte die

Klägerin Anlaß für eine Feststellungsklage gehabt. Dem steht nicht

entgegen, daß der Streitwert dieser Klage hätte grob geschätzt

werden müssen, weil eine Bezifferung des Ausfallschadens zu diesem

Zeitpunkt schwer gewesen wäre. Auch wenn der Klägerin nach der

Konkurseröffnung am 10. Juli 1988 eine mehrwöchige Óberlegungsfrist

zugebilligt würde, so war Anfang Dezember 1991 vor Einreichung des

Mahnbescheidsantrags die Verjährungsfrist des § 852 BGB

abgelaufen.

5. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren die Auffassung

vertreten, aufgrund des öffentlichrechtlichen

Treuhandverhältnisses, das durch die Beleihung entstanden sei, habe

die Beklagte eine Garantie übernommen, daß die nach der Preisliste

entgeltpflichtigen Lieferanten der Tierkadaver ihre Entgelte auch

tatsächlich zahlten. Für eine derartige Auslegung der

Beleihungsverfügung fehlt es an jeder Grundlage. Die Óbertragung

der Tierkörperbeseitigungspflicht an einen Privaten gemäß § 4 Abs.

2 TKBG hat den Sinn, den Staat von Aufgaben zu entlasten, die ein

freier Unternehmer gegebenenfalls effizienter und wirtschaftlicher

durchführen kann. Diesem Zweck würde es diametral zuwiderlaufen,

wenn generell aus der Tatsache der Beleihung im Zusammenhang mit

der späteren Genehmigung einer Preisliste die stillschweigende

Garantie entnommen würde, daß der Beliehene alle privatrechtlich

ihm zustehenden Entgelte von den Lieferanten der Konfiskate auch

tatsächlich erhielte. Daß im konkreten Fall der R. in dieser

Hinsicht irgendwelche Erklärungen im Sinne einer Einstandspflicht

für die privatrechtlichen Entgelte abgegeben hätte, ist nicht

erkennbar und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.

Die Berufung war nach allem mit der Kostenfolge des § 97 ZPO

zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils

folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens und die sich aus diesem

Urteil für die Klägerin ergebende Beschwer betragen 2.620.095,38

DM.






OLG Köln:
Urteil v. 20.01.1994
Az: 7 U 130/93


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/32ded1237b4d/OLG-Koeln_Urteil_vom_20-Januar-1994_Az_7-U-130-93




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