Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. April 2009
Aktenzeichen: NotZ 12/08
(BGH: Beschluss v. 20.04.2009, Az.: NotZ 12/08)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 23. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsgegner die in dem Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 50.000 €
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Nach früherer anderweitiger Zulassung wurde er bei dem Amtsgericht B. und dem Landgericht S. als Rechtsanwalt zugelassen. Durch Urkunde vom wurde er zum Notar in B. bestellt.
Mit Bescheid vom eröffnete der Antragsgegner dem Antragsteller gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 und 2 BNotO, dass er ihn seines Amtes als Notar entheben werde, weil er in Vermögensverfall geraten sei, zumindest aber seine wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten. Das Oberlandesgericht Celle stellte durch Beschluss vom 24. September 2007 (Not 9/07) fest, dass die Voraussetzungen für eine endgültige Amtsenthebung des Notars gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO vorliegen; der Beschluss wurde rechtskräftig.
Aus den vorgenannten Gründen enthob der Antragsgegner durch Bescheid vom den Antragsteller gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO endgültig seines Amtes als Notar.
Diesen Bescheid hat der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Mit der sofortigen Beschwerde begehrt der Antragsteller weiterhin die Aufhebung der Amtsenthebung.
II.
Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde bleibt erfolglos. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet. Denn der Bescheid des Antragsgegners vom ist nicht rechtswidrig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (vgl. § 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO).
1. Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Vorschaltverfahrens gemäß § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO stehen die dort zu den Aufhebungsgründen getroffenen Feststellungen im anschließenden Streit um die Rechtmäßigkeit der endgültigen Amtsenthebung des Notars nicht mehr zur Überprüfung (vgl. Senat BGHZ 149, 230, 232). Eine spätere Änderung der Sachlage ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats nur beachtlich, wenn nach Abschluss des Vorschaltverfahrens, aber vor der Entscheidung der Landesjustizverwaltung über die endgültige Amtsenthebung Umstände eintreten, die eine abweichende Beurteilung der Amtsenthebungsgründe nach § 50 Abs. 1 Nr. 5 bis 9 BNotO gebieten; Umstände, die sich erst nach dem Ausspruch der Amtsenthebung durch die Landesjustizverwaltung ergeben, sind dagegen unbeachtlich (vgl. Senat aaO S. 233 ff). Inwieweit der Senat an dieser Rechtsprechung im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. August 2005 (NJW 2005, 3057) festhalten kann, braucht hier nicht entschieden zu werden (offen gelassen schon in Senatsbeschluss vom 20. November 2006 - NotZ 31/06 - NJW 2007, 1289). Denn im Fall des Antragstellers bestehen nach wie vor keinerlei Anhaltspunkte, die auf eine beachtliche Änderung der Verhältnisse zu seinen Gunsten hindeuten könnten. Sein Vorbringen insbesondere im Beschwerderechtszug ist nicht geeignet, die im Vorschaltverfahren getroffenen, die Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO tragenden Feststellungen in Frage zu stellen.
2. Das Oberlandesgericht hat seine Annahme, dass sich bei dem Antragsteller bis in die jüngste Zeit weder die Vermögensverhältnisse noch die Art der Wirtschaftsführung gebessert hätten, auf die folgenden gegen den Antragsteller eingeleiteten gerichtlichen Verfahren gestützt:
- Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts (13 M 816/07) vom 1. November 2007
- Räumungs- und Zahlungsklage der Vermieter gegen den Notar vom 19. November 2007 (AG )
- von dem Finanzamt eingeleitetes Insolvenzantragsverfahren (Beschluss des Amtsgerichts vom 20. November 2007 - 73 IN 135/07)
- Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts vom 20. Februar 2008 (13 M 120/08)
- Beschluss des Amtsgerichts vom 21. April 2008 (11 K 14/08) über die Anordnung der Zwangsversteigerung des in dem Grundbuch eingetragenen Grundstücks des Notars.
Die sofortige Beschwerde stellt diesen Sachverhalt nicht in Frage. Sie macht geltend, die festgestellten Vollstreckungsmaßnahmen seien zu relativieren. Dem ist indes nicht zu folgen.
a) Der am 1. November 2007 ergangene Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über eine Hauptforderung in Höhe von 351,54 € belegt, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers auch nach dem Abschluss des Vorschaltverfahrens vor dem Oberlandesgericht am 24. September 2007 so schlecht waren, dass er selbst Kleinbeträge nicht pünktlich zahlen konnte. Dieser Schlussfolgerung steht der Einwand der sofortigen Beschwerde, ein "Versehen" habe zu dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss geführt, nicht entgegen. Das Vorbringen ist ohne Substanz. Konkrete, außerhalb der Vermögens- und Einkommensverhältnisse liegende Umstände, die den Antragsteller gehindert hätten, die Forderung bei Fälligkeit zu befriedigen, sind nicht dargetan.
b) Der Fortbestand der die Interessen der Rechtsuchenden gefährdenden Vermögens- und Einkommenssituation ergibt sich weiter aus der von den Vermietern gegen den Antragsteller erhobenen Räumungs- und Zahlungsklage vom . Zwar endete der Rechtsstreit mit einem Vergleich; der Antragsteller musste die Wohnung bis zum 30. Juni 2008 räumen und verpflichtete sich, die Hälfte des Klagebetrags (= 1.215 €) zu zahlen. Mit dem Oberlandesgericht ist aber davon auszugehen, dass der Antragsteller bis heute außerstande gewesen ist, die Vergleichssumme zu entrichten. Denn die sofortige Beschwerde macht nur geltend:
"Dieses Räumungsverfahren lässt nun wirklich keinerlei Schluss auf eine angespannte Finanzsituation zu. Ob der Vergleich durch Zahlung erfüllt wurde, wurde seitens des Senats überhaupt nicht angesprochen. Gleichwohl wird der Einfachheit halber Nichtzahlung unterstellt."
Der Antragsteller behauptet nicht, dass er den Vergleich erfüllt habe. Er legt auch keine Quittung vor. Aus der Mitteilung des Obergerichtsvollziehers in vom 5. Februar 2009 ergibt sich, dass die Vermieter am 23. Juli 2008 die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beantragen mussten. Auf ihr Ersuchen hin erging am 30. September 2008 Haftbefehl gegen den Antragsteller (11 M 9732/08 Amtsgericht ). Am 6. Oktober 2008 mussten sie einen weiteren Vollstreckungsauftrag erteilen (vgl. die vorgenannte Mitteilung des Obergerichtsvollziehers ).
c) Dass die Enthebungsgründe nicht weggefallen sind, wird ferner dadurch indiziert, dass das Amtsgericht - Insolvenzgericht - auf Antrag des Finanzamts am 20. November 2007 die vorläufige Verwaltung über das Vermögen des Antragstellers anordnete. Zwar hat sich dieses Verfahren aufgrund einer Erklärung des Finanzamts inzwischen erledigt. Ursache für die Erledigung war jedoch nicht, dass der Antragsteller die Steuerforderung ausgeglichen hätte; dazu war er nicht in der Lage. Der Fortgang des Insolvenzverfahrens konnte nur dadurch abgewandt werden, dass sich ein Dritter für den Antragsteller verbürgte.
Mittlerweile sind neue - nicht von der Bürgschaft gedeckte - Steuerrückstände in Höhe von insgesamt 28.801,46 € aufgelaufen. Von dem Finanzamt ausgebrachte Kontenpfändungen blieben erfolglos. Am 9. Dezember 2008 beantragte das Finanzamt bei dem Amtsgericht , über das Vermögen des Antragsteller das Insolvenzverfahren zu eröffnen (siehe auch die Schreiben der Oberfinanzdirektion vom 29. Oktober 2008 und 13. Januar 2009).
d) Der Antragsteller schuldete der DaimlerChrysler Services Leasing GmbH aus einem gerichtlichen Vergleich und einem Kostenfestsetzungsbeschluss (noch) insgesamt 5.050,28 € nebst Zinsen. Weil der Antragsteller die vereinbarten Raten nicht einhielt, erwirkte DaimlerChrysler bei dem Amtsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 20. Februar 2008. Dazu trägt die sofortige Beschwerde vor, der Antragsteller habe, nachdem ein Wechsel der Zuständigkeit auf Seiten von DaimlerChrysler stattgefunden habe, nicht rechtzeitig eine Modifizierung der im Vergleich getroffenen Zahlungsvereinbarung erreichen können. Der Antragsteller hatte also nicht die Mittel, den Vergleich wie verabredet zu erfüllen; er war auf ein (zusätzliches) Entgegenkommen von DaimlerChrysler angewiesen (und konnte es nach eigenen Angaben in Form einer neuen Ratenvereinbarung im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens erreichen). Die Forderung ist nämlich, weil die von DaimlerChrysler betriebene Kontenpfändung fruchtlos blieb, weiterhin offen. DaimlerChrysler (inzwischen ) erteilte am 24. Juli und 23. Oktober 2008 Vollstreckungsauftrag und beantragte am 24. Juli 2008 zusätzlich die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Schließlich erging auf Ersuchen dieser Gläubigerin am 14. Oktober 2008 gegen den Antragsteller Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (11 M 9818/08 Amtsgericht ).
e) Auf Antrag der Sparkasse ordnete das Amtsgericht am 21. April 2008 die Zwangsversteigerung des im Eigentum des Antragstellers stehenden Hausgrundstücks (Grundbuch ) an. Es ging um Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 194.290,91 € zuzüglich Zinsen und Kosten. Wohl wegen dieser Darlehensforderung hat die Sparkasse am 3. November 2008 bei dem Amtsgericht den Erlass eines Mahnbescheids über ca. 75.000 € beantragt; die Sache ist inzwischen an das Landgericht abgegeben (vgl. Schreiben des Präsidenten des Landgerichts vom 6. Februar 2009). Die sofortige Beschwerde trägt vor, der Antragsteller erstrebe eine Umschuldung. Sie nennt - modellhaft - mögliche Zins- und Tilgungsraten, die der Antragsteller angeblich aufbringen könnte. Belegt ist insoweit nichts. Eine aktuelle, von dem Steuerberater des Antragstellers gefertigte Vermögensübersicht hat die sofortige Beschwerde angekündigt, aber trotz eines Hinweises in der Beschwerdeerwiderung des Antragsgegners nicht vorgelegt.
f) Die weiterhin desolate Vermögenssituation wird durch die folgenden, nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17. November 2008 eingetretenen, von dem Obergerichtsvollzieher und dem Präsidenten des Landgerichts mitgeteilten Umstände belegt:
(1) Die Bank AG ersuchte am 24. November 2008 wegen einer titulierten Forderung gegen den Antragsteller über 283,28 € um Zwangsvollstreckung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Auf Antrag der Bank erging am 20. Februar 2009 Haftbefehl gegen den Antragsteller.
(2) Wegen einer titulierten Forderung der Versicherungen über 216,77 € versuchte Obergerichtsvollzieher am 15. Dezember 2008 bei dem Antragsteller ohne Erfolg zu pfänden. Am 29. Januar 2009 erging auf Antrag der Gläubigerin Haftbefehl gegen den Antragsteller.
(3) Wegen einer titulierten Forderung der Deutschland GmbH über 369,73 € versuchte Obergerichtsvollzieher am 15. Dezember 2008 bei dem Antragsteller ohne Erfolg zu pfänden. Am 29. Januar 2009 erging auf Antrag der Gläubigerin Haftbefehl gegen den Antragsteller.
(4) Auf Ersuchen der Verlag GmbH Co. KG erging am 18. Dezember 2008 gegen den Antragsteller Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Verlag erteilte ferner Vollstreckungsauftrag wegen einer titulierten Forderung von 217,60 € am 5. Januar 2009.
(5) Der Antragsteller bezahlte ihm von der GmbH geliefertes Installationsmaterial nicht. Die GmbH reichte am 30. Dezember 2008 gegen ihn Klage auf Zahlung von 3.683,94 € nebst Zinsen ein (5 C 479/08 Amtsgericht ).
(6) Die Versicherungen beantragte am 13. Januar 2009 die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Forderung über 734,55 €.
(7) Wegen einer titulierten Forderung über 6.135,04 € beantragte die AOK am 28. Januar 2009 die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
(8) Das Amtsgericht - Insolvenzgericht - hat durch Beschluss vom 4. März 2009 gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und durch Beschluss vom 14. April 2009 (73 IN 148/08) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet.
In der Gesamtschau kann nur eine weitere - deutliche - Verschlechterung der Vermögens- und Einkommenslage des Antragstellers festgestellt werden; es kommt hinzu, dass nunmehr auch die Vermutungswirkung des § 50 Abs. 1 Nr. 6 Halbsatz 2 BNotO greift. Insgesamt ist die endgültige Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO weiterhin geboten.
Schlick Galke Appl Bauer Ebner Vorinstanz:
OLG Celle, Entscheidung vom 23.06.2008 - Not 17/07 -
BGH:
Beschluss v. 20.04.2009
Az: NotZ 12/08
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