Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 14. April 1997
Aktenzeichen: L 5 SKr 7/97

(LSG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 14.04.1997, Az.: L 5 SKr 7/97)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 06.01.1997 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Antragstellerin (Ast) wendet sich gegen die Vollziehung von Zahlungsbescheiden der Antragsgegnerin (Ag) im Rahmen des Risikostrukturausgleichs (RSA) für 1994/1995. Soweit die Ast auch den Ausgleichsbetrag für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) angegriffen hat, hat sie das Verfahren insoweit im Beschwerdeverfahren für erledigt erklärt.

Mit Bescheiden vom 04.12.1996 hat die Ag im Rahmen des RSA den Jahresausgleich für 1994 und 1995 festgestellt, in dem Bescheid für 1995 hat sie zugleich die KVdR-Beiträge abgerechnet. Während sich für 1994 unter Berücksichtigung der geleisteten monatlichen Abschlagszahlungen sowie der Zahlung des Ausgleichsbetrages nach dem vorläufigen Jahresausgleich für 1994 ein "Guthaben" von 32.981,96 DM ergibt, ist für 1995 eine Ausgleichsverpflichtung in Höhe von 124.172,63 DM sowie für die KVdR ein Ausgleichsbetrag von 94.933,18 DM festgestellt worden. Der Saldo von 186.123,85 DM war bis zum 18.12.1996 zu zahlen.

Die Ast hat am 16.12.1996 beantragt, die Vollziehung der Bescheide vom 04.12.1996 bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren auszusetzen. Sie hat vorgetragen, es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide. Die Regelung des RSA sei verfassungswidrig und verstoße gegen EG-Recht. Die von der Ag gesetzte Zahlungsfrist sei willkürlich, weil sie viel zu kurz sei, um die inhaltliche Richtigkeit der Bescheide überprüfen zu können. Ferner hat die Ast geltend gemacht, die Vollziehung der angefochtenen Bescheid bedeute eine unbillige Härte, weil sie die Nachforderung nicht habe im Haushalt berücksichtigen können. Da die Höhe der Ausgleichsverpflichtung nicht zu übersehen gewesen sei, habe sie im Rahmen der Haushaltsplanung für 1995 und 1996 keine Vorsorge treffen können. Ihr Beitragssatz habe sich von 10,9 % im Jahre 1995 über 11,9 % ab 01.10.1996 auf 12,9 % ab 01.07.1996 erhöht. Da sie über keine Rücklagen mehr verfüge, sei zum Ausgleich der Forderung eine Beitragssatzanhebung von 0,2 % erforderlich, die so kurzfristig nicht zu realisieren sei. Aufgrund der beabsichtigten Regelung im 1. GKV-Neuordnungsgesetz(NOG) drohe ihr eine Verschlechterung der Marktposition, da bei Beitragssatzerhöhungen sich die Zuzahlungen der Versicherten erhöhten und diesen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung eingeräumt werde.

Die Ag hat die Rechtmäßigkeit der Bescheide verteidigt und dargelegt, daß eine Aussetzung der Vollziehung die Durchführung des RSA gefährde, da die mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs beauftragte BfA bereits am 18.12.1996 die Ausgleichsansprüche der Empfängerkassen erfüllt habe. Schwere, unzumutbare Nachteile entstünden bei Vollziehung der Bescheide für die Ast nicht, da sie einen zeitlich begrenzten Kredit zur Aufrechterhaltung der Liquidität aufnehmen könne und selbst bei der genannten Beitragssatzerhöhung noch unter dem durchschnittlichen Beitragssatz der GKV liege. Die Zahlungsfrist bis 18.12.1996 sei ausreichend gewesen, weil die wesentlichen Berechnungsfaktoren bereits früher bekanntgegeben worden seien. Die Ast habe daher schon vor dem 04.12.1996 die sie treffende Ausgleichsverpflichtung berechnen und Vorsorge treffen können, wie dies viele Kassen getan hätten. Zur Unterstützung der Ag hat das Bundesministerium für Gesundheit dargelegt, der RSA sei nicht verfassungswidrig, insbesondere verstoße er nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Bescheide seien nicht zu beanstanden, insbesondere habe die Antragstellerin den RSA rechtmäßig durchgeführt, da sie die durch §§ 266, 267 SGB V bzw. die Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) zugewiesenen Aufgaben den rechtlichen Vorgaben entsprechend erfüllt habe und ihrer Ermittlungspflicht ausreichend nachgekommen sei.

Mit Beschluss vom 06.01.1997 hat das Sozialgericht den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, weil der Ast durch die Vollziehung keine schweren und unzumutbaren Nachteile drohten. Ferner sei eine Fehlerhaftigkeit der Bescheide nicht zu erkennen.

Die Ast hat am 16.01.1997 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Die Ast meint, vorläufiger Rechtsschutz sei schon dann zu gewähren, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des belastenden Verwaltungsakts bestünden oder die Vollziehung eine unbillige Härte bedeute. Diese Voraussetzungen lägen vor. Die Datengrundlage für die Berechnung des Jahresausgleichs sei unzureichend, es seien Daten verwendet worden, die unplausibel seien und einer Nachprüfung und Nachbesserung bedurft hätten. So gebe es beispielsweise eindeutige Hinweise darauf, daß die Meldungen der Krankenkassen über die Familienversicherten nicht einwandfrei seien. Angesichts ihrer "dramatischen" Finanzsituation sei es ihr nicht zumutbar, Zahlungen auf unsicherer Grundlage zu leisten. Da die Berechnungsgrundlagen nicht nachvollziehbar und insbesondere nicht überprüfbar gewesen seien, habe sie keine Vorsorge treffen können. Die Aufnahme eines Kredits sei nach § 220 Abs. 1 SGB V auch nicht zur Finanzierung des RSA zulässig. Im übrigen ergebe sich ein striktes Verbot der Kreditfinanzierung auch daraus, daß bei einer Auflösung gem. § 155 Abs. 4 Satz 1 SGB V der Arbeitgeber die Kreditverpflichtung erfüllen müßte.

Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 06.01.1997 zu ändern und die Vollziehung der Bescheide vom 04.12.1996 bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren auszusetzen, hilfsweise, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Zahlungsbescheide bis zum 30. Juni 1997 anzuordnen, äußerst hilfsweise festzustellen, daß sie - die Ast - einstweilen nicht verpflichtet ist, aufgrund der Zahlungsaufforderung der Ag vom 04.12.1996 den Betrag von 186.123,85 DM an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Ast habe nicht dargetan, daß sie bei Vollziehung der angegriffenen Bescheide schwere und unzumutbare Nachteile erleide. Sie könne die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen durch eine kurzfristige Beitragssatzerhöhung sicherstellen. Zur Überbrückung eines kurzfristigen Liquiditätsengpasses sei eine Kreditaufnahme zulässig. Die angefochtenen Bescheide seien materiell rechtmäßig; sie entsprächen den gesetzlichen Vorgaben. Dem Gesetz könne nicht entnommen werden, daß die Durchführung der Jahresausgleiche erst möglich sei, wenn die Datengrundlagen völlig gesichert seien. Das ergebe sich schon aus der Regelung in § 266 Abs. 6 letzter Satz SGB V.

Das BMG ist in einer weiteren Stellungnahme der Auffassung der Ag beigetreten.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Vollziehung der Bescheide vom 04.12.1996 auszusetzen.

Vorläufiger Rechtsschutz kann zur Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auch im sozialgerichtlichen Verfahren über die im SGG enumerativ genannten Fälle hinaus gewährt werden, soweit dies zur Vermeidung schwerer und unzumutbarer Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, erforderlich ist (allgemeine Meinung seit BVerfGE 46, 166, 179). Dies gilt auch, wenn eine Krankenkasse vorläufigen Rechtsschutz verlangt, obwohl sie sich als öffentlichrechtliche Körperschaft mangels Grundrechtsfähigkeit auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht stützen kann (so BSGE 48, 42, 45 in Fortführung von BVerfGE 39, 302, 312 ff.), soweit ihr im Zusammenhang mit der streitigen Materie eine Rechtsposition eingeräumt ist (vgl. BSGE 59, 122, 128).

Auch wenn man zur Schließung der Lücke im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes in Anfechtungsfällen auf § 80 Abs. 5 VwGO zurückgreift, kommt hier eine Aussetzung der Vollziehung nach den Maßstäben des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht in Betracht. Davon abgesehen, daß schon zweifelhaft ist, ob es sich bei den geforderten Ausgleichsbeträgen überhaupt um eine öffentlichrechtliche Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO handelt, da der Ausgleichsbetrag nicht der Finanzierung der Aufgaben eines öffentlichenrechtlichen Hoheitsträgers dient, sondern damit im Rahmen der GKV unter den Krankenkassen auf bestimmten Risikofaktoren beruhende Einnahme- und Ausgabeunterschiede ausgeglichen werden sollen (vgl. § 266 Abs. 1 Sätze 2, 3 SGB V), verbietet sich die Übernahme der zu § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO entwickelten Kriterien schon wegen der Besonderheit des Ausgleichsverfahrens und des mit dem Ausgleichsbetrags verfolgten Zweck. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet zu ausgewogenem Rechtsschutz, zu bestmöglicher Wirksamkeit aller in die Abwägung einbezogener Verfassungsnormen (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnrn. 4 ff.). Gerade im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet dies zur Abwägung der Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Klage aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfG NJW 1992, 3288 zu § 32 BVerfGG). Da die Ast als öffentlichrechtliche Körperschaft mangels Grundrechtsfähigkeit sich auf Grundrechte nicht berufen kann (BVerfGE 68, 193, 206; 39, 302, 360), kann bei dieser Abwägung nur von den vom Gesetzgeber eingeräumten Rechtspositionen ausgegangen werden, d. h. es ist auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung zu prüfen, welche Interessen der Gesetzgeber berücksichtigt wissen will und welchen er den Vorrang einräumt.

Die Abwägung ergibt, daß nach der gesetzlichen Regelung des RSA eindeutig das Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Bescheide überwiegt.

Mit dem RSA verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, die finanziellen Auswirkungen der unterschiedlichen Risikostrukturen der Krankenkassen auszugleichen und so eine gerechtere Beitragsbelastung der Versicherten zu erreichen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Krankenkassen abzubauen (BT-DS 12/36 08 S. 74 f., 117). Als Folge des gegliederten Systems der GKV mit den historisch bedingten Zuständigkeitsabgrenzungen und dem Nebeneinander von Mitgliederzuweisungen und (eng begrenzten) Wahlrechten war es zu erheblichen Beitragssatzunterschieden gekommen (zur Zeit der Beratung des GSG mit einer Spanne von 8 % bis 16,8 %, vgl. a.a.O.). Wenn auch gewisse Beitragssatzunterschiede innerhalb des gegliederten Systems hinzunehmen sind, begegnen hohe Differenzen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) Bedenken, da die Leistungen der Krankenkassen im wesentlichen gleich sind und daher unangemessene Beitragssatzunterschiede sachlich nicht gerechtfertigt sind (so ausdrücklich BVerfGE 89, 365, 377 f.). Der Gesetzgeber ist daher verpflichtet, Beitragssatzunterschiede zu begrenzen (a.a.O., S. 379). Mit der Einräumung eines freien Kassenwahlrechts der Versicherten (§ 173 Abs. 1 SGB V i.d.F. des GSG) und der weitgehenden Aufhebung von Zuständigkeitsbeschränkungen (insbesondere durch Öffnung der Ersatzkassen, § 168 Abs. 2 SGB V) hat der Gesetzgeber auf die verfassungsrechtlich bedenklichen Beitragssatzunterschiede reagiert und den Versicherten die Möglichkeit gegeben, sich einer ungleichen Belastung durch Wahl einer anderen Krankenkasse zu entziehen. Vor dem Hintergrund der historisch gewachsenen Struktur der GKV, die vor allem bei den Ortskrankenkassen aufgrund deren Funktion als Basisversicherung (§ 234 Abs. 1 RVO; § 173 Abs. 1 SGB V in der bis 31.12.1992 geltenden Fassung) zu einer Konzentration von Versicherten mit geringem Einkommen und ungünstiger Morbiditätsstruktur geführt hatte (vgl. etwa Gutschow/Reichelt/Schönhofen, DOK 1993, 73 f.), hat der Gesetzgeber aber gleichzeitig mit einem kassenartenübergreifenden Risikostrukturausgleich die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Verteilung von Versicherungsrisiken ausgleichen wollen, wobei allerdings nur bestimmte Risikofaktoren berücksichtigt werden (vgl. § 266 Abs. 1 Sätze 2, 3 SGB V). Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich betont, ein Übergangszeitraum zwischen der Einführung des RSA und dem Beginn der Wahlfreiheit sei unabdingbar, um eine größtmögliche Chancengleichheit zwischen allen Krankenkassen herzustellen; erst nach Durchführung des RSA seien gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Krankenkassen vorhanden (BT-DS 12/36 08, S. 74).

Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung des RSA besteht ein überragendes Interesse an der zeitgerechten Durchführung des Ausgleichsverfahrens. Der RSA ist darauf angelegt, daß den ausgleichsberechtigten Krankenkassen rechtzeitig die Mittel zum Ausgleich der durch die Risikofaktoren bedingten Mehrausgaben zur Verfügung gestellt werden. § 266 Abs. 1 SGB V sieht vor, daß jährlich ein RSA durchgeführt wird. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist die Formulierung so zu verstehen, daß in jedem Kalenderjahr ein Ausgleichsverfahren durchzuführen ist. Das wird durch die weiteren gesetzlichen Regelungen bestätigt. Gemäß § 266 Abs. 6 SGB V sind auf der Basis der vorläufigen Werte monatliche Ausgleichszahlungen zu erbringen (Sätze 1, 2 a.a.O.), die als Abschlagszahlungen gelten (Satz 3 a.a.O.). Die Ag hat nach Ablauf eines Kalenderjahres Beitragsbedarf und Finanzkraft der Krankenkassen zu ermitteln und auf deren Grundlage die Abschlagszahlungen mit den endgültig zu leistenden Zahlungen auszugleichen (Sätze 4, 5 a.a.O.). Das Gesetz sieht also vor, daß nach jedem Kalenderjahr ein endgültiger Ausgleich erfolgt. Vollends eindeutig wird die Verpflichtung, das jeweils abgelaufene Kalenderjahr abzurechnen, in § 19 Abs. 1 RSAV geregelt.

Da der Ausgleich sich ausschließlich zwischen den Krankenkassen vollzieht, muß zur Erfüllung der Ansprüche der ausgleichsberechtigten Krankenkassen sichergestellt werden, daß die ausgleichsverpflichteten Krankenkassen ihren Verpflichtungen zeitgerecht nachkommen. Die BfA fungiert nur als Zahlstelle, ihre Belastung durch eine Verzögerung von Zahlungen wären unzumutbar. § 19 Abs. 4 RSAV (i.d.F. der 1. Änderungsverordnung vom 17.06.1996, BGBl. I, 1024) sieht daher vor, daß bei Nichterfüllung von Verpflichtungen der Fehlbetrag bei den monatlichen Ausgleichszahlungen berücksichtigt werden kann. Eine Aussetzung der Vollziehung ginge also unmittelbar zu Lasten der anderen Krankenkassen, deren monatliche Belastung sich dadurch erhöhen würde. Der zügigen und zeitnahen Durchführung des RSA dienen auch die Regelungen in § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V und § 3 Abs. 5 RSAV, wonach Fehler in den Berechnungsgrundlagen oder Korrekturen der Versicherungszeiten, die nach der Ermittlung des Beitragsbedarfs und der Finanzkraft festgestellt werden, erst bei dem nächsten Jahresausgleich zu berücksichtigen sind. Das Gesetz verpflichtet also zur Durchführung des Ausgleichsverfahren, auch wenn die Möglichkeit besteht, daß später Korrekturen anzubringen sind. Aus der gesetzlichen Regelung wird deutlich, daß nach dem Willen des Gesetzgebers das Ausgleichsverfahren ohne Verzögerung abgewickelt werden soll.

Demgegenüber ist nicht zu erkennen, daß bei sofortiger Vollziehung der angefochtenen Bescheide Rechtspositionen der Ast beeinträchtigt würden oder ihr schwere und unzumutbare Nachteile drohten.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den RSA bestehen bei summarischer Prüfung nicht. Da durch den RSA nicht alle Risikofaktoren ausgeglichen werden, insbesondere die auf regionalen Besonderheiten beruhenden Belastungen außer Betracht bleiben sollen (vgl. BT-DS 12/36 08, S. 117), ist der Vorwurf der "Zielungenauigkeit" unbegründet, denn es ist nicht das Ziel des Gesetzgebers, alle ungleichen Belastungsfaktoren auszugleichen. Im übrigen könnte insoweit eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes allenfalls dann bejaht werden, wenn der RSA schlechthin ungeeignet wäre, die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele zu erreichen. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall. Der Ag bzw. das BMG haben vorgetragen, daß der RSA schon dazu geführt hat, daß sich die Zahl der Krankenkassenmitglieder, die von größeren Abweichungen vom durchschnittlichen Beitragssatz betroffen sind, erheblich reduziert hat und daß ohne die Ausgleichszahlungen einzelne Krankenkassen einen Beitragssatz von über 20 % erheben müßten. Im übrigen hat der Gesetzgeber zum Ausgleich regionaler Belastungsfaktoren in §§ 265, 265 a SGB V Instrumente für einen kassenartinternen Ausgleich vorgesehen. Vor allem erscheint vor dem Hintergrund, daß die Krankenkassen nicht grundrechtsfähig sind und die gegenwärtige Struktur des Krankenversicherungssystems keinen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz genießt, so daß der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert wäre, sämtliche Träger der Krankenversicherung in einem Bundesamt für Krankenversicherung zusammenzufassen (BVerfGE 89, 365, 377; 39, 302, 315), zweifelhaft, inwieweit es verfassungsrechtliche Grenzen für den Gesetzgeber bei einer Lastenverteilung innerhalb des Krankenversicherungssystems gibt. Jedenfalls solange er nur systemimmanente Belastungen (neu) verteilt und sich innerhalb der Grundsätze des Systems bewegt, dürften für ihn keine aus dem Rechtsstaatsprinzip oder dem Sozialstaatsprinzip folgende Schranken bestehen. Daß der RSA in diesem Sinne Lasten innerhalb des gegliederten Systems umverteilen und zu mehr Wettbewerbsgerechtigkeit führen will, ergibt sich aus den obigen Ausführungen.

Die in der Literatur geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den RSA, weil er entgegen der abschließenden Regelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs in Art. 107 Abs.2 GG neue Finanzausgleichsmaßnahmen zwischen dem Bund und den Ländern eröffne (so Kirchhof in Schulin, HS-KV, § 53 Rn. 48), teilt der Senat nicht. Art. 107 Abs.1 GG regelt im Zusammenhang mit der Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat den auf die einzelnen Länder entfallenden Anteil ("horizontale Verteilung", vgl. BVerfGE 72, 330, 384). Der Finanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 GG dient der Korrektur der Ergebnisse dieser primären Steuerverteilung (BVerfGE 86, 148, 214). Der sekundäre horizontale Finanzausgleich befaßt sich nur mit dem Ausgleich der Finanzkraft der Länder und Gemeinden; er soll die Ausgewogenheit der allgemeinen Haushalte dieser Gebietskörperschaften sicherstellen. Eine abschließende Regelung ist der Finanzausgleich nur für die Umverteilung der den Ländern nach Art. 107 Abs.1 GG zugewiesenen Finanzmassen ( vgl. Vogel/Kirchhof, in Bonner Komm. (Zweitbearb.), Art. 107 Rdnr. 145). Die Krankenkassen haben aber als Sozialversicherungsträger einen vom Bund oder dem Land völlig getrennten Haushalt (§§ 67 ff SGB IV ), die Deckung ihres Finanzbedarfs erfolgt grundsätzlich durch die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Mitglieder nach Maßgabe der Sozialversicherungsgesetze (hier § 220 Abs. 1 SGB V). Von daher ist angesichts dieser getrennten Haushalte und des auf die Umverteilung der Finanzmassen nach Art. 107 Abs. 1 GG beschränkten Regelungsgehaltes des Art. 107 Abs. 2 GG nicht ersichtlich, inwiefern der RSA nicht mit Art. 107 Abs. 2 GG vereinbar sein soll (vgl. a. S. Weber, Die Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung, 1995, S. 225 ff, 241).

Ebensowenig ist bei summarischer Prüfung ein Verstoß gegen EG-Recht, insbesondere gegen das Verbot staatlicher Beihilfen (Art. 92 Abs. 1 EG-Vertrag) erkennbar. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes liegt eine verbotene Beihilfe bei teilweiser Befreiung von den Soziallasten dann vor, wenn Unternehmen teilweise von den finanziellen Lasten freigestellt werden sollen, die sich aus der normalen Anwendung des allgemeinen Sozialversicherungssystems ergeben, ohne daß diese Befreiung durch die Natur oder den inneren Aufbau dieses Systems gerechtfertigt ist (EuGH, Urteil vom 02.07.1974, Rs. 173/73, Slg. 1974, 709, 719). Wieso in dem Ausgleich auf bestimmten Risikofaktoren beruhender Belastungen eine in diesem Sinne verbotene Beihilfe liegen soll, weil damit ein gewisser Kreis von Arbeitgebern (der überhaupt nicht feststeht oder bestimmbar ist) "entlastet" wird, ist nicht verständlich. Der RSA ist ein integraler Teil des deutschen Krankenversicherungssystems, Be- und Entlastungen von Unternehmen, die sich aus dem RSA ergeben, beruhen auf der normalen Anwendung des allgemeinen Sozialversicherungssystems. Eher würde sich die Frage stellen, ob nicht der frühere Rechtszustand in diesem Sinne gemeinschaftswidrig war, denn Unternehmen, die die Möglichkeit hatten, eine BKK mit günstiger Risikostruktur zu gründen, waren bevorteilt gegenüber den Unternehmen, die diese Möglichkeit nicht hatten und deren Arbeitnehmer in Ortskrankenkassen mit aufgrund der BKK-Gründung weiter verschlechterter Risikostruktur bleiben mußten.

Es kann dahinstehen, ob die Aussetzung der Vollziehung geboten wäre, wenn die angefochtenen Bescheide offensichtlich rechtswidrig wären, wie der 16. Senat des LSG NRW im Beschluss vom 24.02.1997 (L 16 SKr 6/97) im Anschluß an eine Entscheidung des 12. Senats des LSG NRW vom 12.10.1995 (L 12 SAr 82/95) gemeint hat. Denn bei summarischer Prüfung läßt sich eine offenkundige Rechtswidrigkeit der Bescheide nicht feststellen.

Daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheide, insbesondere für den Jahresausgleich 1994 vorliegen (§§ 19 Abs. 1, 25 Abs. 2 Satz 2 RSAV), wird auch von der Ast nicht bezweifelt. Soweit sie geltend macht, wegen der nach wie vor unsicheren und aus ihrer Sicht fragwürdigen Datengrundlage habe die Ag die Jahresausgleiche noch nicht durchführen dürfen, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß - wie oben dargelegt - der RSA jährlich durchzuführen ist. Damit wäre eine Verschiebung bis zum - nicht absehbaren - Erreichen einer optimalen Datengrundlage nicht zu vereinbaren. Der Gesetzgeber hat auch offenbar in Kauf genommen, daß der RSA auf einer verbesserungswürdigen Datengrundlage erfolgt. Bereits im Gesetzgebungsverfahren ist von den Sachverständigen auf die Datenlage hingewiesen worden (s. Protokoll der 39. Sitzung des 15. Ausschusses vom 24.09.1992). Der Gesetzgeber hat gleichwohl den RSA bereits ab 1994 angeordnet, freilich zugleich mit der Verpflichtung der Krankenkassen zur Erhebung der erforderlichen Daten (§ 267 Abs. 1 bis 3 SGB V). Es dürfte aber absehbar gewesen sein, daß innerhalb kurzer Zeit eine völlig geklärte Datenlage nicht zu erreichen war und daß insbesondere das Stichprobenverfahren (§ 267 Abs. 3 Satz 3 SGB V) sich erst in der Praxis bewähren und ggfs. verbessert werden mußte. Aus der Begründung der 1. Änderungs-VO ergibt sich zweifelsfrei, daß die Durchführung des Jahresausgleichs nicht vom Vorliegen einer abschließend geklärten Datengrundlage abhängig sein soll. In der Begründung zur Änderung des § 3 Abs. 4 RSAV wird zu dessen S. 5 der Neufassung ausgeführt, die Durchführung des Jahresausgleichs solle auch bei Störungen im Datenerhebungsbereich gewährleistet werden (BR-DS 403/96, S. 12). Und zur Neufassung des § 5 Abs. 3 RSAV wird festgestellt, daß angesichts der Vielzahl von beteiligten Krankenkassen und unterschiedlichen Leistungserbringern bei der Erhebung der Leistungsausgaben Unvollständigkeiten und Fehler nicht auszuschließen seien. Insoweit würden Instrumente zur Verbesserung der Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung der Verhältniswerte geschaffen. Mit der Vorschrift werde sichergestellt, daß der RSA auch bei Störungen im Datenerhebungsbereich durchgeführt werden könne und auf der Grundlage der jeweils bestmöglichen verfügbaren Datenquellen zu vertretbaren Ergebnissen führe ( aaO, S.13f). Daß die Rechtmäßigkeit des RSA nicht von der absoluten Richtigkeit aller zugrundeliegenden Daten abhängt, ergibt sich schließlich auch aus § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V bzw. § 3 Abs. 5 RSAV. Tatsächlich wäre der RSA auch nicht durchzuführen, wenn erst sicher feststehen müßte, daß bei der Datenerhebung keine Fehler unterlaufen sind.

Gleichzeitig spricht gegen die von der Ast geforderte Verschiebung des Jahresausgleiches, daß überhaupt nicht absehbar ist, in welchem Umfang unter Umständen Fehler bei der Datenerhebung unterlaufen sind bzw. inwieweit die Stichprobenergebnisse unplausibel sind. Es kann auch nicht ansatzweise konkretisiert werden, ob und inwieweit evtl. Fehler sich bei der Berechnung der Ausgleichsbeträge auswirken und welche Alternativen es für die "richtige" Berechnung der Jahresausgleiche gibt. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben - bei allen Bedenken gegen die Ergebnisse der Stichprobe - der Ermittlung des Jahresausgleichs auf dieser Grundlage wohl letztlich zugestimmt (s. Schreiben des Präsidenten der Ag vom 08.11.1996 an die Techniker Krankenkasse). Soweit insbesondere die Familienversicherten-Statistik angesprochen wird, ist festzustellen, daß sich aus der Tatsache, daß Krankenkassen entgegen den Vorgaben keine Grundbereinigung ihres Bestandes vorgenommen haben und für die Aufrechterhaltung der Familienversicherung nicht die geforderten Belege verlangen, nicht von vornherein ergibt, daß damit ihre Statistik unrichtig wäre. Für die Ast kann im übrigen allenfalls eine vorübergehende Belastung entstehen. Nachträglich erkannte Fehler werden bei der Ermittlung des nächsten Ausgleichsverfahrens berücksichtigt (§ 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V, § 3 Abs. 5 RSAV), und speziell für die Jahresausgleiche 1994 und 1995 hat der Gesetzgeber in § 25 Abs. 3 RSAV ausdrücklich auch die Möglichkeit einer Korrektur im Jahresausgleichsverfahren für 1996 vorgesehen. Davon abgesehen, daß nicht abschätzbar ist, ob die Ast tatsächlich zu Unrecht belastet wird, ist aufgrund der genannten Regelung sichergestellt, daß sie unabhängig von Dauer und Ausgang des Hauptsacheverfahrens eine ungerechtfertigte Belastung allenfalls vorübergehend zu tragen hätte. Angesichts des gesetzgeberischen Willens, den RSA jährlich durchzuführen, muß sie diese Belastung hinnehmen. Der Ast drohen nämlich aufgrund einer vorübergehenden Zahlung der Ausgleichssumme keine gravierenden Nachteile. Dabei kann zunächst schon nicht die gesamte geforderte Summe, sondern nur der auf den RSA entfallende Teil von 91.190,67 DM (Ausgleichsbetrag 1995 124.172,63 DM - "Guthaben" für 1994 32.981,96 DM) berücksichtigt werden, denn gegen den KVdR-Ausgleich wendet sich die Ast nicht mehr. Eine evtl. notwendige Beitragssatzerhöhung ist insoweit unbeachtlich. Unabhängig davon, ob der Beitragssatz der Ast nach einer Erhöhung unter dem bundesdurchschnittlichen Beitragssatz liegt oder ihn übersteigt, kann angesichts der dargelegten gesetzlichen Reglung des RSA eine Beitragssatzerhöhung nicht als unzumutbarer Nachteil gewertet werden, der Gesetzgeber hat dies vielmehr im Interesse eines Ausgleichs innerhalb des Krankenversicherungssystems in Kauf genommen. Im übrigen sind insoweit allenfalls Spekulationen über Mitgliederverluste möglich, denn Kündigungen sind erst zum Ende eines Kalenderjahres möglich (§ 175 Abs. 4 S. 2 SGB V ), so daß kurzfristige Mitgliederverluste nicht zu besorgen sind, die weitere Beitragssatzentwicklung in der GKV ist ohnehin nicht absehbar. Eine aufgrund des RSA vorgenommene Beitragssatzerhöhung wird auch nach dem gegenwärtigen Stand der Beratung des 1. GKV-NOG weder zur Erhöhung der Zuzahlung der Versicherten führen noch ein außerordentliches Kündigungsrecht begründen (vgl. die Anträge der Koaliationsfraktionen zu Art. 1 Nrn. 1, 2, BT-DS 13/5724). Was die Aufrechterhaltung der Liquidität anbelangt, kann dahinstehen, ob die Ast insoweit berechtigt wäre, einen Kredit aufzunehmen. Zwar mag nach § 220 Abs. 1 SGB V grundsätzlich eine Finanzierung von Leistungen auf Dauer unzulässig sein. Ob dies auch für einen kurzfristigen Kredit zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses gilt, erscheint zweifelhaft; die Ag hat darauf hingewiesen, daß in der Literatur sog. Kassenverstärkungskredite haushaltsrechtlich für unbedenklich gehalten werden. Darüber hinaus ist ein Darlehen aus der Gesamtrücklage des Landesverbandes in jedem Falle möglich (§ 220 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Ag hat nicht dargetan, daß keine Mittel des Landesverbandes vorhanden sind. Vor allem hätte die Ast Vorsorge für die Ausgleichszahlungen treffen können. Die für die Berechnung maßgeblichen Verhältniswerte waren bereits im Oktober 1996 bekanntgegeben worden, so daß die Ast - ebenso wie die anderen Krankenkassen - die sie treffende Belastung hätte absehen können (vgl. Glanz/Rogalski, BKK 1997, 65). Eine dringend notwendige Beitragssatzerhöhung hätte der Vorstand kurzfristig beschließen können (§ 220 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Der Einwand der Antragstellerin, sie habe die Stichhaltigkeit der Daten nicht überprüfen und sich daher nicht auf die Zahlung einrichten können, geht an der Sache vorbei, denn es geht hier nur darum, daß sie wußte, von welchen Werten die Ag ausgehen und in welcher Höhe sie danach einer Ausgleichsverpflichtung treffen werde. Wenn die Ag gleichwohl untätig geblieben ist - sei es, weil sie den RSA insgesamt ablehnt, sei es, weil sie die Datengrundlage nicht für tragfähig hält - kann sie jetzt nicht damit gehört werden, sie habe für die auf sie zukommende Belastung nicht Vorsorge treffen können.

Es ist auch nicht offenkundig, daß die Ag ihre Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts verletzt hätte, so daß die Bescheide deshalb offensichtlich rechtswidrig wären. Es spricht bei summarischer Prüfung mehr dafür, daß es vorrangige Aufgabe der Krankenkassen bzw. ihrer Spitzenverbände ist, die erforderlichen Daten zu erheben und in diesem Zusammenhang die notwendigen Einzelheiten festzulegen. Die Krankenkassen haben die in § 267 Abs. 1 bis 3 SGB V im einzelnen genannten Daten zu erheben und diese über ihre Spitzenverbände dem BMG vorzulegen (§ 267 Abs. 4 SGB V). Die Spitzenverbände sind nach § 267 Abs. 7 SGB V verpflichtet, Vereinbarungen über einzelne Fragen zur Datenerhebung abzuschließen, erst wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, kann der BMG die erforderlichen Regelungen treffen. Der Vorrang der Krankenkassen wird auch im RSAV deutlich. So haben die Spitzenverbände die von den Krankenkassen ermittelten Daten auf Vollständigkeit und Plausibilität zu überpüfen (§ 3 Abs. 4 RSAV), wobei die Verlängerung der Überprüfungsfrist von zwei auf vier Wochen durch die 1. Änderungs-Verordnung zeigt, daß diese Prüfung gründlich sein soll und Fehler bereinigt werden sollen. Gemeinsame Vorschläge der Spitzenverbände zur Verbesserung der Stichprobenergebnisse (§ 5 Abs. 3 Satz 3 RSAV) oder zur Korrektur der Jahresausgleiche 1994 und 1995 (§ 25 Abs. 3 Satz 2 RSAV) sind von der Ag zu berücksichtigen. Aufgabe der Ag ist demgegenüber, auf der Grundlage der ermittelten Daten, die sie ebenfalls auf Plausibilität zu überprüfen hat (wobei nach § 3 Abs. 4 Satz 5 RSAV nur bei "erheblichen" Fehlern andere Werte zu berücksichtigen sind), die erforderlichen Berechnungen vorzunehmen (vgl. auch BT-DS 12/39 37, S. 9).

Ob aus § 266 Abs. 5 Satz 3 SGB V eine weitergehende Pflicht der Ag folgt, Daten von Amts wegen auf Validität zu überprüfen, erscheint zweifelhaft. Zum einen werden die Auskunftsrechte nur zum Zwecke der "Zuordnung und Erfassung" (also nicht zur Erhebung und Kontrolle) eingeräumt, zum anderen hätte es dieser Regelung nicht bedurft, wenn tatsächlich die Ag die umfassende Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X treffen würde, da die Mittel zur Sachverhaltsaufklärung sich bereits aus § 21 SGB X ergeben. Wenn die Krankenkassen ihren Verpflichtungen, Daten vollständig und korrekt zu erheben, nicht nachkommen oder Vereinbarungen der Spitzenverbände oder Vorgaben des BMG nicht beachten, ist es eher Aufgabe der Aufsichtsbehörden, auf die Einhaltung von Gesetz und "sonstigem Recht" zu dringen (§ 87 Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Die Ag wäre überfordert, würde man von ihr verlangen, selbst alle Ermittlungen vorzunehmen. Wieweit die Ag im einzelnen zur Überprüfung und Sachverhaltsaufklärung verpflichtet ist, kann im Rahmen dieses Verfahrens dahinstehen, denn sie hat Maßnahmen in die Wege geleitet, um die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen und die Validität der Daten zu gewährleisten. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide wegen mangelnden Bemühens der Ag um Sachverhaltsaufklärung kann daher nicht festgestellt werden. Daß der Umstand, daß die Überprüfung noch nicht abgeschlossen ist, nicht zur Verschiebung des Ausgleichs zwingt, ist bereits oben dargelegt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Da sich die Entscheidung gegen eine Bundesoberbehörde richtet, ist § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG nicht einschlägig, denn ein Fall des § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BRAGO liegt nicht vor und in Nr. 4 a.a.O. werden lediglich oberste Bundesbehörden genannt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).






LSG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 14.04.1997
Az: L 5 SKr 7/97


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/32e8edc8ec29/LSG-Nordrhein-Westfalen_Beschluss_vom_14-April-1997_Az_L-5-SKr-7-97




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