Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. November 2002
Aktenzeichen: 15 W (pat) 4/02
(BPatG: Beschluss v. 18.11.2002, Az.: 15 W (pat) 4/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Auf die am 3. November 1992 eingereichte Patentanmeldung P 42 37 063.9-43 hat das Deutsche Patentamt ein Patent mit der Bezeichnung
"Beize und Verfahren zum Schwarzfärben von Holz"
erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 20. August 1998.
Nach Prüfung des dagegen erhobenen Einspruchs hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit Beschluss vom 25. Oktober 2001 in vollem Umfang aufrechterhalten.
Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 bis 12 der Streitpatentschrift mit folgendem Wortlaut zugrunde:
"1. Beize zum Schwarzfärben von Holz, mit Wasser als Lösungsmittel und einem darin gelösten Schwarz-Färbemittel, dadurch gekennzeichnet, daß das Schwarz-Färbemittel eine Farbstoffmischung aus den Farbstoffen C.l. Acid Yellow 23, C.l. Acid Red 18 und C.l. Acid Blue 9 ist.
2. Beize nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch folgende Zusammensetzung der Farbstoffmischung (Gew.-%):
C.l. Acid Yellow 23: 16%
C.l. Acid Red 18: 56%
C.l. Acid Blue 9: 28%
3. Beize nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß ein Netzmittel und ein Konservierungsmittel enthalten sind.
4. Beize nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß das Netzmittel Polyoxyethylen-(20)-sorbitanmonolaurat und das Konservierungsmittel ein Gemisch aus Chlorazetamid und Natriumbenzoat ist.
5. Beize nach Anspruch 3 oder 4, gekennzeichnet durch folgende Zusammensetzung (Gew.-%):
Farbstoffmischung: 1-20%
Netzmittel: 0,01-5%
Konservierungsmittel: 0,1-2,0%
Rest: Wasser.
6. Beize nach Anspruch 5, gekennzeichnet durch folgende Zusammensetzung (Gew.-%):
Farbstoffmischung: 5%
Netzmittel: 0,1%
Konservierungsmittel: 0,2%
Rest: Wasser.
7. Beize nach einem oder mehreren der Ansprüche 1-6, dadurch gekennzeichnet, daß eine Wachsdispersion enthalten ist.
8. Beize nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß 8,3 Gew.-% einer 30%igen wäßrigen Paraffindispersion enthalten sind.
9. Verwendung einer Beize gemäß den Ansprüchen 1 bis 8 zum Ein- und Durchfärben von Holz insbesondere für die Herstellung von Schreib- und Kosmetikstiften.
10. Verfahren zum Ein- oder Durchfärben von Holz, dadurch gekennzeichnet, die folgenden Verfahrensschrittea) Befüllen eines Färbeautoklaven mit einer Beize gemäß den Ansprüchen 1 bis 8, b) Einlegen von Holzzuschnitten, c) Schließen des Autoklaven und Behandeln der Holzzuschnitte unter erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur, d) Abkühlung und Druckentlastung des Autoklaven, e) Öffnen des Autoklaven und Entnahme der ein- oder durchgefärbten Holzzuschnitte.
11. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß die Holzzuschnitte bei einer Temperatur von 80¡C und einem Druck von 15 bar behandelt werden.
12. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Dicke der Holzzuschnitte etwa 5 mm und die Behandlungsdauer etwa 24 Std. beträgt."
Die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage dieser Patentansprüche wurde damit begründet, dass sowohl die beanspruchte Beize, als auch die beanspruchten Verfahren im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß der im Einspruch vorgebrachten Druckschriften neu seien und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Als Stand der Technik ist berücksichtigt worden:
(1) Verseau, Jean: Färben und Beizen von Holz. In: Coating 3, 1975, S 43-48,
(2) Steier, J.: Firmenschrift Leitfaden durch die Spezialgebiete: Hoechst Pigmente, 1986, S 116-121 und 198,
(3) BASF: Technische Information Color: Basacid¨ Farbstoffe. August 1985, S 2, 3, 5, 11, 13, 14, 15, 19-21,
(4) Wehlte, Kurt: Werkstoffe und Techniken der Malerei. Ravensburg: Otto Maier Verlag, 1967, S 820-823,
(5) EP 0 534 112 A1,
(6) Chemical Abstracts, 1971, Bd 74 Nr 6, Abstract 23777a betr. JP 70 18 398,
(7) Riedelarom: Katalog für Lebensmittelfarbstoffe. Dortmund, S 3-5, 7-15, 22, 23, 16 und ausweislich der Indexangaben auf S 3 die Seiten 17 (Überschrift "Wasserlösliche Lebensmittelfarbstoffe") und 19 (Farblacke).
Gegen diesen Beschluss hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass die beanspruchte Beize bei Berücksichtigung des genannten Standes der Technik, wozu sie noch
(8) FR 2 305 283 A,
(9) DE-PS 439226,
(10) Belitz, H.-D.; Grosch, W.: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. 4., überarb. Auflage: Springer, 1992, Tabelle 8.14.,
(11) DE 44 27 299 A1 (nachveröffentlicht, daher gutachtlich)
zählt, auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe. Außerdem löse der beanspruchte Gegenstand die Aufgabe nicht in der vollen Breite.
Die Einsprechende hat in diesem Zusammenhang Holzmuster vorgelegt, mit denen sie belegen will, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen Hölzern größer sind als die Unterschiede zwischen den verschiedenen Farbstoffen. Das heißt, dass eine Nacharbeitung des Beispiels 2 mit der Holzart "Kiefer" im Vergleich zu einer Ausführungsform, die andere, nicht unter das Patent fallende gelbe, rote und blaue Farbstoffe enthält, nahezu identische Ergebnisse erbringen soll, während die Zusammensetzung nach Beispiel 2, angewandt auf die Holzart "Meranti" zu einer schlechteren, grünstichigen Färbung führt.
Die Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen und stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig (PatG § 73). Sie führt jedoch nicht zum Erfolg.
1. Bezüglich einer ausreichenden Offenbarung der geltenden, in der Patentschrift veröffentlichten Patentansprüche bestehen keine Bedenken. Sie sind durch die ursprünglichen Ansprüche in Verbindung mit S 4 Z 2-5 der ursprünglichen Beschreibung gedeckt.
2. Die streitpatentgemäße Lehre ist auch nacharbeitbar.
Die Beweispflicht für eine gegenteilige Ansicht liegt bei der Einsprechenden. Die von ihr während der mündlichen Verhandlung gezeigten Muster lassen, selbst bei sachgerechter Würdigung keine Umstände erkennen, die zu einem Widerruf des Patents führen könnten. Zum einen wurde keine exakte Darstellung des Herstellungsganges dieser Muster vorgelegt und zum anderen war durch die Art der Vorstellung lediglich die oberflächliche Anfärbung, jedoch nicht der Grad der Durchfärbung erkennbar. Dabei ist es bei Vergleichsversuchen ohnehin schwierig, im Rahmen der patentmäßig vorgestellten Spielräume die Bereiche als Versuchsparameter zu benutzen, die im Konsens zu den entsprechenden Ergebnissen führen müssten, und nicht gerade die Parameterbereiche, die zulässigerweise durch zumutbare Versuche der nacharbeitenden Partei als nicht zielführend ausgeschieden werden müssten.
Die vorgelegten Muster erlauben daher weder hinsichtlich der Herstellungsparameter noch hinsichtlich der Versuchsauswertung zur Feststellung von Ein- und Durchfärbungen in Relation zur streitpatentgemäßen Lehre aussagekräftige Vergleiche. Daher lassen sie den Schluss, dass die streitpatentgemäße Lehre nur mit wenigen Holzarten statt im wohlverstandenen patentrechtlichen Sinne mit "allen" zum Erfolg führe (vgl Streitpatenschrift Sp 1 Z 66 bis Sp 2 Z 1), nicht zu, aber auch nicht den, dass der beanspruchte Effekt des besonderen Penetrationsvermögens nicht gegeben sei.
Die im Zusammenhang mit der Frage der Nacharbeitbarkeit auch angeführte DE 44 27 299 A1 (11) ist nachveröffentlicht und stellt allenfalls über das Streitpatent hinausgehende, zusätzliche Ergebnisse für den Dauerbetrieb mit einem bestimmten Autoklavenmaterial, nämlich nicht rostfreiem Stahl dar (vgl S 1 Z 23-26). Sie kann die Wirksamkeit der Lehre nach dem Streitpatent nicht grundsätzlich in Frage stellen.
3. Zur Druckschrift Riedelarom: Katalog für Lebensmittelfarbstoffe. Dortmund (7) ist zu bemerken, dass sie nach Aussage der Einsprechenden (vgl Eingabe vom 9. September 1999 S 2 Abs 2 Z 3-4 iVm der mit Schreiben vom 7. November 2002 eingereichten eidesstattlichen Versicherung) im Jahr 1983 veröffentlicht ist, ohne dass dies aus den vorgelegten Kopien oder der Originalsschrift nachvollziehbar wäre. Dieser Angabe wurde seitens der Patentinhaberin nicht widersprochen. Deshalb wird im laufenden Verfahren einvernehmlich von einer Vorveröffentlichung der Druckschrift (7) ausgegangen.
Die ursprünglich als "Belitz, H.-D.; Grosch, W.: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. 4., überarb. Auflage: Springer, 1992, S 400-403" unter der laufenden Nummer (10) zitierte Literaturstelle wurde gemäß Schreiben vom 22. Oktober 2002 durch das Zitat aus einer Vorauflage, nämlich Belitz, H.-D.; Grosch, W.: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. 2. Auflage: Springer, 1985, S 348 und 349 (10) ersetzt.
Nachdem auf der Kopie aber keine Seitenzahlen erkennbar sind, haben sich die Beteiligten zu dieser Literaturstelle als darüber einig erklärt, dass es sich um zwei Tabellen handelt (Tabelle 8.11 mit Fortsetzungstabelle), die auf eine Seite kopiert worden sind, und dass über die Richtigkeit der Herkunftsangaben keine Zweifel bestehen.
4. Die Neuheit der beanspruchten Beize wird von der Einsprechenden nicht bestritten. Sie ist auch gegeben, da die streitpatentgemäße Kombination von Farbstoffen für eine wasserlösliche, schwarz färbende Holzbeize in keiner der von der Einsprechenden angeführten Druckschriften (1) bis (11) beschrieben wird.
5. Die Entwicklung der beanspruchten Holzbeize beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
Als Aufgabe ist das Bereitstellen von Schwarzbeizen zu sehen, die ein höheres Penetrationsvermögen als herkömmliche schwarze Holzbeizen haben, und damit auch besser zum Durchfärben von Holz geeignet sind (vgl Streitpatentschrift Sp 1 Z 55-61). Zu lösen hat diese Aufgabe als Durchschnittsfachmann ein Meister oder Techniker mit Erfahrung mit Holzbeizen und zugehörigen Farbstoffen (vgl dazu auch die Eingabe der Einsprechenden im Einspruchsverfahren vom 16. Februar 2001 S 2 letzter Absatz).
Gelöst wird diese Aufgabe durch die Schwarzbeize mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents, nämlich eine wasserlösliche Mischung aus den drei bestimmten Farben C.l. Acid Yellow 23, C.l. Acid Red 18 und C.l. Acid Blue 9.
In keiner der diskutierten Schriften ist als nächstliegender Stand der Technik irgend eine konkrete Mischung aus drei wasserlöslichen Grundfarbtönen Rot, Gelb und Blau zum Schwarzbeizen von Holz beschrieben. Es werden entweder nur Schwarzbeizen mit nicht wasserlöslichen Farbstoffen für Holz dargestellt oder es werden für beliebige Substrate nur solche wässrige Schwarzbeizen angeführt, die - falls ihre Rezeptur überhaupt erkennbar ist - entweder eine reinschwarze Farbkomponente oder mehr als drei Farbstoffe als Mischungspartner enthalten:
In Verseau, Jean: Färben und Beizen von Holz. In: Coating 3, 1975, S 43-48; (1) wird allgemein beschrieben, dass farbige Holzbeizen durch Mischen von Einzelfarbstoffen hergestellt werden können (vgl dort S 44 liSp Z 10-12) und dass es für die Problemstellung der Penetration der Farbstoffe in das Holz auf strukturelle und Lösungseigenschaften der Farbstoffe ankommt (vgl (1) S 46 reSp unter der Überschrift "Beizvorgänge" Z 1-5 iVm Z 19-22). Konkrete Farbstoffmischungen werden zwar vorgestellt, aber es handelt sich dabei um pigmenthaltige, nicht schwarze Wasserbeizen (vgl S 45 reSp) bzw um Lösungsmittelbeizen (im Wesentlichen S 46 liSp).
Ergänzend zu (1) war es aus Wehlte, Kurt: Werkstoffe und Techniken der Malerei. Ravensburg: Otto Maier Verlag, 1967 (4) (insbesondere S 821 Z 1-5) auch bekannt, dass nach den Gesetzen der Farbenlehre, Rot (Purpur), Gelb und Blau zusammen schwarze Farbtöne ergeben. Einzelne Farbstoffmischungen werden jedoch nicht dargestellt.
In Steier, J.: Firmenschrift Leitfaden durch die Spezialgebiete: Hoechst Pigmente. 1986 (2) sind auf S 116 unter "8.1.1.1 Wasser-Farbstoffbeizen" lediglich zwei schwarze Beizen ohne konkrete Mengenangabe der Bestandteile aufgeführt (reSp der Liste). In der Tabelle 9 auf Seite 198 mit ihrer Spalte "Anwendungsgebiet wässrige Holzbeizen" sind diese jedoch nicht mehr genannt und das streitpatentgemäß enthaltene Acid Blue 9 erhält keine Empfehlung zur Verwendung in wässrigen Holzbeizen (vgl Tabellenzeile 10, vierte Spalte von rechts).
Demgegenüber wird in BASF: Technische Information Color: Basacid¨ Farbstoffe. August 1985 (3) Acid Blue 9 zwar zum Einfärben für Zündhölzer empfohlen (vgl S 20 oben, vorletzte Tabellenposition iVm S 1, Tabellenzeile 15), aber Acid Yellow 23 (vgl S 20 oben, erste Tabellenposition iVm S 2, Tabellenzeile 3) nur neben zwei anderen Gelbfarbstoffen und trotz einiger in der Liste enthaltener Rottöne kein Acid Red 18. Eine definierte Farbstoffmischung als Schwarzbeize ist nicht erkennbar.
Die Lebensmittelfarbstoffe gemäß (7) werden zwar ua zum Einfärben von Malstiften empfohlen (vgl S 8 liSp vorletzter Absatz), ausweislich der Farbtafeln werden Schwarzfarbstoffe jedoch entweder allein eingesetzt (Brillantschwarz, E 151, S 19 rechts unten und S 17, unten, zweite Spalte) oder zur Abtönung mit anderen Farbstoffen gemischt (S 16, 17, 19, jeweils letzte Zeile).
Druckschrift (10) enthält eine Liste von möglichen Lebensmittelfarbstoffen, einschließlich des schwarzen Farbstoffs Brillantschwarz N, E 151, aber keinen Hinweis auf ein streitpatentgemäßes Gemisch.
EP 0 534 112 A1 (5) liefert mit den Beispielen 4 und 5 nur die Information, dass man mit bis zu quaternären Mischungen von Farbstoffen, unter denen ua auch Acid Yellow 23 und Acid Blue 9 vorkommen, künstliches Haar schwarz färben kann. Solche Haare haben aber als Eiweiß- bzw Polyamidstoffe (vgl (5) S 3 Z 6) bezüglich ihrer Substrateigenschaften mit den auf Cellulose basierenden Bestandteilen des Holzes nichts gemein.
In Chemical Abstracts, 1971, Bd 74 Nr 6, Abstract 23777a betr. JP 70 18 398 (6) wird zwar über das Färben von Holz berichtet, dies aber nur mit Hilfe von in Trichlorethen löslichen Rot-, Gelb- und Blau-Farbstoffen, die eine tiefviolette Farbe ergeben. Es handelt sich also nicht um wasserlösliche Farbstoffe wie beim Streitpatent.
Ebenso werden in FR 2 305 283 A (8) organisch lösliche Rot-, Gelb- und Blau-Farbstoffe (Beispiel 8) eingesetzt, die dann erst mit Hilfe von Emulgatoren in das wässrige System eingebracht werden können (vgl zB (8) S 1 Abs 1 Z 2, S 3 Z 10-15 und S 6 Z 1-10).
Die Druckschrift DE-PS 439226 (9) betrifft ein spezielles Druckimprägnierverfahren zum Durchfärben von Holz mit mehrfacher Druckausübung (vgl dort Anspruch 1), das mit den streitpatentgemäß verwendeten Farben nichts zu tun hat.
(11) ist nachveröffentlicht und, da sie sich mit dem speziellen Problem der Korrosion in Autoklaren aus nicht rostfreiem Stahl auseinandersetzt, für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit faktisch ohne Belang.
Das heißt, ausgehend von diesen Druckschriften sind jeweils mehrere Schritte zum Erreichen der Merkmale des Gegenstands gemäß Streitpatentschrift zu gehen gewesen: Entweder es wurde als erster Schritt von organisch löslichen Farbstoffen zu wasserlöslichen gewechselt, oder es wurde eine rein schwarze Komponente weggelassen. Zusätzlich waren dann genau die drei streitpatentgemäßen Farbstoffe zur Lösung der Aufgabe zusammenzustellen, die als gemeinsam für eine wasserlösliche Schwarzbeize einzusetzende Farben in keinem der diskutierten Dokumente aufgeführt sind. Das Auffinden der streitpatentgemäßen Lösung war demnach nicht nahegelegt.
Auch die von der Einsprechenden angeführte "Einbahnstraßensituation" (vgl die Beschwerdebegründung vom 16. September 2002, S 5 Abs 1), die ausgehend von (1) und (4) zwangsläufig zum Patentgegenstand geführt hätte, existiert nicht:
Angesichts der nicht nur Schreib- oder Kosmetikstifte, sondern Holz allgemein betreffenden Aufgabenstellung des wirkungsvollen, schwarzen Durchfärbens kamen für den Fachmann als Schwarzbeizen zunächst nicht nur selbstgefertigte Mischungen aus Rot-, Gelb- und Blaufarben, sondern grundsätzlich auch alle bekannten reinschwarzen oder mit anderen Farben gemischten schwarzen Farbstoffe in Frage. Für eine selbstgefertigte Mischung aus reinen, nicht schwarzen Grundfarben standen dann zusätzlich alle gelben, roten und blauen Farbstoffe im weiteren Sinne (zB auch Purpur, Orange) zur Auswahl.
Der Versuch des Ausscheidens bestimmter Varianten durch Betrachtung der strukturellen Eigenschaften, insbesondere mit Bezug auf die Molekülgröße entsprechend (1) (vgl S 46 unter "Beizvorgänge" Z 21-22), der "wegen ihrer komplexen Strukturen" am Beispiel von Brillantschwarz, E 151 vor allem reinschwarze Farbstoffe betroffen hätte (vgl Eingabe vom 16. September 2002, S 3 Abs 1 von unten iVm S 5 Abs 2 Satz 2), führt jedoch nicht weiter. Molekülgröße und -Komplexität der streitpatentgemäß verwendeten Farben unterscheiden sich nämlich zB nicht wesentlich von den entsprechenden Werten für Brillantschwarz. Das in (7) auf S 11 in Tabellenzeile 6 angeführte Ponceau 4R, das dem streitpatentgemäß verwendeten C.l. Acid Red 18 entspricht (Colour Index Nr 16255 wie (2), S 198, Tabellenzeile 7), umfasst nämlich zwei Naphthylkerne, Tartrazin (C.l. Acid Yellow 23; (7) S 11 Tabellenzeile 1 iVm Streitpatent Sp 2 Z 58-61) zwei Phenylkerne und einen Heterozyklus. Brillantschwarz BN (vgl (7) S 11 letzte Zeile) weist zu den zwei Naphthylkernen gerade noch einen weiteren Phenylkern auf. Das streitpatentgemäß verwendete Basacidblau 755 umfasst demgegenüber sogar fünf Phenylkerne (vgl (3) S 2 Tabellenzeile 15 mit Colour Index Nr 42090 iVm (5) S 5 Z 32-33 und S 2 Formel III).
Nach (1) sind neben Größe und Komplexität der Farbstoffmolküle auch strukturelle Einflüsse in Form der Wasserlöslichkeit zu berücksichtigen, aber für den Fachmann spielen zusätzlich noch die chemische und physikalische Affinität zu Holzbestandteilen eine Rolle. Selbst eine dennoch isolierte Betrachtung der Wasserlöslichkeit und, soweit es um Schreib- und Kosmetikstifte geht, eine Bevorzugung von zB für Lebensmittel zugelassenen Farbstoffen deuten aber auch nicht auf ein Naheliegen der streitpatentgemäßen Lehre.
Der Fachmann musste nämlich von den Wasserlöslichkeiten aller in Frage kommenden Farbstoffe ausgehen, um daraus Hinweise auf zur Problemlösung brauchbare Farbstoffe zu erhalten. Demgegenüber ist die Tabelle 9 aus (2) (vgl dort S 198) sehr unvollständig. Lebensmittelgeeignete Farbstoffe sind dort nur zufällig vertreten und nicht systematisch und gewollt aufgenommen. Daher kann einer solchen Tabelle mit ihren Daten zur Wasserlöslichkeit kein einschlägiger Hinweis auf die streitpatentgemäße Farbstoffkombination entnommen werden, auch wenn dort die drei streitpatentgemäßen Mischungspartner mit den höchsten Werten bezüglich der Wasserlöslichkeit erscheinen (vgl die Beschwerdebegründung vom 16. September 2002, S 5 Abs 2 drittletzter Satz).
Den Fachmann führt somit weder die Kenntnis einer der diskutierten Druckschriften allein noch deren Zusammenschau mit den übrigen erörterten Druckschriften zur patentgemäßen Lösung.
Nach alledem ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass dieser Anspruch gewährbar ist.
Das gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8, die bevorzugte Ausführungsformen der Beize nach Anspruch 1 betreffen, und die ebenfalls rückbezogenen Verfahrensansprüche 9 bis 12.
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BPatG:
Beschluss v. 18.11.2002
Az: 15 W (pat) 4/02
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