Bundesgerichtshof:
Urteil vom 26. Mai 2009
Aktenzeichen: VI ZR 174/08
(BGH: Urteil v. 26.05.2009, Az.: VI ZR 174/08)
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin vom 22. Mai 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen die Abweisung ihrer Widerklage zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an die Zivilkammer 8 des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision der Beklagten wird als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung eines Teils der Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch, die ihm im Zusammenhang mit der Abmahnung einer Veröffentlichung in der von der Beklagten verlegten "Abendzeitung" entstanden sind. Die Beklagte begehrt widerklagend die Feststellung, dass dem Kläger wegen der abgemahnten Veröffentlichung kein weitergehender Kostenerstattungsanspruch zusteht.
Mit zwei Schreiben vom 21. April 2004 forderten die anwaltlichen Vertreter des Klägers die Beklagte auf, zwei strafbewehrte Unterlassungserklärungen hinsichtlich eines bebilderten Artikels mit der Überschrift "Rosenkrieg bei O.: Ehefrau will Millionen" abzugeben, und zwar je eine Erklärung über die Wort- und die Bildberichterstattung. Mit Schreiben vom 22. April 2004 übersandten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die beiden unterzeichneten Erklärungen. Mit Schreiben vom 23. April 2004 übersandten die Prozessbevollmächtigten des Klägers der Beklagten zwei Rechnungen. Die Rechnung Nr. 0400488 in Höhe von 993,89 € betraf die Wortberichterstattung und berechnete eine 8/10 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 50.000 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer. Die Rechnung Nr. 0400489 in Höhe von 726,62 € berechnete für die Bildberichterstattung eine 8/10 Gebühr nebst Nebenkosten aus einem Streitwert von 30.000 €.
Mit der Klage hat der Kläger den Betrag von 993,89 € aus der erstgenannten Rechnung geltend gemacht. Die Beklagte hat die Klageforderung in Höhe von 421,08 € anerkannt und begehrt widerklagend die Feststellung, dass der Kläger aus der streitgegenständlichen Berichterstattung in der "Abendzeitung" vom 6. April 2004 mit dem Titel "O. V. - 750 Millionen Euro für zehn Ehejahre" inklusive der damit verbundenen Bildveröffentlichungen nur noch weitere 125,28 € Schadensersatz für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten verlangen kann. Sie hat geltend gemacht, dem Kläger stehe wegen der beiden Abmahnungen lediglich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 546,36 € zu. Der Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Wortberichterstattung sei lediglich mit einem Gegenstandswert von 25.000 € und der Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Bildberichterstattung mit einem Gegenstandswert von 15.000 € zu bewerten. Da die beiden Unterlassungsansprüche eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne beträfen, sei lediglich eine Geschäftsgebühr in Höhe von 5/10 nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer entstanden und von ihr zu ersetzen.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und die Zahlungsklage in Höhe von 60,67 € abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der erkennende Senat die Entscheidung des Landgerichts mit Urteil vom 4. Dezember 2007 (VI ZR 277/06 - VersR 2008, 413) wegen Fehlens einer der Bestimmung des § 540 ZPO entsprechenden Darstellung aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Mit Urteil vom 22. Mai 2008 hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts erneut auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und die Zahlungsklage in Höhe von 60,67 € abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Beklagten hat es erneut zurückgewiesen. Das Landgericht hat die Revision zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, ob Unterlassungsansprüche wegen Text- und Bildberichterstattung getrennt geltend gemacht werden können. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge aus der Berufung weiter.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die getrennte Verfolgung der Unterlassungsansprüche für die Text- und die Bildveröffentlichung sei zulässig. Bei der Verfolgung der Unterlassungsansprüche wegen der Bild- und Wortberichterstattung handle es sich um verschiedene Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne. Eine Angelegenheit könne nur dann angenommen werden, wenn die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der jeweiligen Berichterstattung so weitgehend parallel laufe, dass nicht mehr von zwei getrennten Prüfungsaufgaben des Rechtsanwalts gesprochen werden könne. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da zwei unterschiedliche Arten der Berichterstattung vorlägen, deren Rechtmäßigkeit der Rechtsanwalt in zwei getrennten Überprüfungen feststellen müsse. Es komme noch hinzu, dass die Berichterstattung über das Scheidungsverfahren mit einem kontextfernen Foto bebildert worden und ein innerer Zusammenhang zwischen Text und Foto nicht gegeben sei. Der Kläger sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht verpflichtet gewesen, Bild- und Textberichterstattung bei der außergerichtlichen Verfolgung zusammenzufassen. Die getrennte Verfolgung der Ansprüche sei zweckmäßig. Für sie spreche als sachlicher Grund eine größere Übersichtlichkeit. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse daran, durch die getrennte Geltendmachung einen Überblick über einerseits die anerkannten und andererseits die noch zu verfolgenden Ansprüche zu haben. Dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers stehe nicht der Einwand der Beklagten entgegen, der Rechtsanwalt des Klägers habe in seiner Berechnung den Gegenstandswert bzw. den Gebührensatzrahmen zu hoch angesetzt. Ein insoweit möglicherweise gegebenes Fehlverhalten des mit der Geltendmachung der Rechte beauftragten Anwalts müsse sich der Kläger nicht zurechnen lassen. Der Geschädigte könne in jedem Fall den Schädiger auf vollen Ersatz der ihm in Rechnung gestellten Kosten in Anspruch nehmen und sei lediglich zur Abtretung seiner Ansprüche auf Rückgewähr einer etwaigen Zuvielzahlung gegen seinen Rechtsanwalt verpflichtet. Aus diesem Grund seien sowohl die vom Kläger angesetzten Gegenstandswerte als auch die Rahmengebühren nicht zu beanstanden. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 557 ZPO) stehe aber einer Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils entgegen. Die Widerklage sei, sollte der Senat das Urteil der Kammer entgegen dem anders lautenden Tenor auch insoweit aufgehoben haben, unbegründet, weil die außergerichtliche Schadensberechnung des Klägers nicht zu beanstanden sei.
II.
1. Die Revision ist zulässig, soweit sich die Beklagte gegen die Abweisung ihrer Widerklage wendet. Die Abweisung der Widerklage ist insbesondere nicht in Rechtskraft erwachsen. Dem steht nicht entgegen, dass das erste Urteil des Berufungsgerichts im Tenor des Senatsurteils vom 4. Dezember 2007 (VI ZR 277/06 - VersR 2008, 413) lediglich insoweit aufgehoben worden ist, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 421,08 € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Denn der Tenor des Senatsurteils ist offensichtlich lückenhaft. Er trifft keinen Ausspruch zur Widerklageforderung. Den Entscheidungsgründen des Senatsurteils, die zur Auslegung des unvollständigen Tenors heranzuziehen sind, ist dagegen zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Aufhebung das erste Urteil des Berufungsgerichts in vollem Umfang, d.h. auch insoweit umfassen sollte, als das Berufungsgericht die gegen die Abweisung der Widerklage gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat. Der erkennende Senat hat das erste Berufungsurteil aufgehoben, weil die für die revisionsrechtliche Nachprüfung gemäß §§ 545, 559 ZPO erforderliche Beurteilungsgrundlage fehlte, insbesondere weil es die Berufungsanträge der widerklagenden Beklagten nicht wiedergibt. Unter II. 2. hat der Senat darauf hingewiesen, dass das Berufungsgericht in der neuen Berufungsverhandlung zu berücksichtigen haben werde, welches Begehren die Beklagte mit ihrer Widerklage verfolgt habe. Bei dieser Sachlage verbietet sich die Annahme, das erste Berufungsurteil sei lediglich insoweit aufgehoben worden, als die Beklagte zur Zahlung verurteilt worden ist.
2. Die Revision ist dagegen unzulässig, soweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 933,22 € nebst Zinsen wendet. Sie ist nicht statthaft, da das Berufungsgericht die Revision in dem angefochtenen Urteil insoweit nicht zugelassen hat (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84, 86; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06 - VersR 2007, 1230, 1231, jeweils m.w.N.). Jedenfalls die zuletzt genannte Alternative liegt hier vor, weil die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung von 933,22 € hätte hinnehmen und ihr Rechtsmittel auf die Widerklage hätte beschränken können.
b) Der Annahme einer beschränkten Revisionszulassung steht nicht entgegen, dass die Entscheidungsformel des Berufungsgerichts keine Einschränkung enthält. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffes stellt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - aaO; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06 - aaO, jeweils m.w.N.).
Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nur im Hinblick auf die Frage bejaht hat, ob der Kläger die ihm zustehenden Unterlassungsansprüche wegen der Wort- und der Bildberichterstattung getrennt verfolgen durfte und ob die aus einer getrennten Geltendmachung entstehenden Rechtsanwaltskosten in vollem Umfang vom Schädiger zu erstatten sind. Diese Rechtsfrage war aber entscheidungserheblich allein für die Abweisung der Widerklage. Für die Zahlungsklage hingegen war sie bedeutungslos. Der Zahlungsklage hat das Berufungsgericht bereits deshalb in vollem Umfang stattgegeben, weil es sich an die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellte Rechnung Nr. 0400488, insbesondere an den darin zugrunde gelegten Gegenstandswert in Höhe von 50.000 € und die Rahmengebühr von 8/10 gebunden gehalten hat. Den Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 933,22 € hat das Berufungsgericht bereits allein auf der Grundlage dieser Parameter bejaht. Die Frage, ob dem Rechtsanwalt des Klägers wegen der Abmahnung auch der Bildberichterstattung weitergehende Gebührenansprüche zustanden und wie diese zu berechnen waren, insbesondere ob für diese eine oder zwei Gebühren anfielen, stellte sich in diesem Zusammenhang für das Berufungsgericht nicht.
3. In dem zugelassenen Umfang hat die Revision auch in der Sache Erfolg. Die Abweisung der Widerklage hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Die Widerklage ist zulässig. Der missverständlich gefasste Widerklageantrag ist dahingehend auszulegen, dass die Beklagte die Feststellung begehrt, dass dem Kläger wegen der Wort- und Bildberichterstattung in der "Abendzeitung" vom 6. April 2004 kein über den mit der Zahlungsklage geltend gemachten Betrag hinausgehender Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten zusteht.
Der Gegenstand einer Klage ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Für die Auslegung von Prozesserklärungen, die der erkennende Senat als Revisionsgericht selbst vornehmen kann, ist nicht allein der Wortlaut maßgebend. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, der in erster Linie unter Heranziehung der Klagebegründung zu ermitteln ist. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Senatsurteil vom 16. September 2008 - VI ZR 244/07 - VersR 2009, 121 m.w.N.).
Die Beklagte hat in der Begründung der Widerklage zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass dem Kläger ihrer Auffassung nach wegen der abgemahnten Wort- und Bildberichterstattung lediglich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 546,36 € zustehe, und ein berechtigtes Interesse an der Feststellung geltend gemacht, dass der Kläger keinen über diesen Betrag hinausgehenden Schadensersatzanspruch gegen sie habe. Da der Anspruch des Klägers auf Ersatz der ihm infolge der abgemahnten Wort- und Bildberichterstattung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 993,89 € bereits Gegenstand der Zahlungsklage war und es deshalb hinsichtlich der Differenz zwischen dem von der Beklagten zugestandenen Schaden des Klägers und dem eingeklagten Betrag an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehlte (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - X ZR 17/03 - NJW 2006, 515, 516 m.w.N.), ist das Widerklagebegehren dahingehend auszulegen, dass Gegenstand der Widerklage lediglich die den mit der Leistungsklage bereits geltend gemachten Betrag übersteigende und vom Kläger außergerichtlich behauptete Schadensersatzforderung ist. Eine andere Auslegung wäre nach den Maßstäben der Rechtsordnung offensichtlich unvernünftig und stände im Widerspruch zur recht verstandenen Interessenlage der Beklagten, die keine mangels Feststellungsinteresses teilweise unzulässige Widerklage erheben wollte.
b) In der Sache hält die Abweisung der Widerklage einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision beanstandet zu Recht, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die Annahme rechtfertigen, dem Kläger stehe ein über den mit der Leistungsklage geltend gemachten Betrag von 993,89 € hinausgehender Schadensersatzanspruch zu.
aa) Die Revision wendet sich nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass dem Kläger wegen der abgemahnten Veröffentlichung dem Grunde nach ein auf die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten gerichteter Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG zusteht und die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung der Rechte des Klägers grundsätzlich notwendig war. Diese Annahme des Berufungsgerichts lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
bb) Die Revision beanstandet aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht einen Schaden des Klägers in einen Betrag von 993,89 € übersteigender Höhe angenommen und die gesamten vom Kläger außergerichtlich geltend gemachten Rechtsanwaltskosten als ersatzfähig angesehen hat. Diese Annahme ist in mehrfacher Hinsicht von Rechtsfehlern beeinflusst.
(1) Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 92, 85, 86 f.; 102, 322, 330; 161, 151, 154; Urteil vom 9. Dezember 2008 - VI ZR 173/07 - VersR 2009, 408, 409).
(2) Dies ist hier aber der Fall. Das Berufungsgericht hat in mehrfacher Hinsicht Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt.
Wie der Senat bereits im Urteil vom 4. Dezember 2007 (VI ZR 277/06 - VersR 2008, 413, 414) ausgeführt hat, ist bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit - hier der Ausspruch getrennter Abmahnungen für die Wortberichterstattung einerseits und die Bildberichterstattung andererseits - im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (vgl. auch Senatsurteil vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07 - VersR 2008, 985 m.w.N.).
Die Ausführungen des Berufungsgerichts sowohl zum Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt als auch zum Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger sind in mehrfacher Hinsicht von Rechtsfehlern beeinflusst.
(a) Die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Abmahnung von Wort- und Bildberichterstattung lägen verschiedene Angelegenheiten im Sinne der §§ 7 Abs. 2, 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO vor, weil der Anwalt die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Berichterstattung in getrennten Überprüfungen feststellen müsse, beruht auf einem grundlegend fehlerhaften Verständnis des Begriffs der Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne.
(aa) Das Berufungsgericht ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen in der Regel ein und dieselbe Angelegenheit betreffen, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 277/06 - aaO; BGH, Urteile vom 29. Juni 1978 - III ZR 49/77 - JZ 1978, 760, 761; vom 17. November 1983 - III ZR 193/82 - MDR 1984, 561; vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00 - NJW 2005, 2927, 2728).
(bb) Es hat aber verkannt, dass sich die Frage, ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse beantworten lässt und dabei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrages maßgebend ist (vgl. Senatsurteile vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 277/06 - aaO; vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07 - aaO; BGH, Urteile vom 9. Februar 1995 - IX ZR 207/94 - NJW 1995, 1431 und vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00 - NJW 2004, 1043, 1045). Dementsprechend hat es insoweit nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen.
(cc) Das Berufungsgericht hat darüber hinaus verkannt, dass die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne nicht voraussetzt, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. - wie das Berufungsgericht formuliert hat - mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen (vgl. BGH, Urteile vom 4. Mai 1972 - III ZR 27/70 - JurBüro 1972, 684; vom 29. Juni 1978 - III ZR 49/77 - JZ 1978, 760, 761; vom 17. November 1983 - III ZR 193/82 - MDR 1984, 561; vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00 - aaO; vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00 - aaO). Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen - z.B. in einem Abmahnschreiben - geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00 - aaO; vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00 - aaO; N. Schneider in AnwK RVG 4. Aufl., § 15 RVG, Rn. 31 f.). Dementsprechend ist anerkannt, dass die Verfolgung der prozessual selbstständigen und an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpften Ansprüche auf Ersatz des Sachschadens und auf Zahlung von Schmerzensgeld aus einem Unfallereignis dieselbe Angelegenheit betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1995 - IX ZR 207/94 - aaO).
(dd) Das Berufungsgericht hat auch den Begriff des - für die Annahme einer Angelegenheit erforderlichen - inneren Zusammenhangs zwischen den verschiedenen Gegenständen der anwaltlichen Tätigkeit verkannt. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (vgl. Senatsurteil vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07 - aaO; BGH, Urteile vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00 - aaO; vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00 - aaO, jeweils m.w.N.; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, 8. Aufl. § 13 Rn. 24). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft lediglich geprüft, ob zwischen der Wort- und der Bildberichterstattung ein Zusammenhang besteht; das mit den anwaltlichen Leistungen verfolgte Ziel hat es dagegen außer Betracht gelassen und es dementsprechend unterlassen, die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Abgesehen davon ist die nicht mit einer Begründung versehene Annahme des Berufungsgerichts, die Berichterstattung über das Scheidungsverfahren sei mit einem "kontextfernen" Foto bebildert worden und ein innerer Zusammenhang zwischen Text und Bild sei nicht gegeben, schon angesichts des Umstands nicht nachvollziehbar, dass das Bild mit dem Untertitel "Lassen sich scheiden: A. und C. O." versehen und damit offensichtlich in einen Zusammenhang mit der Wortberichterstattung gestellt worden ist.
(b) Bei der Beurteilung des Außenverhältnisses hat das Berufungsgericht schon im Ausgangspunkt einen falschen rechtlichen Ansatz gewählt. Es hat verkannt, dass ein Anspruch des Geschädigten auf Erstattung der Kosten eines mit der Sache befassten Anwalts nur unter der Voraussetzung gegeben ist, dass die konkrete anwaltliche Tätigkeit - hier die getrennte Verfolgung der Unterlassungsansprüche wegen der Wortberichterstattung einerseits und der Bildberichterstattung andererseits - aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, vgl. Senatsurteile vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 277/06 - aaO; vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07 - aaO, jeweils m.w.N.). Hierbei handelt es sich um eine echte, vom Geschädigten darzulegende und zu beweisende Anspruchvoraussetzung und nicht lediglich - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen hat - um einen im Rahmen des § 254 BGB bedeutsamen, die Ersatzpflicht beschränkenden und damit in die Darlegungs- und Beweislast des Schädigers fallenden Umstand.
Das Berufungsgericht hat darüber hinaus nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich die Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beantworten lässt, und die Feststellung der insoweit maßgeblichen Tatsachen, insbesondere zu der Frage unterlassen, ob im Streitfall vertretbare sachliche Gründe für eine getrennte Verfolgung der Unterlassungsansprüche bestanden haben oder ob hierdurch lediglich Mehrkosten verursacht worden sind.
Aus diesen Gründen kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben und der Rechtsstreit ein weiteres Mal an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die noch erforderlichen Feststellungen treffen und die Umstände des Streitfalls umfassend würdigen kann. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Bei der Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils insgesamt aufzuheben war, obwohl die gegen die Verurteilung zur Zahlung und gegen die Kostenentscheidung nach einem (Teil-)Anerkenntnisurteil gerichtete Revisionnicht zulässig war. Für diesen Teil wird das Berufungsgericht die bisherige Kostenentscheidung beizubehalten haben (vgl. BGH, BGHZ 58, 341, 342; 107, 315, 321 f.; Beschluss vom 22. Mai 1984 - III ZB 9/84 - JurBüro 1984, 1505, 1506 f.).
Müller Wellner Pauge Stöhr von Pentz Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 11.10.2005 - 25 C 40/05 -
LG Berlin, Entscheidung vom 22.05.2008 - 27 S 5/05 -
BGH:
Urteil v. 26.05.2009
Az: VI ZR 174/08
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