Oberlandesgericht Braunschweig:
Urteil vom 10. November 2009
Aktenzeichen: 2 U 191/09

(OLG Braunschweig: Urteil v. 10.11.2009, Az.: 2 U 191/09)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig - Kammer für Handelssachen - vom 14.05.2009 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger vorprozessual entstandene Anwaltskosten für eine Abmahnung vom 09.08.2008 (Anlage K 3) zu erstatten.

Der Beklagte ist Mitglied des Klägers und hatte im Jahre 2008 die Internet-Domain www.b...-d...-verunsicherten.de für sich registrieren lassen und unter dieser Domain eine Internetseite unterhalten, auf der er sich kritisch mit der Arbeit des Vorstands des Klägers auseinandersetzte. Um auf seine Internetseite aufmerksam zu machen, hat er hierfür mit einer AdWord-Kampagne, wie aus Anlage K 2 ersichtlich, geworben und hierzu als Schlüsselwort den Begriff €B... d... Versicherten" eingegeben.

Mit der Abmahnung hat der Kläger die Verletzung seines Kennzeichen- und Namensrechts gerügt und von dem Beklagten verlangt, es künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

- 1. die Internetadresse www.b...-d...-verunsicherten.de ohne Zustimmung des Klägers für die Veröffentlichung von Inhalten über die Vereinstätigkeit des Klägers zu verwenden,

- 2. den Begriff €B... d... Versicherten" ohne Zustimmung als Überschrift für eine Werbeanzeige für eine Internetseite zu verwenden und

- 3. ohne Zustimmung des Klägers Google-AdWord-Anzeigen, die auf die Domain www.B...-d...-Verunsicherten.de verweisen, in der Art zu gestalten, dass diese erscheint, wenn nach dem Begriff €B... d... Versicherten" gesucht wird.

Das Landgericht hat den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach zuerkannt, jedoch lediglich einen Gegenstandswert von 20.000,00 € angenommen und der Klage in diesem gekürzten Umfang stattgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz, der dort gestellten Anträge sowie der rechtlichen Erwägungen des Landgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (Bl. 90 ff. d. A.).

Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 20.05.2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 18.06.2009 bei Gericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz Berufung einlegen lassen und sie mit am 22.07.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet. Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist dem Beklagten mit Beschluss vom 08.09.2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Klageziel einer vollständigen Klageabweisung weiter. Der Beklagte nimmt auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug und trägt im Übrigen vor:

Das Landgericht Braunschweig habe seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen; der Kläger missbrauche den €fliegenden Gerichtsstand".

Auf Markenschutz könne sich der Kläger nicht berufen, weil sein Vereinsname aus einer Wortfolge bestehe, deren Bestandteile nicht schutzfähig seien. Auch könne keine Rede davon sein, dass der Beklagte das Zeichen im geschäftlichen Verkehr verwendet habe; wenn er den Vereinsnamen des Klägers gebraucht habe, sei dies im Rahmen eines unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG stehenden Meinungskampfes geschehen.

Ein zeichenrechtlicher Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Verwendung sogenannter €AdWords" bestehe nicht. Der Kläger könne auf keine geschützte Marke verweisen, während der Beklagte keinen zeichenmäßigen Gebrauch vorgenommen habe. Auch bewege er sich innerhalb der Schutzschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG. Der Beklagte habe nur eine beschreibende Angabe in seinen Domain-Namen aufgenommen. Dies sei ihm nicht zu verwehren, zumal er nicht einmal Wettbewerber des Klägers sei, da er unter der streitgegenständlichen Domain keine Produkte oder Leistungen, sondern lediglich Informationen über die aktuelle Entwicklung beim Kläger angeboten habe.

Die sprachliche Ähnlichkeit der klägerischen Domain "www.B...d...Versicherten.de" und der streitgegenständlichen Domain des Beklagten "www.b...-d...-verunsicherten.de" spiele keine Rolle, weil die Sprache nun einmal die Begriffe €Versicherte" und €Verunsicherte" vorhalte.

Ein namensrechtlicher Unterlassungsanspruch bestehe ebenfalls nicht, weil der Kläger nicht €B... d... Verunsicherten" heiße und sich der Beklagte den Namen des Klägers folglich nicht angemaßt habe. Auch liege lediglich eine zulässige Namensnennung vor. Des Weiteren bestehe keine Zuordnungsverwirrung. Der Domain-Name des Beklagten unterscheide sich in der Schreibweise und durch die Verwendung zusätzlicher Bindestriche von der Domain des Klägers. Auch fehle es an einem schutzwürdigen Interesse des Klägers, weil dieser nicht Träger eines unterscheidungskräftigen Namens sei, sondern eine glatt beschreibende Angabe zu seinem Vereinsnamen gemacht habe.

Der Kostenerstattungsanspruch ergebe sich hier nicht aus § 683 BGB, weil die Abmahnung nicht dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Beklagten entsprochen habe. Der Kläger verfolge kein berechtigtes Interesse, sondern allein das Ziel, seine Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Der Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 14. Mai 2009, Geschäftsnummer 21 O 2244/08, wird abgeändert.

2. Die Klage wird, auch soweit das Landgericht Braunschweig ihr mit Urteil vom 14. Mai 2009 stattgegeben hat, abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil, nimmt auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug und erwidert, das Landgericht habe zutreffend eine Zuordnungsverwirrung festgestellt; die Verwendung der Silbe "un" ändere hieran nichts. Seine Kritik hätte der Beklagte auch bewerben können, ohne durch Zuordnungsverwirrungen Namensrechte zu verletzen.

II.

1. Die Berufung ist - nach Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - zulässig und in der Sache selbst begründet.

a) Allerdings ist der Angriff auf die erstinstanzliche Entscheidung insoweit unbeachtlich, als das Landgericht seine Zuständigkeit bejaht hat. Hierauf kann die Berufung nicht gestützt werden (§ 513 Abs. 2 ZPO).

b) Der mit der Klage geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch besteht nicht. Ein solcher Anspruch kann sich als Schadensersatzanspruch aus den §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 5 MarkenG oder als Aufwendungserstattungsanspruch aus den §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB ergeben. Erstattungsfähig sind in beiden Fällen nur die Kosten einer begründeten und berechtigten Abmahnung. Eine Abmahnung ist begründet, wenn ihr ein Unterlassungsanspruch zugrunde liegt; sie ist berechtigt, wenn sie erforderlich ist, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH, Urteil vom 22.01.2009 - I ZR 139/07, GRUR 2009, 502 - pcb). Daran fehlt es.

Die Abmahnung vom 09.08.2008 ist unbegründet gewesen, weil dem Kläger die damit geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zugestanden haben. Zweifelhaft erscheint bereits, ob der Beklagte, wie von § 15 Abs. 2 MarkenG vorausgesetzt, im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat. Da er ideelle Zwecke verfolgt hat, wird sein Verhalten eher dem privaten Bereich außerhalb von Erwerb und Berufsausübung zuzurechnen sein. Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen. Unabhängig hiervon bestehen Unterlassungsansprüche des Klägers weder nach § 15 Abs. 4 MarkenG noch - im Falle eines dem privaten Bereich zuzuordnenden Handelns des Beklagten - nach § 12 BGB.

aa) Die Verwendung der Domain www.B...-d...-Verunsicherten.de war zulässig. Unterlassungsansprüche gemäß den §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 4 MarkenG bzw. § 12 BGB scheitern am Fehlen der von beiden Anspruchsgrundlagen vorausgesetzten Verwechslungsgefahr. Lässt ein nicht berechtigter Dritter ein fremdes Unternehmenskennzeichen oder ein ähnliches Zeichen als Internetadresse registrieren, liegt in seiner Verwendung eine Kennzeichenrechtsverletzung, wenn die Benutzung geeignet ist, eine Verwechslung mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen. Gleichermaßen liegt in der Registrierung eines fremden Namens als Internetadresse grundsätzlich eine Namensanmaßung, gegen die der berechtigte Träger dieses Namens aus § 12 BGB vorgehen kann. Da es sich um eine Namensanmaßung, keine Namensleugnung handelt, ist sie jedoch an weitere Voraussetzungen gebunden. Sie liegt vor, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen Namen gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung auslöst und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt (BGH, Urteil vom 26.06.2003 - I ZR 256/00, GRUR, 2003, 897 - maxem.de; Urteil vom 22.11.2001 -1 ZR 138/99, GRUR 2002, 622 - shell.de).

Hier hat der Beklagte nicht den Namen des Klägers, also "B... d... Versicherten e.V." als Domain für sich registrieren lassen, sondern einen Bestandteil dieses Namens in abgeänderter Form. Dabei ist der zum Namen des Klägers eingehaltene Abstand ausreichend groß, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Der Sinngehalt der von dem Beklagten gewählten Bezeichnung "Verunsicherten" ist ein gänzlich anderer als der des Begriffs "Versicherten", der Teil des Namens des Klägers ist. Es handelt sich nicht nur um eine andere grammatikalische Form mit etwas anderer Schreibweise, sondern einen völlig neuen, eigenständigen Begriff, so dass die ähnliche Schreibweise nichts daran zu ändern vermag, dass dem Verkehr ohne Weiteres die Unterschiedlichkeit der Zeichenverwendung deutlich wird. Wer die Domain "www.B...-d...-Verunsicherten.de" wahrnimmt, weiß sofort, dass er es sicher nicht mit dem Kläger zu tun hat, sondern wird annehmen, dass sich auf der unter dieser Domain betriebenen Website kritische, mutmaßlich negative Äußerungen über den Kläger finden lassen werden.

Auch eine namensrechtliche Zuordnungsverwirrung scheidet nach dem Gesagten aus. Wird eine kritisierende Website betrieben, die unter einer an den Namen der kritisierten Persönlichkeit angeglichen Domain geschaltet wird, liegt darin kein Namensgebrauch, solange - wie hier - distanzierende Zusätze innerhalb der Second-Level-Domain ohne Weiteres erkennen lassen, dass der Betreiber nicht im "Lager" des Berechtigten steht und zudem der Name so gewählt ist, dass dem Berechtigten die Möglichkeit erhalten bleibt, seinen eigenen Namen als Domain registrieren zu lassen (MK-Bayreuther, BGB, 5. Aufl., § 12 Rz. 182).

bb) Aus denselben Gründen bestehen auch keine Unterlassungsansprüche hinsichtlich der Verwendung des Begriffs "B... d... Versicherten" als Überschrift über der Werbeanzeige. Auch insoweit fehlt es an der nötigen Verwechslungsgefahr bzw. Gefahr der Zuordnungsverwirrung. Dass es sich nicht um eine Anzeige des Klägers handeln kann, wird dem Verkehr ohne weiteres durch die Angabe der Domain "www.b...-d...-verunsicherten.de" des Beklagten und darüber hinaus auch durch die Gegenüberstellung mit dem Begriff "B... d... Verunsicherten" deutlich.

Davon abgesehen fehlt es insoweit zusätzlich an der weiter erforderlichen Voraussetzung einer kennzeichenmäßigen Verwendung des Zeichens des Klägers, die auch im Namensrecht vorliegen muss. Auch im Namensrecht muss der Gebrauch des Namens kennzeichenmäßig, also zur Bezeichnung einer bestimmten Person oder eines Unternehmens erfolgen (BGH, Urteil vom 27.01.1983 - I ZR 160/80, NJW 1983, 1184; Bamberger/Roth, BGB, § 12 Rz. 69; MK-Bayreuther, a.a.O., § 12 Rz. 152).

Tatsächlich handelt es sich hier um eine bloße Nennung des Namens des Klägers, die nötig ist, um den Gegenstand der auf der Website des Beklagten veröffentlichten Inhalte zu beschreiben. Eine solche lediglich beschreibende Verwendung ist aber nach § 23 Nr. 2 MarkenG zulässig und auch namensrechtlich nicht zu beanstanden.

cc) Ähnliches gilt letztlich auch für die Verwendung des Namensbestandteils "B... d... Versicherten" als Schlüsselwort (Keyword) für die Google-AdWord-Funktion. Für die Benutzung einer geschützten Bezeichnung als Metatag hat der Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass in derartigen Fällen eine kennzeichenmäßige Benutzung vorliege, weil durch die Verwendung des fremden Kennzeichens als Suchwort im Quelltext das Ergebnis des Auswahlverfahrens beeinflusst und der Nutzer bei Eingabe des Suchworts in eine Suchmaschine zu der entsprechenden Internetseite geführt werde. Damit diene das Suchwort dazu, den Nutzer auf das dort werbende Unternehmen und sein Angebot hinzuweisen, wobei es nicht entscheidend sei, dass das Suchwort für den Nutzer im Quelltext nicht sichtbar sei (BGH, Urteil vom 18.05.2006 - I ZR 183/03, GRUR, 2007, 65 - Impuls). Hieran anknüpfend hat der Senat seine Rechtsprechung zur Adword-Werbung entwickelt, wonach auch in der Verwendung einer geschützten Bezeichnung als Keyword zum Aufruf einer Anzeige bei Google eine markenmäßige bzw. kennzeichenmäßige Verwendung liegt (OLG Braunschweig, Urteil vom 12.07.2007 - 2 U 24/07, MMR 2007, 789).

Allerdings schließen weder die Metatag- noch die Adword-Rechtsprechung die Verwendung einer geschützten Bezeichnung aus, wenn der Nutzer so zu einer Website geführt wird, auf der Inhalte präsentiert werden, deren Gegenstand der Inhaber der geschützten Bezeichnung ist. Auch dies ist nach § 23 Nr. 2 MarkenG zulässig (so BGH zu Metatags: BGH Urteil vom 15.08.2006 WRP 2006, 1513 = GRUR 2007, 65 = NJW 2007, 153 ff "Impuls"). Namensrechtlich liegt dann eine bloße Namensnennung vor, die ebenfalls nicht zu beanstanden ist.

Darüber hinaus fehlt es aus den oben genannten Gründen auch hier an der weiter erforderlichen Zuordnungsverwirrung bzw. Verwechslungsgefahr. Im Hinblick auf die Nennung des wesentlichen und prägenden Teils des Namens des Klägers in der Anzeige des Beklagten könnte zwar bei oberflächlicher Draufsicht für den nach Informationen des Klägers suchenden und dazu das Schlüsselwort eingebenden Internetnutzer der Eindruck entstehen, es handele sich tatsächlich um eine Website des Klägers. Andererseits ist der ein Suchwort eingebende Internetnutzer aber darauf eingerichtet, dass nicht alle Treffer dem gesuchten Ziel entsprechen. Er wird deshalb schon im eigenen Interesse, bevor er sich mit einer Website befasst, die in der Kurzfassung angegebenen Kurzhinweise lesen. Ansonsten müssten etwa hier im konkreten Fall der Anlage K 2 bis zu 119.000 Treffer "angeklickt" werden. Diese Kurzhinweise können eine Verwechselungsgefahr begründen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18.05.2006 - I ZR 183/03, GRUR 2007, 65 Rz. 19 - Impuls), aber auch ausschließen. Hier sind sie so eindeutig, dass nach ihrer Kenntnisnahme kein Zweifel daran bestehen kann, es nicht mit dem Kläger zu tun zu haben. Der Internetnutzer wird bei Wahrnehmung der AdWord-Werbung des Beklagten also nicht davon ausgehen, es handele sich um eine Anzeige des Klägers.

2.) Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10,711,713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.






OLG Braunschweig:
Urteil v. 10.11.2009
Az: 2 U 191/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3305f16096ee/OLG-Braunschweig_Urteil_vom_10-November-2009_Az_2-U-191-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share