Bundespatentgericht:
Urteil vom 24. Oktober 2002
Aktenzeichen: 2 Ni 13/01

(BPatG: Urteil v. 24.10.2002, Az.: 2 Ni 13/01)

Tenor

I. Das europäische Patent 0 689 492 wird mit Wirkung fürdas Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland fürnichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist für die Klägerin im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 15. März 1994 als PCT-Anmeldung (PCT/US94/02781) unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 16. März 1993 (US 33280) angemeldeten Patents EP 0 689 492 (Streitpatent), dessen Erteilung am 10. Juni 1998 veröffentlicht worden ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Patent, das beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer DE 694 10 997 geführt wird, betrifft ein "System zum Reinigen einer Giessvorrichtung mittels eines Lasers". Es umfasst 9 Patentansprüche, wovon Anspruch 1 in einem Beschränkungsverfahren durch Beschluss des Deutschen Patentund Markenamtes vom 23. August 2000 folgenden Wortlaut erhalten hat:

"1. Verfahren zur Reinigung von Oberflächen unter Verwendung einer Lichtquelle (10, 100), die einen Laser (12) einschließt, mit den Stufen, in denen man die Lichtquelle (10, 100) mit der zu reinigenden Vorrichtung ausrichtet, den Laser (12) aktiviert, um das Licht von der Quelle dazu zu bringen, auf eine Oberfläche der Vorrichtung aufzutreffen und dabei das Restmaterial von dieser Oberfläche zu entfernen, dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren zur Reinigung metallischer Oberflächen im Inneren von Formen verwendet wird, welche restliche Stücke von Kautschuk enthalten, die mit Hilfe eines gepulsten Lasers in einer nichterodierenden Weise entfernt werden."

Bezüglich der weiteren Ansprüche wird auf die Patentschrift verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er weder neu noch erfinderisch sei. Sie stützt ihre Ausführungen u.a. auf folgende Entgegenhaltungen:

K5 EP 0 380 387 B1 (Gegenstand der Verhandlung die maßgebliche EP 0 380 387 A1; Übersetzung DE 690 16 051 T2 =K6)

K8 JP 01122417 A (abstract)

K10 Großes Handbuch -Chemie, Verlag Buch und Zeit, 1998, ISBN 3-8166-0379-3, S. 210, 211, 232, 233 (Stichworte: Kautschuk, Kunstharz und Kunststoffe)

K11 US 4 920 994 K12 US 4 368 080 K13 Anwendung des Lasers, Verlagsgesellschaft Spektrum der Wissenschaft: Verständliche Forschung, Heidelberg, 1988, ISBN 3-922508-47-2 K14 R. F: COZZENS, R. B. FOX, "Infrared Laser Ablation of Polymers", In: POLYMER ENGINEERING AND SCIENCE, August 1978, Vol. 18, No. 11, S. 900 904 K15 DE3600591A1 K17 H. K. TÖNSHOFF, M. STÜRMER, "Laserfräsen -Formabtrag mit Hochleistungslasern", In: LASER MAGAZIN 6/91, S. 16 -24 Die Klägerin beantragtdas europäische Patent 0 689 492 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.

Gründe

Die Klage, mit der der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist in vollem Umfang begründet, denn der Gegenstand des Streitpatents ergibt sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

I.

Das Streitpatent betrifft nach dem geltenden Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Reinigung von Oberflächen unter Verwendung einer Lichtquelle, die einen Laser einschließt.

Entsprechend dessen Beschreibung besteht vor dem Hintergrund des Standes der Technik ein Bedarf an einem Reinigungssystem zur Verwendung von Formen, bei dem die Abschaltzeitstörung des Formens minimiert wird, während auch die Betriebskosten des Reinigungssystems vermindert werden (EP 0 689 492 B1 [K2]: DE 694 10 997 T2 S. 2, 4. Abs.). Das technische Problem besteht somit darin, ein System und ein Verfahren zur Reinigung von in Pressen sowie als mit einem Formverfahren verbundene Vorrichtung befestigten Formen an der Stelle zu bekommen, bei denen das Reinigen in nichterodierender Weise durchgeführt wird.

Die Problemlösung wird in dem Verfahren nach Anspruch 1 gesehen, wobei dieser folgendermaßen aufgegliedert sein kann:

1.

Verfahren zur Reinigung von Oberflächen unter Verwendung einer Lichtquelle, die einen Laser einschließt, mit den Stufen, 2.

in denen man die Lichtquelle mit der zu reinigenden Vorrichtung ausrichtet, den Laser aktiviert, 3.

um das Licht von der Quelle dazu zu bringen, auf eine Oberfläche der Vorrichtung aufzutreffen 4.

und dabei das Restmaterial von dieser Oberfläche zu entfernen, 5.

das Verfahren zur Reinigung metallischer Oberflächen 6.

im Innern von Formen verwendet, 7.

welche restliche Stücke von Kautschuk enthalten, 8.

die mit Hilfe eines gepulsten Lasers 9.

in einer nicht erodierenden Weise entfernt werden.

II.

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 stellt keine patentfähige Erfindung dar, denn er war an dem die Priorität des Streitpatents bestimmenden Anmeldetag der US-amerikanischen Voranmeldung, dem 16. März 1993, zwar neu, beruht aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der für den Streitgegenstand zuständige Fachmann ist Diplom-Ingenieur mit wenigstens Fachhochschulabschluss der Fachrichtung Maschinenbau, dem entgegen der Auffassung der Beklagten schon vor dem für das Streitpatent geltenden Prioritätstag während seines Studiums Grundkenntnisse in den Gebieten Fertigungstechnik, Lasertechnik, Kunststofftechnik und Chemie vermittelt worden sind und der zudem Berufserfahrung im Einsatz von Lasern als Reinigungsgerät erworben hat.

Diesem Fachmann ist aus der europäischen Offenlegungsschrift EP 0 380 387 A1 [diese im Folgenden K5], die in der mündlichen Verhandlung statt der von der Klägerin genannten, nicht vorveröffentlichten B1-Schrift diskutiert wurde, bereits ein Verfahren mit einem breiten Anwendungsspektrum zum Reinigen von Oberflächen bekannt. Bei diesem wird eine Lichtquelle, die einen Laser einschließt, verwendet. Dabei wird unstrittig die Lichtquelle mit dem zu reinigenden Objekt ausgerichtet, der Laser aktiviert, um das Licht von der Quelle dazu zu bringen, auf eine Oberfläche des Objekts aufzutreffen und dabei Material von dieser Oberfläche zu entfernen. Zwar zielt dieses bekannte Verfahren nicht in erster Linie darauf ab, lediglich Reste zu entfernen. Vielmehr ist die Beseitigung einer Schmutzschicht (couche superficielle polluante) beabsichtigt. Deshalb ist dort ein Ziel, wenigstens einen Teil dieser Schmutzschicht (une partie) zu entfernen. Die vollständige Beseitigung der Verunreinigungen ist für den Fachmann wie beim Streitpatent aber nur eine Frage der Anwendungsdauer und der Führung des Lasers. Beim bekannten Verfahren erzeugt der Laser auf der Oberfläche des unter der Schmutzschicht liegenden Materials, das metallisch, nämlich Stahl (acier) sein kann, eine Stoßwelle, die die Schmutzschicht ablöst (K5: Sp. 9, Z. 52 bis Z. 58). Der gepulste (impulsion) Laser arbeitet jedenfalls dann in nicht erodierender Weise, wenn sich das Absorptionsspektrum der Schmutzschicht generell vom Absorptionsspektrum des darunter liegenden Objektwerkstoffes unterscheidet, was beim angeführten Entfernen von Schmutz, Schmelzglas oder Fett aus dem Inneren rohrartiger Produkte u.a. (K5: Sp. 9, Z. 32) für den Fachmann einsichtig ebenso wie nach dem streitpatentgemäßen Problem beim Beseitigen von Kautschukresten aus metallischen Formen gegeben ist. Weil zunehmend weniger verschmutzte und darum stärker reflektierende Bereiche entstehen, ist unter dieser Voraussetzung das Risiko einer Veränderung des unter der Schmutzschicht liegenden Materials praktisch nicht existent (K5: Sp. 3, Z. 53 bis Sp. 4, Z. 8). Dass allerdings dann Erosionsgefahr besteht, wenn sich die Absorptionsspektren von Schmutzschicht und zu reinigender Oberfläche bereichsweise decken, wie das beim Entzundern von Metall der Fall ist, worauf die Beklagte verwiesen hat, steht außer Frage (K5: Sp. 8, Z. 45 ff). Obwohl selbst dafür das bekannte Verfahren Abhilfen lehrt, nämlich durch entsprechende Einstellbarkeit des Lasers, lässt sich der Fachmann dadurch nicht ablenken, da für sein Problem, nämlich die Beseitigung von Kautschukresten aus metallischen Formen der nichterodierende Einsatz, den das bekannte Verfahren unter diesen Voraussetzungen gewährleistet, ausschlaggebend ist. Der in K5 beschriebene Einsatz des Reinigungsverfahrens zum Entfernen des organischen Stoffes Fett (graisse) u.a. aus dem Inneren rohrartiger Produkte (produits tubulaires), welche allerdings, wie die Beklagte zu Recht meint, keine Formen darstellen, zeigt dem Fachmann aber, dass sich dessen Tauglichkeit generell auf innenliegende (Ober-)Flächen erstreckt. Weil aber die Formen, die der Fachmann zu reinigen hat, wie jene rohrartigen Produkte solche inneren (Ober-)Flächen aufweisen, wird ihm dessen Brauchbarkeit auch zum Reinigen dieser vorgegebenen Formen dargetan. Den aus K5 selbst nicht entnehmbaren Hinweis, dass ein solcher gepulster Laser auch dann eingesetzt werden kann, wenn die zu entfernende Verunreinigung der metallischen Oberfläche Kautschuk ist, bekommt der Fachmann aus dem Aufsatz "Laserfräsen" [K17]. Dort wird einerseits beschrieben, dass bereits 1991 gepulste Laser seit langem zum Abtrag von Gummi von Walzen verwendet werden (K17:

S. 18, 1. Sp., "Stand der Technik"), was ihm die Eignung des Lasers zum gezielten Beseitigen von Kautschuk aufzeigt. Andererseits erfährt er auch, dass mit gepulster Strahlung der Anteil des verdampften Materials steigt, wodurch der Abtragsvorgang unterstützt wird (S. 17, 2. Spalte, 3. Abs.). Dies setzt er in Beziehung zu der in K5 mehrfach angeführten Schockwelle, die neben dem bloßen Verdampfen der Schmutzteile durch den Laserstrahl zu deren Abplatzen führt und damit der Entfernung der Verunreinigungen dient. Damit sind dem Fachmann alle Hinweise an die Hand gegeben, die er dazu benötigt, das aus K5 bekannte Reinigungsverfahren als eine wirtschaftliche und praktikable Methode zum Entfernen der beispielsweise nach einem Vulkanisiervorgang verbleibenden Kautschukreste aus den Vulkanisierformen zu erkennen, welche das zugrundeliegende Problem löst. Somit ergibt sich das Verfahren zur Reinigung von Oberflächen nach Anspruch 1 des Streitpatents dem Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, weshalb es nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Anspruch 1 erweist sich damit als nicht rechtsbeständig.

Das Patent war in seinem gesamten Umfang für nichtig zu erklären, da weder geltend gemacht wurde, noch ersichtlich ist, dass die in den Unteransprüchen 2 bis 9 enthaltenen, im Grundsatz aus K5 entnehmbaren oder dem fachmännischen Wissen zuzurechnenden Merkmale dem Gegenstand des Anspruchs 1 etwas hinzufügen, was eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte. Selbst die -obwohl von der Beklagten nicht als erfinderisch verteidigt -vom Senat noch besonders ins Auge gefasste Ausgestaltung des Verfahrens nach Anspruch 5, bei der neben direkten auch reflektierte Laserstrahlen zum Reinigen herangezogen werden, kann nicht als erfinderisch gelten. Einerseits ist schon in K5 Reflexion (Sp. 4, Z. 6) erwähnt, deren physikalische Grundsätze der Fachmann beherrscht und um ihre Wirkung weiß, wenn der reflektierte, nicht wesentlich gestreute oder geschwächte Strahl auf Schmutzpartikel trifft. Andererseits tritt die beabsichtigte Wirkung zuverlässig nur dann ein, wenn das Erfassen des zu beseitigenden Partikels durch den reflektierten Strahl sichergestellt ist, was wesentlich von der Gestaltung der zu reinigenden Form und der Führung des Lasers abhängt. Letzteres ist aber weder Inhalt des Anspruchs 5 noch des Streitpatents im Übrigen.

III.

Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 84 Abs. 2 PatG iVm § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs. 1 PatG, 709 ZPO.

Gutermuth Dr. Henkel Martens Harrer Schmitz Fa






BPatG:
Urteil v. 24.10.2002
Az: 2 Ni 13/01


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