Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 16. Mai 2008
Aktenzeichen: 25 U 45/07

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 16.05.2008, Az.: 25 U 45/07)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LandgerichtsKassel € 1. Kammer für Handelssachen - vom 21.12.2006 €11 O 4073/06 € in der Fassung des Beschlusses des Senates vom28.2.2008 wird zurückgewiesen.

Die Berufungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrensunter Einschluss der Kosten der Nebenintervenienten zu 1. bis 3. zutragen.

Der Nebenintervenient zu 4. trägt seine außergerichtlichenKosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger bzw. dieNebenintervenienten zu 1. bis 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhevon 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betragesabwenden, falls nicht der Kläger bzw. die Nebenintervenienten zu 1.bis 3. vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% desjeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger ist eine Aktionärsvereinigung, die satzungsgemäß die Interessen von Minderheitsaktionären wahrnehmen soll. Der Kläger hielt bereits vor dem 16.3.2006 Aktien der Beklagten und ist auch gegenwärtig noch Aktionär. Die Nebenintervenienten auf Seiten des Klägers sind seit 22.2.2006 (Nebenintervenienten zu 1. und 2.), seit einem Zeitpunkt vor dem 1.1.2000 (Nebenintervenientin zu 3.) und seit 16.8.2006 (Nebenintervenient zu 4.) Aktionäre der Beklagten.

Am 10. Mai 2006 hielt die Beklagte Hauptversammlung. Entsprechend der Bekanntmachung der Tagesordnung im elektronischen Bundesanzeiger am 16. März 2006 wurde unter Tagesordnungspunkt 7 €Beschlussfassung über die Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen nebst gleichzeitiger Schaffung eines bedingten Kapitals sowie entsprechender Satzungsänderung€ durch die Hauptsversammlung mit der erforderlichen Mehrheit folgender Beschluss gefasst:

€a) Nennbetrag, Ermächtigungszeitraum, Aktienzahl Der Vorstand wird ermächtigt, bis zum 9. Mai 2001 mit Zustimmung des Aufsichtsrats einmalig oder mehrmals auf den Inhaber und/oder auf den Namen lautende Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen (nachstehend gemeinsam ´Schuldverschreibungen´) im Gesamtnennbetrag von 1.500.000.000,00 € mit oder ohne Laufzeitbegrenzung zu begeben und den Inhabern bzw. Gläubigern von Schuldverschreibungen und Wandlungs- bzw. und Optionsrecht auf neue Aktien der Gesellschaft mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals von bis zu insgesamt 54.400.000,00 € nach näherer Maßgabe der Wandel- bzw. Optionsanleihebedingungen zu gewähren. Der anteilige Betrag am Grundkapital der bei Wandlung auszugebenden Aktien darf den Nennbetrag der Schuldverschreibungen nicht übersteigen.

b) Gegenleistung, Begebung durch Konzernunternehmen, Teilschuldverschreibungen Die Schuldverschreibungen können außer in Euro auch - unter Begrenzung auf den entsprechenden Euro-Gegenwert bei Ausgabe der Schuldverschreibung - in der gesetzlichen Währung eines OECD-Landes begeben werden. Die Ausgabe von Schuldverschreibungen kann auch gegen die Erbringung einer Sacheinlage erfolgen. Schuldverschreibungen können auch durch Konzernunternehmen der Gesellschaft gegeben werden; in diesem Fall wird der Vorstand ermächtigt, für die Gesellschaft die Garantie für die Schuldverschreibungen und etwaige eingeräumte Wandlungsrechte bzw. Optionsrechte zu übernehmen und deren Inhabern bzw. Gläubigern solche Schuldverschreibungen Wandlungsrechte bzw. Optionsrechte auf neue Aktien der Gesellschaft zu gewähren. Die Anleiheemissionen können in jeweils unter sich gleichberechtigte Teilschuldverschreibungen eingeteilt werden.

c) Bezugsrecht der Aktionäre, Bezugsrechtsausschluss Den Aktionären der Gesellschaft steht grundsätzlich ein Bezugsrecht auf die Schuldverschreibungen zu. Die Schuldverschreibungen können auch von einem oder mehreren Kreditinstituten mit der Verpflichtung übernommen werden, diesen Aktionären der Gesellschaft zum Bezug anzubieten. Das Bezugsrecht der Aktionäre kann jedoch für die folgenden Fälle ganz oder teilweise ausgeschlossen werden.

aa) der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht der Aktionäre der Gesellschaft auszuschließen, sofern die Schuldverschreibungen gegen bar ausgegeben werden und der Ausgabepreis den nach anerkannten finanzmathematischen Methoden ermittelten theoretischen Marktwert der Schuldverschreibungen nicht wesentlich unterschreitet. Der Bezugsrechtsausschluss gilt jedoch nur für Schuldverschreibungen mit einem Wandlungs- bzw. Optionsrecht auf Aktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von bis zu 10 Prozent des Grundkapitals zum Zeitpunkt der heutigen Beschlussfassung. Die Höchstgrenze von 10 Prozent des Grundkapitals vermindert sich um den anteiligen Betrag des Grundkapitals, der auf diejenigen Aktien entfällt, die während der Laufzeit dieser Ermächtigung im Rahmen einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG ausgegeben werden. Die Höchstgrenze von 10 Prozent des Grundkapitals vermindert sich ferner um den anteiligen Betrag des Grundkapitals, der auf diejenigen eigenen Aktien entfällt, die während der Laufzeit dieser Ermächtigung von der Gesellschaft unter Ausschluss des Bezugsrechts gemäß § 186 Abs. 3 S. 4 AktG veräußert werden.

bb) Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht der Aktionäre der Gesellschaft auszuschließen, sofern es erforderlich ist, um den Inhabern von Wandlungs- oder Optionsrechten auf Aktien der Gesellschaft bzw. den Gläubigern von mit Wandlungspflichten ausgestatteten Wandelschuldverschreibungen ein Bezugsrecht in dem Umfang zu gewähren, wie es ihnen nach Ausübung dieser Rechte bzw. nach Erfüllung der Wandlungspflichten zustehen würde.

cc) Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht der Aktionäre der Gesellschaft auszuschließen, um Spitzenbeträge, die sich aufgrund des Bezugsverhältnisses ergeben, vom dem Bezugsrecht der Aktionäre auszunehmen.

dd) Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht der Aktionäre der Gesellschaft auszuschließen, soweit die Schuldverschreibungen in Zusammenhang mit dem Erwerb von Unternehmen, Beteiligungen an Unternehmen oder Unternehmensteilen gegen Sachleistungen ausgegeben werde, sofern der Wert der Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zu dem Wert der Schuldverschreibungen steht.

d) Wandlungsrecht, Umtauschverhältnis

Im Falle der Ausgabe von Schuldverschreibungen mit Wandlungsrecht können die Gläubiger ihre Schuldverschreibungen nach Maßgabe der Anleihebedingungen in Aktien der Gesellschaft umtauschen. Das Umtauschverhältnis ergibt sich aus der Division des Nennbetrages einer Schuldverschreibung durch den nach Maßgabe der in den jeweiligen Anleihebedingungen festgesetzten Wandlungspreis für eine neue Aktie der Gesellschaft. Das Umtauschverhältnis kann sich auch durch Division des unter dem Nennbetrag liegenden Ausgabebetrages einer Schuldverschreibung durch den festgesetzten Wandlungspreis für eine neue Aktie der Gesellschaft ergeben. Es kann vorgesehen werden, dass das Umtauschverhältnis variabel ist und/oder der Wandlungspreis innerhalb einer festzulegenden Bandbreite in Abhängigkeit von der Entwicklung des Aktienkurses während der Laufzeit oder während eines bestimmten Zeitraums innerhalb der Laufzeit festgesetzt wird. Das Umtauschverhältnis kann in jedem Fall auf eine ganze Zahl auf- oder abgerundet werden; ferner kann eine in bar zu leistende Zuzahlung festgelegt werden. Im Übrigen kann vorgesehen werden, dass Spitzen zusammengelegt und/oder im Geld ausgeglichen werden.

e) Optionsrecht

Im Falle der Ausgabe von Optionsschuldverschreibungen werden jeder Schuldverschreibung ein oder mehrere Optionsscheine beigefügt, die den Inhaber nach näherer Maßgabe der vom Vorstand festzulegenden Optionsbedingungen zum Bezug von neuen Aktien der Gesellschaft berechtigen. Der anteilige Betrag am Grundkapital denn die Schuldverschreibungen zu beziehenden Aktien darf den Nennbetrag der Optionsschuldverschreibungen nicht übersteigen.

f) Wandlungs-/Optionspreis

Der jeweils festzusetzende Wandlung- bzw. Optionspreis für eine Aktie der Gesellschaft (Bezugspreis) muss entweder (a) mindestens 80 Prozent des gewichteten Durchschnitts der Börsenpreise der Aktie der Gesellschaft im Computerhandelssystem ... (oder eines an dessen Stelle tretenden, funktional vergleichbaren Nachfolgesystems während der letzten zehn Börsentage vor dem Tag der Beschlussfassung durch den Vorstand über die Begebung der Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen oder (b) mindestens 80 Prozent des gewichteten Durchschnitts der Börsenpreise der Aktie der Gesellschaft im Computer-Handelssystem ... (oder eines an dessen Stelle tretenden, funktional vergleichbaren Nachfolgesystems) während der Tage, an denen die Bezugsrechte an der Wertpapierbörse Frankfurt am Main gehandelt werden, mit Ausnahme der beiden letzten Börsentage des Bezugsrechtshandels, entsprechen.

g) Verwässerungsschutz

Der Wandlungs- bzw. Optionspreis kann unbeschadet des § 9 Abs. 1 AktG aufgrund einer Verwässerungsschutzklausel nach näherer Bestimmung der Wandel- bzw. Optionsanleihebedingungen durch Zahlung eines entsprechenden Betrages im Geld bei Ausnutzung des Wandlungsrechts bzw. durch Herabsetzung der Zuzahlung ermäßigt werden, wenn die Gesellschaft während der Wandlung- oder Optionsfrist unter Einräumung des Bezugsrechts an ihre Aktionäre das Grundkapital erhöht oder weitere Wandel- oder Optionsanleihen bzw. Wandel- oder Optionsgenussrechte begibt beziehungsweise sonstige Optionsrechte gewährt und den Inhabern von Wandlung- und Optionsrechten kein Bezugsrecht in dem Umfang eingeräumt wird, wie es ihnen nach Ausübung des Wandlungs- oder Optionsrechts zustehen würde. Statt einer Zahlung in bar bzw. einer Herabsetzung der Zuzahlung kann auch € soweit möglich € das Umtauschverhältnis durch Division mit dem ermäßigten Wandlungspreis angepasst werden. Die Bedingungen können darüber hinaus für den Fall der Kapitalherabsetzung eine Anpassung der Wandlungs- bzw. Optionsrechte vorsehen.

h) Wandlungspflicht, Lieferung eigener Aktien, Barzahlung statt Lieferung

Die Anleihebedingungen können eine Wandlungspflicht zum Ende der Laufzeit (oder zu einem früheren Zeitpunkt) begründen. Die Anleihebedingungen können weiter jeweils festlegen, dass im Falle der Wandlung bzw. Optionsausübung auch eigene Aktien der Gesellschaft gewährt werden können. Schließlich können die Anleihebedingungen vorsehen, dass im Falle der Wandlung die Gesellschaft den Wandlungsberechtigen nicht Aktien der Gesellschaft gewährt, sondern den Gegenwert in Geld zahlt.

i) Ermächtigung zur Festlegung der weiteren Anleihebedingungen

Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats die weiteren Einzelheiten der Ausgabe und Ausstattung der Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen insbesondere Zinssatz, Ausgabekurs, Laufzeit und Stückelung, Wandlungs- bzw. Optionspreis und den Wandlungs- bzw. Optionszeitraum festzusetzen bzw. im Einvernehmen mit den Organen der die Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen begebenden Beteiligungsgesellschaften festzulegen.

j) Bedingte Kapitalerhöhung

Das Grundkapital wird um bis zu 54.400.000,00 € durch Ausgabe von bis zu 20.625.000 Stückaktien bedingt erhöht (bedingtes Kapital). Die bedingte Kapitalerhöhung dient der Gewährung von Aktienrechten an die Inhaber bzw. Gläubiger von Schuldverschreibungen, die gemäß vorstehender Ermächtigung unter lit. a) bis i) bis zum 9. Mai 2011 von der Gesellschaft oder von Konzernunternehmen der Gesellschaft begeben werden. Die Ausgabe der neuen Aktien erfolgt zu dem gem. lit. a) bis i) jeweils festzulegenden Wandlungs- bzw. Optionspreis. Die bedingte Kapitalerhöhung ist nur insoweit durchzuführen, wie von diesen Rechten Gebrauch gemacht wird oder wie die zur Wandlung verpflichteten Inhaber bzw. Gläubiger ihre Pflicht zur Wandlung erfüllen. Die neuen Aktien nehmen vom Beginn des Geschäftsjahres an, in dem sie durch Ausübung von Wandlungs- bzw. Optionsrechten oder durch Erfüllung von Wandlungspflichten entstehen, am Gewinn teil; abweichend hiervon kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats festlegen, dass die neuen Aktien vom Beginn des Geschäftsjahres an, für das im Zeitpunkt der Ausübung von Wandlungs- bzw. Optionsrechten oder der Erfüllung von Wandlungspflichten noch kein Beschluss der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinnes gefasst worden ist, am Gewinn teilnehmen.

Der Vorstand wird ermächtigt, die weiteren Einzelheiten der Durchführung einer bedingten Kapitalerhöhung festzulegen.

k) Satzungsänderung

§ 4 der Satzung wird um folgenden Abs. 5 ergänzt:

´Das Grundkapital ist um bis zu 54.400.000,00 € durch Ausgabe von bis zu 20.625.00 Stückaktien bedingt erhöht (bedingtes Kapital). Die bedingte Kapitalerhöhung wird nur insoweit durchgeführt, wie - die Inhaber bzw. Gläubiger von Wandlungsrechten oder Optionsscheinen, die den von der Gesellschaft oder von Konzernunternehmen der Gesellschaft aufgrund des Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung vom 10. Mai 2006 bis zum 9. Mai 2001 auszugebenden Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen beigefügt sind, von ihren Wandlungs- bzw. Optionsrechten Gebrauch machen oder

- die zur Wandlung verpflichteten Inhaber bzw. Gläubiger der von der Gesellschaft oder von Konzernunternehmen der Gesellschaft aufgrund des Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung vom 10. Mai 2006 bis zum 9. Mai 2001 auszugebenden Wandelschuldverschreibungen ihre Pflicht zur Wandlung erfüllen.

Die neuen Aktien nehmen von dem Beginn des Geschäftsjahres an, in dem sie durch Ausübung von Wandlungs- bzw. Optionsrechten oder durch Erfüllung von Wandlungspflichten entstehen, am Gewinn teil; abweichend hiervon kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats festlegen, dass die neuen Aktien vom Beginn des Geschäftsjahres an, für das im Zeitpunkt der Ausübung von Wandlungs- bzw. Optionsrechten oder der Erfüllung von Wandlungspflichten noch kein Beschluss der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns gefasst worden ist, am Gewinn teilnehmen. Der Vorstand ist ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats den weiteren Inhalt der Aktienrechte und die weiteren Einzelheiten der Durchführung der bedingten Kapitalerhöhung festzulegen.´

l) Ermächtigung zur Änderung der Satzung

Der Aufsichtsrat wird ermächtigt, § 4 Abs. 1 und 5 der Satzung entsprechend der jeweiligen Ausnutzung des bedingten Kapitals zu ändern.€

In § 4 der Satzung findet sich bisher in den Abs. 1 und 2. folgende Regelung: €(1) Das Grundkapital beträgt € 108.800.000,00. Die Aktien der Gesellschaft sind Stückaktien ohne Nennbetrag. Das Grundkapital ist eingeteilt in 42.500.000 Aktien. Der Anspruch der Aktionäre auf Verbriefung ihrer Aktien ist ausgeschlossen. (2) Die Aktien lauten auf den Inhaber.€

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte im Rahmen der Hauptversammlung gegen den gesamten unter Tagesordnungspunkt 7 gefassten Beschluss Widerspruch zu Protokoll des Notars ein.

Mit der am 3.6.2006 eingereichten € im elektronischen Bundesanzeiger am 31.8.2006 bekannt gemachten - Klage hat der Kläger geltend gemacht, der unter Tagesordnungspunkt (TOP) 7 lit. j), k) und l) gefasste Beschluss sei nichtig. Dies habe nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB die Nichtigkeit des Beschlusses zu allen übrigen Buchstaben des Beschlusses zu TOP 7 zur Folge. Es habe dem objektiven Willen der Hauptversammlung entsprochen, die sich aus dem Ermächtigungsbeschluss zur Ausgabe von Wandel-/Optionsschuldverschreibungen ergebenden Bezugsrechte durch das bedingte Kapital zu erfüllen, so dass beide Beschlusspunkte als beschlussmäßige Einheit miteinander stünden und fielen.

Der Beschluss zu Buchstabe j) verstoße gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, wonach bei einem Beschluss über bedingtes Kapital unter anderem auch der Ausgabebetrag der Aktien oder die Grundlagen, nach denen sich der Ausgabebetrag berechne, festzusetzen sei. Der Verweis auf TOP 7 lit. f) genüge nicht, weil dort lediglich die Untergrenze des Ausgabebetrages festgelegt werde. Damit werde die genaue Ausgestaltung des Ausgabebetrages entgegen der Kompetenzverteilung nach dem AktG der Hauptversammlung entzogen und in das freie Ermessen des Vorstandes gestellt. Dem Interesse, die Anleihebedingungen flexibel an die Marktbedingungen zur Zeit der Ausgabe der Wandel- und Optionsschuldverschreibungen anzupassen, werde bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Vorstand insb. Laufzeit der Schuldverschreibungen und das Bezugsverhältnis frei bestimmen könne. Insoweit fehle ein Bedürfnis, auch noch den Options- und Wandlungspreis (Ausgabebetrag) zur Disposition des Vorstandes zu stellen.

Darüber hinaus sei der Beschluss über das bedingte Kapital insofern offensichtlich rechtswidrig, als er nicht die erforderlichen Angaben über die Art der Aktien € Inhaber- oder Namensaktien € enthalte.

Im Übrigen verstoße des Weiteren der Beschluss zu TOP 7 lit. c) aa) gegen zwingende aktienrechtliche Bestimmungen. Der Beschluss beruhe auf einer analogen Anwendung des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG, für die indes bei der Ausgabe von Wandel /Optionsschuldverschreibungen kein Raum sei. Die Verweisung auf § 186 AktG in § 221 AktG schließe Abs. 3 Satz 4 des § 186 AktG teleologisch nicht ein. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers zur Nichtigkeit von TOP 7 lit. c) aa) wird auf die Klageschrift vom 31.5.2006 (S. 11 bis 13 = Bl. 25 bis 27 Band I d.A.), den Schriftsatz vom 24.8.2006 (S. 8 bis 13 = BI, 107 bis 112 Band I d.A.) und den Schriftsatz vom 18.11.2006 (S. 9ff, Bl. 227 bis 229 Band I) verwiesen.

Für den Fall, dass das Gericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die Nichtigkeit des Beschlusses über das bedingte Kapital nicht zur Nichtigkeit des gesamten Beschlusses unter TOP 7 führe, hat der Kläger in erster Linie beantragt, festzustellen, dass der in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am 10. Mai 2006 unter Tagesordnungspunkt 7 lit. j), k) und l) gefasste Beschluss (Bedingte Kapitalerhöhung nebst Satzungsänderung und Ermächtigung zur Satzungsänderung) nichtig ist.

Hilfsweise hat er beantragt, festzustellen, dass der gesamte in der Hauptverhandlung der beklagten Gesellschaft am 10. Mai 2006 unter Tagesordnungspunkt 7 gefasste Beschluss (Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen nebst gleichzeitiger Schaffung eines bedingten Kapitals sowie entsprechender Satzungsänderung und Ermächtigung zur Satzungsänderung) nichtig ist. Hilfsweise zum Haupt- und dem ersten Hilfsantrag hat er beantragt, den in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am 10. Mai 2006 unter Tagesordnungspunkt 7 lit. a) bis i) gefassten Beschluss (Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen) insoweit für nichtig zu erklären, als dass der Vorstand unter dem Tagesordnungspunkt lit. c) aa) dazu ermächtigt wird, in analoger Anwendung des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG mit Zustimmung des Aufsichtsrates das Bezugsrecht der Aktionäre auf die Wandel- und Optionsschuldverschreibungen auszuschließen, sofern die Schuldverschreibungen gegen bar ausgegeben werden und er Ausgabepreis den nach €anerkannten finanzmathematischen Methoden€ ermittelten theoretischen Marktwert der Schuldverschreibungen nicht wesentlich unterschreitet.

Die Nebenintervenienten, die auf Seiten des Klägers dem Rechtsstreit beigetreten sind, haben sich den Anträgen des Klägers und seiner Argumentation in der Sache angeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Nebenintervenienten zu 1. wird auf seinen Schriftsatz vom 13.11.2006 (Bl. 195ff. Band I d.A.) verwiesen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat den Beschluss zu TOP 7 und insbesondere die Beschlüsse zu Buchstaben j) k) und l) für rechtswirksam gehalten. Der Beschluss genüge den Anforderungen des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG an die Bestimmbarkeit des Ausgabebetrages. Hier ergebe sich die eindeutige Höhe aus dem festgelegten Umtauschverhältnis zum Wandlungspreis. Dabei sei es unschädlich und entspreche € insoweit unstreitig - einer verbreiteten Praxis börsennotierter Aktiengesellschaften, dass lediglich der Mindestausgabepreis für die Ausgabe der neuen Aktien festgelegt sei. Dem Schutz vor Verwässerung des Aktienbesitzes werde durch die Festlegung des Mindestbetrages ausreichend Rechnung getragen. Werde ein höherer Betrag gewählt, verringere sich lediglich die Intensität des von den Aktionären bereits autorisierten Eingriffs in ihre Rechtsposition. Überdies verdränge § 221 Abs. 2 AktG als lex specialis § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, wenn der Ermächtigungsbeschluss zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen und der Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals anlässlich derselben Hauptsversammlung beschlossen werden. Dem weiten Ermessen des Vorstandes nach § 221 Abs. 2 AktG werde durch eine restriktive Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG die Grundlage entzogen. Das widerspreche dem Zweck des § 221 Abs. 2 AktG.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei aufgrund der Regelung in § 4 der Satzung klar, dass auch die neuen Aktien Inhaberaktien seien.

Selbst wenn man die Beschlüsse zu TOP 7 j) bis l) ganz oder teilweise für nichtig halte, führe das nicht zur Gesamtnichtigkeit des Beschlusses zu TOP 7, weil die Hauptversammlung den Beschluss über die Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen auch ohne den Beschluss über das bedingte Kapital hätte fassen können.

Schließlich sei auch der Bezugsrechtsausschluss gemäß TOP 7 lit. c) aa) rechtmäßig. § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG sei infolge der Verweisung in § 221 Abs. 4 Satz 2 AktG anwendbar. Aktionärsinteressen blieben gewahrt, auch werde auf diese Weise ein marktgerechter Preis für die Wandel- und Optionsschuldverschreibungen erreicht

Die Nebeninterventionen hat die Beklagte für unzulässig gehalten.

Mit Zwischenfeststellungs- und Endurteil vom 21.12.2006 hat das Landgericht € 1. Kammer für Handelssachen € die Nebenintervention der Nebenintervenienten zu 1. bis 3. für zulässig, die des Nebenintervenienten zu 4. für unzulässig erklärt und im übrigen festgestellt, dass der in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am 10.5.2006 unter Tagesordnungspunkt 7 lit. j), k) und l) gefasste Beschluss (bedingte Kapitalerhöhung nebst Satzungsänderung und Ermächtigung zur Satzungsänderung) nichtig ist. Zur Begründung ist ausgeführt, der unter Tagesordnungspunkt 7 gefasste Beschluss der Hauptversammlung vom 10.5.2006 sei insgesamt gem. §§ 241 Ziff. 1, 139 BGB nichtig, weil die bloße Festsetzung des Mindestbetrages nicht den Anforderungen des §193 Abs. 2 Nr. 3 AktG genüge. Der Beitritt des Nebenintervenienten zu 4. sei unzulässig, weil er Aktien der Beklagten erst seit dem 16.8.2006 besitze und damit nicht die Anforderungen des § 245 Nr. 1 AktG erfülle.

Gegen dieses ihr am 12.2.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 2.3.2007 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch ein am 11.4.2007 bei Gericht eingegangenes Telefax mit Begründung versehen.

Sie wendet sich € unter Wiederholung und Vertiefung ihrer bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumente € gegen die Auffassung des Landgerichts, der Beschluss vom 10.5.2006 verstoße gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Auch die bloße Bestimmung des Mindestausgabebetrages genüge nach dem Wortlaut der Norm, weil damit ein Ausgabebetrag festgelegt werde. Im Übrigen werde § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG von § 221 Abs. 2 AktG als lex specialis verdrängt. Zumindest strahle § 221 Abs. 2 AktG auf die Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG aus. Insbesondere Sinn und Zweck des § 193 AktG sprächen dafür, es zuzulassen, durch die Hauptversammlung lediglich den Mindestausgabebetrag festzusetzen und die weitere Bestimmung dem Vorstand zu überlassen, weil die Hauptversammlung auf diese Weise die Obergrenze der Verwässerung des Aktienbesitzes regele. Damit werde der Zweck des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, die Vermögensinteressen der Aktionäre zu schützen, vollständig erreicht. Wie § 182 Abs. 3 AktG zeige, verstoße es nicht gegen das Kompetenzgefüge nach dem AktG, dass die weitere Ausgestaltung dem Vorstand überlassen bleibe.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteil des Landgerichts Kassel vom 21.12.2006, Geschäfts- Nr. 11 O 4073/06, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und die Nebenintervenienten zu 1. bis 3. beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Widerholung und Vertiefung ihrer bereits erstinstanzlich ausgeführten Rechtsansichten.

Der Nebenintervenient zu 4. hat mit Schriftsatz vom 21.5.2007 angekündigt, sich als Nebenintervenient den Anträgen der Klägerin im Berufungsverfahren anschließen zu wollen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 28.2.2008, auf den wegen der Einzelheiten der Begründung verwiesen wird (Bl. 40 bis 43 Band III d.A.), den Tenor des angefochtenen Urteils gem. § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass der gesamte in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am 10.5.2006 unter Tagesordnungspunkt 7 gefasste Beschluss (Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen nebst gleichzeitiger Schaffung eines bedingten Kapitals sowie entsprechender Satzungsänderung und Ermächtigung zur Satzungsänderung) nichtig ist. Rechtsmittel sind insoweit nicht eingelegt worden.

II. A. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist die Berufung form- und fristgerecht eingelegt und auch fristgerecht mit Begründung versehen. Die Berufung ist statthaft, weil die Beklagte in einem oberhalb der Berufungssumme liegenden Maße durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist.

B. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 7 der Hauptversammlung vom 10.5.2006 festgestellt.

1. Gegen die Zulässigkeit der Klage hat sich die Beklagte schon erstinstanzlich zutreffend nicht gewandt.

2. Selbst wenn man für das Begehren des Klägers allein auf die Bestimmungen über die Anfechtbarkeit von rechtswidrigen Beschlüssen der Hauptversammlung abstellte, wäre der Kläger im Sinne von § 245 Nr. 1 AktG anfechtungsbefugt, und die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG wäre gewahrt. Soweit sich das Begehren des Klägers als Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG darstellt, kommt es auf diese Kriterien ohnehin nicht an.

3. Die Klage ist auch begründet, weil der Beschluss zu TOP 7 lit. j. gegen § 193 Abs. 2. Nr. 3 AktG verstößt und deshalb gem. § 241 Nr. 3 AktG. nichtig ist. Diese Nichtigkeit zieht gemäß § 139 BGB die Nichtigkeit des gesamten zu TOP 7 gefassten Beschlusses nach sich. Dies war gem. § 249 AktG festzustellen.

a) Der Wortlaut des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG verlangt Festlegung des Ausgabebetrages oder zumindest die Festlegung der Grundlagen der Berechnung des Ausgabekurses. Damit kann nur gemeint sein, dass nach einem generell-abstrakten Maßstab festgelegt wird, wie der Kurs zum maßgeblichen Zeitpunkt berechnet werden soll. Das Ergebnis beider Berechnungsmöglichkeiten ist dann jeweils ein ganz bestimmter, auf den Willen der Hauptversammlung zurückgehender Betrag.

Eine solche Bestimmung wird mit der Festlegung eines Mindestbetrages, der sich überdies nur aus einer verschachtelten Verweisung ergibt, nicht erreicht. Ist eine Obergrenze nicht festgelegt, lässt sich entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht bereits aus dem Beschluss selbst vorhersehen, welcher Ausgabebetrag sich ergeben wird. Vielmehr bleibt, abseits des Mindestbetrages, völlig offen, zu welchem Betrag die Bezugsaktien ausgegeben werden.

Ein Beschluss, der lediglich den Mindestausgabebetrag festlegt, bleibt hinter den Anforderungen der Norm, den Ausgabebetrag in jeder Hinsicht in einer bestimmbaren Weise zu kennzeichnen, zurück und ist deswegen mit dem Wortlaut nicht vereinbar.

b) Auch wenn sprachlich der Begriff €Mindestausgabebetrag€ eine vom Begriff €Ausgabebetrag€ abgeleitete Wortform ist, ist es denkgesetzlich nicht zutreffend, das Ganze (€Ausgabebetrag€) mit der Teilmenge (€Mindestausgabebetrag€) sprachlich oder gar in den rechtlichen Auswirkungen ohne Weiteres gleichzusetzen. Darauf liefe aber die Betrachtung der Beklagten hinaus. Sprachlich und inhaltlich enthält der Begriff €Ausgabebetrag€ zumindest ein Mehr (wenn nicht sogar ein Aliud) gegenüber €Mindestausgabebetrag€. Diese begriffliche und inhaltliche Lücke ließe sich nur schließen, wenn man mittels anerkannter Auslegungsmethoden den Begriff €Ausgabebetrag€ auf die Teilmenge €Mindestausgabebetrag€ reduzieren müsste. Ist dies nicht geboten, hat es dabei zu verbleiben, dass der Hauptversammlungsbeschluss das Ganze (€Ausgabebetrag€) festlegen muss.

c) Gründe, die es gebieten könnten, das Gesetz abweichend vom Wortlaut und Wortsinn auszulegen, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil entspricht die wortlautbezogene Anwendung des Gesetzes sowohl der Systematik des Aktiengesetzes als auch dem Sinn und Zweck des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Mit der von der Beklagten vertretenen Auffassung lassen sich demgegenüber die Gesetzeszwecke nicht oder nicht in gleicher Weise erreichen.

aa) Der Kläger und die Nebenintervenienten weisen zutreffend darauf hin, dass nach dem Gesetz die Festlegung des Ausgabebetrages zur Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung gehört. Diese Kompetenz würde geschwächt, wenn nicht entwertet, wenn anstelle der Hauptversammlung nunmehr der Vorstand € abgesehen vom Mindestausgabepreis - über die konkrete Berechnung des Ausgabebetrages frei entscheiden könnte.

Es ist nicht einmal ein Bedürfnis erkennbar, so zu verfahren. Die von der Beklagten gewünschte Flexibilität im Hinblick auf die künftige Entwicklung des Börsenkurses lässt sich nämlich auch im Einklang mit dem Wortlaut von § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG in der Weise erreichen, dass der Ausgabebetrag durch Beschluss der Hauptversammlung an einen bestimmten Börsenkurs zu einem bestimmten Zeitpunkt geknüpft wird.

Dass § 193 AktG eindeutig der Hauptversammlung die Kompetenz zuweist, über die Grundlagen der Berechnung des Ausgabebetrages zu entscheiden, erkennt auch die Beklagte an. Letztlich läuft die Auffassung der Beklagten, es genüge zur Wahrung der Kompetenzverteilung und der Interessen der Aktionäre, wenn der Mindestausgabebetrag festgelegt werde, auf einen im AktG insoweit nicht vorgesehenen partiellen Kompetenzverzicht zugunsten eines anderen Organs der AktG hinaus. Die Verschiebung der Rollenverteilung innerhalb des gesetzlich ausgewogenen Systems der Kompetenzverteilung kann methodisch nicht ausreichend damit begründet werden, eine andere Kompetenzverteilung werde den Interessen der Aktionäre in gleicher oder gar besserer Weise gerecht. Es liegt nicht in der Hand der Organe der Aktiengesellschaft, durch konsensuale Abgabe und Übernahme fremder Kompetenzen ihren eigenen Rechts- und Pflichtenkreis zu verändern. Nach Sinn und Zweck der speziellen Aufgabenzuweisung im Aktiengesetz stehen Kompetenzen, die der Hauptversammlung zugewiesen sind, auch für diese nicht in der Weise zur Disposition, dass sie € weil wesentliche Interessen der zur Hauptversammlung zugelassenen Personen gewahrt bleiben € im Übrigen auf die Wahrnehmung ihrer Rechte verzichten (arg. § 23 Abs. 5 AktG).

Der Hinweis der Beklagten auf eine sich aus § 182 Abs. 3 AktG ergebende anderweitige Verteilung der Kompetenzen zwischen Hauptversammlung und Vorstand führt nicht weiter, weil der Gesetzgeber sich im Rahmen von § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG eben nicht für dieselbe Kompetenzverteilung entschieden hat.

bb) Eine telelogische Reduktion des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist weder möglich noch gar geboten. Die Erwähnung des Begriffs €Mindestbetrag€ in § 182 Abs. 3 AktG führt nicht zu einer teleologischen Reduktion des Begriffs €Ausgabebetrag€ in § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Es ist keineswegs ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch die von § 182 Abs. 3 AktG abweichende Regelung planwidrig über das gewollte Regelungsziel hinausgeraten sein könnte. Im Gegenteil sind die Rahmenbedingungen der beiden Normen unterschiedlich, so dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber, als er zeitgleich § 182 Abs. 3 AktG und § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG (bzw. deren inhaltsgleiche Vorläufer) geschaffen hat, bewusst unterschiedliche Begriffe gewählt hat. § 182 AktG liegt der Gedanke zugrunde, dass in der Regel die neuen Aktien nur für den geringsten Ausgabebetrag herausgegeben werden. So gesehen ist es konsequent, an die Stelle des abgeänderten Regelbetrages einen anderen Mindestbetrag zu setzen. Für eine planwidrige Fassung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

cc) § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG wird im Falle der Einlösung von Wandelschuldverschreibungen nicht durch § 221 Abs. 2 AktG verdrängt. § 221 Abs. 2 AktG ist nicht lex specialis zu § 193 AktG. Auf welche Weise die Aktiengesellschaft die Einlösung der Wandelschuldverschreibungen beabsichtigt, ist in § 221 AktG gar nicht geregelt. Vielmehr ist die Entscheidung für eine bedingte Kapitalerhöhung in ihren rechtlichen Anforderungen unabhängig von den Anforderungen an die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen. Teleologisch ist es auch nicht einzusehen, warum eine Aktiengesellschaft durch die Ankoppelung einer bedingten Kapitalerhöhung an die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen die Regeln der §§ 192f. AktG soll aushebeln können.

dd) Methodisch falsch geht die Beklagte vor, indem sie aus der tatsächlichen inneren Verbundenheit eines Beschlusses über die Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen mit einem zeitgleich gefassten Beschluss über die bedingte Erhöhung des Grundkapitals darauf schließen möchte, dass die rechtlichen Anforderungen für den einen Beschluss überwirken auf die rechtlichen Anforderungen an den anderen. Die bewusste, aber keineswegs zwingende Entscheidung dafür, zwei unterschiedliche Rechtshandlungen zeitgleich zu verwirklichen, ist als solche keine methodisch anerkannte oder akzeptable Kategorie, um die beiden Sachverhalte trotz ausdrücklich unterschiedlicher gesetzlicher Regeln fortan gleich zu behandeln. Ebenso wie Kaufvertrag und dingliches Rechtsgeschäft zwar häufig zeitgleich verwirklicht werden und aufeinander bezogen sind, aber dennoch ganz unterschiedliche gesetzliche Ausgestaltung erfahren haben, sind auch die Rechtsregeln für einen Ermächtigungsbeschlusses zur Ausgabe von Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen losgelöst von den Anforderungen an einen Beschluss über die bedingte Kapitalerhöhung. Die Verbundenheit der beiden Handlungen kommt erst zum Ausdruck, wenn das eine oder andere Geschäft fehlerhaft ist (Rechtsfolgenwirkung); die Tatbestandsmerkmale für das jeweilige Geschäft ändern sich dadurch freilich nicht.

ee) Da § 193 AktG auch dem Interesse von Gläubigern und potentiellen Anlegern dient, die Aktiengesellschaft wirtschaftlich richtig bewerten zu können, sowie dem öffentlichen Interesse, einen Missbrauch der bedingten Kapitalerhöhung durch transparente und berechenbare Bestimmung des Ausgabebetrages zu verhindern, greifen die Überlegungen der Beklagten zur Wahrung der Belange der Aktionäre und zum Verständnis des § 193 AktG als (nur) Schutzgesetz zugunsten der Aktionäre zu kurz.

Auch ist es nicht weiterführend, wenn die Beklagte meint, die Informationsinteressen der Gläubiger und potentieller Anleger könnten durch (spätere) Aufklärung über den konkreten Ausgabekurs auch noch hinreichend gewahrt werden, wenn nämlich der Vorstand sein Ermessen ausgeübt hat, indem er die fehlenden Elemente zur Bestimmung des Ausgabekurses benennt. Im Vergleich zu der wortlautorientierten Auslegung bietet dieser gesetzlich nicht fixierte, in seinen Rechtsfolgen undefinierte Weg keinen gleichwertigen Schutz der Informationsinteressen. Eine Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, die den Begriff des Ausgabebetrages auf den Begriff des Mindestausgabebetrages verengt, lässt sich so nicht erzwingen.

Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass die Auffassung der Beklagten, dass Verwässerungsschutz schon durch die Festlegung der Berechnungsmethoden für die Bestimmung des Mindestausgabebetrages gewährleistet bleibt, nicht zutreffend ist. Vielmehr dürften die Aktionäre ein legitimes Eigeninteresse daran haben, den konkreten Ausgabebetrag in vorhersehbarer Weise durch die Hauptversammlung mitzubestimmen, um die Kapitalumwandlung € aus ihrer Sicht € in optimaler Weise zu gewährleisten.

d) Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist nach allgemeiner Auffassung die Nichtigkeit des entsprechenden Beschlusses (vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. § 193 Rn. 10).

4. Ob auch TOP 7 lit. k des Beschlusses vom 10.5.2006 einen eigenständigen Verstoß gegen aktienrechtliche Bestimmungen enthält, weil er nicht selbst ausdrücklich bestimmt, dass die neuen Aktien Inhaberaktien werden, sondern sich dies nur aus § 4 Abs. 1 der Satzung schlussfolgern lässt, kann offen bleiben.

5. Weil die Beschlüsse zu TOP 7 k) und l) - selbst nach der Auffassung der Beklagten - nicht unabhängig von TOP 7 lit. j) sind, zieht hier die Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 7 lit. j) gem. § 139 BGB ohne Weiteres die Nichtigkeit der Beschlüsse zu TOP 7 lit. k) und l) nach sich.

Auch mit den übrigen Regelungen des Beschlusses zu TOP 7 bildet der Beschluss zu TOP 7 lit. j) eine Einheit, so dass aus der Nichtigkeit des zu TOP 7 lit. j) gefassten Beschlusses letztlich die Gesamtnichtigkeit des Beschlusses zu TOP 7 folgt. Es kommt nicht darauf an, dass die Hauptversammlung über einzelne Aspekte des Tagesordnungspunktes 7 auch hätte entscheiden können, ohne zugleich die anderen Punkte zu regeln. Denn nach dem erkennbaren Willen sollte ein solcher Weg für die am 10.5.2006 gefassten Beschlüsse gerade nicht gewählt werden. Dem entsprechend sind die einzelnen Beschlussteile in vielfältiger Hinsicht aufeinander bezogen. Gerade lit. j) verweist mehrfach auf die Regelungen zu TOP 7 lit. a) bis i) und die Hauptversammlung hat über TOP 7 auch einheitlich abgestimmt, so dass nicht angenommen werden kann, die Beschlüsse zu TOP 7 lit. a) bis i) wären am 10.5.2006 auch ohne die Beschlüsse zu TOP 7 lit. j) bis k) gefasst worden, wenn die Gesetzwidrigkeit des Beschlussvorschlags zu TOP 7 lit. j) erkannt worden wäre.

6. Infolgedessen kann ebenfalls offen bleiben, ob auch der Bezugsrechtsausschluss durch TOP 7 lit. c) aa) für sich betrachtet nichtig wäre, oder ob die Festlegung des Mindestausgabebetrages gem. TOP 7 lit. j) i.V.m. mit lit. f) gegen § 255 Abs. 2 Satz 1 AktG verstößt.

7. Soweit Landgericht und Senat mit dieser Entscheidung dem ersten Hilfsantrag des Klägers gefolgt sind, bedurfte es keiner Teilklageabweisung hinsichtlich des Hauptantrages, weil der erste Hilfsantrag erkennbar nicht für den Fall des Misserfolges des Hauptantrages, sondern für den Fall des Erfolges gestellt wurde. Eine solche innerprozessuale Anknüpfung an den Erfolg des Hauptantrages ist zulässig (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung seit RGZ 144, 71, 73).

Entgegen OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2008, I-8 U 115/07 (veröffentlicht bei juris; hier Bl. 54ff. Band III d.A.), und OLG Celle, Urt. v. 7.11.2007, 9 U 57/07 (AG 2008, 85ff. = Bl. 21ff. Band III d.A.), sowie KG, Urt. vom 3.8.2007, 14 U 72/06 (KG-Report 2008, 113-115 = Bl. 155 bis 165 Band II d.A.) unterliegt in einem solchen Fall der Kläger, wenn das Gericht dem Hilfsantrag folgt, nicht einmal teilweise wegen des Hauptantrages. Ein Teilunterliegen lässt sich nicht damit begründen, dass Rechtsfolge einer nichtigen Beschlussfassung über die bedingte Kapitalerhöhung die Nichtigkeit des gesamten damit in Verbindung stehenden Beschlusses ist (§ 139 BGB). Die vom OLG Hamm (jurisRn. 20) insoweit zitierten Entscheidungen obergerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen stützen diese Auffassung nicht. Sie befassen sich nur mit der verklammernden Wirkung von § 139 BGB, nicht mit der prozessualen Frage, ob ein Klage, die nicht alle nichtigen Teile im Antrag erfasst, sondern nur den auslösenden Nichtigkeitskern, unbegründet ist. Für die hier vorliegende Staffelung in Haupt- und Hilfsantrag für den Fall des Erfolges ist die Auffassung aber jedenfalls deswegen unzutreffend, weil der Kläger sich mit der Kombination aus Hauptantrag und weitergehendem Hilfsantrag gar nicht gegen diese Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit stellt, sondern sie gerade anstrebt.

C. Die Kostenentscheidung beruht € mit Ausnahme der Kostenregelung in Bezug auf den Nebenintervenienten zu 4. - auf §§ 97 Abs. 1, 101, 69 ZPO, 248 AktG. Der Nebenintervenient zu 4. hat seine außergerichtlichen Auslagen im Berufungsverfahren selbst zu tragen, weil er an diesem Verfahren nicht in zulässiger Weise beteiligt ist. Die Nebenintervention des Nebenintervenienten zu 4. ist mit Zwischenurteil vom 21.12.2006 zurückgewiesen worden. Innerhalb der Rechtsmittelfrist (§ 71 Abs. 2 ZPO) hat der Nebenintervenient zu 4. dagegen keine Einwände erhoben, so dass die Zurückweisung seines Beitritts rechtskräftig ist. Auf die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Landgerichts kommt es damit nicht mehr an. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D. Die Revision wird mit Rücksicht darauf, dass die Frage, ob die bloße Festlegung des Mindestbetrages durch die Hauptversammlung mit § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG vereinbar ist, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (zum Streitstand vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2008, I-8 U 115/07, jurisRnrn. 27 bis 30) zugelassen.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 16.05.2008
Az: 25 U 45/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3343ad9cdf4a/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_16-Mai-2008_Az_25-U-45-07




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