Bundesgerichtshof:
Urteil vom 8. April 2013
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 54/11
(BGH: Urteil v. 08.04.2013, Az.: AnwZ (Brfg) 54/11)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 29. August 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 12.500 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist seit Anfang 1995 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit am 11. September 2008 bei der Beklagten eingegangenem Antrag vom 9. September 2008 beantragte er, ihm die Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Erbrecht" zu gestatten. Hierbei legte er als Beleg seiner besonderen theoretischen Kenntnisse ein Zertifikat über einen im Jahr 2008 erfolgreich absolvierten Fachanwaltslehrgang im Erbrecht vor. Zum Nachweis seiner besonderen praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet des Erbrechts fügte er eine in vier Abschnitte gegliederte Liste mit insgesamt 102 Fällen (6 FGG-Verfahren, 32 ZPO-Verfahren [fehlerhaft mit 33 nummeriert], 15 außergerichtliche Vertretungen, 49 außergerichtliche Beratungen) bei. 1 Mit Bescheid vom 5. August 2009 wies die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung zurück, dieser habe nicht den Nachweis erbracht, über besondere praktische Erfahrungen im Erbrecht zu verfügen. Diesen Bescheid hob der Anwaltsgerichtshof nach mündlicher Verhandlung vom 18. Januar 2010 auf und verpflichtete die Beklagte, den Antrag des Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Anwaltsgerichtshofs neu zu bescheiden (AGH 18/09). Hieran schloss sich eine längere Korrespondenz zwischen dem Kläger und dem bei der Beklagten eingerichteten Fachausschuss für Erbrecht an. Am 19. Juli 2010 erhob der Kläger beim Anwaltsgerichtshof Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag vom 9. September 2008 zu bescheiden.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gestattung der Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Erbrecht" erneut mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe besondere praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des Erbrechts nicht nachgewiesen. Er habe im maßgeblichen Referenzzeitraum zwar 94 Fälle bearbeitet; da diese aber nur mit einem Gewicht von 74,5 zu bewerten seien, habe er nicht den Nachweis erbracht, die erforderlichen 80 Mandate bearbeitet zu haben. Bei der Bewertung der vom Kläger angeführten Rechtssachen hat die Beklagte einige Fälle nicht als erbrechtliche Angelegenheiten oder jedenfalls nicht als rechtsförmliche Verfahren anerkannt. Zudem hat sie viele Fälle nicht mit dem Faktor 1,0 bewertet, sondern nur mit einem Gewicht von 0,2, 0,3, 0,5, 0,6, 0,7, 0,8 und 0,9 berücksichtigt.
Hierauf hat der Kläger seine bereits rechtshängige Untätigkeitsklage fristgerecht um den Antrag erweitert, den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2010 aufzuheben und ihm die Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Erbrecht" zu gestatten. Die Parteien haben das ursprüngliche 2 Klagebegehren auf Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung des Antrags vom 9. September 2008 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Klage auf Aufhebung des ablehnenden Bescheids und auf Gestattung der Führung der begehrten Fachanwaltsbezeichnung hat der Anwaltsgerichtshof mit Urteil vom 29. August 2011 stattgegeben (AnwBl. 2011, 957 f.). Zur Begründung hat er ausgeführt, der Kläger habe den erforderlichen Nachweis der Bearbeitung von mindestens 20 rechtsförmlichen Erbrechtsverfahren und weiteren 60 sonstigen Fällen mit Erbrechtsbezug im Referenzzeitraum vom 11. September 2005 bis 10. September 2008 erbracht. Von den angemeldeten Fällen seien 30 als rechtsförmliche Verfahren, von denen 18 (Schreibfehler, richtig: 28) nicht aus dem Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit stammten, anzuerkennen und weitere 62 (Rechenfehler, richtig: 65) Fälle als nicht rechtsförmliche erbrechtliche Fälle zu berücksichtigen.
Von diesen 92 (Rechenfehler; richtig: 95) Fällen bezögen sich auch jeweils mindestens fünf Fälle auf die von der Fachanwaltsordnung geforderten drei Erbrechtsbereiche. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die vom Kläger mitgeteilten Fälle auch nicht nach § 5 Abs. 4 FAO (bis zum 28. Februar 2010: § 5 Satz 3 FAO a.F.) niedriger oder höher zu gewichten. Denn diese Norm, die das Grundrecht des Rechtsanwalts aus Art. 12 Abs. 1 GG einschränke, erfülle nicht die Mindestanforderungen an das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG), weil sie keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür enthalte, wann und in welchem Umfang eine Minder- oder Höhergewichtung vorzunehmen sei. Für den Rechtsanwalt sei in keiner Weise vorhersehbar, ob die von ihm im vorgegebenen Zeitraum bearbeiteten Fälle ausreichten, um seine besonderen praktischen Erfahrungen im Sinne des § 5 FAO nachzuweisen. 5 Da es sich bei § 5 Abs. 4 FAO um eine auf der Ermächtigungsgrundlage des § 59b BRAO beruhende Satzungsbestimmung und nicht um ein formelles Gesetz handele, sei der Anwaltsgerichtshof berechtigt, eigenständig über die Nichtigkeit des § 5 Abs. 4 FAO wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 GG zu befinden. Die vom Kläger bearbeiteten 92 (richtig: 95) Erbrechtsfälle seien damit jeweils mit dem Faktor 1 zu bewerten.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 112e BRAO, § 124a Abs. 1 bis 3 VwGO zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
I.
Der Anwaltsgerichtshof hat dem Kläger im Ergebnis mit Recht die Befugnis zur Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Erbrecht" zugesprochen. Ihm ist darin beizupflichten, dass der Kläger nicht nur über die erforderlichen theoretischen Kenntnisse im Erbrecht verfügt, sondern auch den nach § 2 Abs. 2, § 5 Satz 1 Buchst. m, Satz 3, § 14f, § 6 Abs. 3 FAO in der ab 1. Januar 2008 geltenden und vorliegend maßgeblichen (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 FAO) Fassung (heute § 2 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Buchst. m, Abs. 4, § 14f, § 6 Abs. 3 FAO) zu führenden Nachweis erbracht hat, im Referenzzeitraum vom 11. September 2005 bis 10. September 2008 persönlich und weisungsfrei 80 Fälle mit den geforderten erbrechtlichen Bezügen, davon mindestens 20 rechtsförmliche Verfahren 7 und hiervon nicht mehr als zehn aus dem Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, bearbeitet zu haben. Anders als der Anwaltsgerichtshof meint, folgt dies jedoch nicht aus der von ihm bejahten Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 4 FAO (§ 5 Satz 3 FAO a.F.), sondern aus einer sachgerechten, an Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG orientierten Auslegung dieser Norm.
1. Der Kläger hat für den genannten Zeitraum eine aus vier Teilen bestehende Fallliste mit insgesamt 102 Fällen (6 FGG-Verfahren, 32 ZPO-Verfahren, 15 außergerichtliche Vertretungen, 49 außergerichtliche Beratungen) vorgelegt. Hiervon sind bei richtiger Betrachtung insgesamt 93 Fälle anzuerkennen, darunter 31 rechtsförmliche Verfahren, von denen drei aus dem Gebiet der Freiwilligen Gerichtsbarkeit stammen.
a) Von dem im zweiten Teil der Fallliste des Klägers aufgeführten 32 "ZPO-Fällen" (Teil 1 B) hat der Anwaltsgerichtshof 28 als rechtsförmliche Verfahren und drei weitere als nicht rechtsförmliche Verfahren anerkannt. Dieser Bewertung ist mit der Maßgabe zuzustimmen, dass (nur) 30 Erbrechtsfälle berücksichtigungsfähig sind, hiervon 28 als rechtsförmliche Verfahren und zwei als außergerichtliche Fallbearbeitungen.
aa) Zutreffend hat der Anwaltsgerichtshof beim Fall Nr. 28 einen ausreichenden Erbrechtsbezug vermisst. Für eine Anerkennung dieses Verfahrens als Erbrechtsfall müsste im Referenzzeitraum (hier: 11. September 2005 bis 10. September 2008) eine Frage aus dem in § 14f FAO a.F. näher beschriebenen Fachgebiet des Erbrechts bearbeitet worden sein (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 85/09, NJW-RR 2011, 279 Rn. 10 m.w.N.). Eine solche Bearbeitung hat der Kläger aber zu keinem Zeitpunkt dargelegt, auch nicht in dem in der Berufungserwiderung in Bezug genommenen Schriftsatz 11 vom 15. Juni 2010 (vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 85/09, aaO Rn. 11).
bb) Auch der vom Anwaltsgerichtshof anerkannte Fall Nr. 24 muss aus ähnlichen Erwägungen unberücksichtigt bleiben. Der Kläger hat hier eine erbrechtliche Bearbeitung im maßgeblichen Zeitraum vom 11. September 2005 bis 10. September 2008 nicht dargelegt. Der von ihm beschriebene Bearbeitungsablauf enthält deutliche Lücken. Das Mandat in diesem vor einem polnischen Gericht geführten Verfahren hat der Kläger am 15. Juli 2005 erhalten. Er hatte hierbei eine ins Polnische zu übersetzende Stellungnahme zu dem Feststellungsbegehren einer Miterbin zu fertigen. Wann er diese Stellungnahme erstellt und ob er danach weitere Schriftsätze gefertigt hat, hat der Kläger nicht dargelegt. Den Gerichtstermin vom 22. Juni 2006 hat er nicht wahrgenommen. Es ist daher weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger auch ab dem 11. September 2005 erbrechtliche Fragestellungen bearbeitet hat.
cc) Von den damit berücksichtigungsfähigen 30 Verfahren sind 28 als rechtsförmliche Verfahren zu bewerten, nämlich 27 vom Anwaltsgerichtshof anerkannte Fälle (Nr. 1 bis 5, Nr. 7 bis 12, Nr. 14, Nr. 15, Nr. 17 bis 23, Nr. 25, Nr. 26, Nr. 29 bis 33) und daneben das von diesem nur als außergerichtlicher Erbrechtsfall eingestufte Verfahren Nr. 13. Beim letztgenannten Verfahren wurde eine Forderung des Mandanten gegen die Erben seines verstorbenen Sohnes gerichtlich geltend gemacht. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs war die Frage, wer Erbe ist, nicht nur im Rahmen der vorgerichtlichen Beratung, sondern auch für die vom Gericht zu prüfende, im Streitfall nicht unproblematische Passivlegitimation von Bedeutung. Dies genügt, um einem Fall, dessen Schwerpunkt - wie hier - in einem anderen Rechtsgebiet liegt, einen Erbrechtsbezug zu verleihen. Denn hierfür reicht bereits aus, dass auch erbrechtliche Fragen für die argumentative Auseinandersetzung "eine Rolle spie-14 len" (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, FamRZ 2009, 1320 Rn. 9; vgl. ferner Senatsbeschluss vom 25. Februar 2008 - AnwZ (B) 17/07, NJW-RR 2008, 925 Rn. 10 ff. [zum Arbeitsrecht]).
Die Fälle Nr. 6 und 16 hat der Anwaltsgerichtshof mit Recht nicht als rechtsförmliche, sondern nur als außergerichtliche Erbrechtsverfahren anerkannt. Denn im Vaterschaftsfeststellungsverfahren (Nr. 6) und im selbständigen Beweisverfahren zur Sicherstellung von Gewebeproben des Erblassers (Nr. 16) stellen sich keine erbrechtlichen Fragen; das mögliche Erbrecht der Mandanten des Klägers ist nur Anlass dieser Verfahren.
b) Von den im ersten Teil der Fallliste (Teil 1 A) aufgeführten sechs Fällen sind die vom Anwaltsgerichtshof anerkannten Fälle Nr. 1 und 3 sowie das von ihm nur als außergerichtlicher Erbrechtsfall berücksichtigte Verfahren Nr. 5 als rechtsförmliche Fälle mit Erbrechtsbezug zu bewerten. Bei der im Fall Nr. 5 vom Kläger zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft (§ 2042 BGB) beantragten Teilungsversteigerung ist die erforderliche erbrechtliche Anknüpfung im Hinblick auf die vom Gericht zu prüfende und glaubhaft zu machende (§ 181 Abs. 3, § 17 Abs. 3 ZVG) Erbenstellung des Mandanten des Klägers gegeben. Denn nach § 181 Abs. 2 ZVG darf die Zwangsversteigerung in ein Grundstück zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft nur angeordnet werden, wenn der Antrag entweder durch einen eingetragenen Eigentümer, den Erben eines solchen oder denjenigen, der für den Eigentümer oder dessen Erben das Recht auf Aufhebung der Gemeinschaft ausübt, gestellt wird.
Die verbleibenden Fälle sind dagegen mit dem Anwaltsgerichtshof nicht als erbrechtliche Fälle (Nr. 2 und Nr. 6) oder nur als außergerichtlicher Erbrechtsfall (Nr. 4) anzuerkennen. Fall Nr. 2 hatte eine Kostenbeschwerde gemäß § 20a Abs. 2, § 13a FGG zum Gegenstand; dass er in diesem Zusammenhang 16 eine erbrechtliche Frage bearbeitet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 85/09, aaO Rn. 10 m.w.N.), hat der Kläger nicht (hinreichend) dargetan. Im Fall Nr. 6 war die Hauptsache mit Beschluss des Landgerichts O. vom 23. August 2005 abgeschlossen; in der Folgezeit ging es - wie auch die Mitteilung des Nachlassgerichts O. vom 15. September 2005 zeigt - nur noch um die Bescheidung der vom Kläger gestellten Vergütungsanträge durch den Rechtspfleger. Aus dem Fallbeschrieb und den hierzu vorgelegten Unterlagen ergibt sich nicht, dass im Referenzzeitraum, also ab dem 11. September 2005, eine erbrechtliche Fragestellung behandelt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 85/09, aaO m.w.N.). Der im Fall Nr. 4 gestellte Antrag auf Testamentseröffnung (§ 2260 BGB a.F.) leitete - was der Kläger nicht mehr in Abrede stellt - kein rechtsförmliches Verfahren ein; er ist mit einem Antrag auf Akteneinsicht vergleichbar.
c) Die im dritten Teil der Fallliste des Klägers (Teil 2 A) aufgeführten 15 außergerichtlichen Vertretungsmandate sind in Überstimmung mit dem Anwaltsgerichtshof und der Beklagten uneingeschränkt als nicht rechtsförmliche Erbrechtsfälle anzuerkennen. Von den im vierten Teil der Fallliste (Teil 2 B) genannten 49 außergerichtlichen Beratungsfällen sind 44 (nicht rechtsförmliche) Fälle berücksichtigungsfähig. Die Fälle Nr. 20, 22, 24 und der vom Anwaltsgerichtshof nicht erörterte Fall Nr. 14 hatten keine erbrechtlichen Fragen zum Gegenstand; das dem Beklagten erteilte Mandat ging in all diesen Fällen ausschließlich dahin, Betreuungs- und/oder Patientenverfügungen zu entwerfen. Anders als der Kläger meint, macht der Umstand, dass solche Aspekte im Zusammenhang mit erbrechtlichen Angelegenheiten erörtert werden, diese nicht zu einem erbrechtlichen Fall. Den Fall 17 haben der Anwaltsgerichtshof und die Beklagte wegen seiner inhaltlichen Identität mit dem Fall Nr. 5 zutreffend nicht eigenständig gewertet. Unter einem Fall ist jede juristische Aufarbeitung eines einheitlichen Lebenssachverhalts zu verstehen, der sich von anderen Lebens-19 sachverhalten dadurch unterscheidet, dass die zu beurteilenden Tatsachen und Beteiligten verschieden sind (Senatsbeschluss vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 36/05, BGHZ 166, 292 Rn. 12 m.w.N.). Gemessen hieran sind der im Jahr 2005 erstellte Testamentsentwurf (Nr. 5) und dessen im Jahr 2007 erfolgte Ergänzung um einzelne Punkte (Nr. 17) als einheitlicher Fall zu werten, der in zwei Schritten bearbeitet wurde.
2. Anders als der Anwaltsgerichtshof meint, ist im Anschluss an die Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Fälle zu prüfen, welches Gewicht den einzelnen Fällen zukommt. Denn gemäß § 5 Satz 3 FAO a.F. (heute § 5 Abs. 4 FAO) können Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle zu einer höheren oder niedrigeren Gewichtung führen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 36/05, aaO Rn. 17). Diese Vorschrift verstößt bei richtiger Auslegung nicht gegen Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG. Dass die Beklagte viele Fälle mit weniger als 1 gewichtet und dabei zudem eine sehr ausdifferenzierte Abstufung vorgenommen hat, beruht nicht auf einem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsdefizit dieser Norm, sondern darauf, dass die Beklagte von einem unzutreffenden Regelungsverständnis ausgegangen ist.
a) Dem Anwaltsgerichtshof ist darin zuzustimmen, dass § 5 Satz 3 FAO a.F. (heute § 5 Abs. 4 FAO) eine an Art. 12 Abs. 1 GG zu messende Regelung der Berufsausübung enthält (vgl. BVerfG, NJW-RR 1998, 1001 f. zur Vorgängerregelung des § 9 RAFachBezG). Eingriffe in dieses Recht sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer Regelung zulässig, aus der sich hinreichend deutlich die gesetzgeberische Entscheidung über den Umfang und die Grenzen des Eingriffs ergibt (BVerfGE 110, 304, 321; vgl. auch BVerfG, NJW 2008, 1293 Rn. 34). Dies bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber daran gehindert ist, Generalklauseln oder unbestimmte Rechtsbegriffe - auch mehrere zugleich - zu verwenden (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 78, 214, 226 f. 20 m.w.N.; 110, 33, 56 f.; 56, 1, 12 f.; BVerfGK 17, 273, 285). Die Vielgestaltigkeit der zu regelnden Sachverhalte lässt sich nicht immer in klar umrissene Begriffe einfangen (BVerfGE 56, aaO). Das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bestimmtheitsgebot zwingt den Gesetzgeber dementsprechend nicht, einen Tatbestand mit genau erfassbaren Merkmalen zu umschreiben; gesetzliche Vorschriften brauchen nur so bestimmt zu sein, wie dies nach der Eigenart der zu regelnden Sachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfGE 78, 205, 212; 87, 234, 263 f.; 93, 213, 238; 117, 71, 111; BVerfG, NJW 2000, 2187).
Es ist insoweit nur zu fordern, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 78, aaO; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 102, 254, 337). Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sich der Regelungsgehalt der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 102, aaO; 110, 33, 56 f.; 117, 71, 111 f.; BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2012 - 2 BvL 9/08 (10/08, 11/08, 12/08), juris Rn. 91; jeweils m.w.N.). Es obliegt also nicht allein dem Gesetz- oder Satzungsgeber, die Rechtslage für die Betroffenen klar und berechenbar auszugestalten. Vielmehr sind hierbei auch die Rechtsanwendungsorgane gefordert, deren herkömmliche und anerkannte Aufgabe die Konkretisierung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist (vgl. BVerfGE 80, 103, 108; BVerfG, Beschlüsse vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88, juris Rn. 8; vom 4. Juni 2012 - 2 BvL 9/08 (10/08, 11/08, 12/08), aaO Rn. 96). In Anbetracht dieser Rollenverteilung wird das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot unter anderem schon dann eingehalten, wenn sich aus der gesetzlichen Regelung und ihrer Zielsetzung richtungsweisende Gesichtspunkte für die - den Gerichten und Verwaltungsbehörden übertragene - Auslegung der verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88, aaO). 22 b) Das ist hier der Fall. Der Regelungsgehalt des § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) lässt sich auf der Grundlage der Entstehungsgeschichte, des Normzwecks und der Systematik dieser Vorschrift hinreichend konkretisieren und - unter Berücksichtigung der berufsrechtlichen Bedeutung einer Fachanwaltsbezeichnung - mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang bringen.
aa) Die materiellen Voraussetzungen für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung (§ 43c BRAO) sind in §§ 2 ff. FAO im Rahmen der verliehenen Satzungskompetenz (§ 59b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BRAO) in Anlehnung an die aufgehobenen Bestimmungen des Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (RAFachBezG) vom 27. Februar 1992 (BGBl. I S. 369 ff.) geregelt worden (Senatsbeschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (B) 40/01, NJW 2003, 741, 742). Dies gilt auch für die Bestimmung des § 5 FAO über den Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen, die das Regelungskonzept des § 9 RAFachBezG übernommen hat.
(1) Die Vorschriften des Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen haben die Feststellung der vom Bewerber nachzuweisenden Kenntnisse und Erfahrungen in hohem Maße formalisiert (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 29/96, NJW 1997, 1307, 1308; vom 29. September 1997 - AnwZ (B) 33/97, NJW-RR 1998, 635, 636). Für den Erwerb besonderer theoretischer Kenntnisse sollte eine erfolgreiche Lehrgangsteilnahme und für den Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen eine näher bestimmte Anzahl selbständiger Fallbearbeitungen in der Regel erforderlich, aber auch ausreichend sein. Dieses Modell ist von der Fachanwaltsordnung übernommen worden. Auch die den §§ 8, 9 RAFachBezG nachempfundenen Regelungen der §§ 4, 5 FAO begnügen sich mit einem formalisierten Nachweis der für die Erlangung einer Fachanwaltsqualifikation erforderlichen theoretischen Kenntnisse 23 und praktischen Erfahrungen (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 23. September 2002 - AnwZ (B) 40/01, aaO; vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 85/09, aaO Rn. 10). Dabei sollten die besonderen praktischen Erfahrungen nach der bis zum Jahr 2002 geltenden Fassung des § 5 FAO - ebenso wie bei der Vorläuferregelung des § 9 Abs. 1 RAFachBezG - "in der Regel" nachgewiesen sein, wenn der Bewerber die vorgegebene Anzahl von Fällen selbständig bearbeitet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130, 3131). Mit Beschluss vom 25./26. April 2002 strich die 2. Satzungsversammlung die bis dahin in § 5 Satz 1 FAO enthaltene Formulierung "in der Regel" und erhob damit die Fallzahlen sogar vom Regel-Erfordernis zu einer zwingenden Anforderung (vgl. Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, 3. Aufl., § 5 FAO Rn. 3; Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2010, § 5 FAO Rn. 3).
Die darin zum Ausdruck kommende schematische Betrachtungsweise entspricht der sowohl vom Gesetzgeber als auch vom Satzungsgeber verfolgten Zielsetzung, die Schwelle für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung (§ 43c BRAO) nicht sehr hoch anzusetzen (vgl. BT-Drucks. 12/1710, S. 8; Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 29/96, aaO; vom 29. September 1997 - AnwZ (B) 33/97, aaO [jeweils zum RAFachBezG]; vgl. Henssler/Prütting/Stobbe, aaO, § 1 FAO Rn. 8). Es sollte vermieden werden, dass die Voraussetzungen für den Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung zu einer Hürde werden, die insbesondere jüngere Einzelanwälte und Rechtsanwälte in strukturschwachen Gebieten nur schwer überwinden können (Henssler/ Prütting/Stobbe, aaO).
(2) Der Satzungsgeber verfolgte aber in Fortführung der Intention des Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen ein weiteres gleichwertiges Ziel: Die Voraussetzungen für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung sollten so 26 gestaltet werden, dass eine herausragende Qualifikation der Fachanwaltschaft sichergestellt ist, die sich deutlich von der in einer Allgemeinpraxis üblichen Anwaltstätigkeit abhebt (§ 2 Abs. 2 FAO; § 2 Abs. 1 RAFachBezG; vgl. Henssler/Prütting/Stobbe, aaO). Durch eine allein an Fallzahlen und nicht zugleich an der Eigenart der jeweils bearbeiteten Mandate orientierte Betrachtungsweise kann dieses Ziel nicht erreicht werden (vgl. Feuerich/Weyland/ Vossebürger, BRAO, 8. Aufl., § 5 FAO Rn. 21). Daher ist es geboten, die schematische Ermittlung der erforderlichen praktischen Erfahrungen des Bewerbers durch eine einzelfallbezogene Bewertung der eingereichten Fälle zu ergänzen. Nur so kann sichergestellt werden, dass einerseits - bei unterdurchschnittlichem Gehalt der eingereichten Fälle - das vom Satzungsgeber im Interesse der Rechtsuchenden angestrebte hohe Fachanwaltsniveau erreicht und dass andererseits - bei geringeren Fallzahlen, aber überdurchschnittlichem Gewicht eingereichter Fälle - dem Interesse des Bewerbers (vgl. Art. 12 Abs. 1 GG) Rechnung getragen wird, den Fachanwaltstitel zu erlangen, ohne übermäßig hohe Hürden überwinden zu müssen.
Diese Aufgabe kam zunächst § 9 Abs. 1 Satz 2 RAFachBezG zu (vgl. Senatsbeschluss vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 29/96, aaO), der vorsah, dass die Bedeutung einzelner Fälle (Beratung, außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit) zu einer anderen Gewichtung führen konnte. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die aufgeführten Fallzahlen nicht absolut galten, sondern die Bedeutung der einzelnen Fälle sowie der Zeitraum in dem diese bearbeitet wurden, zu berücksichtigen war (BT-Drucks. 12/1710, S. 8). Nach den dabei vom Gesetzgeber angestellten Erwägungen konnte "etwa die Vertretung in einem umfangreichen, rechtlich schwierigen Verfahren mit dem Gewicht mehrerer Fälle zu Buche schlagen" (BT-Drucks. 12/1710, aaO); umgekehrt konnte "etwa einer Vielzahl gleichgelagerter, einfacher Verfahren nur ein geringeres Gewicht beizumessen sein" (BT-Drucks. 12/1710, aaO). Der 28 Satzungsgeber hat die in § 9 Abs. 1 Satz 2 RAFachBezG vorgesehene Korrektur der schematischen Fallbewertung durch eine auf den Einzelfall bezogene Gewichtungsregelung in § 5 FAO übernommen, und zwar zunächst mit folgendem Wortlaut: "Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle können zu einer anderen Gewichtung führen". Später ist diese Formulierung durch die im Streitfall maßgebliche Fassung "(...) können zu einer höheren oder niedrigeren Gewichtung führen" ersetzt worden.
bb) Aus den dargestellten Zielsetzungen, dem Regelungskonzept und der Entstehungsgeschichte des § 5 FAO, der seinerseits der Umsetzung des § 43c BRAO dient, ergeben sich grundlegende Folgerungen für die Gewichtung der eingereichten Fälle. Bei deren Beachtung ist es - anders als der Anwaltsgerichtshof und der Kläger meinen - ohne weiteres möglich, der Bestimmung des § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) einen hinreichend konkreten Regelungsgehalt zu entnehmen und eine verlässliche, berechenbare und gleichförmige Anwendung dieser Norm sicherzustellen.
(1) Zunächst ist klarzustellen, dass die Gewichtungsregelung des § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht als Ausnahmebestimmung ausgestaltet ist. Soweit dort von einer Gewichtung "einzelner Fälle" die Rede ist, besagt dies nicht, dass nur bei bestimmten Fällen und nicht bei jedem eingereichten Fall zu prüfen ist, ob eine Minder- oder Höhergewichtung angezeigt ist. Vielmehr wird damit allein der Bezugspunkt für die Fallgewichtung beschrieben. Die jeweilige Gewichtung darf sich nicht an abstrakten Falleigenschaften ausrichten, sondern muss konkret am einzelnen Fall ansetzen. Der Senat hat dementsprechend schon mehrfach entschieden, dass die Vorschrift des § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) keine Handhabe bietet, eine bestimmte anwaltliche Tätigkeit losgelöst vom einzelnen Fall höher oder niedriger zu gewichten (Senatsbeschlüsse vom 8. November 2004 - AnwZ (B) 29 84/03, NJW 2005, 214, 215; vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 36/05, aaO Rn. 28; vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 85/09, aaO Rn. 5).
Der Kläger, der dies anders sieht, verkennt den Regelungsgehalt des § 5 FAO. Für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung genügt der Nachweis der Bearbeitung der in § 5 FAO bestimmten Anzahl von Fällen aus dem betreffenden Fachgebiet allein nicht. Da sich diese Fallzahlen - wie gerade die Wertung des § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) zeigt - auf Mandate von durchschnittlichem Zuschnitt beziehen, muss der Bewerber vielmehr zusätzlich, etwa durch einen hinreichend aussagekräftigen Fallbeschrieb, belegen, dass den bearbeiteten Fällen insgesamt betrachtet mindestens das gleiche Gesamtgewicht wie der vorgegebenen Anzahl durchschnittlicher Mandate zukommt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 29/96, aaO; vom 29. September 1997 - AnwZ (B) 33/97, aaO). An die Prüfung, wie viele Fälle aus dem betreffenden Fachgebiet der Anwalt vorgelegt hat, schließt sich daher zwingend die nach § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) gebotene einzelfallbezogene Bewertung der jeweiligen Fälle an (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, aaO; vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, aaO Rn. 19 f.; Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO, 8. Aufl., § 5 FAO Rn. 23). Nur so lässt sich das in § 5 FAO vorausgesetzte Gesamtgewicht der bearbeiteten Fälle ordnungsgemäß ermitteln. Ein anderes Verständnis des Regelungsgehalts des § 5 FAO würde den oben beschriebenen Zielsetzungen des Satzungsgebers zuwiderlaufen.
(2) Weiter lassen sich dem Regelungszweck des § 5 FAO, seiner Konzeption und seiner Entstehungsgeschichte - anders als der Anwaltsgerichtshof und ihm folgend der Kläger meinen - grundlegende Maßstäbe für die Art und Weise der im Rahmen der Einzelfallprüfung vorzunehmenden Gewichtung und 31 damit für eine Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe "Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit" entnehmen.
(a) § 5 Satz 1 FAO a.F. (§ 5 Abs. 1 FAO) geht von dem Grundsatz aus, dass der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen mit dem formalisierten Nachweis der vorgegebenen Fallzahlen aus den betreffenden Bereichen des jeweiligen Fachgebiets belegt ist. Die Regelung geht dabei von Fällen aus, die gemessen an ihrer Bedeutung, ihrem Umfang und ihrem Schwierigkeitsgrad von durchschnittlichem Gewicht sind (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 85/09, aaO [zu § 5 FAO]; vgl. ferner Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 29/96, aaO; vom 29. September 1997 - AnwZ (B) 33/97, aaO [jeweils zu § 9 RAFachBezG]).
(aa) Der "durchschnittliche Fall" ist dabei naturgemäß keine punktgenaue Größe, sondern umfasst eine gewisse Bandbreite. Dies belegt schon die Regelung des § 5 FAO selbst, indem sie die Bearbeitung verschiedener Arten von (durchschnittlichen) Fällen einbezieht, so etwa im - vorliegend zu beurteilenden - Erbrecht 20 rechtsförmliche Verfahren (davon höchstens zehn aus dem Gebiet der Freiwilligen Gerichtsbarkeit) und 60 nicht rechtsförmliche Fälle. Dementsprechend reicht das Spektrum durchschnittlicher Fälle von Mandaten, die sich an der Grenze zur Überdurchschnittlichkeit bewegen, bis hin zu Fällen, die an der Schnittstelle zur Unterdurchschnittlichkeit anzusiedeln sind. Zu der erstgenannten Fallgestaltung zählen etwa die Verfahren, die in eine höhere Instanz gelangen; hier liegt entweder ein noch durchschnittlicher oder ein schon überdurchschnittlicher Fall vor (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 85/09, aaO Rn. 5 ff.). In die letztgenannte Kategorie sind etwa Fälle einzuordnen, bei denen sich eine Rechtsfrage stellt, die bereits wiederholt in anderen Fällen aufgeworfen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 6. März 2006 33
- AnwZ (B) 36/05, aaO Rn. 26 ff. einerseits und Senatsbeschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, aaO Rn. 21 andererseits).
Die beschriebene Spannbreite durchschnittlicher Fälle hat zur Folge, dass für eine Höher- oder Mindergewichtung der vom Bewerber vorgelegten Mandate tragfähige Anhaltspunkte vorliegen müssen, die eine zuverlässige Beurteilung dahin zulassen, dass sich der zu beurteilende Fall in seinem Gewicht in der einen oder anderen Richtung vom Durchschnitt abhebt. Lässt sich trotz aussagekräftiger Fallbeschreibung (und gegebenenfalls eingeholter Arbeitsproben) nicht abschließend beurteilen, ob sich die bearbeitete Rechtssache vom Durchschnittsfall unterscheidet, ist sie als durchschnittliche Angelegenheit einzuordnen und mit dem Faktor 1 zu bewerten. Diese Beurteilung hat sich nicht an den Erwartungen eines erfahrenen Fachanwalts, sondern daran auszurichten, was bei einer Allgemeinpraxis als durchschnittlicher Fall aus dem betreffenden Fachgebiet zu gelten hat (vgl. § 2 Abs. 2 FAO; vgl. Senatsbeschluss vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 29/96, aaO).
(bb) Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Maße sich ein Fall vom Durchschnitt abhebt, ist eine (nachvollziehbare) Gesamtbewertung anhand aller drei in § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) genannter Kriterien vorzunehmen. Dabei kann der objektiven Bedeutung der Sache allerdings auch Indizwirkung für den Umfang und die Schwierigkeit des Falles zukommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89, juris Rn. 38 zur Streitwertregelung des § 48 Abs. 2 WEG a.F.). Zur Anwendung der in § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) aufgeführten Kriterien hat die Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik entwickelt (vgl. zur Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe durch eine gefestigte Rechtsprechung BVerfGE 86, 288, 311; 117, 71, 112). Im Hinblick auf die fehlerhafte Begründung des angefochtenen Versa-35 gungsbescheids sind hierbei folgende vom Senat aufgestellten Leitlinien hervorzuheben:
Da alle drei in § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) genannten Gesichtspunkte für die Fallgewichtung eine Rolle spielen, kann eine Mindergewichtung nicht allein darauf gestützt werden, dass die sich aus dem Fachgebiet stellende Rechtsfrage eher einfach gelagert ist. Der Senat hat dementsprechend eine Herabstufung des Fallgewichts in einer Erbrechtssache nicht schon deswegen vorgenommen, weil sich die erbrechtliche Problematik auf die Erhebung der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB beschränkte (Senatsbeschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, aaO Rn. 19 ff.).
Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich dann, wenn sich dem Bewerber in unterschiedlichen Fällen dieselben fachrechtlichen Fragen gestellt haben, eine Mindergewichtung der Wiederholungsfälle (nicht des ersten Falles) zwar in Betracht kommt (Senatsbeschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, aaO Rn. 18, 21), aber nicht zwingend ist. Es kann nämlich nicht allgemein davon ausgegangen werden, dass in solchen Wiederholungsfällen weniger praktische Erfahrungen erlangt werden. Vielmehr besteht eine Wechselwirkung zwischen der praktischen Erfahrung und der Wiederholbarkeit der Fälle; je mehr praktische Erfahrung der Bewerber hat, umso wahrscheinlicher ist es, dass er wiederholt dieselben Rechtsfragen zu beurteilen hat (Senatsbeschluss vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 36/05, aaO Rn. 28). Eine - auch erhebliche - Mindergewichtung ist aber dann gerechtfertigt und geboten, wenn Wiederholungsfälle eng miteinander verknüpft sind, etwa weil ihnen im Wesentlichen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt oder weil sie Teil eines Verfahrensverbundes sind (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, aaO Rn. 21, 30 f.). 37 Zu beachten ist schließlich auch der schon erwähnte Umstand, dass Bezugspunkte für die Gewichtung nicht der Umfang und die Schwierigkeiten der im maßgeblichen Beurteilungszeitraum entfalteten anwaltlichen Tätigkeit ist, sondern die Bedeutung, der Umfang und die Schwierigkeit des jeweiligen Falles insgesamt (Senatsbeschluss vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 36/05, aaO Rn. 17).
(cc) Dass der "durchschnittliche Fall" eine gewisse Bandbreite auf der Fallskala einnimmt, bedeutet aber nicht, dass der Rechtsanwaltskammer - wie etwa bei Prüfungsentscheidungen - ein Beurteilungsspielraum dahin eingeräumt wird, welches Gewicht sie dem jeweiligen Fall zumisst. Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung (§ 43c Abs. 1 BRAO) ist in vollem Umfang rechtlich gebunden und unterliegt daher auch hinsichtlich der ihr vorausgehenden Würdigung und Verfahrensweise des Fachausschusses (§ 43c Abs. 2 BRAO) in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich uneingeschränkt der richterlichen Nachprüfung (Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 29/96, aaO [zum RAFach-BezG]; vom 23. September 2002 - AnwZ (B) 40/01, aaO [zur FAO]). Die vom Fachausschuss vorzunehmende Tatsachenaufklärung sowie die ihm bei der Beurteilung der praktischen Erfahrungen des Bewerbers obliegende rechtliche Wertung betreffen keine Fragen, die sich ihrer Natur nach einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle entziehen (Senatsbeschluss vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 29/96, aaO [zum RAFachBezG]; vgl. auch Senatsbeschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (B) 40/01, aaO [zur FAO]). Daher haben die Gerichte regelmäßig eigenständig zu prüfen, ob die der angefochtenen Entscheidung der Rechtsanwaltskammer zugrunde liegenden Fallbewertungen zutreffend sind. Dem Fachausschuss kommt damit bei der Gewichtung der Fälle kein der richterlichen Nachprüfung entzogener Beurteilungsspielraum zu (Feuerich/ Weyland/Vossebürger, aaO Rn. 21; a.A. wohl AGH Thüringen, BRAK-Mitt. 39 2005, 134, 135). Der Bewerber ist also davor geschützt, dass auch eine beliebige Bewertung der Fälle vor Gericht Bestand hat.
(b) Bei Beachtung dieser Grundsätze wird ein sachgerechter Ausgleich zwischen dem Bestreben des Satzungsgebers, keine allzu hohen Anforderungen an den Erwerb der Fachanwaltsqualifikation zu stellen, und dessen weiterer Zielsetzung geschaffen, die Qualität der Fachanwaltschaft im Interesse des Rechtsverkehrs auf einem überdurchschnittlichen Niveau zu halten. Zugleich wird für den Bewerber die notwendige Rechtsklarheit gewährleistet, denn für ihn ist bei Anlegung der beschriebenen Bewertungsmaßstäbe - entgegen der Befürchtung des Anwaltsgerichtshofs - ausreichend vorhersehbar, ob die von ihm im vorgegebenen Zeitraum bearbeiteten Fälle genügen, um seine besonderen praktischen Erfahrungen im Sinne des § 5 FAO nachzuweisen.
(aa) Zum einen kann er sich darauf einstellen, dass er für eine höhere Gewichtung aussagekräftige Angaben zu dem sich vom Durchschnitt abhebenden Umfang und/oder der Komplexität beziehungsweise der Bedeutung der Angelegenheit zu liefern hat. Zum anderen muss er damit rechnen, dass eine Rechtssache, die nach der Fallbeschreibung bei objektiver Betrachtung hinter den Anforderungen eines durchschnittlichen Falls zurückbleibt, mindergewichtet wird. Bei einer solchen Konstellation stellt zudem die Verfahrensregelung des § 24 Abs. 4 FAO - wie die Beklagte mit Recht geltend macht - sicher, dass der Bewerber von einer beabsichtigten Mindergewichtung nicht überrascht wird, sondern Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme und zur Nachmeldung von weiteren Fällen erhält.
(bb) Anders als der Anwaltsgerichtshof meint, war der Satzungsgeber nicht gehalten, aus Gründen der Rechtsklarheit etwa in Anlehnung an anwaltliche Rahmengebühren (§ 14 Abs. 1 RVG i.V.m. dem Vergütungsverzeichnis) 41 eine Unter- und Obergrenze für die Gewichtung einzuführen (für eine Orientierung an der Spannbreite anwaltlicher Rahmengebühren dagegen Klose, BRAK-Mitt. 2008, 150, 151). Während bei den Anwaltsgebühren eine Deckelung vor dem Hintergrund des Justizgewährungsanspruchs einerseits und der anwaltlichen Berufsfreiheit andererseits geboten ist, hätte eine Beschränkung der Fallgewichtung nach § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) verfassungsrechtlich bedenkliche Auswirkungen.
Im anwaltlichen Gebührenrecht dient eine Begrenzung der Rahmengebühren nach oben dazu, sicherzustellen, dass den Rechtsuchenden der Zugang zur Rechtspflege nicht in wirtschaftlicher Hinsicht unzumutbar erschwert wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89, juris Rn. 33, 37 [zu der Streitwertregelung des § 48 Abs. 2 WEG a.F.]; vgl. ferner BVerfGE 50, 217, 231). Die Untergrenze der Rahmengebühren soll dagegen im Interesse der Berufsfreiheit der Rechtsanwälte gewährleisten, dass sie aus ihrem Gebührenaufkommen nach einer Mischkalkulation sowohl ihren Kostenaufwand als auch ihren Lebensunterhalt bestreiten können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89, aaO Rn. 37).
Bei der Gewichtungsregelung des § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) würde eine Eingrenzung der Reichweite der Gewichtung dagegen zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung bestimmter Gruppen von Anwälten führen und zugleich die Zielsetzungen der Fachanwaltsordnung in Frage stellen. So würden Rechtsanwälte, die sich mit besonders umfangreichen und/oder komplexen Verfahren befasst, aber nicht die von § 5 FAO vorgegebenen Fallzahlen erreicht hätten, durch eine Begrenzung der Gewichtung nach oben benachteiligt, wenn die von ihnen bearbeiteten aufwändigen und schwierigen Verfahren an sich höher als die gesetzte Obergrenze zu gewichten wären. Ihnen würde der Fachanwaltstitel versagt, obwohl sie über das von § 2 Abs. 2 FAO geforder-44 te überdurchschnittliche Erfahrungswissen verfügen. Die Einführung einer Obergrenze für die Gewichtung würde damit zu einer Beschneidung der anwaltlichen Berufsfreiheit führen. Umgekehrt würden solche Bewerber, die zwar das vorgegebene Quorum erfüllen, jedoch nur Fälle leichtesten Gewichts vorweisen, ungerechtfertigt bevorzugt, wenn für die Mindergewichtung solcher Mandate eine - ihren wahren Gehalt nicht ausschöpfende - Untergrenze vorgesehen wäre. Eine solche Handhabung würde dem Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs widersprechen, denn der Fachanwaltstitel müsste dann auch solchen Bewerbern zugesprochen werden, die an sich nicht über die hierfür notwendige Qualifikation verfügen.
(3) Schließlich stellt § 5 Satz 3 FAO a.F. (§ 5 Abs. 4 FAO) es - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht in das Ermessen der Rechtsanwaltskammer, ob sie von der Gewichtungsregelung Gebrauch macht, also eine angezeigte Minder- oder Höhergewichtung tatsächlich vornimmt. Die sinngemäß von § 9 Abs. 1 Satz 2 RAFachBezG übernommene Formulierung "können" ist allein dem Umstand geschuldet, dass vor Abschluss der jeweiligen Einzelfallprüfung noch nicht feststeht, ob dem konkreten Fall ein vom Faktor 1 abweichendes Gewicht zuzumessen ist. Bereits die in den Gesetzesmaterialien enthaltenen Erläuterungen zu § 9 RAFachBezG haben die Höher- oder Mindergewichtung als zwingend aufgefasst ("ist [...] mit zu berücksichtigen und kann zu einer Mehr- oder Minderanforderung von Fällen führen" [BT-Drucks. 12/1710, aaO]). Der Satzungsgeber hat diese Regelung nachgezeichnet und in den Wortlaut des § 5 FAO auch die in den Materialien zu § 9 RAFachBezG angestellten Erwägungen zur Art und Weise der Gewichtung (Schwierigkeit, Umfang, zeitlicher Rahmen; vgl. BT-Drucks. 12/1710, aaO) aufgenommen. Es entspricht daher gefestigter Senatsrechtsprechung, dass die Rechtsanwaltskammer die Bedeutung, den Umfang und die Schwierigkeit der eingereichten Fälle zu gewichten und zu berücksichtigen hat, was bei den Bewerbern dazu führen 46 kann, dass wegen besonders umfangreicher und schwieriger Mandate schon eine geringere Anzahl genügt und bei vielen gleichgelagerten, einfachen Verfahren die vorgegebene Fallzahl überschritten sein muss (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, aaO [zu § 5 FAO]; vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 29/96, aaO [zu § 9 RAFachBezG]; vgl. auch Feuerich/ Weyland/Vossebürger, aaO Rn. 18).
3. Bei Beachtung der oben beschriebenen Grundsätze sind von den 93 als erbrechtliche Fälle anzuerkennenden Mandaten des Klägers 91 Fälle jeweils zumindest mit dem Faktor 1 zu bewerten. Nur das in der Teilliste "FGG-Fälle" mit Nr. 4 bezeichnete Verfahren, das als nicht rechtsförmlicher Fall anzuerkennen ist, und der in der Teilliste "ZPO-Fälle" mit Nr. 18 bezeichnete Fall weisen ein vom Durchschnitt abweichendes Gewicht auf. Da somit die erforderlichen Fallzahlen nachgewiesen sind, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob - wie der Kläger geltend macht - manche Fälle mit einem höheren Gewicht als 1 zu bewerten wären.
a) Die Beklagte hat sich bei ihrer Gewichtung am höheren Erwartungshorizont eines praktizierenden Fachanwalts und nicht daran orientiert, was bei einer Allgemeinpraxis als durchschnittlicher Erbrechtsfall zu gelten hat. Sie hat demzufolge in allen Fällen, in denen sie eine Mindergewichtung vorgenommen hat, einen viel zu strengen Maßstab bei der - den Ausgangspunkt der Gewichtung bildenden - Beurteilung der Anforderungen an einen durchschnittlichen Erbrechtsfall angelegt. Der fehlerhafte Ansatz der Beklagten wird besonders deutlich in den Fällen, in denen sie selbst schwierigere Erbrechtsfälle (vgl. etwa Fälle Nr. 27, 37, 39, 41 der Teilliste "Beratungen") oder sich von einfachen Fallgestaltungen deutlich abhebende Fälle (vgl. etwa Fälle Nr. 7, 16, 21, 23, 38 der Teilliste "Beratungen") mit einem niedrigeren Gewicht als 1,0 angesetzt hat, sowie in den Fällen, in denen sie das Vorliegen eines durchschnittlichen Falls 47 mit der Begründung verneint hat, der Kläger habe keine Besonderheiten hinsichtlich Schwierigkeit, Umfang oder Bedeutung der Angelegenheit vorgetragen (vgl. etwa Fälle Nr. 3, 4, 33 der Teilliste "Beratungen"). Wenn keine besonderen Abweichungen festzustellen sind, handelt es sich naturgemäß um einen durchschnittlichen und nicht - wie die Beklagte angenommen hat - um einen unterdurchschnittlichen Fall.
Weiter geht die Beklagte in ihrer Auffassung fehl, dass eine Mindergewichtung (vgl. etwa die von ihr mindergewichteten Fälle Nr. 1, 2, 6, 8 bis 11, 13, 15, 19, 25, 28, 34, 37, 40, 44, 45 aus der Teilliste "Beratungen") stets vorzunehmen sei, wenn eine einfach gelagerte und damit ohne großen zeitlichen Aufwand zu beantwortende Rechtsfrage zu beurteilen gewesen sei (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, aaO Rn. 19 ff.). Weiter hat sie außer Acht gelassen, dass es nicht gerechtfertigt ist, einem Beratungsfall generell mit einem geringeren Gewicht anzusetzen als einen rechtsförmlichen Fall (vgl. etwa Fälle Nr. 34 und Nr. 36 der Teilliste "Beratungen").
Schließlich hat sie übersehen, dass nach der Senatsrechtsprechung für die Gewichtung nicht der Umfang und die Schwierigkeit der im Referenzzeitraum entfalteten anwaltlichen Tätigkeit, sondern des Falls insgesamt maßgebend ist (vgl. Fall 1 der Teilliste "ZPO-Fälle").
b) Daher sind mit Ausnahme des (nicht rechtsförmlichen) Falles Nr. 4 aus der Teilliste "FGG-Fälle" und des Falles Nr. 18 aus der Teilliste "ZPO-Fälle" alle berücksichtigungsfähigen Fälle mit einem Gewicht von 1 zu bewerten. Das letztgenannte Verfahren, das über zwei Instanzen hinweg betrieben wurde, wobei auch im Berufungsverfahren substantielle erbrechtliche Fragen zu erörtern waren, ist in Übereinstimmung mit der Beklagten mit dem Faktor 1,5 zu bemessen. Das erstgenannte, von der Beklagten mit 0,2 bewertete Verfahren ist mit 49 einem Gewicht von 0,5 anzusetzen. Der Kläger hat dargelegt, dass sich das ihm erteilte Mandat nicht auf die Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines notariellen Testaments beschränkt, sondern sich auch auf die Beratung über die rechtlichen Möglichkeiten bei einem Untätigbleiben des Nachlassgerichts erstreckt hat. Dass es sich hierbei um eine einfache Fragestellung handelte, rechtfertigt nicht die von der Beklagten vorgenommene Herabstufung auf den Faktor 0,2. Die Beklagte hat hierbei verkannt, dass sich die vom Senat im Beschluss vom 20. April 2009 (AnwZ (B) 48/08, aaO) gebilligte Mindergewichtung auf 0,2 auf besonders gelagerte Fallgestaltungen (eng miteinander verknüpfte Wiederholungsfälle) bezogen hat.
Damit hat der Kläger die Bearbeitung von 93 Erbrechtsfällen, darunter 31 rechtsförmliche Verfahren, hiervon 2,5 aus dem Gebiet der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, nachgewiesen.
4. Wie der Anwaltsgerichtshofs zutreffend ausgeführt hat, sind auch die übrigen Voraussetzungen des § 5 Satz 1 Buchst. m FAO a.F. (heute § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO) erfüllt. Danach müssen sich die im Referenzzeitraum bearbeiteten Fälle auf alle in § 14f Nr. 1 bis 5 FAO a.F. genannten Bereiche erstrecken, wobei jeweils mindestens fünf Fälle auf drei der in § 14f Nr. 1 bis 5 FAO a.F. aufgeführten Tätigkeitsfelder entfallen müssen. Jeweils weit mehr als fünf Fälle entfallen auf die Bereiche materielles Erbrecht (§ 14f Nr. 1 FAO a.F.), vorweggenommene Erbfolge, Vertrags- und Testamentsgestaltung (§ 14f Nr. 3 FAO a.F.) und Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung, Nachlasspflegschaft, Nachlassinsolvenz (§ 14f Nr. 4 FAO a.F.). Steuerrechtliche Bezüge (§ 14f Nr. 5 FAO a.F.) weisen die Fälle Nr. 12, 41, 47, 49 der Teilliste "Beratung" auf. Das Internationale Privatrecht im Erbrecht (§ 14f Nr. 2 FAO a.F.) wird in dem Fall Nr. 9 der Teilliste "außergerichtliche Vertretung" und in den Fällen Nr. 32 und 39 der Teilliste "Beratung" berührt. 52 II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG.
Kayser König Fetzer Frey Martini Vorinstanz:
AGH Celle, Entscheidung vom 29.08.2011 - AGH 12/10 (II 10) - 54
BGH:
Urteil v. 08.04.2013
Az: AnwZ (Brfg) 54/11
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/33524cd5a538/BGH_Urteil_vom_8-April-2013_Az_AnwZ-Brfg-54-11