Bundespatentgericht:
Urteil vom 19. Dezember 2001
Aktenzeichen: 4 Ni 59/00
(BPatG: Urteil v. 19.12.2001, Az.: 4 Ni 59/00)
Tenor
1. Das europäische Patent 0 124 524 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1, 5, 7, 10 und 11 für nichtig erklärt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 35.000,- vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 1. November 1982 angemeldeten, ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 124 524 (Streitpatent), das ein Interferometer mit Kompensation des Kerr-Effektes betrifft und 11 Patentansprüche umfaßt. Patentanspruch 1 hat in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:
Faseroptisches Interferometer mit vermindertem, durch Kerr-Effekt induziertem Rotationsratenfehler, umfassend:
Eine Multimodus-Lichtquelle (10), die ein totales Lichtsignal emittiert, wobei das totale Lichtsignal die Summe der Signale für jeden Modus ist und eine Vielzahl von Frequenzen aufweist;
eine Schleife (14) aus faseroptischem Material; undeinen Koppler (34) zum Koppeln von Licht von der Quelle zu der Schleife (14), um erste und zweite Lichtwellen in der Schleife zur Fortpflanzung in entgegengesetzten Richtungen um die Schleife herum zu liefern, dadurch gekennzeichnet, dass die Feldamplitude des totalen Signals des von der Multimodus-Lichtquelle emittierten Lichts derart ist, dass die Differenz zwischen dem Mittelwert des Quadrats der Intensität des totalen Signals und dem Zweifachen des Quadrats des Mittelwerts der Intensität des totalen Signals so ausreichend klein ist, dass der auf dem Kerr-Effekt beruhende Rotationsratenfehler beträchtlich auf einen Wert von weniger oder gleich 0,1 Grad pro Stunde vermindert wird, wodurch die Unterschiede in den durchschnittlichen Fortpflanzungskonstanten für die Wellen vermindert sind.
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Unteransprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Mit den Behauptungen, der Gegenstand des Streitpatents sei in den Ansprüchen 1 und 11 unzulässig erweitert und die Lehre des Streitpatents sei nicht neu bzw beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig zu erklären. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Druckschriften:
- Sensitive fiberoptic gyroscopes, in PHYSICS TODAY, Vol. 34, No. 10, S. 20-22, 1981 (NK 2)
- Bergh et al., Compensation of the optical Kerr effect in fiberoptic gyroscopes, Optics Letters Vol. 7, No. 6, S. 282-284, Juni 1982 (NK 3)
- Ezekiel et al., Observation of intensityinduced nonreciprocity in a fiberoptic gyroscope, Optics Letters Vol. 7, No. 9, S. 457-459, September 1982 (NK 4)
- Bergh et al., Allsinglemode fiberoptic gyroscope with longterm stabilitiy, Optics Letters Vol. 6, No. 10, S. 502-504, Oktober 1981 (NK 5)
- Lefevre et al., Allfiber gyroscope with inertialnavigation shortterm sensitivity, Optics Letters Vol. 7, No. 9, S. 454-456, 1982 (NK 6)
- McLandrich et al., Fiber Interferometer Gyroscope, SPIE, Vol. 157, Laser Inertial Rotation Sensors, 1978, S. 127-130 (NK 7)
- "Observations", Anhang zum Schriftsatz der Patentanwälte S... & R... an das Europäische Patentamt vom - 26. April 1988 (NK 8)
- Wang et al., Highpower lowdivergence superradiance diode, Appl. Phys. Lett. 41 (7), Oktober 1982, S. 587-589 (NK 9)
- Bergh et al., Source statistics and the Kerr effect in fiberoptic gyroscopes, Optics Letters Vol. 7, No. 11, S. 563-565, November 1982 (NK 10).
Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 124 524 (DE 32 80 113) im Umfang der Ansprüche 1, 5, 7, 10 und 11 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent für bestandsfähig.
Gründe
I Die zulässige Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung (Art II § 6 Abs 1 Nr 3 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit c EPÜ iVm Art 123 Abs 2 EPÜ) und der mangelnden Patentfähigkeit (Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ iVm Art 54 Abs 1, 2 und Art 56 EPÜ) geltend gemacht werden, ist in vollem Umfang begründet.
1. Das Streitpatent betrifft faseroptische Interferometer, insbesondere faseroptische Ringinterferometer zur Rotationsdetektion.
Nach der Patentbeschreibung sind Ringinterferometer besonders geeignet für die Rotationsdetektion. Die bisher in der Praxis erreichte Genauigkeit der Messergebnisse bei der Rotationsdetektion entspreche jedoch nicht den auf mathematischen Berechnungen beruhenden theoretischen Erwartungen. Für diese Diskrepanz gebe es mehrere Gründe, ua werde die Genauigkeit der Rotationsdetektion durch den Wechselstrom-Kerr-Effekt begrenzt. Dies sei ein Effekt, in dem sich der Brechungsindex einer Substanz ändere, wenn die Substanz in einem sich verändernden elektrischen Feld platziert werde. In optischen Fasern könnten die elektrischen Felder der Lichtwellen, die durch diese wandern mit dem Kerr-Effekt selbst den Brechungsindex der Faser ändern. Das Ausmaß der Veränderungen sei dem Quadrat des elektrischen Feldes bzw. der Lichtintensität proportional. Die Ausbreitungskonstante der Faser sei für jede der Wellen eine Funktion des Brechungsindex. Deshalb manifestiere sich der Kerr-Effekt als intensitätsabhängige Störung der Ausbreitungskonstanten. Solange derartige Störungen nicht bezüglich jeder der sich entgegenläufig ausbreitenden Wellen exakt gleich seien, werde der Wechselstrom-Kerr-Effekt bewirken, daß sich die Wellen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausbreiteten. Dies führe zu einer nicht durch Rotation induzierten Phasendifferenz zwischen den Wellen und erzeuge ein Nebensignal, das von dem durch Rotation induzierten Signal nicht zu unterscheiden sei. Dieses Kerreffektbedingte Neben-Signal sei eine Hauptquelle für Langzeitabweichungen in aktuellen faseroptischen Rotationsdetektionsinterferometern des Standes der Technik. Zur Kompensation dieser Nebensignale würden ua eine Rechteckwellenmodulation bzw Rechteck-Sinusmodulation vorgeschlagen; die dabei verwendete multimodale Lichtquelle werde jedoch als zur Verwendung in Gyroskopen ungeeignet angesehen, da das Kerr-Signal überkompensiert und das Problem durch die Modulation lediglich verschärft worden sei.
2. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, die durch den Kerr-Effekt induzierte Phasendifferenz in faseroptischen Interferometern zu reduzieren oder zu eliminieren, insbesondere in den Interferometern, die eine hohe Detektionsgenauigkeit verlangen, wie zum Beispiel in für Inertialnavigation ausgelegten Rotationssensoren.
3. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß ein faseroptisches Interferometer mit vermindertem durch Kerr-Effekt induziertem Rotationsratenfehler, umfassend 1.1. Eine Multimodus-Lichtquelle (10), 1.1.1. die ein totales Lichtsignal emittiert, wobei 1.1.2. das totale Lichtsignal die Summe der Signale für jeden Modus ist und 1.1.3. eine Vielzahl von Frequenzen aufweist;
1.2. eine Schleife (14) aus faseroptischem Material; und 1.3. einen Koppler (34) zum Koppeln von Licht von der Quelle zu der Schleife (14), 1.4. um erste und zweite Lichtwellen in der Schleife zur Fortpflanzung in entgegengesetzten Richtungen um die Schleife herum zu liefern, dadurch gekennzeichnet, dass 1.5. die Feldamplitude des totalen Signals des von der Multimodus-Lichtquelle emittierten Lichts derart ist, dass die Differenz zwischen dem Mittelwert des Quadrats der Intensität des totalen Signals und dem Zweifachen des Quadrats des Mittelwerts der Intensität des totalen Signals so ausreichend klein ist, dass der auf dem Kerr-Effekt beruhende Rotationsratenfehler beträchtlich auf einen Wert von weniger oder gleich 0,1 Grad pro Stunde vermindert wird, wodurch die Unterschiede in den durchschnittlichen Fortpflanzungskonstanten für die Wellen vermindert sind.
II Die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche sind nicht patentfähig.
1. Die Frage, ob die Ansprüche 1 und 11, wie die Klägerin meint, eine unzulässige Änderung aufweisen - der Senat neigt zu der Auffassung, daß dies nicht der Fall ist, weil das von der Klägerin als ursprünglich nicht offenbart angesehene Merkmal betreffend den Wert von weniger oder gleich 0,1¡ pro Std. aus den ursprünglichen Unterlagen gemäß WO 84/01822 Seite 42 Zeilen 21 bis 31 (entsprechend Patentschrift S 16 Z 5 bis 10) als zur Erfindung gehörend hervorgeht - sowie auch die strittige Frage, ob die Druckschrift NK 10 vorveröffentlicht ist, können dahinstehen. Die Gegenstände der angegriffenen Ansprüche sind schon aufgrund des übrigen zitierten Standes der Technik nicht patentfähig.
2. Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 mag zwar gegeben sein; er beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach NK 3 ergab.
Der hier zu berücksichtigende Fachmann ist ein Diplomphysiker mit mehrjähriger Entwicklererfahrung auf dem Gebiet der Ringinterferometer, insbesondere solcher mit faseroptischem Aufbau.
Aus NK 3 erschloß sich dem Fachmann folgendes.
Es geht dort - wie beim Anspruch 1 des Streitpatents - ebenfalls um ein faseroptisches Interferometer mit vermindertem durch Kerreffekt induziertem Rotationsratenfehler mit einer Lichtquelle, einer Schleife aus faseroptischem Material und einem Koppler zum Koppeln von Licht von der Quelle zu der Schleife, um erste und zweite Lichtwellen in der Schleife zur Fortpflanzung in entgegengesetzten Richtungen um die Schleife herum zu liefern (Anspruchsmerkmale 1.2. bis 1.4.), vergleiche dort die Überschrift auf Seite 282 sowie Figur 1.
Gemäß den dortigen Gleichungen (1a) und (1b), die die Störung der Fortpflanzungskonstante jeder der beiden gegenläufigen Lichtwellen aufgrund des Kerreffekts beschreiben, liegt die Ursache für den Kerreffekt - bedingten Rotationsratenfehler darin, daß der Kreuzeffekt (cross effect) sich um einen Faktor 2 stärker auf die Fortpflanzungskonstante der jeweiligen Lichtwelle auswirkt als der Eigeneffekt (self effect), so daß wegen der in der Praxis unvermeidbaren Ungleichheit der Intensitäten der beiden gegenläufigen Lichtwellen der Gesamteinfluß (Kreuz- und Eigeneffekt) bei der einen Welle verschieden ist von dem bei der anderen Welle (S 282 li Sp 2. Abs bis re Sp 1. Abs). Daraus ergibt sich eine Änderung der Interferenz und damit des Messergebnisses.
Mit der in NK 3 auf Seite 282 rechte Spalte 2. Absatz bis Seite 283 linke Spalte 1. Absatz in Verbindung mit Figur 2 beschriebenen Rechteck-Modulation wird der relative Einfluß des Kreuzeffekts verringert. Jede der beiden Wellen ist dabei dem Kreuzeffekt nur während der Hälfte der Zeit ausgesetzt, wodurch der erwähnte Faktor 2 im zeitlichen Mittel auf 1 reduziert wird. Die Intensitäten beider Wellen tragen dann in gleichem Maße zur Änderung der Fortpflanzungskonstante bei, so daß die Phase jeder der beiden Wellen in gleichem Maße beeinflußt wird und der Kerreffekt kompensiert ist.
Für den Fachmann war daraus ohne weiteres erkennbar, daß für eine vollständige Kompensation die Einhaltung eines Tastverhältnisses der Rechteck-Modulation von 50% wesentlich ist (NK 3 S 282 re Sp 2. Abs Z 9 bis 13) und daß bei Über- oder Unterschreitung dieses Wertes eine Unter- bzw Überkompensation des Kerreffekts zu erwarten ist, jeweils verbunden mit einer Dominanz des Kreuzeffekts über den Eigeneffekt bzw umgekehrt.
Ab Seite 283 linke Spalte 2. Absatz wird dann die Kompensationsbedingung für beliebige Modulations-Wellenformen untersucht und dabei für den Rotationsratenfehler Gleichung (8) erhalten.
Es werden dann zwei durch Gleichung (8) gegebene Möglichkeiten zur Geringhaltung des Rotationsratenfehlers erörtert. Zu der einen Möglichkeit, das Aufspaltungsverhältnis K des Kopplers möglichst genau auf einen Wert von 0,5 zu halten, wird dargelegt, daß - zur erwünschten Geringhaltung des Rotationsratenfehlers auf weniger als 10-3 Grad pro Std. - die dann einzuhaltende Toleranz von K äußerst gering ist und man sich - für eine besser realisierbare Toleranz - der Intensitätsmodulation zuwendet. Für den Fall einer Rechteck-Modulation wird dabei festgestellt, daß die linke Seite von Gleichung (9) verschwindet, was, wie für den Fachmann ohne weiteres ersichtlich ist, auch ein Verschwinden des Zählers des eckig umklammerten Bruches in Gleichung (8) bedeutet.
Schließlich wird auch darauf hingewiesen, daß in bestimmten Fällen zur Erzielung einer vollständigen Kompensation des Kerreffekts eine Anpassung des Modulations-Tastverhältnisses erforderlich sein kann (S 283 re Sp le Abs bis S 284 2. Abs).
Auf Seite 284 linke Spalte 3. Absatz wird von einem Versuch mit einem Multilongitudinalmoden-Diodenlaser geringer zeitlicher Kohärenz berichtet, mit dem der Kerreffekt überkompensiert wurde und eine Modulation das Problem noch schlimmer machte, was darauf zurückgeführt wird, daß der Diodenlaser mit weniger als 50% Tastverhältnis pulsierte und der Eigeneffekt gegenüber dem Kreuzeffekt dominierte.
Im Lichte der oben wiedergegebenen Erörterungen in NK 3 konnte der Fachmann dies nur so verstehen, daß in diesem Fall Pulsierungen, die der Lichtquelle inhärent waren, wie eine Modulation mit einem Tastverhältnis von weniger als 50% wirkten. Der Fachmann mußte somit nicht, wie die Beklagte meint, Lichtquellen der auf Seite 284 linke Spalte 3. Absatz angesprochenen Art grundsätzlich als unbrauchbar ansehen; vielmehr wiesen ihn diese Angaben darauf hin, daß derartige Lichtquellen aufgrund von Pulsierungen bereits für sich, dh ohne nachgeschalteten Modulator, eine kompensierende Wirkung hinsichtlich des Kerreffektes haben können und sich dabei im Einzelfall sogar eine Überkompensation ergeben kann.
Der dann in NK 3 folgende Absatz (S 284 li Sp 4. Abs) weist auf Nachteile des zunächst verwendeten HeNe-Lasers hin. Dabei ergab sich nämlich ein erhöhtes Rayleigh-Rauschen. Der Fachmann war also veranlaßt, andere Lichtquellen auf ihre Eignung hin zu untersuchen, wie sie dann auf Seite 284 rechte Spalte 2. Absatz vorgeschlagen werden. Er mußte nur sicher sei, daß diese Lichtquellen nicht selbst mit einem Tastverhältnis von weniger al 50% pulsieren.
Dabei zog er etwa die dort genannte Superlumineszenzdiode in Betracht, bei der es sich bekanntermaßen um eine Multimodus-Lichtquelle mit einer Vielzahl von Frequenzen handelt (Anspruchsmerkmale 1.1. bis 1.1.3.), vergleiche zB NK 9 Figur 2. Dies bot sich vor allem deshalb an, weil die Verwendung einer Superlumineszensdiode im Vergleich zum HeNe-Laser das Rayleigh-Rauschen wesentlich herabsetzt, vergleiche dazu NK 9 Seite 589 linke Spalte vorletzter Absatz.
Gleichermaßen konnte der Fachmann die dort außerdem vorgeschlagene Lichtquelle mit vielen Moden zufälliger Phase in Betracht ziehen.
Dabei hatte der Fachmann darauf zu achten, inwieweit eventuelle Pulsierungen der Quelle selbst bereits im Sinne einer Kompensierung des Kerreffekts wirken, und gegebenenfalls eine entsprechend angepaßte Modulation vorzusehen. Sein Ziel mußte es jedenfalls sein, den erwähnten eckig umklammerten Bruch in Gleichung (8), dh die dort im Zähler stehende Differenz, die der im Anspruch 1 Merkmal 1.5. aufgeführten Differenz entspricht, möglichst weitgehend zum Verschwinden zu bringen.
Damit war der Gegenstand des Anspruchs 1 im wesentlichen bereits erreicht. Eine Modulation der Lichtintensität wird ja, worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat, im Anspruch 1 nicht ausgeschlossen, vergleiche Anspruch 3 und Seite 16 Zeilen 21 bis 28 der Patentschrift. Die anspruchsgemäße Verminderung der Unterschiede in den durchschnittlichen Fortpflanzungskonstanten für die Wellen ergibt sich als bloße Folge der oben erörterten, dem Fachmann nahegelegten Maßnahmen.
Die allein noch verbleibende Angabe im Anspruch 1, wonach der Rotationsratenfehler auf weniger oder gleich 0,1¡ pro Std. vermindert wird, stellt lediglich ein Optimierungsziel dar, welches durch die oben erwähnte Angabe in NK 3, wonach ein Rotationsratenfehler von weniger als 10-3 Grad pro Std. erwünscht ist, erfüllt wird.
Diese Herleitung des Anspruchsgegenstandes aus dem Stand der Technik nach NK 3 wird durch den Hinweis der Beklagten auf Veröffentlichungen wie NK 4 und NK 6, die wenige Monate nach der Veröffentlichung der Druckschrift NK 3 und in Kenntnis derselben erschienen sind und jeweils von NK 3 abweichende Methoden zur Verminderung des durch den Kerreffekt bedingten Rotationsratenfehlers vorschlagen, sowie auf die zu derartigen Vorschlägen führende historische Entwicklung nicht in Frage gestellt. Die spätere Veröffentlichung der von NK 3 abweichenden Lösungsvorschläge bildete nämlich für den Fachmann keine gedankliche Hürde gegen ein Aufgreifen der NK 3 enthaltenen Lehre.
Auch können die späteren Veröffentlichungen nicht als Indiz für ein Verwerfen der Lehre nach NK 3 durch die Fachwelt gewertet werden. Vielmehr ist es bei technischen Entwicklungen häufig zu beobachten, daß zu einem aufgetauchten Problem mehrere verschiedene Lösungsvorschläge publiziert werden, ohne daß man allein aus der zeitlichen Reihenfolge und der Tatsache, daß die Verfasser die jeweiligen früheren Vorschläge kennen, auf die Qualität des jeweiligen Vorschlags schließen kann, zumal wenn, wie es hier der Fall war, die Veröffentlichungen in kurzen zeitlichen Abständen aufeinanderfolgen.
3. Die Gegenstände der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 5, 7 und 10 beruhen ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Auch sie ergaben sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach NK 3.
So konnte der Fachmann die Verwendung von im Einzelmodus arbeitendem faseroptischen Material gemäß Anspruch 5 sowie die Verwendung einer superluminiszierenden Diode als Lichtquelle gemäß Anspruch 7 aus NK 3 Seite 284 linke Spalte 3. Absatz in Verbindung mit den unter den dortigen Fußnoten 4 und 10 angeführten Aufsatztiteln bzw aus NK 3 Seite 284 rechte Spalte 2. Absatz entnehmen.
Daß im vorliegenden Zusammenhang Lichtquellen mit vielen Moden grundsätzlich in Betracht zu ziehen sind, geht aus NK 3 Seite 284 linke Spalte 3. Absatz 2. Satz und rechte Spalte 2. Absatz letzter Satz hervor, wobei in der erstgenannten Stelle von Longitudinalmoden, dh Axialmoden, und in der zweitgenannten Stelle von vielen Moden zufälliger Phase die Rede ist. Es gehörte auch zum Wissen des Fachmanns, daß Lichtquellen mit vielen Axialmoden für faseroptische Interferometer geeignet sind, vergleiche dazu NK 7 Seite 128 erster Absatz in Verbindung mit Figur 3, wonach sich bei der dortigen Lichtquelle 7 Axialmoden zwischen den beiden Halbleistungspunkten befinden.
Gemäß Anspruch 10 eine Lichtquelle mit wenigstens 50 axialen Moden in Betracht zu ziehen - gemäß Seite 15 Zeile 65 bis Seite 16 Zeile 1 der Patentschrift kann eine solche Lichtquelle 10 Moden zwischen den Halbleistungspunkten aufweisen -, lag dementsprechend im Rahmen üblichen fachmännischen Vorgehens.
4. Auch das Verfahren gemäß dem nebengeordneten Anspruch 11 ist gegenüber dem Stand der Technik nach NK 3 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
In seinem Kern umschreibt der Anspruch 11 - abgesehen von der anderen Patentkategorie - den gleichen technischen Sachverhalt wie Anspruch 1. Gegenüber dem, was sich gemäß der obigen Abhandlung des Anspruchs 1 für den Fachmann in naheliegender Weise aus NK 3 ergab, kommen in Anspruch 11 als zusätzliche Merkmale in Frage:
a) Das Licht der Lichtquelle mit einer Vielzahl von Frequenzen ist intensitätsmoduliert, b) in dem Licht ist der Mittelwert des Quadrats der Intensität im wesentlichen gleich dem zweifachen des Mittelwerts des Quadrats der Intensität, c) die gegenläufigen Wellen werden zur Erzeugung eines Interferenzmusters kombiniert, d) Intensitätsvariationen in dem Interferenzmusters werden detektiert.
Die Merkmale a) und b) sind von ihrem technischen Sinngehalt her bereits bei der Abhandlung des Anspruchs 1 aus NK 3 hergeleitet worden.
Für Merkmal a) gilt dies unabhängig davon, ob man den Begriff "intensitätsmoduliert" im Anspruch 11 im Sinne eines Pulsierens der Lichtquelle selbst oder im Sinne eines dieser nachgeschalteten Modulators auslegt. Die Notwendigkeit, einen Modulator nachzuschalten, ergab sich für den Fachmann für den Fall in naheliegender Weise aus NK 3, daß die Pulsierungen der Lichtquelle für eine vollständige Kompensation des Kerreffekts noch nicht ausreichen.
Merkmal b), in dem es richtigerweise "gleich dem zweifachen des Quadrats des Mittelwertes der Intensität" heißen muß, vergleiche dazu die englischsprachige Fassung des Anspruchs 11 sowie Gleichung (32) auf Seite 15 der Patentschrift, enthält die gleiche technische Aussage wie das bereits erörterte, eine "Differenz" betreffende Merkmal des Anspruchs 1, wie ohne weiteres ersichtlich ist.
Bei den Merkmalen c) und d) handelt es sich lediglich um die bei Interferometern üblicherweise vorgesehenen Maßnahmen zum Erhalt eines Meßsignals.
III Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.
Dr. Schwendy Obermayer Kalkoff Schuster Dr. Hartung Be
BPatG:
Urteil v. 19.12.2001
Az: 4 Ni 59/00
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