Oberlandesgericht Bremen:
Urteil vom 17. Februar 2000
Aktenzeichen: 2 U 139/99

(OLG Bremen: Urteil v. 17.02.2000, Az.: 2 U 139/99)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 07.10.1999 (12 O 315/99) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Verfügungsklägers (Klägers) hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil für den mit dem Antrag geltend gemachten, auf § 1 UWG i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG gestützten Unterlassungsanspruch kein Gerichtsstand im Landgerichtsbezirk Bremen gegeben ist.

Ein Gerichtsstand gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 UWG ist in Bremen nicht gegeben, da der Verfügungsbeklagte (Beklagte) nicht im hiesigen Landgerichtsbezirk geschäftsansässig ist.

Der Gerichtsstand des Begehungsorts (UWG-Verstoßes) gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 UWG ist ebenfalls nicht gegeben. Zwar ist der Kläger unabhängig von den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG schon gemäß § 1 UWG klagebefugt, weil er im Falle des Vorliegens des behaupteten Wettbewerbsverstoßes hierdurch unmittelbar verletzt ist. Zwischen ihm und dem Beklagten besteht das hierzu nach der Rechtsprechung erforderliche konkrete Wettbewerbsverhältnis, denn beide Parteien haben, soweit ihre Mandanten Existenzgründer sind, die für den Aufbau ihres Unternehmens öffentliche Fördermittel in Anspruch nehmen wollen, grundsätzlich denselben Kundenkreis und der Kläger kann durch eine vom Beklagten vorgenommene Fördermittelberatung, soweit sie (auch) die Beratung in Rechtsfragen umfasst, beim Absatz seiner Leistung behindert werden (vgl. Baumbach/Hefermehl, § 13 UWG Rn. 19). Wie er durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht hat, ist er bundesweit auf dem Gebiet der Subventionsberatung tätig und erzielt hieraus etwa 2/3 seiner beruflichen Einnahmen. Eine Behinderung des Klägers kann deshalb auch dann vorliegen, wenn der Beklagte, wie er geltend macht, seinerseits nur regional begrenzt tätig ist.

Die Klagebefugnis des unmittelbar Verletzten ist durch § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG nicht eingeschränkt worden (BGH WRP 1998, 973, 975; Baumbach/Hefermehl § 13 UWG Rn. 19 c m.w.N.). Sofern die Beklagten mit unerlaubter Rechtsberatung werben oder diese potenziell durchführen, ist der Kläger. der als Rechtsanwalt zur Rechtsberatung berechtigt ist, hierdurch in seinen Rechten unmittelbar verletzt, denn Art. 1 § 1 RBerG soll nicht nur eine reibungslose Abwicklung des Rechtsverkehrs mit Hilfe sachkundiger Berater gewährleisten, sondern auch die Anwaltschaft vor dem Wettbewerb mit Personen schützen, die weder standesrechtlichen, gebührenrechtlichen noch sonstigen im Interesse der Rechtspflege gesetzten Schranken unterliegen (Rennen/Caliebe, Art. 1 § 1 RBerG Rn. 9 m.N.; Altenhoff/Busch/Chemnitz, Art. 1 § 1 RBerG Rn. 216 m.N.). Der Kläger kann somit ohne weiteres am Gerichtsstand des Begehungsorts des Wettbewerbsverstoßes klagen.

Der Wettbewerbsverstoß ist ein Sonderfall der unerlaubten Handlung; wie bei dieser ist Begehungsort jeder Ort, an dem der Verletzer verbotswidrig gehandelt hat oder hätte handeln müssen, und der u.U. hiervon verschiedene Ort, an dem die Rechtsverletzung eingetreten ist (bei der vorbeugenden Unterlassungsklage: einzutreten droht). Der Gerichtsstand des § 24 Abs. 2 Satz 1 UWG entspricht dem des § 32 ZPO.

Bei der Einstellung seiner Werbung in das Internet hat der Beklagten nicht im Landgerichtsbezirk Bremen gehandelt; der Kläger behauptet auch nicht, dass der Beklagte hier eine (unerlaubte) Rechtsberatung vorgenommen hätte. Es gibt also keinen Handlungsort im hiesigen Landgerichtsbezirk; in Betracht kommt lediglich, dass hier der Erfolg der Werbung eingetreten ist oder einzutreten drohte.

Da der Wettbewerbsverstoß durch Werbung im Internet begangen worden sein soll bzw. die Gefahr unerlaubter Rechtsberatung durch die Beklagten aus deren Internet-Werbung abgeleitet wird, stellt sich die Frage, ob entsprechend der Auffassung des Klägers Bremen schon deshalb als Erfolgsort des behaupteten Wettbewerbsverstoßes angesehen werden kann, weil die Internet-Werbung überall (auch in Bremen) abgerufen werden kann (in diesem Sinne etwa Baumbach/Hefermehl, § 24 UWG Rn. 6; LG Nürnberg-Fürth, NJW-CoR 1997, 229 = AnwBl 1997, 226). Nach Auffassung des Senats ist diese Frage zu verneinen. § 32 ZPO würde sinnentleert, wenn jede im Internet begangene unerlaubte Handlung an (fast) jedem Ort der Welt gerichtlich verfolgt werden könnte, nur weil der Internet-Auftritt einer einzelnen Person oder eines einzelnen Unternehmens weltweit abrufbar ist. Es fehlt hier an der in § 32 ZPO vorausgesetzten räumlichen Bestimmbarkeit eines besonderen, von anderen gesetzlichen Gerichtsständen unterschiedenen Begehungsorts. Der Kläger könnte sich jeden ihm genehmen Gerichtsstand aussuchen, was praktisch zu einem außergesetzlichen Wahlgerichtsstand am Sitz oder Wohnsitz des Klägers und theoretisch auch zur Wahlmöglichkeit eines ihm genehmen ausländischen Deliktstatuts führen würde. Der Verletzungsort (Ort des Erfolgseintritts) ist daher für unerlaubte Handlungen im Internet auf solche Gebiete zu beschränken, in denen sich die Verletzungshandlung bestimmungsgemäß auswirken sollte (so für grenzüberschreitende Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Presseerzeugnisse BGH NJW 1977, 1590, 1591). Die weltweite Abrufbarkeit einer Internet-Werbung ist jedoch nicht notwendigerweise vom Werbenden bezweckt, sondern eine zwangsläufige, technisch bedingte Gegebenheit des hierfür verwendeten Mediums. Wo sie sich nach der Intention des Werbenden auswirken soll, kann daher nicht ohne Prüfung ihres Inhalts festgestellt werden.

Für wettbewerbsrechtliche Ansprüche ist überdies die sich aus ihrer Natur ergebende Besonderheit zu beachten, dass es dabei nicht um den Schutz der Inhaber absoluter Rechte geht, sondern um die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen von Mitbewerbern durch missbräuchliche Mittel des wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes. Unlauterer Wettbewerb kann danach regelmäßig nur dort begangen werden, wo wettbewerbliche Interessen der Mitbewerber aufeinander stoßen, weil nur dort das Anliegen der Verhinderung unlauterer Wettbewerbshandlungen berührt ist (BGHZ 35, 329, 333 f.). Die genannte Entscheidung behandelt die Frage des Begehungsorts zwar im Rahmen der Frage nach dem in- oder ausländischen Deliktsstatut, nämlich der Anknüpfung des anzuwendenden Rechts an den Begehungsort des Wettbewerbsverstoßes. In diesem Zusammenhang wird die Frage nach dem Begehungsort auch in der Literatur diskutiert (vgl. etwa Baumbach/Hefermehl, UWG Einl. Rn. 183 ff.; Köhler/Piper, UWG Einf. Rn. 74). Sie kann aber nicht anders beantwortet werden, wenn die Wirkung des Wettbewerbsverstoßes nicht über die Grenzen eines Staates hinausreicht, sondern sich auf den nationalen Markt beschränkt, weil es wettbewerbsrechtlich auf den Ort der Marktbegegnung der Mitbewerber ankommt, der auch ausschließlich innerhalb nationaler Grenzen liegen oder sogar regional begrenzt sein kann, weil nur dort der jeweils in Frage kommende Wettbewerb stattfindet (vgl. für Druckerzeugnisse Köhler/Piper, § 24 UWG Rn. 16). Wie der örtliche Bereich der Marktbegegnung abzugrenzen ist, kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Für durch Veröffentlichungen im Internet begangene Wettbewerbsverstöße wird darauf abzustellen sein, an welchen Empfängerkreis sich der Internet-Auftritt eines Mitbewerbers erkennbar richtet, insbesondere an wen eine dort angebotene Ware oder Dienstleistung geliefert oder erbracht werden soll (vgl. OLG Frankfurt a.M. K & R 1999, 138). Welcher Empfängerkreis angesprochen werden soll, kann sich direkt oder -- wenn eindeutig -- indirekt aus dem Inhalt und der Aufmachung der betreffenden Homepage ergeben. So kann der Adressatenkreis etwa durch ausdrücklichen Hinweis darauf, dass eine Ware oder Dienstleistung nur innerhalb Deutschlands oder nicht im Ausland vertrieben werden soll (sog. disclaimer), auf Deutschland beschränkt und dadurch der Marktort bestimmt werden. Es kommt aber auch in Betracht, dass die im Internet angebotene Ware oder Dienstleistung nur innerhalb einer engeren Region vertrieben werden soll, etwa in einem oder mehreren Bundesländern oder in einem oder mehreren Postleitzahlbereichen.

Der in 17192 Waren/Müritz geschäftsansässige Beklagte teilt auf der sein Unternehmen betreffenden web-site mit:

"Die Unternehmensberatung führt Beratungen für das Rationalisierungskuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW), die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg durch. Wir werden unter anderem von Banken, Sparkassen und der Beratungsagentur der Deutschen Ausgleichsbank empfohlen."

Ein weiterer Hinweis auf Mecklenburg-Vorpommern im Eingangssatz dieser web-site bezieht sich entweder auf die Tätigkeit des Beklagten oder den Standort seines Büros. Insgesamt ergibt sich daraus für den unbefangenen Leser der Eindruck, dass die vom Beklagten angebotenen betriebswirtschaftlichen Beratungen lediglich in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg durchgeführt werden, auch wenn zugleich auf überregionale Einrichtungen (Rationalisierungskuratorium der Deutschen Wirtschaft, Deutsche Ausgleichsbank) Bezug genommen wird, die ihrerseits auch für Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zuständig sind.

Eine Marktbegegnung zwischen dem Beklagten und dem Kläger, der seinerseits auch in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg (bundesweit und insbesondere auch in den Postleitzahlbereichen 17 ...) Subventionsberatungen durchführt, findet danach nur in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg statt, nicht aber im Landgerichtsbezirk Bremen. Daraus, dass der Beklagte an Eides Statt versichert hat, er beschränke seine berufliche Tätigkeit auf das Gebiet des östlichen Mecklenburg und Vorpommern, kann nicht entnommen werden, dass er über die in seiner Internet-Werbung angegebenen räumlichen Grenzen hinaus beratend tätig wird, sondern allenfalls, dass er trotz seiner hierauf gerichteten Internet-Werbung aus dem Bundesland Brandenburg bisher keine Mandanten hat gewinnen können.

Der Gerichtsstand des § 24 Abs. 2 Satz 1 UWG ist danach im Landgerichtsbezirk Bremen nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 i.V.m. § 545 Abs. 2 ZPO.






OLG Bremen:
Urteil v. 17.02.2000
Az: 2 U 139/99


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