Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 4. März 2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 78/08

(BGH: Beschluss v. 04.03.2009, Az.: AnwZ (B) 78/08)

Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2007 und seiner sofortigen Beschwerde gegen dessen Zurückweisung wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens über diesen Antrag wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit dem 1. Oktober 1986 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, seit dem 13. Mai 1998 im Bezirk der Antragsgegnerin. Mit Bescheid vom 16. Juli 2007 widerrief die Antragsgegnerin seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Mit Bescheid vom 26. März 2008 erklärt sie den Widerruf für sofort vollziehbar, nachdem der Antragsteller am 3. März 2008 durch das Amtsgericht D. wegen Untreue zu Lasten einer Mandantin zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 80 € verurteilt worden war. Gegen die sofortige Vollziehung hat der Antragsteller gerichtliche Entscheidung beantragt. Diesen Antrag hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt.

II.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2007 und seiner sofortigen Beschwerde gegen dessen Zurückweisung ist unbegründet.

1. Der Antrag ist im Ergebnis zulässig. Gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch den Anwaltsgerichtshof ist die sofortige Beschwerde zwar nicht gegeben, weil die Entscheidung nach § 16 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 BRAO unanfechtbar ist. Das schließt aber nach § 16 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 BRAO einen erneuten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht aus, der nach § 42 Abs. 5 Satz 2 BRAO bei dem Bundesgerichtshof gestellt werden kann, wenn - wie hier - in der Hauptsache sofortige Beschwerde eingelegt ist. Einen solchen Antrag hat der Antragsteller nach entsprechendem Hinweis auch gestellt.

2. Die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheids durfte nach § 16 Abs. 6 Satz 2 BRAO nur angeordnet werden, wenn sie im überwiegenden öffentlichen Interesse zur schon vor Bestandskraft des Widerrufsbescheids notwendigen Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten war (Senat, Beschl. v. 19. Juni 1998, AnwZ (B) 38/98, BRAK-Mitt. 1998, 235, 236; Beschl. v. 18. Oktober 2006, AnwZ (B) 29/06, juris). Diese Voraussetzungen lagen bei Anordnung der sofortigen Vollziehung vor. Daran hat sich nichts geändert. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und der Widerrufsbescheid Bestandskraft erlangen wird, weil die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls zu widerrufen war.

3. Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).

4. Danach befand sich der Antragsteller bei Erlass des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall.

a) aa) Zu diesem Zeitpunkt wurden folgende Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Antragsteller betrieben, in denen er erklärt hatte, nicht zahlen zu können:

1. De. Verlag K. wegen 227,39 €, 2. G. E. wegen 2.556,26 €, 3. H. S. GmbH wegen 547,88 €, 4. Go. GmbH wegen 339,05 €, 5. Go. GmbH wegen 143,76 €, 6. Deu. A. wegen 532,61 €, 7. Rechtsanwälte H. wegen 8.692,00 €.

Diese Verfahren sind Ausdruck ungeordneter Vermögensverhältnisse. Das ergibt sich zum einen daraus, dass es überhaupt wegen solcher zum Teil sehr geringer Forderungen zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gekommen ist, und zum anderen daraus, dass der Antragsteller dem Gerichtsvollzieher erklären musste, nicht zahlen zu können. Bei geordneten Vermögensverhältnissen wäre es nicht notwendig gewesen, diese Forderung zu titulieren; sie wären jedenfalls umgehend und ohne die Notwendigkeit von Zwangvollstreckungsmaßnahmen beglichen worden.

bb) Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin gegenüber vor Erlass des Widerrufsbescheids, ohne Belege vorzulegen, Zahlung oder anderweitige Regelung der angeführten Verbindlichkeiten eingewandt und diesen Nachweis kurze Zeit nach dem Erlass des Widerrufsbescheids geführt hat. Die Rückführung einzelner Verbindlichkeiten, deren zwangsweise Durchsetzung der Rechtsanwaltskammer - oft auch nur zufällig - bekannt geworden ist, ist nämlich kein Ausdruck konsolidierter Vermögensverhältnisse. Diese setzen vielmehr voraus, dass der Rechtsanwalt über die Begleichung der aufgelaufenen Schulden oder ihre geordnete Rückführung hinaus erreicht, dass dauerhaft keine neuen Schulden auflaufen, deren ordnungsgemäße Begleichung nicht durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Vereinbarungen mit dem Gläubiger sichergestellt ist. Das muss ihm von sich aus, nachhaltig und ohne "Anstoß" durch einen erneuten Widerruf seiner Zulassung gelingen. Es genügt nicht, wenn der Rechtsanwalt eine Ordnung seiner Vermögensverhältnisse nur unter dem Druck immer wieder neuer Widerrufe seiner Zulassung aufrechterhalten oder erreichen kann. Denn damit zeigt der Rechtsanwalt gerade, dass er selbst über die Fähigkeit, seine Verhältnisse in Ordnung zu halten, nicht verfügt und damit die Interessen seiner Mandanten gefährdet (Senat, Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 27/07, juris).

Die zum Nachweis konsolidierter Vermögensverhältnisse erforderliche und von dem Rechtsanwalt nach § 36a BRAO auch vorzulegende umfassende Übersicht über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse hatte der Antragsteller nicht vorgelegt. Es handelte sich auch nicht um singuläre Vorfälle. Die Antragsgegnerin hatte den Antragsteller am 28. Juni 2005 wegen aufgelaufener Verbindlichkeiten angehört. Danach waren wiederum neue Verbindlichkeiten entstanden. Außerdem zeigen die gegen den Antragsteller geführten Straf- und Beschwerdeverfahren sowie die zivilrechtlichen Auseinandersetzungen, dass seine Vermögensverhältnisse schon vor Erlass des Widerrufsbescheids so beengt waren, dass er sich mehrfach an Mandanten- und Fremdgeldern vergriffen hat.

b) Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet (Senat, Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, juris). Das ist in der Regel auch der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter II 2 a). So liegt es hier. Der Antragsteller hat sich an Mandanten- und Fremdgeldern vergriffen.

5. Der Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin wird auch nicht wegen nachträglichen Fortfalls des Widerrufsgrunds aufzuheben sein.

a) Zwar scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Widerruf der Zulassung aus, wenn der Widerrufsgrund im Verlauf des Verfahrens entfällt (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150). Das setzt aber voraus, dass der Fortfall des Widerrufsgrunds, hier des Vermögensverfalls, zweifelsfrei nachgewiesen wird (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083, 2084). Diesen Nachweis hat der Antragsteller nicht geführt.

b) Er hat nach wie vor keine Übersicht über seine Vermögensverhältnisse vorgelegt, obwohl ihm sowohl von dem Anwaltsgerichtshof als auch von dem Senat großzügig Gelegenheit dazu gegeben worden ist. Vor dem Anwaltsgerichtshof war er nicht einmal in der Lage, belastbare Angaben zu dem Stand seiner Verbindlichkeiten zu machen. Jedenfalls sind nach dem Erlass des Widerspruchsbescheids etwa 30 Zwangsvollstreckungsverfahren wegen Forderungen im Gesamtumfang von 125.477,58 € bekannt geworden. Wegen dieser Forderungen hat der Antragsteller am 12. Januar 2009 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Sein Miteigentumsanteil an einem dem Antragsteller und seiner Ehefrau zu je ein Halb Anteil gehörenden Hausgrundgrundstück ist inzwischen mit folgenden Hypotheken zur Sicherung der Zwangsvollstreckung belastet worden:

1. für Su. D. wegen 36.841,18 €, 2. für Dr. G M. wegen 1.200,00 €, 3. für Dr. G. M. wegen 1.137,27 €, 4. für R. H. wegen 5.429,78 €, 5. für R. H. wegen 11.138,43 €.

Damit hat sich der Vermögensverfall verfestigt. Er wird jetzt zudem gesetzlich vermutet.

c) Die Interessen der Rechtsuchenden sind weiterhin gefährdet. Das ergibt sich aus dem fortbestehenden Vermögensverfall, vor allem aber daraus, dass der Antragsteller in nicht unerheblichem Umfang Mandantengelder veruntreut hat. Er ist durch das Amtsgericht D. am 3. März 2008 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 80 € verurteilt worden, weil er einer Mandantin 6.000 € Unterhalt nicht auszahlte, den deren von ihr getrennt lebender Ehemann auf ein Konto des Antragstellers überwiesen hatte. Der Antragsteller hat diese Verurteilung zwar mit der Berufung angegriffen, vor dem Anwaltsgerichtshof aber eingeräumt, dass sich das Rechtsmittel nur gegen das Strafmaß, nicht gegen den Grund der Verurteilung richtet. Wegen ähnlicher Vorfälle hat die Staatsanwaltschaft D. den Antragsteller am 30. April 2008, am 30. Mai 2008 und am 18. Juli 2008 angeklagt. Die Veruntreuung von Mandantengeldern ist Gegenstand einer Verurteilung des Antragstellers durch das Amtsgericht vom 13. Februar 2008 (421 C ), einer Beschwerde des A. und eines Klageverfahrens einer Mandantin des Antragstellers bei dem Amtsgericht D. . Auch wenn die genannten straf- und zivilrechtlichen Verfahren noch nicht alle abgeschlossen sind, zeigen sie doch, dass die konkrete Gefahr einer Gefährdung von Mandantengeldern besteht. Hierfür spricht nicht zuletzt auch, dass der Antragsteller nach den Angaben der Antragsgegnerin weiterhin als Rechtsanwalt auftritt, obwohl der sofortige Vollzug des Widerrufsbescheids angeordnet und ihm jede anwaltliche Tätigkeit untersagt ist.

6. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der sofortige Vollzug des Widerrufs weiterhin zur Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtsuchenden, insbesondere die Mandanten des Antragstellers, zwingend geboten ist.

Ganter Schmidt-Räntsch Schaal Roggenbuck Kappelhoff Martini Braeuer Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 16.05.2008 - 1 ZU 72/07 -






BGH:
Beschluss v. 04.03.2009
Az: AnwZ (B) 78/08


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