Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. März 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 103/99
(BPatG: Beschluss v. 29.03.2000, Az.: 29 W (pat) 103/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. August 1997 und vom 21. Dezember 1998 aufgehoben.
Gründe
I.
Die farbige Wort-Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endeist für die Waren
"Zeitungen"
am 10. April 1990 beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik zur Eintragung angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle. Das Wort "EXPRESS" habe in der deutschen Umgangssprache die Bedeutung "Eil-, eilig, schnell" und komme am Anfang von Wortzusammensetzungen in der Bedeutung von "Schnell-" vor. Das Wort "Express", das früher nur in Verbindung mit Transportwesen verwendet worden sei, sei nun auch in anderen Bereichen üblich. Der Verkehr werde die angemeldete Marke, deren graphische Ausgestaltung im Rahmen des Werbeüblichen liege, daher lediglich als Hinweis auffassen, daß die Zeitungen der Anmelderin schnell den Leser erreichten bzw. aktuellste Informationen enthielten. Der unmittelbare Sachbezug des Wortes "Express" für "Zeitungen" zeige sich auch darin, daß bei wichtigen Ereignissen sogenannte "Express-Ausgaben" herausgegeben würden, denen eine dann eine überarbeitete Version folge.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, die angemeldete Marke sei ein "sprechendes Zeichen", das für die beanspruchten Waren in Alleinstellung ohne konkretisierenden Zusatz nur eine ganz vage Bedeutung habe. Die angemeldete Marke sei deshalb weder freihaltungsbedürftig noch fehle ihr jegliche Unterscheidungskraft.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung und die Amtsakte (DD) W 58 948/16 Wz Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. An der angemeldeten Marke läßt sich weder ein Freihaltungsbedürfnis feststellen noch fehlt ihr jegliche Unterscheidungskraft (§§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 2, 152 MarkenG).
Auf die vorliegende Anmeldung ist das Markengesetz anwendbar. Nach Sachgebiet E Abschnitt II § 3 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages gilt zwar für vor dem 1. Oktober 1990 eingereichte Anmeldungen das Warenkennzeichnungsgesetz der DDR grundsätzlich weiter. Nach § 22 des Erstreckungsgesetzes ist jedoch auf Anmeldungen, die nicht bis zum 1. Mai 1992 eingetragen worden waren, das Warenzeichengesetz und nunmehr gemäß § 152 MarkenG das Markengesetz anzuwenden.
Ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Marke, deren werbeübliche graphische Ausgestaltung den Schutz allerdings nicht begründen könnte, ist nicht ersichtlich. Das Markenwort "EXPRESS" stellt keinen hinreichend konkreten sprachüblich beschreibenden Hinweis auf die beanspruchten Waren dar. Nach den Ermittlungen des Senats kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, daß "EXPRESS" für die angemeldeten Waren als sprach- und werbeübliche Sachangabe angesehen wird. Das Substantiv "EXPRESS" (ohne Zusatz) bedeutet in erster Linie soviel wie "Eilzug" und wird in Alleinstellung nur auf dem Gebiet des Transportwesens und der Post, auch in Wortzusammensetzungen wie "Express-Bote, Express-Brief, Expressgut", benutzt. Daneben gibt es auch auf anderen Gebieten Wortzusammensetzungen, z.B. "Expreß-Kaffee", "Express-Reinigung", "Express-Information". Das Substantiv "Express" (oder "Expreß") in Alleinstellung kann als beschreibende Angabe für Zeitungen aber nicht nachgewiesen werden. Als Eigenschaftswort kommt "express" im Sinne von "eilig" in Verbindung mit Transport- oder Post-Dienstleistungen vor. In der Regelwird das Wort aber dann nicht in Alleinstellung verwendet, sondern nur in Ausdrücken wie "(eine Postsendung) express schicken" (vgl. zu allem Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Auflage; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Auflage; Duden, Deutsches Universal Wörterbuch, 3. Auflage; jeweils Stichwörter "Express, Expreß, expreß" und "express"). Der Sprachgebrauch im Englischen und Französischen ist ähnlich (vgl. Pons Collins Großwörterbuch Deutsch Englisch Englisch Deutsch, 1999; Webster's Encyclopedic Unabridged Dictionary of the English Language; Langenscheidts Handwörterbuch Französisch - Deutsch; jeweils Stichwort "express").
Auch im Internet-Lexikon des Projektes Deutscher Wortschatz der Universität Leipzig, das eine nahezu vollständige Erfassung der deutschen Sprache anstrebt, findet sich eine beschreibende Verwendung von "Express" in Alleinstellung in erster Linie für Transportmittel. Auf dem Gebiet des Zeitungswesens wird dagegen eine Verwendung in Wortverbindungen wie "Express-Straßenverkäufer" und "Express-Bericht" aufgeführt, die sich aber - wie aus dem Zusammenhang der Zitate ersichtlich - auf den Titel der von der Anmelderin herausgegebenen Zeitung oder anderer Zeitungen beziehen und damit deutlich machen, daß "Express" in diesem Zusammenhang als Hinweis auf eine ganz bestimmte individualisierbare Zeitung angesehen wird. Eine Internetrecherche mit der Meta-Suchmaschine "Copernic" erbrachte auf dem hier vorliegenden Gebiet ebenfalls keine beschreibende Verwendung. Allerdings scheint das Wort als Titel von Zeitungen beliebt zu sein, was aber nicht den Schluß erlaubt, es handele sich um eine übliche beschreibende Angabe.
Auch ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis kann nicht festgestellt werden. Anhaltspunkte dafür, daß Dritte künftig ein legitimes Interesse an der werblichen Verwendung des angemeldeten Worts für die Waren "Zeitungen" haben könnten, sind nicht ersichtlich. An ein solches potentielles Freihaltungsbedürfnis sind strenge Anforderungen zu stellen. Es sind konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende Entwicklung erforderlich, die bloße theoretische Möglichkeit genügt nicht (vgl. BGH GRUR 1990, 517, 518 "SMARTWARE"; 1992, 515, 516 "VAMOS"). Das Wort "EXPRESS" ist in Zusammenhang mit Zeitungen nicht als sprachübliche und eindeutige Sachangabe interpretierbar. Es ist nicht ersichtlich, daß das bereits mit anderem Sinngehalt besetzte Wort "Express" als rein beschreibende Angabe für Zeitungen vom Verkehr benötigt werden könnte, zumal man bei Ausgaben anläßlich eines besonderen Ereignisses von einer Sonderausgabe spricht, nicht aber von einer "Express-Ausgabe". Diese Bezeichnung konnte vom Senat nicht ermittelt werden. Im übrigen würde es sich auch dann nicht um eine beschreibende Verwendung von "Express" in Alleinstellung handeln.
Bei dieser Ausgangslage ist auch die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) gegeben. Da - wie bereits oben ausgeführt - der Verkehr mit der angemeldeten Marke in Bezug auf die Waren nach Art eines "sprechenden Zeichens" nur ungenaue, diffuse Assoziationen verbindet und bei dem Wort in Alleinstellung der Begriffsinhalt "Schnellzug" im Vordergrund steht, fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Verkehr die Marke als reinen Sachhinweis und nicht als betriebliche Herkunftskennzeichnung auffassen wird (vgl. BGH GRUR 1997, 627, 628 "à la carte"). Die von der Markenstelle zitierte Entscheidung des 25. Senats (25 W (pat) 10/95), in der das Wort "EXPRESS" als schutzunfähig angesehen wurde, betrifft Waren, für die sich - anders als im vorliegenden Fall - die beschreibende Bedeutung als wesentliche Eigenschaft eher aufdrängt.
Meinhardt Dr. Vogel von Falckenstein Guth Cl Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/29W(pat)103-99.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 29.03.2000
Az: 29 W (pat) 103/99
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