Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Juli 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 87/04
(BPatG: Beschluss v. 05.07.2006, Az.: 28 W (pat) 87/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 8. Januar 2004 aufgehoben, soweit die (teilweise) Löschung der Marke angeordnet worden ist.
Der Löschungsantrag wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
Unter der Nummer 301 20 029 ist die Bezeichnung COCOCHIP am 27. März 2001 angemeldet und am 9. Oktober 2001 für die Waren
"Ton-, Stein-, Rinden-, Kork- und Holzsubstrate für die Terraristik; Kokossubstrate, nämlich Kokosschalen, insbesondere Kokosschalenschnipsel, Kokosschalengranulat, Kokosschalenhumus; Dekorationsartikel für Terrarien, nämlich Wurzeln, Äste, Lianen, Bambusrohre und Weinreben"
eingetragen worden.
Hiergegen ist Löschungsantrag mit der Begründung gestellt worden, die angegriffene Marke sei entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG eingetragen worden. Der englischen Bezeichnung "COCOCHIP" werde der hier maßgebliche Verkehr im Zusammenhang mit den betroffenen Waren ohne Weiteres den beschreibenden Sinngehalt "Kokosschnitzel" entnehmen und ihr deshalb keinen betriebskennzeichnenden Charakter zumessen. Da der Begriff von Anbietern derartiger Waren verwendet werde, sei er auch freizuhalten.
Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen und darauf hingewiesen, bei dem Markenwort, das ohnehin nur ein kleiner Teil des Verkehrs übersetzen könne, handele es sich nicht um eine Gattungsbezeichnung. Allenfalls im Wege einer unzulässigen analysierenden Betrachtung gelange man zu einer beschreibenden Aussage. Zudem fehle es auch an einem Freihaltungsbedürfnis, da im deutschsprachigen Raum auf die Waren mit deutschen Worten hingewiesen werde.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Waren
"Ton-, Stein-, Rinden-, Kork- und Holzsubstrate für die Terraristik; Kokossubstrate, nämlich Kokosschalen, insbesondere Kokosschalenschnipsel, Kokosschalengranulat, Kokosschalenhumus"
angeordnet und ausgeführt, bei der Marke handle es sich um ein im Internet vielfach nachweisbares Spezialwort der Terraristik mit dem Bedeutungsgehalt "Kokoschip". Für Kokossubstrate sei der Begriff nicht beliebig zu ersetzen und müsse jedenfalls für den Export/Import freigehalten werden. Für die weiteren gelöschten Waren wirke die angegriffene Marke täuschend. Das Ergebnis der Internet-Recherche, auf das die Markenabteilung diese Entscheidung gestützt hatte, ist der Markeninhaberin allerdings erst zusammen mit dem Löschungsbeschluss zur Kenntnis gebracht worden.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Inhaberin der angegriffenen Marke die Aufhebung des Beschlusses der Markenabteilung und die vollständige Zurückweisung des Löschungsantrages. Sie führt sinngemäß aus, ein beschreibender Bedeutungsgehalt der angegriffenen Marke werde erst durch gedankliche Schlussfolgerungen erkennbar. Das Wort "COCOCHIP" stelle eine fantasievolle Wortneuschöpfung dar, die lexikalisch nicht nachweisbar sei. Es bestehe kein Freihaltungsbedürfnis, da der Verkehr für die Benennung der beanspruchten Waren nicht auf das genannte Markenwort angewiesen sei. So würden die hier in Rede stehenden Chips im Verkehr auch nicht mit "Cocochips", sondern mit "Coconut Husk Chips" benannt, was ein Internet-Ausdruck des offiziellen Handelsverzeichnisses des weltweit größten Exporteurs von Kokosnuss-Produkten, nämlich Sri Lanka, belege. Der Beschluss der Markenabteilung habe sich zudem auf Internet-Treffer aus dem Jahr 2003 gestützt, obwohl der maßgebliche Zeitpunkt das Jahr 2001 sei, in dem die Marke angemeldet und eingetragen wurde. Vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke habe kein Mitbewerber diese Kennzeichnung benutzt. Eine relevante Täuschungsgefahr sei ebenfalls nicht ersichtlich.
Die Markeninhaberin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenabteilung 3.4 - aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Beschluss der Markenabteilung für begründet und meint, schon zum Zeitpunkt ihrer Eintragung hätten für die angegriffene Marke absolute Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig und begründet. Der Löschungsantrag nach § 50 Abs. 1 MarkenG war im vollen Umfang zurückzuweisen, weil nicht mit der notwendigen Sicherheit erwiesen werden konnte, dass der angegriffenen Marke bereits zum Zeitpunkt ihrer Eintragung absolute Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstanden.
Die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, weil die Markeninhaberin ihren Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung lediglich hilfsweise gestellt hatte. Diesem Antrag musste nicht entsprochen werden, weil keine für die Markeninhaberin nachteilige Entscheidung ergangen ist (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 69 Rdn. 3). Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt und eine solche war auch nicht wegen Sachdienlichkeit anzuordnen (§ 69 Nr. 3 MarkenG).
Die Löschung einer angegriffenen Marke kann nur angeordnet werden, wenn erwiesen ist, dass der Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke sowohl im Zeitpunkt ihrer Eintragung als auch im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung über den Löschungsantrag absolute Schutzhindernisse entgegenstanden (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Bloße Zweifel an der Eintragungsfähigkeit reichen nicht aus, um eine Löschung zu begründen, sondern gehen zu Lasten des Antragstellers, der im Löschungsverfahren, das als kontradiktorisches Verfahren den für diese Verfahrensart geltenden Regeln unterworfen ist (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 54 Rdnr. 1), im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht ohnehin gehalten ist, die konkreten Tatsachen vorzutragen, auf die er sein Löschungsbegehren stützt. Der Vortrag bloßer Rechtsausführungen und Vermutungen ist nicht geeignet, diese Mitwirkungspflicht zu erfüllen. So liegen die Dinge im vorliegenden Fall.
1. Soweit sich der Löschungsantrag auf § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG stützt, ist er zurückzuweisen, da weder die Ausführungen des Antragstellers noch die Ermittlungen der Markenabteilung und des Senats mit der gebotenen Sicherheit erwiesen haben, dass an der angegriffenen Marke bereits zum Zeitpunkt ihrer Eintragung am 9. Oktober 2001 ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit und insbesondere der Mitbewerber an einer freien Verwendung der Bezeichnung "COCOCHIP" bestanden hätte.
Zwar hat die Markenabteilung in dem angegriffenen Beschluss zutreffend darauf hingewiesen, dass der englischen Begriff "coco" auch ein Eigenschaftswort sein kann im Sinne von "aus Kokosfasern hergestellt, Kokos...". Die von der Markenabteilung ermittelten Internet-Seiten datieren aber erst vom Oktober 2003 und belegen damit keine beschreibende Verwendung der angegriffenen Bezeichnung zum maßgeblichen Eintragungszeitpunkt. Die Ermittlungen des Senats ergaben ebenfalls keine weiteren Erkenntnisse über eine solche Verwendung des Markenwortes zu dem betreffenden Zeitpunkt. Auf dem hier einschlägigen Warensektor (Substrate für die Terraristik) sind zwar bereits seit längerem Sortenbezeichnungen wie beispielsweise "Kokosfasereinstreu", "Kokosschalenschnipsel" oder "Kokosschalenhumus" bekannt, dagegen konnten - für den Eintragungszeitpunkt - keine Feststellungen über die Verwendung englischer Ausdrücke für die fraglichen Waren getroffen werden. Auch der Antragsteller, den der Senat ausdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, dass die Löschungsgründe auch für den Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke nachgewiesen werden müssen und dass im vorliegenden Fall eben diese Nachweise zweifelhaft seien, hat für seine ganz allgemein gehaltenen Behauptungen keine konkreten Belege vorgelegt.
2. Der Löschungsantrag ist auch insoweit zurückzuweisen, als er sich auf § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG stützt. Denn - entgegen der Auffassung des Antragstellers - kann der angegriffenen Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die mit der Marke beanspruchten Erzeugnisse eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Wenn einer Wortmarke für die von ihr beanspruchten Waren kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich bei ihr auch nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, spricht dies für eine hinreichende Unterscheidungskraft der Marke (vgl. BGH BlPMZ 2004, 30 - "Cityservice").
Das Markenwort "COCOCHIP" besteht aus der Kombination zweier englischer Begriffe. Anders als für den Lebensmittelbereich kann diese Wort-Kombination für den Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke für die einschlägigen Waren weder lexikalisch nachgewiesen, noch als gebräuchlicher Fachausdruck belegt werden. Es mag sein, dass die Beschaffenheit der beanspruchten Produkte durch die Bezeichnung "COCOCHIP" auf eine zumindest für einen Teil der angesprochenen Verkehrskreise verständlichen Weise angedeutet wird. Eine unmittelbar beschreibende Bedeutung besitzt die Bezeichnung dagegen nicht. Andere Gesichtspunkte, die es rechtfertigen würden, der Marke zum Eintragungszeitpunkt jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen, sind weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen worden.
3. Da es sich nur um eine - möglicherweise - "sprechende", nicht dagegen um eine glatt beschreibende Marke handelt, kann ihre Verwendung für die Waren "Ton-, Stein-, Rinden-, Kork- und Holzsubstrate für die Terraristik" auch keine Täuschungsgefahr gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG begründen. Dies gilt um so mehr, als in der Terraristik nicht selten Substratmischungen verwendet werden, die aus mehreren Komponenten bestehen. So werden beispielsweise Tonsubstrate mit Stoffen wie etwa Weißtorf kombiniert bzw. es sind auch Substratmischungen aus Ton, Torf und Kokosfasern erhältlich.
Aus diesen Gründen war der Beschwerde unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Markenabteilung und Zurückweisung des Löschungsantrages stattzugeben.
Gem. § 71 Abs. 3 MarkenG war aus Billigkeitsgründen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen. Indem die Markenabteilung ihre Entscheidung über den Löschungsantrag maßgeblich auf eine Internet-Recherche stützte, über deren Ergebnis die Inhaberin der angegriffenen Marke erst mit Zustellung des patentamtlichen Beschlusses unterrichtet wurde und zu der die Inhaberin der angegriffenen Marke folglich im patentamtlichen Verfahren keine Stellungnahme abgeben konnte, hat die Markenabteilung die Grundsätze des rechtlichen Gehörs verletzt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Beachtung der Grundsätze über das rechtliche Gehör der Löschungsantrag bereits im patentamtlichen Verfahren zurückgewiesen worden wäre und sich dadurch die Einlegung der Beschwerde durch die Inhaberin der angegriffenen Marke erübrigt hätte. Bei dieser Sachlage gebietet die Billigkeit die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Inhaberin der angegriffenen Marke.
BPatG:
Beschluss v. 05.07.2006
Az: 28 W (pat) 87/04
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