Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 20. September 2006
Aktenzeichen: 10 Ta 474/06

(LAG Hamm: Beschluss v. 20.09.2006, Az.: 10 Ta 474/06)

In einem Beschlussverfahren, in dem über das Zutrittsrecht des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb gestritten wird, ist für den Gegenstandswert regelmäßig der Hilfswert des § 23 Abs. 3 RVG, nicht das dreifache Bruttomonatseinkommen des Betriebsratsvorsitzenden, zugrunde zu legen.

Tenor

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller zu 1. und zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 28.06.2006 - 7 BVGa 9/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren haben die Beteiligten über das Zutrittsrecht des Betriebsratsvorsitzenden und Beteiligten zu 1., des Antragstellers zu 1., zur Ausübung des Betriebsratsmandats gestritten, nachdem der Antragsteller zu 1., der Vorsitzende des Betriebsrats, des Antragstellers zu 2., mit Schreiben vom 23.05.2006 von den Arbeitgebern freigestellt und ihm mit Schreiben vom 26.05.2006 ausdrücklich mitgeteilt wurde, dass die Freistellung sich auch auf seine Betriebsratstätigkeit beziehe.

Nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 06.06.2006 wurde das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 28.06.2006 den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss, zugestellt am 04.07.2006, wendet sich die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller mit der am 11.07.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller ist der Auffassung, der Gegenstandswert müsse mit dem dreifachen Bruttomonatsgehalt des Antragstellers zu 1. in Höhe von monatlich 1.900,00 € festgesetzt werden, weil der Antragsteller zu 1., der Betriebsratsvorsitzende, von jeglicher Betriebsratstätigkeit habe ausgeschlossen werden sollen. Das ausgesprochene Hausverbot beinhalte den Verlust der gesamten Tätigkeit, ähnlich wie bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Insoweit ergebe sich ein Gegenstandswert von 5.700,00 €.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren nach § 23 Abs. 3 RVG mit dem Hilfswert in Höhe von 4.000,00 € bemessen.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.

§ 23 Abs. 3 RVG stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Wege nicht bestimmt werden kann. Bei der vom Betriebsratsvorsitzenden und vom Betriebsrat verlangten Gewährung des Zutrittsrechts zur erforderlichen Ausübung des Betriebsratsmandats handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 RVG. Das folgt schon daraus, dass der Betriebsrat nicht vermögensfähig ist und nur bezifferte Verfahrensanträge des Betriebsrates eine Schätzung des Gegenstandswerts überflüssig machen. Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise nicht vermögensrechtlicher Natur (Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 445). Um ein fallübergreifendes Wertungssystem zu erhalten, welches im Hinblick auf die Bewertung der anwaltlichen Tätigkeit im Beschlussverfahren adäquate Abstufungen zulässt und damit erlaubt, dem Einzelfall gerecht zu werden, kann für die Ausfüllung des Ermessensrahmens des § 23 Abs. 3 RVG die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für den Arbeitgeber bzw. für den Betriebsrat berücksichtigt werden.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert des vorliegenden Beschlussverfahrens mit dem Hilfswert des § 23 Abs. 3 RVG bewertet. Die Beteiligten haben im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren lediglich über das Zutrittsrecht des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb zwecks Ausübung des Betriebsratsmandats gestritten. Mit der Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden und der Verwehrung des Zutrittsrechts haben die Arbeitgeberinnen keine wirtschaftlichen Interessen verfolgt. Dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Betriebsrat ging es lediglich um die Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte. Dies rechtfertigt die Bewertung des vorliegenden Beschlussverfahrens mit dem Hilfswert des § 23 Abs. 3 RVG. Der Betriebsratsvorsitzende verfolgte im vorliegenden Verfahren gerade nicht seine Ansprüche aufgrund einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, was eine Wertfestsetzung nach § 42 Abs. 4 GKG in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen rechtfertigen würde. Hierauf hat bereits das Arbeitsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 11.07.2006 zutreffend hingewiesen. Die Beteiligten haben im Ausgangsverfahren auch nicht um den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 3 BetrVG gestritten.

Ob im vorliegenden Fall der Umstand, dass das Zutrittsrecht im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht worden ist, eine weitere Herabsetzung des Gegenstandswertes rechtfertigen würde (vgl. Wenzel, a.a.O., Rz. 458 unter Hinweis auf LAG Hamm, Beschluss vom 21.05.1974 - 8 TaBV 14/74 -; vgl. aber auch LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - NZA-RR 2005, 435) konnte für den vorliegenden Fall offen bleiben, weil die Arbeitgeberinnen keine Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom 28.06.2006 eingelegt, sondern sich mit dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Gegenstandswert einverstanden erklärt haben.

Schierbaum /N.






LAG Hamm:
Beschluss v. 20.09.2006
Az: 10 Ta 474/06


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