Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 30. April 2003
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 39/01
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 30.04.2003, Az.: VI-U (Kart) 39/01)
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des wei-tergehenden Rechtsmittels - das am 24. Januar 2001 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln teilweise abgeän-dert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagten wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwi-derhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ord-nungshaft von bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle von bis zu zwei Jahren, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbe-werbszwecken
nordrhein-westfälischen Versicherten, die einen Bedarf an Hilfsmitteln zur Diabetikerversorgung haben, die Belieferung mit solchen Artikeln, für die in den Preislisten zum Arzneilie-ferungsvertrag zwischen den Landesverbänden der Primär-kassen und den nordrhein-westfälischen Apothekerverbän-den vom 6. Dezember 1996 keine betragsmäßige Preisver-einbarung getroffen worden ist, durch ausgewählte Leis-tungserbringer anzubieten, wenn den örtlichen Untergliede-rungen des A... e. V. zuvor keine Gelegenheit zur Abgabe alternativer Angebote gegeben worden ist.
Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Voll-streckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die zu erbringenden Sicherheiten können auch durch die selbst-schuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelas-senen Kreditinstituts geleistet werden.
IV. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
I. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000 EUR festge-setzt.
Tatbestand
Dem klagenden Verband sind rund 90 % der Apothekenleiter im Landesteil W... angeschlossen; der Mitgliederbestand beläuft sich zur Zeit auf etwa 2.300 Personen. Zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Klägers gehört vor allem die Durchsetzung der wirtschaftlichen Belange der ihm angeschlossenen Apotheker.
Die Beklagte ist eine im R... ansässige Betriebskrankenkasse.
Im März 1999 wandte sich die Beklagte mit einem Rundschreiben zur Diabetikerversorgung an ihre Mitglieder, das folgenden Inhalt hat:
Der Kläger ist der Ansicht, die Versendung des Rundschreibens stelle sowohl ein wettbewerbswidriges als auch ein kartellrechtswidriges Verhalten der Beklagten dar. Das Rundschreiben überschreite den Rahmen der erlaubten sachlichen Information der Versicherten und verleite die Empfänger des Schreibens dazu, ihren Bedarf an Diabetikerzubehör bei einzelnen, von der Beklagten bevorzugten Leistungserbringern im Versandhandel zu decken. Der Rundbrief erwecke überdies den unzutreffenden Eindruck, dass jene von der Beklagten empfohlenen Leistungserbringer zu günstigeren Preisen und Konditionen liefern könnten als die im klagenden Verband zusammengeschlossenen Apotheker. Gestützt auf §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG und §§ 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1, 33 GWB nimmt der Kläger die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger außerdem die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, ihren nordrheinwestfälischen Versicherten für die Belieferung mit solchen Hilfsmitteln, für die in den Preislisten des Arzneilieferungsvertrags vom 6. Dezember 1996 (nachfolgend: ALV) keine betragsmäßige Preisvereinbarung getroffen worden ist, ausgewählte Leistungserbringer anzubieten, wenn nicht zuvor seinen (des Klägers) örtlichen Untergliederungen Gelegenheit zur Abgabe alternativer Angebote gegeben worden sei. Diesen Klageanspruch stützt der Kläger auf § 19 Abs. 1 ALV, der (u.a.) zwischen dem Kläger und dem Landesverband der Betriebskassen - dem auch die Beklagte angehört - geschlossen worden ist. Die Vertragsbestimmung lautet:
"Beabsichtigen Krankenkassen, mit anderen Leistungserbringern/-gruppen Vereinbarungen über die Versorgung mit Hilfsmitteln zu treffen, für die die Apothekenleiter nach diesem Vertrag lieferberechtigt sind, eine Preisvereinbarung jedoch nicht getroffen worden ist, wird den örtlichen Untergliederungen des zuständigen Apothekerverbandes Gelegenheit eingeräumt, entsprechende Angebote abzugeben."
Das Landgericht hat - nachdem es mit Beschluss vom 10. März 2000 (GA 100 ff.) den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt hatte und der Beschluss unanfechtbar geworden war - die Klage abgewiesen. Den auf Wettbewerbs- und Kartellrecht gestützten Unterlassungsanspruch hat es mit dem Argument abgelehnt, der Inhalt des Rundschreibens überschreite nicht die Grenzen einer zulässigen sachlichen Information der Versicherten. Den aus § 19 Abs. 1 ALV hergeleiteten Klageantrag hat es verneint, weil der Kläger nicht im einzelnen dargelegt habe, dass die Beklagte eine Versorgung der bei ihr versicherten Diabetiker mit solchen Hilfsmitteln beabsichtigt habe, für die im Arzneilieferungsvertrag eine Preisvereinbarung nicht getroffen worden sei. Der zur Gerichtsakte gereichten Ablichtung des Arzneilieferungsvertrages seien die dort in Bezug genommenen Preislisten nicht beigefügt gewesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ergänzt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und beantragt, der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,
Versicherten mit einem Bedarf an Hilfsmitteln, insbesondere zur Diabetikerversorgung, mit Hilfe von Schreiben wie dem - sodann eingerückten - vom März 1999 oder auf sonstige Weise die direkte Belieferung mit diesen Artikeln durch die BKK R... oder die Belieferung durch ausgewählte Leistungserbringer unter Vermittlung der BKK R... anzubieten;
nordrheinwestfälischen Versicherten mit einem Bedarf an Hilfsmitteln, insbesondere zur Diabetikerversorgung, die Belieferung mit solchen Artikeln, für die in den Preislisten zum Arzneilieferungsvertrag zwischen den Landesverbänden der Primärkassen und den nordrheinwestfälischen Apothekerverbänden vom 6. Dezember 1996 keine betragsmäßige Preisvereinbarung getroffen worden ist, durch ausgewählte Leistungserbringer anzubieten, wenn den örtlichen Untergliederungen des Apothekerverbandes W... e.V. zuvor keine Gelegenheit zur Abgabe alternativer Angebote gegeben worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen des Klägers im einzelnen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.
I.
Soweit sich die Klägerin gegen die Versendung des Informationsschreibens "Diabetikerversorgung" (GA 3-4) durch die Beklagte wendet, hat das Landgericht die Klage im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Begründet ist das Rechtsmittel demgegenüber, soweit der Beklagten verboten werden soll, ihren Versicherten Hilfsmittel zur Diabetikerversorgung durch ausgewählte Leistungserbringer anzubieten, sofern für diese Artikel in den Preislisten zum Arzneimittellieferungsvertrag vom 6. Dezember 1996 keine betragsmäßige Preisvereinbarung getroffen worden ist und seinen (des Klägers) örtlichen Untergliederungen zuvor keine Gelegenheit zur Abgabe alternativer Angebote gegeben worden ist.
A. Der Klageantrag zu Ziffer 1. bleibt erfolglos. Die Klägerin kann der Beklagten nicht die Verwendung des angegriffenen Informationsschreibens "Diabetikerversorgung" untersagen lassen.
1. Auf nationales Kartell- und Wettbewerbsrecht (§§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG und §§ 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1, 33 GWB) kann der Kläger sein Klagebegehren nicht (mehr) stützen.
a) Nach der zum 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Bestimmung des § 69 Satz 1 SGB V werden die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Apotheken und ihren Verbänden abschließend durch die §§ 63, 64 SGB V, die §§ 69 - 140 h SGB V sowie und die nach den §§ 90 - 94 SGB V erlassenen Beschlüsse der Bundes- und Landesausschüsse geregelt. Der Gesetzgeber hat damit die Geltung des deutschen Wettbewerbs- und Kartellrechts im Verhältnis zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden auf der einen Seite und den Apotheken und ihren Verbänden auf der anderen Seite ausgeschlossen. Das hat der 3. Senat des Bundessozialgerichts zutreffend entschieden und überzeugend begründet (BSGE 82, 78, 80; NJW-RR 2002, 1691 ff.; ebenso: Knispel, NZS 2001, 466, 468 ff.; Boecken, NZS 2000, 269, 271; Neumann, WuW 1999, 961, 963 ff.; Schwerdtfeger, ParmInd 62, 105 ff., 185 ff.); der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Die vom 6. Senat des Bundessozialgerichts (BSGE 86, 223 ff.) und von Teilen der Literatur (Engelmann, NZS 2000, 213, 219 ff.; Hänlein/Kruse, NZS 2000, 165, 173 Fn. 95; Stelzer, SotVers 2000, 141, 145) vertretene Gegenansicht, § 69 SGB V lasse die Geltung des deutschen Wettbewerbs- und Kartellrechts unberührt und verweise lediglich dessen Prüfung in die Zuständigkeit der Sozial- und Verwaltungsgericht, überzeugt nicht.
Schon der Wortlaut des § 69 Satz 1 SGB V, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden auf der einen Seite und den Leistungserbringern und ihren Verbänden auf der anderen Seite "abschließend" in den näher bezeichneten sozialversicherungsrechtlichen Normen geregelt sind, spricht eindeutig für die Annahme, dass die Vorschrift die Geltung des übrigen materiellen Rechts - hier des nationalen Kartell- und Wettbewerbsrechts - im Verhältnis zwischen den Krankenkassen und Krankenkassenverbänden einerseits und den Leistungserbringern und ihren Verbänden andererseits ausschließt. Das Verständnis, es handele sich um eine bloße Zuständigkeitsbestimmung, liegt bereits nach dem Wortlaut der Norm fern. Letzte Klarheit schafft die Gesetzesbegründung zu § 69 SGB V (BT Drucksache 14/1245 Seite 67 f. zu Nummer 29). Sie bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass das Rechtsverhältnis zwischen Krankenkassen und ihren Verbänden sowie den Leistungserbringern und ihren Verbänden fortan ausschließlich sozialversicherungsrechtlicher Natur und nicht - wie bis dahin in der Rechtsprechung unter Hinweis auf die Doppelnatur des Handelns der Krankenkassen angenommen worden war - auch zivilrechtlicher Natur ist. Sie stellt überdies ausdrücklich klar, dass die Krankenkassen und ihre Verbände in den Rechtsbeziehungen zu den Leistungserbringern und deren Verbände einen öffentlichen Versorgungsauftrag erfüllen und nicht als Unternehmen im Sinne des Privatrechts einschließlich des Kartell- und Wettbewerbsrechts handeln. Darin findet das sich schon nach dem Gesetzeswortlaut aufdrängende Verständnis eine klare Bestätigung, dass nämlich nach dem Willen des Gesetzgebers durch § 69 SGB V die Tätigkeit der Krankenkassen und ihrer Verbänden gegenüber den Leistungserbringern und ihren Verbänden dem Geltungsbereich des nationalen Kartell- und Wettbewerbsrechts entzogen werden soll.
Aus der Gesetzesbegründung zu § 69 Satz 4 SGB V, wonach die vorstehenden Sätze 1 bis 3 auch gelten, sofern Rechte Dritter betroffen sind, folgt nichts Gegenteiliges. Soweit es in der Gesetzesbegründung in diesem Zusammenhang heißt, dass über Klagen gegen Dritte nunmehr ausschließlich die Sozial- und Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben und die bislang bestehende Zweigleisigkeit des Rechtswegs beseitigt sei, kann daraus nicht abgeleitet werden, § 69 SGB V erschöpfe sich in einer Konzentration des Rechtswegs zu den Sozial- und Verwaltungsgerichten und ordne lediglich an, dass diesen Gerichten fortan die Anwendung des nationalen Kartell- und Wettbewerbsrechts im Verhältnis zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden zu den Leistungserbringern und ihren Verbänden obliege. Ein solches eingeschränktes Verständnis würde den in der Gesetzesbegründung zu § 69 Satz 1 SGB V unmissverständlich zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers missachten, dass die Betätigung der Krankenkassen und ihrer Verbände gegenüber den Leistungserbringern gerade nicht mehr als ein unternehmerisches Handeln im Sinne des nationalen Kartell- und Wettbewerbsrechts gelten soll. Die angesprochene Konzentration der Rechtsprüfung bei den Sozial- und Verwaltungsgerichten ist bei verständiger Auslegung der gesamten Gesetzesbegründung zu § 69 SGB V lediglich das Resümee, das der Gesetzgeber aus dem Umstand zieht, dass § 69 SGB V die in der Rechtsprechung bislang angenommene Doppelnatur des Handels der Krankenkassen und ihrer Verbände beseitigt und demzufolge auch die bis dahin bestehende Möglichkeit eines zweigleisigen Rechtsschutzes vor den Zivilgerichten einerseits und den Sozial- und Verwaltungsgerichten andererseits abschafft.
Nicht überzeugend ist auch der Hinweis, die zugleich mit der Neuregelung des § 69 SGB V vorgenommene Änderung des § 87 Abs. 1 GWB, § 51 Abs. 2 SGB schließe nur den Rechtsweg zu den Zivilgerichten und nicht auch die Geltung des Wettbewerbs- und Kartellrechts aus. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass auch § 69 SGB V lediglich die Zuständigkeit der Gerichte regele und die Anwendbarkeit des nationalen Wettbewerbs- und Kartellrechts unberührt lasse. Nach der Gesetzesbegründung zu § 87 Abs. 1 GWB, § 51 Abs. 2 SGB (BT Drucksache 14/1977 Seite 189 zu Artikel 10 a) handelt es sich insoweit lediglich um klarstellende Folgeregelungen zu § 69 SGB V. Jene Vorschriften sind deshalb im Lichte des § 69 SGB V auszulegen; es kann nicht umgekehrt die Änderung der § 87 GWB, § 51 Abs. 2 SGB dazu herangezogen werden, den Regelungsgehalt des § 69 SGB V einzuschränken. Daraus folgt: § 87 GWB und § 51 Abs. 2 SGB setzen die gesetzgeberische Vorgabe in § 69 SGB V, dass nämlich das Rechtsverhältnis zwischen Krankenkassen und ihren Verbänden sowie den Leistungserbringern und ihren Verbänden fortan ausschließlich sozialversicherungsrechtlicher Natur ist und das nationale Wettbewerbs- und Kartellrecht nicht mehr zur Anwendung kommt, auf der Ebene der Rechtswegzuweisung um, indem sie die sich aus § 69 SGB V ergebende Konsequenz ziehen, dass nämlich über die ausschließlich sozialversicherungsrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden und den Leistungserbringern und ihren Verbänden alleine die Sozial- und Verwaltungsgerichte - und mangels der Fortgeltung des deutschen Wettbewerbs- und Kartellrechts nicht mehr (auch) die Zivilgerichte - zu entscheiden haben. Weitergehende Rückschlüsse, § 69 SGB V lasse die Fortgeltung des deutschen Wettbewerbs- und Kartellrechts unangetastet, lassen sich daraus nicht ziehen.
Nach alledem sprechend die besseren Gründe für die Annahme, dass aufgrund der zum 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Neuregelung des § 69 SGB V das nationale Kartell- und Wettbewerbsrecht auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden einerseits und den Leistungserbringern und ihren Verbänden andererseits nicht mehr anwendbar ist.
b) Infolgedessen ist auch dem Unterlassungsantrag des Klägers die rechtliche Grundlage entzogen worden. Denn als ein in die Zukunft gerichtetes Klagebegehren unterliegt es dem aktuell geltenden Recht und ist nicht nach der Normlage im Zeitpunkt der Verbreitung des angegriffenen Rundschreibens im März 1999 zu beurteilen.
2. Auf europäisches Kartellrecht (Art. 81, 82 EGV) kann der Klageantrag zu 1. ebenfalls nicht mit Erfolg gestützt werden. Zwar gehen diese Normen den nationalen Bestimmungen vor, weshalb ihre Geltung auch von § 69 SGB V unberührt bleibt. Im Streitfall fehlt es indes an den tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen das europäische Kartellrecht Anwendung finden kann.
Die Beklagte ist schon nicht Normadressat des kartellrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungsverbots (Art. 82 EGV). Mit Recht macht die Beklagte geltend, dass sie mit Rücksicht auf einen Mitgliederzahl von lediglich circa 25.000 Versicherten auf dem Nachfragemarkt für Hilfsmittel zur Diabetikerversorgung schon national weder ein marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne von § 19 GWB noch ein marktstarkes Unternehmen im Sinne von § 20 GWB ist. Ebensowenig hat die Klägerin schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Beklagte Mitglieds eines Oligopols (§ 19 Abs. 2 Satz 2 GWB) und als solche marktbeherrschend ist (vgl. zur Feststellung der Marktmacht und zum Oligopol gesetzlicher Krankenkassen im einzelnen: Senatsurteil vom 2.2.1999 - U(Kart) 4/98). Dementsprechend lässt sich erst recht nicht feststellen, dass - wie Art. 82 EGV verlangt - die Beklagte als Nachfragerin von Hilfsmittel zur Diabetikerversorgung auf dem gesamten Europäischen Markt oder zumindest auf einem wesentlichen Teil desselben marktbeherrschend ist. Darüber hinaus ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das angegriffene Rundschreiben dazu geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union spürbar zu beeinträchtigen. Auch dies steht einer Anwednung des Art. 82 EGV entgegen.
Aus dem letztgenannten Grund scheidet von vornherein auch die Anwendbarkeit des Art 81 EGV aus.
B. Soweit die Klägerin in zweiter Instanz den Klageantrag zu Ziffer 2. weiterverfolgt, ist die Berufung begründet.
Die Beklagte ist dem Kläger gegenüber verpflichtet, ihren Versicherten Hilfsmittel zur Diabetikerversorgung, für die in den Preislisten des Arzneiliefervertrages vom 6. Dezember 1996 keine betragsmäßige Preisvereinbarung getroffen worden ist, erst dann durch ausgewählte Leistungserbringer anzubieten, wenn den örtlichen Untergliederungen des Klägers zuvor Gelegenheit zur Abgabe alternativer Angebote gegeben worden ist.
1. Der Anspruch ergibt sich unmittelbar aus § 19 Abs. 1 ALV. Die Vertragsbestimmung, die auch zwischen den Prozessparteien Rechtswirkungen entfaltet, weil die Beklagte gemäß § 127 Abs. 1 SGB V aus den vom Landesverband der Betriebskrankenkassen geschlossenen Arzneilieferungsverträgen unmittelbar berechtigt und verpflichtet ist, lautet:
"Beabsichtigen Krankenkassen, mit anderen Leistungserbringern/-gruppen Vereinbarungen über die Versorgung mit Hilfsmitteln zu treffen, für die die Apothekenleiter nach diesem Vertrag lieferberechtigt sind, eine Preisvereinbarung jedoch nicht getroffen worden ist, wird den örtlichen Untergliederungen des zuständigen Apothekerverbandes Gelegenheit eingeräumt, entsprechende Angebote abzugeben."
2. Die gegen den Klageanspruch vorgebrachten Bedenken der Beklagten sind nicht berechtigt.
a) Der Hinweis der Beklagten, der Versicherte selbst wähle den Leistungserbringer, sie selbst habe in dem Informationsschreiben lediglich über eine neben den Apotheken bestehende Bezugsquelle unterrichtet, ist nicht stichhaltig. Die Argumentation verkennt nicht nur das geltende Sachleistungsprinzip; sie lässt zudem unberücksichtigt, dass die Beklagte in dem Informationsschreiben eine Versorgung mit den Hilfsmittel der Diabetikerversorgung über die neuen Leistungserbringer gerade ohne Rücksicht darauf zugesagt hat, ob den Apothekern zuvor nach § 19 Abs. 1 ALV die Möglichkeit eingeräumt worden ist, ein alternatives Angebot abzugeben. Daraus resultiert zwangslos die Begehungsgefahr, dass die Beklagte eine Versorgung ihrer Versicherten unter Verstoß gegen § 19 Abs. 1 ALV auch vornehmen wird.
b) Unberechtigt ist ebenso der Einwand der Beklagten, über die betreffenden Hilfsmittel zur Diabetikerversorgung seien Preisvereinbarungen getroffen worden, weshalb sie nicht der Vertragsbestimmung des § 19 Abs. 1 ALV unterfallen würden. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 12. Januar 2000 - U(Kart) 10/99 - entschieden, dass nur dann eine Preisvereinbarung im Sinne von § 19 Abs. 1 ALV vorliegt, wenn der Preis in den Preislisten des ALV betragsmäßig festgelegt ist, und dass eine Preisfestlegung in Form eines bestimmten Aufschlags auf den Apothekereinkaufspreis nicht genügt. Daran hält der Senat fest. Dementsprechend kommt es im Entscheidungsfall darauf an, ob es Hilfsmittel zur Diabetikerversorgung gibt, die im ALV nicht betragsmäßig, sondern nur mit einem Aufschlag auf den Einkaufspreis des Apothekers festgelegt sind. Das ist ausweislich der von der Klägerin in zweiter Instanz vorgelegten Unterlagen (Anlagen BB 2, BB 4) der Fall. Das pauschale Bestreiten der Beklagten ist prozesual unbeachtlich (§ 138 Abs. 2 ZPO).
c) Mit den vorstehenden Ausführungen erledigt sich auch der weitere Einwand der Beklagten, es sei nicht dargetan, dass sie die Versorgung über die neuen Leistungserbringer auch in Bezug auf solche Hilfsmittel zur Diabetikerversorgung beabsichtigt habe, für die eine Preisvereinbarung nicht geschlossen worden sei. Denn nach dem Inhalt des Informationsschreibens hat die Beklagte eine Belieferung mit allen Hilfsmitteln zur Diabetikerversorgung über die neuen Leistungserbringer angeboten, und nur für einen Teil der in Betracht kommenden Hilfsmittel existiert eine Preisvereinbarung im Sinne von § 19 Abs. 1 des Arneilieferungsvertrages vom 6. Dezember 1996.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
III.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO.
D... K...
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 30.04.2003
Az: VI-U (Kart) 39/01
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