Oberlandesgericht Schleswig:
Urteil vom 14. Dezember 2006
Aktenzeichen: 11 U 21/06
(OLG Schleswig: Urteil v. 14.12.2006, Az.: 11 U 21/06)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Dezember 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger werden verurteilt, als Gesamtschuldner 6.126,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. September 2005 an die Beklagten als Gesamtgläubiger zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Kläger als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Beklagten als Gesamtgläubigern sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die den Beklagten dadurch entstanden sind und entstehen, dass die Kläger im Vorprozess vor dem Landgericht Itzehoe - Aktenzeichen 6 O 577/02 - zunächst eine unschlüssige Vorschussklage und nicht sogleich eine Schadensersatzklage mit einem Zahlungs- und einem Feststellungsantrag erhoben haben.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 83 % und die Beklagten zu 17 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 29.839,99 € festgesetzt.
Gründe
I.
Wegen der der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das angefochten Urteil (Bl. 107 - 118 d.A.) Bezug genommen. Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten (Bl. 119, 135 d.A.) und begründeten (Bl. 143 d.A.) Berufung haben die Beklagten zunächst beantragt,
unter Abänderung des am 28.12.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Itzehoe
1. die Klage in Höhe weiterer 1.778,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.06.2005 abzuweisen,
2. die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie - die Beklagten - als Gesamtgläubiger 11.361,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2005 zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Kläger verpflichtet sind, als Gesamtschuldner ihnen - den Beklagten - als Gesamtgläubiger den Schaden zu ersetzen, der ihnen aufgrund der am 24.10.2002 durch die erklärte Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung und durch die am 04.12.2002 als Teilklage erhobene Klage entstehen wird.
Im Termin vom 19.09.2006 haben die Beklagten den Feststellungsantrag dahin geändert, dass sie nunmehr beantragen,
festzustellen, dass die Kläger als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihnen - den Beklagten - als Gesamtgläubigern sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die ihnen dadurch entstanden sind und entstehen, dass die Kläger im Vorprozess vor dem Landgericht Itzehoe - Aktenzeichen 6 O 577/02 - zunächst eine unschlüssige Vorschussklage und nicht sogleich eine Schadensersatzklage mit einem Zahlungs- und einem Feststellungsantrag erhoben haben.
Die Kläger begehren eine Zurückweisung der Berufung. Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Anschlussberufung (Bl. 149 d.A.) beantragen sie ferner,
unter teilweiser Änderung des Urteils des Landgerichts Itzehoe vom 28.12.2005, Aktenzeichen 7 O 409/05, die Beklagten zu verurteilen, an sie - die Kläger - 3.478,06 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 10.06.2005 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Anschlussberufung.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache zum überwiegenden Teil Erfolg. Die zulässige Anschlussberufung der Kläger ist unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf die von ihnen begehrte Vergütung in Höhe von 3.478,06 € gegen die Beklagten. Sie haben zwar einen Vergütungsanspruch in Höhe von 1.883,38 € erlangt. Dieser Anspruch ist jedoch gemäß §§ 387 ff BGB durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch auf Schadensersatz in entsprechender Höhe erloschen.
Der Vergütungsanspruch der Kläger kann sich nach der von ihnen erklärten außerordentlichen Kündigung des Mandatsverhältnisses (§ 627 BGB) nur aus § 628 Abs. 1 BGB ergeben. Danach kann der kündigende Dienstverpflichtete grundsätzlich einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen (§ 628 Abs. 1 Satz 1 BGB). Wenn er kündigt, ohne durch ein vertragswidriges Verhalten des anderen Teils dazu veranlasst zu sein, steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben (§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Die Beklagten haben die Kündigung der Kläger nicht durch ein vertragswidriges Verhalten veranlasst. Voraussetzung dafür wäre eine von den Beklagten zu vertretende schwerwiegende Vertragspflichtverletzung, die auch eine Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt hätte (MünchKomm/Henssler, 4. Auflage, § 628 Rn. 14; OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 137). Daran fehlt es.
Die Kläger berufen sich zu Unrecht darauf, dass die Beklagten ihnen eine ordnungsgemäße Erledigung des Auftrags unmöglich gemacht hätten. Anlass für die Mandatsniederlegung der Kläger war, dass die Beklagten die Annahme des Vergleichsvorschlags des Landgerichts Itzehoe im Vorprozess von einer Haftungsübernahmeerklärung der Kläger oder ihrer Haftpflichtversicherung abhängig machten (Bl. 45, 47, 50 d.A.) und dass die Beklagten den Klägern genau vorgeben wollten, wie sie eine Ablehnung des Vergleichsvorschlags gegenüber dem Landgericht formulieren sollten (Bl. 50 R.d.A.). Dadurch haben sie den Klägern eine ordnungsgemäße Mandatwahrnehmung weder unmöglich noch unzumutbar gemacht. Die Weisung der Beklagten zum Vergleichsvorschlag war hinreichend klar. Aus ihren Schreiben vom 03.03.2005, 04.03.2005 und 06.03.2005 (Bl. 45, 47, 50 d.A.) ergab sich ausreichend, dass die Kläger den gerichtlichen Vergleichsvorschlag nur dann annehmen sollten, wenn sie oder ihre Haftpflichtversicherung sich vorab bereit erklärten, den nach dem Abschluss des Vergleichs verbleibenden Schaden der Beklagten zu ersetzen. Anderenfalls sollten sie den Vergleichsvorschlag ablehnen und den Prozess fortführen. Die Kläger wollten die von den Beklagten geforderte Haftungsübernahmeerklärung weder selbst abgeben noch von ihrer Haftpflichtversicherung abgeben lassen. Damit war klar, dass der Vergleichsvorschlag nach der Weisung der Beklagten abzulehnen war. Das wäre den Klägern ohne weiteres möglich gewesen. Es wäre ihnen auch zumutbar gewesen, die Ablehnung gegenüber dem Landgericht so zu formulieren, wie es die Beklagten wünschten. Die Beklagten legten hier letztlich nur Wert auf den Hinweis, dass sie den Vergleichsvorschlag auf Anraten der Kläger ablehnten (Bl. 50 R.d.A.). Das stellte ein berechtigtes Anliegen der Beklagten dar. Ein Mandant hat auch durchaus das Recht, Einfluss auf den Vortrag seines Anwalts zu nehmen (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 15. Auflage, § 13 Rn. 63). Ein vertragswidriges Verhalten ist hier allenfalls dann zu bejahen, wenn der Mandant unzumutbare - wie z.B. völlig unsinnige - Anforderungen an den Anwalt stellt und nach Zurückweisung durch den Anwalt weiterhin auf ihnen beharrt (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert aaO). Dafür sind im vorliegenden Fall keine ausreichenden Anhaltspunkte gegeben. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, weshalb es den Klägern unzumutbar gewesen sein sollte, die Ablehnung des Vergleichsvorschlags gegenüber dem Landgericht so zu formulieren, wie es die Beklagten mit Schreiben vom 06.03.2005 vorgeschlagen haben. Im Übrigen haben die Kläger diesen Vorschlag auch nicht zurückgewiesen, bevor sie das Mandat nieder gelegt haben. Sie haben es lediglich abgelehnt, die mit Schreiben der Beklagten vom 04.03.2005 (Bl. 47 d.A.) gewünschte Erklärung gegenüber dem Landgericht abzugeben. Danach sollten die Kläger dem Landgericht mitteilen, dass die Beklagten an einer Entscheidung über den gerichtlichen Vergleichsvorschlag gehindert wären, bis die Kläger bzw. ihre Haftpflichtversicherung verbindlich bestätigt hätten, dass sie die Beklagten so stellen würden, wie sie ohne das antragsverursachte Verjährungsrisiko stünden. An dieser Weisung haben die Beklagten jedoch nach der Ablehnung der Kläger nicht mehr festgehalten, sondern dann nur noch den zumutbaren Hinweis gewünscht, dass sie den Vergleichsvorschlag auf Anraten der Kläger ablehnten.
Es ist auch nicht als schwerwiegende Vertragsverletzung der Beklagten zu werten, dass sie überhaupt eine Haftungsübernahmeerklärung der Kläger oder ihrer Haftpflichtversicherung gefordert haben. Die Beklagten wollten eine vollständige Befriedigung ihrer im Vorprozess erhobenen Forderung. Nach den verschiedenen Hinweisen des Landgerichts im Vorprozess musste es ihnen zumindest als möglich erscheinen, dass ihre eingeklagte Forderung im Rechtsmittelverfahren zum Teil als verjährt angesehen werden könnte. Damit kam eine Haftung der Kläger ernsthaft in Betracht. Die Kläger hatten den Vorfall ja auch ihrer Haftpflichtversicherung gemeldet und die Beklagten darüber informiert. Im Hinblick darauf lässt sich nicht sagen, dass die Beklagten schuldhaft vertragswidrig gehandelt oder gar haltlose Vorwürfe gegen die Kläger erhoben haben, als sie die Möglichkeit einer zum Schadensersatz verpflichtenden Vertragspflichtverletzung offen angesprochen und diese Möglichkeit in ihre Vergleichsüberlegungen einbezogen haben. Das gilt um so mehr, als die Beklagten zu berücksichtigen hatten, dass ein Vergleichsschluss im Falle einer Teilverjährung ihrer Forderung auch für die Kläger günstiger sein würde als eine Fortsetzung des Vorprozesses, weil ihr Schaden dann durch den Vergleich gemindert werden würde, da der nach dem Vergleichsvorschlag an sie zu zahlende Betrag höher war als der Betrag, den sie bei Annahme einer Teilverjährung in einem streitigen Urteil zugesprochen erhalten würden. Bei dieser Sachlage kam in Betracht, dass die Kläger ihnen eventuell ein Mitverschulden vorwerfen könnten, wenn sie den Vergleichsvorschlag nicht annahmen und den Vorprozess fortsetzten. Auf das Problem der Schadensminderung haben die Beklagten in ihrem Schreiben vom 06.03.2005 (Bl. 50 d.A.) ausdrücklich hingewiesen. Unter diesen Umständen war es ein durchaus berechtigtes Anliegen der Beklagten, den Vergleichsschluss von einer Haftungsübernahmeerklärung der Kläger abhängig zu machen.
Bei der demnach nicht durch ein vertragswidriges Verhalten der Beklagten veranlassten Kündigung entfällt grundsätzlich der Anspruch der Kläger auf die von ihnen geltend gemachten Gebühren nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BRAGO, soweit sie auch bei den nach der Mandatsniederlegung von den Beklagten beauftragten Anwälten entstanden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (JurBüro 1984, 1659; NJW 1982, 437; WM 1977, 369) ist regelmäßig anzunehmen, dass die bisherigen Leistungen eines Anwalts infolge der Kündigung für den Mandanten kein Interesse mehr haben, wenn der Mandant einen anderen Anwalt mit seiner Vertretung beauftragen und an diesen die gleichen Gebühren noch einmal in voller Höhe entrichten muss (so auch Gerold/Schmidt/v.Eicken/-Madert, BRAGO, 15. Auflage, § 13 Rn. 62; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Auflage, § 13 Rn. 49). In solchen Fällen sind die Leistungen des ersten Anwalts für den Mandanten in der Regel wirtschaftlich wertlos, weil er dem zweiten Anwalt eine Vergütung für entsprechende Leistungen zahlen muss. Ein Interessenwegfall ist hier aber ausnahmsweise dann zu verneinen, wenn einzelne Tätigkeiten des ersten Anwalts für den Mandanten einen bleibenden Wert haben - wie z.B. die Einlegung eines fristgebundenen Rechtsmittels, das der zweite Anwalt infolge Fristablaufs nicht mehr mit Erfolg einlegen könnte (OLG Karlsruhe MDR 1994, 519; KG Berlin NJW-RR 2002, 708; Erman, 10. Auflage, § 628 Rn. 12). Der Anwalt behält ferner den Anspruch auf diejenigen Gebühren, die bei dem zweiten Rechtsanwalt nicht entstehen (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 15. Auflage, § 13 Rn. 62).
Die vorstehenden Ausführungen zu den Anwaltsgebühren gelten entsprechend für die Auslagenpauschale nach § 26 Satz 2 BRAGO, weil sie in einem Rechtszug nur einmal anfällt und alle hier angefallenen Post- und Telekommunikationsleistungen des Anwalts abgilt. § 628 Abs. 1 BGB ist nicht nur auf die eigentlichen Dienste des Rechtsanwalts anwendbar, sondern auch auf die damit verbundenen Maßnahmen und Aufwendungen - wie z.B. eine Reise zu Gerichtsterminen und Auslagen (vgl. Staudinger/Preis, Neubearbeitung 2002, Rn. 18).
Nach diesen Grundsätzen ist nur der Anspruch der Kläger auf die Prozessgebühr nach §§ 6, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und 1/2 Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO nicht entfallen.
Die spätestens mit der Klageerhebung im Vorprozess entstandene Prozessgebühr hatte für die Beklagten einen bleibenden Wert im vorstehend genannten Sinne. Dadurch ist die Verjährung ihres Schadensersatzanspruchs gegen die L GbR unterbrochen worden. Diese Unterbrechungswirkung hätte durch die späteren Prozessbevollmächtigten nicht mehr herbeigeführt werden können, weil die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt ihrer Beauftragung bereits abgelaufen war.
Die Beweisgebühr ist bei den nach der Mandatsniederlegung beauftragten Prozessbevollmächtigten zwar nicht gesondert entstanden. Die Kläger haben aber gleichwohl keinen Anspruch auf die volle Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erlangt, weil die Beklagten auch an die später beauftragten Rechtsanwälte eine Vergütung für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren zu zahlen haben, auch wenn diese Rechtsanwälte eine solche Tätigkeit tatsächlich nicht entfalten haben. Die später beauftragten Rechtsanwälte sind nach dem RVG zu vergüten. Danach wird die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren durch die Verfahrens- und Termingebühr mit abgegolten. Im Hinblick darauf muss durch eine Gegenüberstellung der konkret angefallenen Gesamtgebühren ermittelt werden, inwieweit die Beklagten für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren doppelt zahlen müssten. Nach altem Recht (§ 31 Abs.1 Nr. 1 - 3 BRAGO) sind für die Vertretung im Prozess einschließlich der Beweisaufnahme (ohne den hier nicht interessierenden Vergleich) insgesamt 3 Gebühren entstanden, nach neuem Recht (Nr. 3100 und 3104 VV/RVG) 2,5 Gebühren. Bei den später beauftragten Rechtsanwälten ist demnach für die Gesamtvertretung 1/2 Gebühr weniger angefallen. Die Kläger haben deshalb einen Anspruch auf die nicht doppelt entstandene 1/2 Gebühr (451,00 € zuzüglich 72,16 MWSt = 523,16 €) erlangt.
Hinzu kommt die Prozessgebühr in Höhe von 1.360,22 € einschließlich MWSt, so dass ein Vergütungsanspruch in Gesamthöhe von 1.883,38 € entstanden ist.
Auf die Höhe der Vergütung kommt es letztlich aber nicht an, weil die Beklagten gegen die Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der von den Klägern zu beanspruchenden Gebühren erlangt haben, mit dem die Beklagten die Hilfsaufrechung erklärt haben.
Die Kläger haben ihren Vergütungsanspruch nicht wegen Verletzung eigener Pflichten verwirkt. Eine Verwirkung entsprechend § 654 BGB kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1981, 1211) nur im Falle des vorsätzlichen Parteiverrats in Betracht. Ein solcher ist hier nicht gegeben.
Im Übrigen lässt die Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrags den anwaltlichen Vergütungsanspruch grundsätzlich unberührt. Es kann allenfalls die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB) gegeben sein, wenn die Leistung des Anwalts grob fehlerhaft, unvollständig und insgesamt unbrauchbar ist (OLG Koblenz NJW-RR 2003, 274). Auch das lässt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht feststellen.
Der Vergütungsanspruch der Kläger ist auch nicht gemäß §§ 387 ff BGB durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch auf Schadensersatz nach § 627 Abs. 2 Satz 2 BGB erloschen. Ein Schadensersatzanspruch nach dieser Vorschrift besteht allenfalls dann, wenn ein Anwalt in der Art kündigt, dass sich der Mandant weiterhin erforderliche anwaltliche Dienste nicht (rechtzeitig) anderweit beschaffen kann. Anhaltspunkte dafür sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Beklagten machen insbesondere selbst nicht geltend, dass ihren späteren Prozessbevollmächtigten im Vorprozess keine ausreichende Zeit für eine sachgerechte Beratung zur Verfügung gestanden habe.
Die Vergütungsforderung der Kläger ist aber durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch der Beklagten nach § 280 Abs. 1 BGB (Beauftragung der Kläger im Mai 2002) wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags erloschen.
Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats zwar mit zutreffender Begründung angenommen, dass die Kläger ihre anwaltlichen Pflichten nicht dadurch verletzt haben, dass sie die Verjährung des Anspruchs der Beklagten auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten gegen die L GbR nicht rechtzeitig durch Klageerhebung verhindert haben (zur Verjährungsproblematik vgl. auch MünchKomm/Grothe, 4. Auflage, § 209 Rn. 12 m.w.N.). Diese Frage bedarf aber letztlich keiner abschließenden Erörterung, weil die Kläger ihre anwaltlichen Pflichten zumindest dadurch schuldhaft verletzt haben, dass sie im Vorprozess zunächst eine unschlüssige Vorschussklage und nicht sogleich eine Schadensersatzklage mit einem Zahlungs- und einem Feststellungsantrag erhoben haben. Die Kläger hätten von Anfang an eine entsprechende Schadensersatzklage erheben müssen, weil es sich dabei um den sichersten Weg handelte und die Kläger verpflichtet waren, den sichersten Weg zu wählen (zur Wahl des sichersten Wegs vgl. Palandt/Heinrichs, 65. Auflage, § 280 Rn. 69 m.w.N.). Die Verjährungsfrage war nicht so eindeutig zu beurteilen, wie das Landgericht im angefochtenen Urteil angenommen hat. Schon die unterschiedlichen Auffassungen der verschiedenen Richter im Vorprozess belegen das Gegenteil. Der Bundesgerichtshof hat einen vergleichbaren Fall - soweit ersichtlich - auch noch nicht entschieden.
Unerheblich ist dagegen, ob der sicherste Weg eigentlich darin bestanden hätte, ein Beweissicherungsverfahren einzuleiten, und ob die Beklagte dies abgelehnt haben. Denn das hätte die Kläger nicht von der Verpflichtung entbunden, unter den verbleibenden Wegen den sichersten zu wählen.
Die Pflichtverletzung der Kläger war auch ursächlich für den von den Beklagten geltend gemachten Schaden in Höhe der entstandenen Vergütung der Kläger. Nach dem hier anwendbaren Beweismaßstab des § 287 ZPO (vgl. Palandt/Heinrichs, 65. Auflage, vor § 249 Rn. 172) kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagten den Vorprozess fortgeführt und gewonnen hätten, wenn die Kläger sogleich eine Schadensersatzklage mit einem Zahlungs- und einem Feststellungsantrag erhoben und so die Verjährungsproblematik vermieden hätten. Aus dem vorprozessualen Schriftverkehr der Parteien (Bl . 42 ff, 81 ff d.A.) ergibt sich hinreichend, dass die Beklagten den Abschluss eines Vergleichs gerade wegen der Verjährungsproblematik und der deshalb nach der im Hinweis vom 18.02.2005 (Bl. 43 d.A.) geäußerten Einschätzung des Landgerichts zu befürchtenden Verfahrensverzögerung erwogen haben. Mögliche Verzögerungen wegen einer weiteren Beweisaufnahme spielten danach - soweit ersichtlich - keine entscheidende Rolle, auch wenn die Kläger heute den gegenteiligen Eindruck zu erwecken versuchen (vgl. Bl. 75 d.A.). Das Landgericht hatte in seinem Hinweis vom 18.02.2005 ausdrücklich ausgeführt, dass es den Vorprozess in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht für €abschließend aufbereitet€ hielt. Im Hinblick darauf ist der Schluss gerechtfertigt, dass die Beklagten den Vergleich voraussichtlich nicht geschlossen hätten, wenn die Verjährungsproblematik nicht bestanden hätte. Die Anhörung des Beklagten zu 2. hat keinerlei Anhaltspunkte für einen abweichenden Geschehensablauf ergeben. Der Beklagte zu 2. hatte nach eigenen Angaben vielmehr nur in Erinnerung, dass die Verjährungsproblematik und das damit nach Einschätzung des Landgerichts verbundene Prozessrisiko seine Entscheidung maßgebend beeinflusst haben. Wenn die Verjährungsproblematik nicht bestanden hätte, dann hätten die Beklagten im Vorprozess nach dem - insoweit übereinstimmenden - Vortrag der Parteien vollständig obsiegt, ihre Gegner hätten die Vergütung der Kläger gemäß § 91 ZPO vollständig erstatten müssen und den Beklagten wäre kein Schaden in entsprechender Höhe entstanden.
Gegen die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung der Kläger für den Vergleichsschluss spricht auch nicht, dass die Beklagten zur Zeit der Vertretung durch die Kläger noch nicht zu einem Vergleich bereit waren, obwohl sie damals schon über die Pflichtverletzung und deren Folgen informiert waren. Die Beklagten haben vielmehr durch ihre Schreiben vom 03.03.2005 und 04.03.2005 (Bl. 45 ff d.A.) deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Annahme des Vergleichsvorschlags des Landgerichts für sie nur im Hinblick auf die Verjährungsproblematik und das damit verbundenen Prozessrisiko in Betracht kam und dass sie es deshalb eigentlich den dafür verantwortlichen Klägern überlassen wollten, den Vergleichsvorschlag anzunehmen und zugleich eine Haftungsübernahmeerklärung abzugeben oder den Vergleichsvorschlag abzulehnen. Nach der Beratung durch ihre später beauftragten Prozessbevollmächtigten haben die Beklagten dann zwar auf eine vorherige Haftungsübernahmeerklärung der Kläger verzichtet. Es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie nunmehr auch durch andere Gründe als die Verjährungsproblematik zu dem Vergleichsschluss veranlasst worden sein könnten.
Die Beklagten hätten nach Auffassung des Senats zwar auch dann keinen Schaden in Höhe der Vergütung der Kläger erlitten, wenn sie dem Rat der Kläger gefolgt wären und den Rechtsstreit ungeachtet der Verjährungsproblematik fortgeführt und keinen Vergleich geschlossen hätten. Das ändert aber nichts daran, dass die Kläger den besagten Schaden der Beklagten durch ihre Pflichtverletzung zurechenbar verursacht haben, weil sie dadurch den Vergleichsschluss herausgefordert haben (zur Herausforderung vgl. Palandt/Heinrichs, 65. Auflage, vor § 249 Rn. 77). Nach dem Hinweis des Landgerichts vom 18.02.2005 mussten die Beklagten wegen der Verjährungsproblematik mit einer €Ausschöpfung des Rechtswegs bis hin zum BGH€ rechnen. Die damit eventuell verbundene Verfahrensverzögerung mussten die Beklagten nicht hinnehmen, zumal sie das streitgegenständliche Hausgrundstück verkaufen wollten und deshalb ein besonderes (berechtigtes) Interesse an einer zügigen Beendigung des Rechtsstreits hatten. Sie durften im Hinblick auf die unterschiedlichen Hinweise der verschiedenen zuständigen Richter im Vorprozess ferner davon ausgehen, dass die Verjährungsproblematik keinesfalls so eindeutig zu beurteilen war, wie von den Klägern dargestellt, und dass die Fortführung des Prozesses daher auch für sie mit einem Risiko verbunden war. Unter diesen Umständen durften sich die Beklagten durch die Pflichtverletzung der Kläger herausgefordert fühlen, den Rechtsstreit durch den vom Landgericht vorgeschlagenen Vergleich zu beenden.
Im Übrigen wäre der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung der Kläger und dem Vergleichsschluss selbst dann nicht unterbrochen worden, wenn es nicht sachgerecht gewesen wäre, den Vergleich wegen der Verjährungsproblematik zu schließen. Entsprechende Fehlleistungen eines Mandanten unterbrechen den Zurechnungszusammenhang grundsätzlich nicht, wenn der Rechtsanwalt durch seine Pflichtverletzung eine gesteigerte Gefahrenlage geschaffen hat, bei der solche Fehlleistungen erfahrungsgemäß vorkommen (BGH NJW 1995, 451; Palandt/Heinrichs aaO, vor § 249 Rn. 77). Diese Voraussetzungen hätten hier zumindest vorgelegen. Dabei ist unerheblich, ob die - insoweit nur unterstellte - Fehlleistung der Beklagten gegebenenfalls aufgrund fehlerhafter Beratung durch ihre später beauftragten Prozessbevollmächtigten erfolgt wäre. Fehler dieser Prozessbevollmächtigten hätten allenfalls dazu geführt, dass die Beklagten auch gegen sie einen Anspruch auf Schadensatz erlangt hätten. Die Kläger und die später beauftragten Rechtsanwälte hätten dann gemäß § 421 BGB als Gesamtschuldner für die von ihnen beiden verursachten Schäden gehaftet.
Der Zahlungsantrag aus der Widerklage ist lediglich in Höhe von 6.126,53 € begründet.
Die Beklagten haben gemäß § 280 Abs. 1 BGB gegen die Kläger einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die sie aufgrund des Vergleichsschlusses im Vorprozess zu tragen hatten, weil sie durch die Pflichtverletzung der Kläger zu diesem Vergleich herausgefordert wurden und ohne die Pflichtverletzung keinen Vergleich geschlossen, den Vorprozess gewonnen und damit im Vorprozess keine Kosten zu tragen gehabt hätten.
Nach dem Vergleich hatten die Beklagten 1/3 der Kosten des Vorprozesses und der Kosten der Nebenintervention zu tragen. Nach den hier ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen (Bl. 55 und 103 f d.A.) beliefen sich die von den Beklagten nach dem Vergleich zu tragenden Kosten ( ohne ihre eigenen Anwaltskosten) auf insgesamt 5.142,24 €:
1/3 der außergerichtlichen Kosten der Gegner (4.522,34 €):
1.507,46 €
1/3 der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin (3.628,00 €):
1.209,33 €
1/3 der Gerichtskosten (7.276,34 €):
2.425,45 €
insgesamt:
5.142,24 €
Die Beklagten haben gemäß § 280 Abs. 1 BGB auch einen Anspruch auf Ersatz der gesamten Kosten, die ihnen nach der Mandatsniederlegung der Kläger im Vorprozess durch die Beauftragung weiterer Anwälte entstanden sind, weil die Beauftragung weiterer Anwälte ebenso wie der Vergleich im Vorprozess durch die Pflichtverletzung der Kläger herausgefordert wurde. Die Beklagten hätten den Vergleich gemäß § 78 Abs. 1 ZPO nicht ohne Anwälte schließen können. Der Beauftragung weiterer Anwälte hätte es im Übrigen auch nicht bedurft, wenn die Kläger pflichtgemäß gehandelt hätten, weil es dann voraussichtlich nicht zu dem Streit der Parteien gekommen wäre.
Durch die Beauftragung der weiteren Anwälte sind Gebühren und Auslagen in Gesamthöhe von 2.743,63 € (Bl. 29 d.A.) entstanden. Außerdem haben diese Anwälte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2006, 157) einen Anspruch auf eine Terminsgebühr (1,2 x 902,00 € zuzüglich 16 % MWSt = 1.255,58 €) erlangt, auch wenn der Vergleich im Vorprozess nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommen ist und die weiteren Anwälte im Vorprozess keinen Termin für die Beklagten wahrgenommen haben. Demnach beträgt die von den weiteren Anwälten zu beanspruchende Gesamtvergütung 3.999,21 €.
Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits ist unerheblich, ob der Vergütungsanspruch dieser Rechtsanwälte bereits fällig ist, weil der Schaden der Beklagten schon darin besteht, dass der Vergütungsanspruch gegen sie entstanden ist.
Die vorstehenden Schadenspositionen (5.142,24 € und 3.999,21 €) ergeben zusammen einen Betrag von 9.141,45 €.
Davon sind die 2/3 der außergerichtlichen Kosten in Abzug zu bringen, welche den Beklagten von den Gegnern und der Nebenintervenientin im Vorprozess zu erstatten waren (2/3 von 4.522,38 € = 3.014,92), weil die Beklagten in dieser Höhe keinen Schaden erlitten haben. Demnach verbleibt ein von den Klägern zu ersetzender Schaden in Höhe von 6.126,53 €.
Der Zinsanspruch folgt im zugesprochenen Umfang aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Rechtshängigkeit der Widerklage trat am 30. September 2005 ein.
Die Widerklage kann dagegen keinen Erfolg haben, soweit die Beklagten hier einen Anspruch auf Ersatz in Höhe der Vergütung der Kläger geltend machen. Dieser Anspruch ist durch Aufrechung erloschen. Bei der Schadensberechnung zur Widerklage war die Vergütung der Kläger daher nicht mehr zu berücksichtigen, sondern nur noch die Vergütung der später beauftragten Rechtsanwälte (3.999,21 €).
Der Feststellungsantrag aus der Widerklage ist zulässig und begründet.
Die Zulässigkeit der hier vorgenommenen Antragsänderung begegnet keinen Bedenken. Dabei kann offen bleiben, ob die Antragsänderung eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO beinhaltet. Der geänderte Feststellungsantrag ist jedenfalls gemäß § 533 ZPO zulässig. Die Zulassung der darin möglicherweise liegenden Klageänderung erscheint als sachdienlich, weil dadurch ein weiterer Prozess mit identischem Prozessstoff vermieden wird. Der geänderte Antrag kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen hat.
Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse der Beklagten an der von ihnen begehrten Feststellung der Ersatzpflicht der Kläger ist gegeben, weil den Beklagten infolge der Pflichtverletzung der Kläger weitere Schäden entstehen können, die sie derzeit noch nicht beziffern können. Die Beklagten haben die im Vorprozess streitgegenständlichen Mängel noch nicht beseitigen lassen. Nach dem im Vorprozess eingeholten Sachverständigengutachten besteht die Möglichkeit, dass die aufgrund des Vergleichs an die Beklagte gezahlten 24.000,00 € nicht ausreichen werden, um die Mängelbeseitigung zu finanzieren.
Etwaige weitere Mängelbeseitigungskosten wären gemäß § 280 Abs. 1 BGB von den Klägern zu ersetzen, weil die Beklagten die L GbR ohne die Pflichtverletzung der Kläger erfolgreich auf Ersatz dieser Kosten in Anspruch genommen hätten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 543, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
OLG Schleswig:
Urteil v. 14.12.2006
Az: 11 U 21/06
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