Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Oktober 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 137/01

(BPatG: Beschluss v. 25.10.2001, Az.: 25 W (pat) 137/01)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung AIVIT ist am 31. Oktober 1995 für eine Vielzahl von Waren ua "Pharmazeutische Erzeugnisse" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 20. Februar 1996.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der seit dem 26. November 1998 für "vitaminhaltige Tiernahrungsmittel; Vitaminpräparate in Form von Brausetabletten, Pulvern, Granulaten, Bonbons, Kaubonbons, Emulsionen, Dragees, Kapseln, Tropfen, mit und ohne Mineralstoffzusätzen" eingetragenen Marke 2 105 267 Addivit.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch einen Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes vom 4. Oktober 2000 die Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Auch soweit die Marken nach der hier maßgeblichen Registerlage teilweise zur Kennzeichnung markenrechtlich identischer oder doch hochgradig ähnlicher und von einem breiten Publikum erwerbbarer Waren verwendet werden könnten und jedenfalls insoweit wegen des anzunehmenden normalen Schutzumfanges der Widerspruchsmarke strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen seien, wiesen die Marken keine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit auf.

Von wesentlicher Bedeutung sei, daß den jeweiligen, auf den vorliegenden Warengebieten außerordentlich häufig verwendeten Bestandteilen "vit" eine wesentliche Kennzeichnungsschwäche anhafte und der Gesamteindruck der Marken wesentlich von den unterschiedlichen Wortanfängen "Addi" und "Al" bestimmt werde, denen der Verkehr auch seine besondere Aufmerksamkeit schenke. Die Schriftbilder wichen aufgrund der unterschiedlichen Wortlängen - insbesondere auch der Dopplung des "dd" in der Widerspruchsmarke - und Buchstabenbestände sowie der in Normalschrift charakteristischen Oberlängen der Widerspruchsmarke gerade in den vorderen Wortteilen hinreichend voneinander ab. Im Klangbild sorgten die Unterschiede in der Silbenanzahl und im Konsonantengehalt sowie im vokalischen Klang, der nur in der angegriffenen Marke einen Doppellaut enthalte, für einen ausreichenden Abstand, wobei der in "Addi" liegende, leicht erkennbare begriffliche Hinweis auf "additiv, Addition" zusätzlich verwechslungsmindernd wirke.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle vom 4. Oktober 2000 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Es sei von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und davon auszugehen, daß auch der jeweilige Bestandteil "vit" für die klangliche Prägung beider Marken trotz seines auf "Vitamin" oder "vita" hinweisenden Sinngehalts für die Beurteilung des Gesamteindrucks nicht nur von untergeordneter Bedeutung sei. Da auch die zusätzlichen, in der Widerspruchsmarke enthaltenen Konsonanten "dd" weich klängen und insbesondere bei einer schnelleren, flüchtigen Sprechweise häufig verschluckt würden und iü klanglich kaum hervorträten, während die für den Klangcharakter wesentliche Vokalfolge der Marken identisch sei, bestehe Verwechslungsgefahr, zumal die Marken nicht nebeneinander aufzutreten pflegten und auf das undeutliche Erinnerungsbild des Verkehrs abzustellen sei.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt (sinngemäß), die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Die Markenstelle habe zu Recht den Widerspruch zurückgewiesen und zutreffend festgestellt, daß der gemeinsamen Silbe "vit" wegen der außerordentlich häufigen Verwendung der hier in erster Linie berührten Warengebiete und der sachhinweisenden Bedeutung nur eine geringe kennzeichnende Bedeutung gegenüber den sich schriftbildlich und phonetisch deutlich unterscheidenden, jeweils am Wortfang stehenden weiteren Markenbestandteilen zukomme und deshalb keine Verwechslungsgefahr bestehe. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, daß die Widerspruchsmarke mit den Anfangssilben "Addi" für "Addition, additiv" auch begrifflich eine zusätzliche Unterscheidungshilfe biete.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG). Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet, da auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Der Widerspruch ist deshalb zu Recht in den angefochtenen Beschlüssen zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer ursprünglichen durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einem normalen Schutzumfang aus, auch wenn sich insbesondere der Bestandteil "vit" wegen seiner üblichen Verwendung als Hinweis für "Vitamin" oder "vita" nicht nur nach der Registerlage, sondern insbesondere aufgrund seiner tatsächlichen, vielfachen Verwendung in Drittmarken als kennzeichnungsschwach erweist (vgl hierzu PAVIS PRO-MA, Knoll, BPatG 25 W (pat) 256/94 - Spidivit # VIVIVIT und PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 25 W (pat) 99/93 - Hermevit # HAARVIT; PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 25 W (pat) 144/98 -BONVIT # BIOVIT; zur Bedeutung der Registerlage Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 144; BGH GRUR 1999, 241; 243 - Lions; BGH GRUR 1967, 246, 250 und 251 - Vitapur). Denn aus einer damit verbundenen isolierten Kennzeichnungsschwäche kann nicht ohne weiteres auf die allein maßgebende Kennzeichnungskraft der Gesamtbezeichnung geschlossen werden, zumal der deutlich kennzeichnungsstärkere Anfangsbestandteil "Addi" hiermit eine hinreichend phantasievolle und Eigenprägung aufweisende Wortzusammensetzung bildet. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß die Bildung sogenannter "sprechender Marken", welche durch Wirkstoff- und/oder Anwendungsangaben jedenfalls ihre stoffliche Beschaffenheit und /oder ihren Verwendungszweck erkennen lassen, üblich ist (vgl für den Arzneimittelbereich zB BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin).

Danach sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Markenabstand wegen der nach der Registerlage teilweise möglichen Warenidentität und der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr uneingeschränkt im Vordergrund stehenden allgemeinen Verkehrskreise jedenfalls insoweit strenge Anforderungen zu stellen, wobei allerdings auch insoweit grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Auch unter Berücksichtigung dieser Anforderungen an den Markenabstand ist auch nach Auffassung des Senats die Ähnlichkeit der Marken in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Die angegriffene Marke hält vielmehr in jeder Hinsicht noch einen ausreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.

Wie bereits die Markenstelle in dem angegriffenen Beschluß zutreffend ausgeführt hat, unterscheiden sich die Markenwörter in klanglicher Hinsicht bereits deutlich durch die jeweils abweichenden Anfangsbestandteile "Ai" und "Addi". Diese sind selbst bei ungünstigeren Übermittlungsbedingungen oder etwas undeutlicherer Aussprache der Wörter wegen der in der Widerspruchsmarke zusätzlich vorhandenen Doppelkonsonanten auch im jeweiligen Gesamteindruck der Wörter gut vernehmbar und gewährleisten ihre sichere Unterscheidung. Dem steht nicht entgegen, daß die jeweiligen Endbestandteile "vit" identisch sind, da diesen wegen ihres insbesondere im Bereich möglicher Warenidentität warenbeschreibenden Charakters und ihrer häufigen Verwendung als Markenbestandteil im jeweiligen Gesamteindruck nur untergeordnete kennzeichnende Bedeutung zukommt, zumal losgelöst von einer bestehenden Kennzeichnungsschwäche Endbestandteilen von Wörtern regelmäßig weniger Bedeutung zukommt als Anfangsbestandteilen, da der Verkehr erstere erfahrungsgemäß weniger beachtet (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 97).

Ebenso weisen die Marken im Schriftbild in jeder üblichen Schreibweise bereits aufgrund der deutlich abweichenden Wortlänge und Kontur der Buchstaben einen hinreichenden Abstand auf, wobei in Normalschrift oder bei handschriftlicher Wiedergabe die zusätzlichen Oberlängen in der Widerspruchsmarke weitere Unterscheidungshilfen bieten, zumal das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

In ihrer Gesamtheit reichen jedenfalls die bereits von der Markenstelle aufgezeigten Unterschiede der Wörter aus, trotz strenger Anforderungen und des zu berücksichtigenden Unterscheidungsvermögens von Laien eine sichere Unterscheidung nach dem jeweiligen Gesamteindruck der Wörter zu gewährleisten, auch wenn zu berücksichtigen ist, daß die Verkehrsauffassung regelmäßig nicht von einer gleichzeitigen Wahrnehmung der Zeichen, sondern meist eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints; vgl Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 86). Ob die Anfangssilbe der Widerspruchsmarke vom Verkehr in beachtlichem Umfang als Hinweis auf "Addition" bzw "additiv" erkannt wird und deshalb eine zusätzliche begriffliche Unterscheidungshilfe bietet, kann vorliegend dahingestellt bleiben.

Nach alledem erweist sich die Beschwerde der Widersprechenden als unbegründet und war zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Brandt Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 25.10.2001
Az: 25 W (pat) 137/01


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