Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. August 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 131/99
(BPatG: Beschluss v. 02.08.2000, Az.: 29 W (pat) 131/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Januar 1999 aufgehoben.
Gründe
I Die Wortmarke
"OfficeFlow"
soll für die Waren und Dienstleistungen
"Apparate und Instrumente für die Schwachstromtechnik, nämlich die Nachrichten-, Hochfrequenz- und Regelungstechnik; Computer und Datenverarbeitungsgeräte; mit Programmen versehene Datenverarbeitungsträger aller Art; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Photographien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate), insbesondere Bedienungsanleitungen und Software-Handbücher; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Erstellen von Computerprogrammen; Vermietung von Datenverarbeitungsanlagen; Erstellen von technischen Gutachten, insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und Büroorganisation"
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluß vom 29. Januar 1999 zurückgewiesen. Der Eintragung der angemeldeten Marke stehe für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen ein Freihaltungsbedürfnis entgegen. Außerdem fehle der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft. Die Wortbestandteile "Office" und "Flow", aus denen sich die Marke zusammensetze, seien auch den angesprochenen deutschen Verkehrskreisen bekannt. "Office" sei das englische Wort für "Büro, Amt, Aufgabe", das im Bereich der datenverarbeitenden Büroorganisation verwendet werde, so etwa im Ausdruck "Office-Pakete", der umfangreiche Software-Pakete mit Anwendungen für den Büro- und Verwaltungsbereich bezeichne. "Flow" bedeute insbesondere auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung "Fluß" oder "Ablauf" und komme in zusammengesetzten Wörtern wie bei "Cashflow, dataflow, workflow" vor. Die Marke in ihrer Gesamtheit werde somit im Sinne von "Bürofluß", "Büroablauf", d.h. als Hinweis auf die Bestimmung oder Eigenschaften der angemeldeten Waren und Dienstleistungen, verstanden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die angemeldete Wortkombination sei weder freihaltungsbedürftig noch fehle ihr jegliche Unterscheidungskraft. Es sei fraglich, ob die angesprochenen Verkehrskreise die Marke zergliedern und die Wortteile mit "Büro" und "fließen", "Ablauf", übersetzten würden. Selbst wenn dies geschehe, erfordere es jedoch mehrere gedankliche Schritte, um diesen Wörtern eine beschreibende Angabe für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu entnehmen, denn die Wortfolge in ihrer Gesamtheit beinhalte keine klare Aussage, sondern bleibe unscharf. Die von der Markenstelle zitierten Begriffe "Office Management" und "Office Paket" seien eingeführt und mit der angemeldeten Wortkombination nicht zu vergleichen.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung und die Amtsakte 398 22 430.7 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. An der angemeldeten Marke läßt sich weder ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) feststellen noch fehlt ihr jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Ein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Wortzusammensetzung ist nicht ersichtlich. Das zusammengesetzte Wort, das in seiner Gesamtheit zu beurteilen ist (vgl. dazu BGH GRUR 1995, 269, 270 - "U-KEY"; GRUR 1995, 408 "PROTECH"; GRUR 1997, 627, 628 "à la carte"), stellt keinen hinreichend konkreten sprachüblich beschreibenden Hinweis auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen dar.
Ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis kann nicht nachgewiesen werden. Bei einer Recherche in größeren allgemeinen Wirtschafts-, Computer- und Software-Lexika sowie in einschlägigen Zeitschriften konnte die angemeldete Wortzusammensetzung nicht festgestellt werden. Bei einer Internet-Recherche des Senats fanden sich zwar einzelne Nachweise für das Wort "OfficeFlow", das jedoch ausschließlich in der Bezeichnung für ein bestimmtes Programm (FAVORIT-OfficeFlow) eines bestimmten Anbieters (debis-Systemhaus) vorkommt, die in vielen Fundstellen durch Hinzufügung eines ¨ als markenmäßige Kennzeichnung erkennbar gemacht ist.
Auch ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis kann nicht festgestellt werden. Anhaltspunkte dafür, daß Dritte künftig ein legitimes Interesse an der werblichen Verwendung des angemeldeten Worts für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen haben könnten, sind nicht ersichtlich. An ein solches potentielles Freihaltungsbedürfnis sind strenge Anforderungen zu stellen. Es sind konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende Entwicklung erforderlich, die bloße theoretische Möglichkeit genügt nicht (vgl. BGH GRUR 1990, 517, 518 "SMARTWARE"; 1992, 515, 516 "VAMOS").
Zwar kann die Marke rein schematisch mit "Büroablauf" übersetzt werden. Jedoch ist eine solche Begriffsneubildung unüblich und nicht aussagekräftig. Die existierenden Begriffe, die "Flow" enthalten, beziehen sich alle auf bestimmte, relativ genau definierte Vorgänge oder Gegenstände, die fließen, sich bewegen, ablaufen oder transferiert werden können (Geld, Daten, Arbeit usw.; vgl. dazu auch Duden Oxford Großwörterbuch Englisch, Dudenverlag 1990; Pons Collins Großwörterbuch Deutsch Englisch Englisch Deutsch, Klett 1999, jeweils Stichwort "flow" sowie Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl.). So gibt es etwa die Begriffe "flow of Water, flow of blood, flow of air, flow of money, flow of electricity, flow of traffic, flow of news, flow of information, flow of words" etc. oder auch die von der Markenstelle genannten Wörter "cashflow, dataflow und workflow". Um einen solch relativ genau definierten Gegenstand oder einen Parameter, der fließt, abläuft oder transferiert werden kann, handelt es sich bei "Office" (= Büro, Behörde, Amt) nicht. Ein Büro oder ein Amt als solches, auch wenn man es als Organisationseinheit sieht, kann nicht fließen, sich bewegen oder ablaufen. Lediglich Akten, Informationen, Personal innerhalb eines Büros bzw einer Behörde usw können sich bewegen oder fließen und Arbeitsvorgänge können ablaufen. Die Wortzusammensetzung "OfficeFlow" fällt daher aus dem Rahmen üblicher Begriffsbildungen. Die genaue Bedeutung dieses Wortes ergibt sich auch nicht ohne kompliziertere Überlegungen. Ein Büro oder eine Behörde beinhaltet eine solche Menge unterschiedlichster Tätigkeiten, die ablaufen und Dinge, die sich bewegen, fließen, oder transferiert werden können, daß die Marke keine genauen Rückschlüsse auf den Gegenstand oder die Eigenschaften der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen erlaubt. Die von der Markenstelle aufgeführten Wortzusammensetzungen "Office Management" und "Office Paket" sind mit der angemeldeten Marke nicht vergleichbar, denn es handelt sich um eingeführte, durch Sprachgebrauch fest definierte Begriffe. Außerdem stellen "Management" und "Paket" in sprachüblichen Wortverbindungen im allgemeinen im Zusammenhang mit "Office" fester umrissene Begriffe dar als "flow".
Bei dieser Ausgangslage ist auch die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) gegeben. Da - wie bereits oben ausgeführt - der Verkehr mit der angemeldeten Marke in Bezug auf die Waren nach Art eines "sprechenden Zeichens" nur ungenaue, diffuse Assoziationen verbindet, fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Verkehr die Marke als reinen Sachhinweis und nicht als betriebliche Herkunftskennzeichnung auffassen wird (vgl. BGH GRUR 1997, 627, 628 "à la carte").
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Beschluss v. 02.08.2000
Az: 29 W (pat) 131/99
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